Wiegleb 1777 Untersuchung

From Theatrum Paracelsicum
Wiegleb, Johann Christian,
Historisch-kritische Untersuchung der Alchemie
1777

Text

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Gegen das Ende des 15ten Jahrhunderts, im Jahr 1493. ist der in der folgenden Zeit unter der ganzen alchemistischen Schaar so berühmt gewordene Theophrastus Paracelsus gebohren worden. Durch diesen Mann ist fast in unserm ganzen Welttheile damahls viel und grosser Lerm verursachet worden. Er war ei-

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gentlich ein Arzt und besaß die natürliche Gabe durch Grossprecherey sich einen auserordentlichen Ruhm zu erwerben. Dabey schimpfte und schmähete er um sich herum auf alle Gelehrten seiner Zeit; vermuthlich in der weisen Absicht, sich Ehrfurcht bey ihnen zu verschaffen. Ich werde von seinem wüsten Lebenswandel nichts weiter anführen, weil solches zu meiner Absicht nichts beyträgt und ich ihn nur als Alchemisten mit erwehnen muste, wofür er sich selbst mit vielem Geschrey aller Welt angepriesen hat. Mehr als einmahl rühmt er von sich, den Stein der Weisen zu besitzen, und damit Gold machen zu können; es war aber alles dieses nur blosse Grossprecherey. Er besaß überhaupt keine gründliche Gelehrsamkeit; blos seine Aufschneidereyen, mit Frechheit und Grobheit verbunden, machten ihn unter seinen Zeitgenossen berühmt. Die Alchemisten haben an ihm nur einen ganz unbedeutenden Zeugen; denn ohngeachtet er zwar die Möglichkeit der Verwandlungskunst in seinen Schriften ausposaunet, und was für mächtige Dinge er darinn ausgeübet habe; ohnerachtet auch ein gewisser Franciscus in einem Briefe, welchen Michael Neander in seiner Geographie, ingleichen Libavius im andern Buch seiner Vertheidigungsschrift der Alchemie anführt, gese-

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hen zu haben vorgiebt, daß Paracelsus in Basel fast ein ganzes Pfund Quecksilber in Gold verwandelt habe; so ist doch diese Geschichte grundfalsch. Denn hätte er diese Kunst besessen, so hätte er nicht nöthig gehabt, bey seiner Abreise von Basel seinem Speisewirthe sein chemisches Geräthe an Zahlungsstatt zurück zu lassen, wie solches Adamius in dessen Lebensbeschreibung bezeugt. Er hätte diese auch dem Oporinus, als seinem vertrautesten Freunde nicht verborgen bleiben können. Dennoch aber hat weder dieser noch sonst jemand in Basel solches unter andern Lobeserhebungen des Paracelsus jemahls mit angeführt. Im Gegentheil behauptet er vielmehr selbst, daß die Verwandlung der geringen Metalle in edlere unmöglich sey. Diejenigen, schreibt er: welche Gold und Silber durch die Chemie machen wollen, handeln unrecht, und dreschen leeres Stroh; denn solches ist von Gott nicht zugelassen und blos menschliche Erdichtung m.) — Und in Archidox. bezeugt er, daß er den Stein, womit die Metalle sollten verändert werden können, noch nicht angefangen zu bearbeiten, noch weniger vollendet, hätte auch davon keine Erfahrung, ob er dasjenige leiste, was von ihm

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m.) Philos. Spag. L. I.
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angegeben werde, weil er nur etwas sehr weniges davon verstehe und erkannt habe. Conring nennt diesen Mann gar Monstrum hominis, in perniciem omnis melioris doctrinae natum; n.) Hierinn aber kan man ihm nicht beypflichten, indem Paracelsus dem allen ohngeachtet vieles zu der nachfolgenden Reform der Wissenschaften beygetragen hat, wofür er unsern Dank verdienet.

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n.) de Scriptor. 16. Sec. p. Ch. nat. Comment. p. 159.

Bibliography


Wiegleb, Johann Christian (1732-1800): Historisch-kritische Untersuchung der Alchemie, oder der eingebildeten Goldmacherkunst, Weimar: Carl Ludolf Hoffmann, 1777, pp. 231–234.
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