Kortum 1789 Verteidiget

From Theatrum Paracelsicum
Karl Arnold Kortum,
Verteidiget die Alchimie
1789

Text 1

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§. 57. Es schadet der Wahrheit der Geschichte der lullianischen Goldmachung auch nicht, wenn Hr. Wiegleb vorgibt: „es urteile auche Paracelsus: Lullium hoc aurum ex quo Rosenobel facti, falso fabricasse putari.“ Das heißt: man meine, daß das lullianische Gold, aus welchen die Rosenobel gemacht worden, falsch sei. Es kann nun wol sein, daß die Franzosen als Feinde der Engländer so etwas damals ausgesprengt hatten, daß aber Paracelsus selbst solches geglaubt haben solle, davon steht doch hier nichts; er sagt solches nur von andern *).

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*) Gesezt aber, es hätte Paracelsus den Lullius und dessen Gold getadelt, so hindert doch solches bei so vielen andern
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guten Zeugnissen der Warheit nichts. Es ist bekannt, wie gerne Paracelsus andre tadelte, um sich selbst zu erheben. Schon Crollius in praefat. ad basilic. chimiam macht die Anmerkung: Lullius sei ein göttlicher und höchst vollkommener Philosoph, welchen Paracelsus unbilliger Weise getadelt habe. Crollius hat also die obige Stelle des Paracelsus ebenfalls unrecht verstanden.

Text 2

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§. 68. Theophrastus Paracelsus Bombast von Hohenheim, ein Schweizer, geboren im Jahr 1493, ist einer der berühmtesten in der Alchmistenzunft.

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Seiner anderweiten Verdienste um die Arzneikunst sind von den Aerzten längst anerkannt. Obgleich sein Lebenswandel nicht als der ordentlichste beschrieben wird, auch in seinen Schriften manches schmuziges und unschikliches vorkommt; so muß man doch seinem Zeitalter, seinem eigensinnigen, schwärmerischen und hizigen Charakter, wie auch seinem Umgange mit schlechten Personen, die er auf seinen weitläufigen Reisen antraf, imgleichen den widrigen Schiksalen, welche ihn trafen, vieles beimessen. In seinem 28ten Jahre soll er den Stein der Weisen bekommen haben, und man sagt, daß er gar ein Schüler des Basilius Valentinus in dieser Kunst gewesen sei. Seine Biographen versichern, daß er manchmal, wenn es ihm an Geld gemangelt hätte, schleunig im Besiz einer großen Menge Goldes gewesen wäre. Auch soll er durch Hülfe seines Steines, welchen er Azoth nannte, und in dem mit einer Schraube versehenen Degenknopfe bei sich trug, ganz erstaunliche Curen bei Kranken gethan haben, daher man ihn auch zu seiner Zeit für einen Zauberer ausschriee. In den Erzälungen von ihm, sowol in solchen, welche zu seiner Unehre, als in denjenigen, welche zu seiner Ehre gereichen, ist unstreitig viel übertriebenes. Denn er hatte nicht allein die ganze Zunft der galenischen und arabischen Aerzte, sondern auch die Geistlichen seiner Zeit sich zu Feinden gemacht; erstere weil er eine ganz neue Heilmethode aufbrachte, leztere aber, weil er in manchen Stücken nicht orthodox war, daher wurde er vorzüglich von diesen und jenen getadelt und gelästert. Dagegen hatte er auch viele Verehrer, welche ihn sowol wegen seiner sonstigen Gelehrsamkeit, als auch wegen seiner neuen Curen bei Kranken, für einen Wunderman ansahen. Er starb zu Salzburg im Jahr 1541, und der Bischof ließ ihm ein rühmliches Grabmal sezen. Wenn nur der zehnte Teil von dem wahr

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ist, was von ihm erzält wird, so kann man nicht zweifeln, daß er ein wahrer Alchimist gewesen sei. Er soll mit seinem Stein der Weisen sehr freigebig umgegangen sein, auch noch hin und wieder davon etwas in die Erde vergraben haben, um damit dem künftigen Finder eine Freude zu machen. Borrich erzält unter andern, daß er in Amsterdam einen vornehmen Arzt, Namens Gersdorf, gesprochen habe, welcher in seiner, des Borrichs, Gegenwart, Silber zu Gold verädelt hätte, vermittelst einer kleinen Quantität eines Pulvers, welches ehedem Paracelsus dem Großvater dieses Gersdorfs selbst verehrte. Tenzel in seinen monatlichen Unterredungen 1692 sagt: es habe dieser Gersdorf noch mehrere Brüder gehabt, welche alle von dem paracelsischen Weisensteine etwas besessen hätten. Auch soll der berühmte Pater Wenzel, von dem ich in der Folge mehr sagen werde, etwas von dem Stein der Weisen besessen haben, welchen vormals Paracelsus verfertigt hatte, und jener soll damit seine Verädlungen der Metalle vorgenommen haben. Nach Chimiphili Bericht soll Paracelsus auch den damaligen Kaiser Maximilian 40 Gran von seiner alchimistischen Tinktur nebst andern Dingen zugeschikt haben. Daß er zu Basel Queksilber zu Gold gemacht habe, erzält Libavius aus dem Briefe eines gewissen Francisci, welcher solches selbst gesehen hatte. Buddeus in quaest. politic. an alchemistae sint in republica tolerandi §. XVII, imgleichen Reimmann in Histor. lit. Vol. VI, halten beide es für gewis, daß er den Stein der Weisen besessen habe. Mehrere Zeugnisse mag ich nicht anführen. Auch in den Schriften des Paracelsus ist genug zu sehen, daß er nicht allein in der Universalalchimie erfahren gewesen sei, obgleich er, so wie alle alchimistische Schriftsteller, oft sehr dunkel und zweideutig ist, auch nicht selten fremde Worte

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gebraucht, die fast kein Mensch recht versteht. Seine Schriften sind erst nach seinem Tode herausgekommen, und deswegen sehr verfälscht und mangelhaft. Hüserus, welcher die Baseler Edition derselben 1589 veranstaltet hat, sagt in der Vorrede der paracelsischen Werke, „daß er zar die Originale mühsam zusammengesucht, aber manches unleserlich gefunden habe, deswegen habe er auch viele Wörter besonders mit Holzschnitten abdrucken lassen, so wie sie nach der Handschrift des Paracelsus aussähen; auch daß überhaupt vieles verstümmelt und mangelhaft, sowol in den Handschriften als in den bisher schon gedrukten einzeln Büchern, angetriffen würde.“ Hiezu kommt noch, daß man ganze Bücher unter dem Namen des Paracelsus unterschoben hat, der einzelnen Processe und Briefe nicht zu gedenken, welche man ihm fälschlich beigelegt hat. Diesemnach wäre es schon leicht zu erklären, warum in den paracelsischen Schriften, so wie wir dieselben jezt haben, sich manches Widersprechende befindet. Doch ist es ein Irrtum, wenn Hr. Wiegleb, um die Unwissenheit des Paracelsus in der Alchmie zu beweisen, sagt, „daß Paracelsus in Archidox. bezeuge, daß er den Stein, womit die Metalle solten verändert werden können, noch nicht angefangen habe zu bearbeiten, noch weniger vollendet; hätte auch davon keine Erfarung, ob er dasjenige leiste, was von ihm angegeben werde, weil er nur etwas weniges davon verstehe und erkannt habe.“ In Archidox. findet sich dieses gar nicht, vielleicht hat aber Hr. W. folgende Stelle hiebei in Gedanken gehabt, welche Libr. V. Archidox. vom Arcano Lap. phil. nach der ächten Baseler Ausgabe derselben vom Jahr 1580, sich befindet: „Und wiewol wir des Lapidis philos. kein Anfenger seind, auch kein Ender, noch kein Geübter darinnen, daß wir möchten denselbigen nachreden, wie wir davon gehört und gelesen

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haben. Darumb so wir im selbigen kein wahrhaftig Wissen nit tragen, lassens wir auß denselbigen Proceß und volgen nach unserem, den wir in unserer Uebung und Praktik erfunden haben. Und heißen ihn Lapidem philosophorum darumb, daß er demselbigen gleich tingiret in Corpore humano, wie sie dann von dem ihren schreiben: Und nicht darumb daß er nach ihrem Proceß gemacht sei. Dann wir denselbigen am minsten verstehend und erkennen.“ Bald darauf sagt er weiter: „So wollen wir also unsern Proceß und Weg des Lapidis philosophorum ansezen, also u.s.w.“ Hieraus kann nun Hr. Wiegleb nichts weiteres folgern, als daß Paracelsus eingestehe, daß er an die Art der Bereitung des Steins der Weisen nach der Beschreibung der Alten noch nicht versuchet; sondern dazu einen eigenen Weg habe. Allem Vermuten nach hat er in der Folgezeit auch die Methode der Alten hierin versucht; denn als er die Archidoxa schrieb, war er noch jung. Dieses lezte sagt er selbst, nicht weit vom Anfang des 5ten Buchs derselben, wo es heißt: „Also zu verstehen ist von diesen Arcanen, deren uns allein viere bekannt seind, bey unsern jungen kindlichen Tagen, von welchen vieren wir wollen diß Libell ersettigen, und genugsam uns ein löblich Memorial machen, so uns der höchste Gott unser menschlich Fleisch zu den alten Tagen wolt lassen gnediglich kommen, daß wir dieser vier Arcanen unvergessen werend u.s.w.“ Daß er aber würklich außer seinen eigenen auch die Methoden der Alten nachher gekannt habe, erhellet klar aus seinem Buch de Tinctura physicorum, imgleich aus seinen übrigen hieher gehörigen Schriften. Uebrigens wendet Hr. Wiegleb noch ein: „Wenn Paracelsus hätte Gold machen können, so würde er nicht, wie Adami in dessen Lebensbeschreibung sagt, bei seiner Abreise von Basel,

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sein chimisches Geräthe, statt der Zalung, bei dem Wirthe habe zurük lassen müssen.“ Antwort: Es ist aus der Erzälung, welche Wursteisen im VII Buch der Baseler Historien hievon gibt, klar und erweißlich, daß die Abreise, oder vielmehr die Flucht des Paracelsi von Basel, sehr schleunig geschehen sei, weil er in Gefahr stund, gefänglich eingezogen zu werden, denn er hatte Pasquille gegen die Richter ausgestreut, weil sie ihm in seiner Streitsache mit Cornelius von Lichtenfels entgegen gewesen waren. Es war also bei diesen Umständen leicht möglich, daß Paracelsus den Wirth zu bezalen vergaß, und seine Sachen nicht mitnahm, weil sie ihm nur an der Flucht hinderlich gewesen wären. Daß endlich Hr. Wiegleb „sich auf Oporinum beruft, welcher, als ein vertrauter Freund des Paracelsus, doch wol würde in seinen Erzälungen von ihm etwas von der Goldmacherkunst desselben angeführt haben, wenn er ein wahrer Alchimist gewesen wäre;“ ist sehr unerheblich. Denn es ist bekannt (man sehe unter andern, was das Gelehrtenlexicon von Oporinus sagt), daß Paracelsus und Oporin sich beide nicht gut haben vertragen können, und bald sich getrennt haben. Paracelsus wird also wol dem Oporin seine wichtigsten Geheimnisse nicht haben sehen lassen. Daher ist auch Oporin eben nicht mit Lobeserhebungen des Paracelsus so verschwenderisch, als Hr. Wiegleb es meinet. Vielmehr ist es gewis, daß er viel Gutes von ihm verschwiegen, und viel Schlimmes von ihm, vielleicht aus alten Groll, nachgesagt hat. Es bleibt als vor wie nach höchst wahrscheinlich, daß Paracelsus ein würklicher Adept gewesen sei.

Bibliography

Kortum, Karl Arnold: Verteidiget die Alchimie gegen die Einwürfe einiger neuen Schriftsteller besonders des Herrn Wieglebs, Duisburg: Helwing, 1789, pp. 113–118.
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