Reimmann 1713 Versuch

From Theatrum Paracelsicum
Jacob Friedrich Reimmann,
Versuch einer Einleitung in die Historiam literariam der Teutschen
1713


Text

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158. Wer ist der Urheber und Stiffter der Paracelsischen Secte?

Der Theophrastus PARACELSUS.

159. Ist das eben der Theophrastus von dem du mir in der Historia Physices allbereit eine kleine Nachricht gegeben und gesaget hast/ daß er der Erste gewesen unter denen Teut-
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schen/ der nach der Wiedergeburt der freyen Künste von der Physica Hermetica oder Spagyrica in Schrifften was verfaßet hat?

Ja es ist eben derselbe. Und da ich mich der Zusage nach wohl erinnere/ die ich dir l. c. gegeben/ allwo ich versprochen dir von seiner Person einen solchen Abriß zu machen/ mit welchem du in deiner curiosité köntest zu frieden seyn: so soll dieselbe anjetzo nach Vermögen von mir erfüllet werden. Und hastu dahero zu mercken/ daß er ein gebohrner Schweitzer und aus dem Dorff Einsiedel in dem Canton Zürch 2. Meilen von der Hauptstadt dieses Nahmens bürtig gewesen/ allwo er A. C. 1493. das erste Licht dieser Welt beschauet hat. b) Sein Vater hieß Wilhelmus und soll

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b) Es ist nicht leicht eine Lebens-Beschreibung/ darinn sich so viel wiederwärtige/ streitende und einander schnurstracks entgegen lauffende Relationes befinden als in dieser. Und wil ich davon alsfort einen deutlichen Beweißthum geben. Die meisten setzen seine Geburts-Zeit in das Jahr 1493. der Herr Adam aber berichtet in seinen Vitis Medicorum p. 12. b) es habe ein gewisser gelehrter Mann dieselbe noch 10. Jahr weiter hinausgerücket/ und vorgegeben er sey anno 1483. den 10. Nov. gerade in der Mittages-Stunde gebohren. Und eben so ist es auch mit seinem Abschiede beschaffen. Denn der soll nach dem Adami l. c. Baillet in seinem jugement des Scavans Tom. 1. p. 428. Nicolao Reusnero in seinen Iconibus, Mollero in Homonimoscopia p. 782. A. C. 1541. in dem 48. Jahre seines Alters geschehen seyn: und hingegen setzet der Michael Neander in seiner
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nach dem Berichte Helmontii in Historia Tartari p. m. 222. ein unechter Sohn eines Teutsch-Meisters und dabey ein gemeiner Medicus, aber auch zugleich mit einer stattlichen Bibliotheque versehen gewesen seyn. Und so wenig ich mich darüber mit jemand in einen Streit einlassen will: ob und was derselbe vor einen Bey-Nahmen geführet? so wenig will ich mich darum bekummern/ wo der Theophrastus die schönen Benennungen her bekommen habe? Es kan seyn/ daß er im Anfang Bombast von Hohenhein geheißen/ und daß diese beyde Nahmen von denen beyden Adelichen Familien Hohenheim und Bombast auf ihn gefloßen/ aus welcher er nach dem Zeugniß eines ungenannten Autoris bey dem Adamo in vitis philosoph. p. 12. durch eine recht- und nicht durch eine unrechtmäßige Verbindung soll entsprossen seyn: Es kan auch seyn/ daß sich sein Vater nach dem damahligen Teutschen Iohanniter-Ordens-Meister Georgium der aus der Adelichen Fami-


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succinta explicatione orbis terrae p. 159. auch hier noch 10. Jahr hinzu und saget: er sey anno 1551. in dem 58. Jahre seines Alters gestorben. Woraus man denn von denen andern Umständen gar leichtlich urtheilen kan/ da sich in diesen beyden Hauptstücken so grosse Contradictiones ereignen. Von welchen letzteren der Herr Conring libr. 2. de Hermetica Medicina c. 12. p. 369. schreibet: es sey dieses bey allen eine ausgemachte Sache/ daß der Paracelsus anno 1541. zu Saltzburg in dem 48. Jahre seines Alters gestorben/ und daselbst in dem Lazareth S. Stephani begraben.
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lie derer von Hohenheim in Elsas bürtig gewesen/ als ein unechter Sohn Bombast von Hohenheim genennet/ und daß der Junge von Hohenheim nach der damahligen allgemeinen Gewohnheit derer Gelehrten diesen Nahmen mit einer frembden Mund-Art ausgesprochen und sich Paracelsum betitelt: Zum wenigsten lässet sich nichts gewisses und ungezweiffeltes davon berichten/ c) weil er selbst von dieser Metonymia nirgends was gemeldet/ und der Hauffe seiner Nachfolger ihn bald Theophrastum allein/ bald Philippum Theophrastum, bald Aureolum Philippum Theophrastum Paracelsus, bald Aureolum Philippum Theophrastum Bombast von Hohenheim Paracelsum u.s.w. genennet/ und uns dergestalt noch mehr in Zweiffel gesetzet hat/ ob diese Nahmen alle mit einander oder nur einige/ und wenn dieses Letzere/ welche unter denselben vor seine ei-


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c) Der Herr Moller gehet in seiner Gewohnheit nach hierinnen gar dreiste/ und setzet in seiner Homonymoscopia p. 782. den Theophrastum mit unter dieselben die ihren Vor- und Zunahmen verändert haben. Allein wie wenn man sagte/ er habe keinen von beyden verändert? sondern Aureolus Philippus Theophrastus Bombast von Hohenheim Paracelsus geheissen? gewiß die Sache siehet gar wahrscheinlich aus/ wenn man bedencket 1) daß er so wenig selbst als seine discipel dieser praetendirten Nahmens-Veränderung irgendwo erwehnen. 2) daß ihm in seinen operibus alle die angeregten Nahmen zugleich beygeleget werden. 3) daß er selbst in seiner Vorrede über das Paragranum Tom. I. operum p. 199. bezeuget/ Theophrastus sey sein Tauff-Nahme gewesen.
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genetliche Tauff- und Geschlechts-Nahmen zu halten? so finden sich auch einige/ welche berichten/ er habe einen Ausländer mit Nahmen Hohen-Est (Altus Nidus) zu seinem Vater gehabt/ und der Herr Conring in seinem L. 2. de Hermetica Medicina p. 370. muthmasset/ er habe vielleicht in dem Hieronymo l. 1. contra Jovianum die Worte nicht recht verstanden/ die daselbst enthalten sind/ und an statt deßen das das stehet: Extat Aureolus Theophrasti liber etwa gelesen/ extat Aureoli Theophrasti liber, und sich also den Nahmen Aureolus Theophrastus beygeleget. Und ungeachtet die beyden wiederwärtigen Scribenten Thomas Erastus und Ioh. Baptista von Helmont darinnen mit einander accordiren/ daß sie sagen/ er sey in seiner Jugend seiner Mannheit beraubet: So sind sie doch in der Art und Weise unterschieden/ indem der Erste erzehlet/ es sey ihm dieselbe von einem Soldaten abgehauen/ da er in Kärnthen die Gänse gehütet: Der Andere aber/ sie sey ihm von einer Sau weggebissen worden; Indeßen wie dem allen/ so ist er zu einer ungemeinen Wissenschafft und Erkäntniß in der Artzneykunst gedien. Er hatte von Gott und der Natur eine gantz ausserordentliche Fähigkeit überkommen; Er war von seinem Vater und nachgehends von dem Bischoff Scheyt von Settgach/ Bischoff Erhard und seinen Vorfahren von Lavantall, Bischoff Nicolaus von Ypern/ Bischoff Metthaeo Schacht Suffraganeo zu Freysingen/ ingleichen von dem Ioh. Tritthemio zu Spanheim/

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und dem Sigismundo Fugger von Schwartz d) in allerhand geheimen Künsten und Wissenschafften informiret. Er hat nebst denen vornehmsten Orten in Europa auch Arabien und Aegypten durchreiset/ und sich nicht allein bey denen Gelehrten auf hohen und niedrigen Schulen/ sondern auch bey denen ungelehrten Balbieren/ Bader-Weibern/ Schwartzkünstlern u.d.g. e) nach denen bewährtesten Artzeney-Mitteln erkundet. Er hat sich auch nicht verdriessen lassen die alten Bibliothequen durchzusuchen/ und sich darinne befindlichen gedruckten und ungedruckten Bücher zu seinem Vortheil zu bedienen. f) Und wenn wir


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d) Besiehe hiervon die Praefation ad Tom. I. Chirurgiae Magnae, ingleichen des Helmontii historiam Tartari p. 222. so wirstu finden/ daß er kein ἀυτοδίδακτος gewesen und daß die Reden/ die er zuweilen hievon führet/ und damit er eine solche Mine zu machen scheinet/ als wenn er von andern nichts und von sich selbst alles erlernet nicht schlechterdinges/ sondern mit einer gewissen Einschränkung verstanden werden müssen.
e) Dieses findet sich theils in der Vorrede seiner Chirurgischen Schrifften/ die in dem Tom. 2. operum enthalten sind/ theils auch in dem Melchiore Adamo de Vitis Medicorum p. 13. & 14. es ziehet aber der Herr Conring die Reisen in Egypten und Arabien in Zweiffel l. 2. c. 12. de Medicina Hermetica p. 372. theils weil der Paracelsus derselben in seinen Schrifften nicht erwehnet/ theils auch/ weil in den angeregten Provincien dergleichen Art zu curiren/ deren er sich bedienet/ nicht üblich sey.
f) Es ist dieses einer mit von denen Puncten, damit die Anti-Paracelsisten dem Paracelso seinen Credit zu beneh-
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der gemeinen Sage nachgehen dürffen/ so ist ihm sein angewandter Fleiß auch wohl belohnet wor-


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men bemühet sind/ daß sie sagen: Er habe keine Bücher gehabt und auch keine gelesen: nun ist an dem/ daß er in seiner Art zu philosophiren/ mehr auf die gesunde Vernunfft und Erfahrung als auf die Autorität gesehen/ und sich also folglich auch mehr beflissen/ die Wahrheit aus der Natur/ als aus denen Büchern zu lernen/ davon sein Labyrinthus Medicorum Tom. I. operum p. 264. seq. kan nachgesehen werden: es ist auch wohl nicht zu leugnen/ daß er sich sonderlich zu denen Zeiten um die Schrifften derer Medicorum nicht groß mehr bekümmert/ nachdem er durch Hülffe der vielfältigen experimenten in der Physique, Astronomie und Chymie erstlich dahin kommen/ daß er in der Artzney-Kunst sich selber helffen können: denn so schreibt er in seinen fragmentis Medicis Tom. I. operum p. 131. Man vermeinet/ ich stiele meine Arbeit/ deren keine am Tage gesein ist/ noch heute den Morgen: lieber erkennen selbst/ und wil das bezeugen/ daß ein jeglicher Leser mercken soll/ daß meiner Wercke nie keines vor beschrieben sey worden/ weder durch Medicos noch Philosophos erhöhret noch gelesen: und meine Geschrifft beweiset/ daß ich 600. Inventiones habe in diesem Buch/ welcher keine die wenigste oder mehr ist/ von keinem alten oder neuen Philosopho oder Medico gehalten oder zugelassen wird/ er wolle denn alle alte Geschrifften verlassen; zudem daß meine gegenwärtige Liberey einem jeglichen wissen ist. Sechs blätter nicht vermag/ noch anderhalb so viel/ daß ich nicht einen Bogen überschrieben. Uber das alles meine Secretarii bezeigend/ daß solches von Mund gehet und in 10. Jahren kein Buch gelesen öffentlich ist: allein hieraus fliesset doch der Schluß noch nicht/ den die gegenseitigen daraus folgern. Und es ist gantz was anders keine Bücher haben als keine Bücher jemahls gehabt haben/
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den. Er hat in dem 28. Jahr seines Alters den Lapidem Philosophorum überkommen. Und


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keine Schrifften lesen und keine gelesen haben. Das erste stehe ich denen wiedriggesinnten gar gerne zu/ daß ich aber das andere nicht auch zugleich concediren kan/ dazu habe ich diese nachfolgende wichtige und trifftige Ursachen. Nemlich 1) weil der Melchior Adami l. c. p. 13. ausdrücklich setzet; er habe ein so glücklich Gedächtniß gehabt/ daß er gantze Plätze aus dem Galeno memoriter hersagen können. 2) weil ich in seiner aurora philosophorum Tom. 3. p. m. 759 finde/ daß er sich die Historiae Philosophicae gar vortheilhafftig zu seinem Wercke bedienet. 3. weil ihn der Kayserliche Leib-Medicus Crato von Krafftheim in einer besondern Epistel an den Josephum Scaligerum, welche denen Exercitationibus der alten Scaligeri contra Cardanum vorgesetzet ist/ beschuldiget/ er habe seine größesten geheimnüsse aus einem gewissen MS. genommen/ das von einem ungenandten Mönch vor 200. Jahren geschrieben und davon ihm (dem D. Krafftheimen) von dem damahligen Kayserlichen Geheimden Rath Marco Singmosero ein Exemplar communiciret sey. 4) weil ihm von andern in öffentlichen Schrifften vorgerücket wird/ er habe dem Raymundo Lullio, Johanni de Rupescissa, Basilio Valentino, Lanfranco, Arnoldo und sonderlich dem Jacobo Isaaco Hollando gar viel entwendet. conf. Conringium de Hermetica Medicina l. 2. c. II. p. 383. & Melchiorem Adamum l. c. weil er sich selbst hin und wieder auf andere Schrifften beziehet/ als in seinem tr. de pestilitate Tom. I. Operum p. 338. da er setzet: ihr werdet den Galenum durch Anweisung meiner Exempel recht lernen verstehen. Ihr werdet befinden/ daß ich besser Galenisch erfunden werde/ dann ihr alle. Denn ihr werdet in der Stadt Braunschweig und auf der Böhmischen Grentze in einem Closter ein Buch finden/ da die rechten ungefälschten Commentaria Galeni und Avicennae rechtschaffen innen beschrieben sind. Ist ein Buch grösser denn
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in der Artzeneykunst sind ihm solche Geheheimniße aufgeschlossen worden/ daß er auch die aller incurabelsten Kranckheiten zu heiligen capable gewesen ist. Ich kan von beyden keine Mathematische Demonstrationes allegiren/ weil es blosse Facta sind: Ich weiß auch/ daß der Herr Conring in seiner gelehrten Schrifften de Medicina Hermetica l. 2. c. 13. p. 385. seq. beydes suspect zu machen bemühet ist: Allein die Einwürffe die er wieder das Zeugniß des Francisci machet/ der die von dem Paracelso verrichtete Verwandlung des Bleyes in Gold mit seinen Augen angesehen/ sind nicht hin-


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sechs Männer Spannen lang/ und drey Spannen breit und anderthalb oder schier zweyer grossen Spannen dicke/ welches noch heute den Leuten gezeiget wird/ obgleich die heillosen Münche solches nicht verstehen. Da sehet und thut die Augen auf. Ist Sünde und schande/ daß ein so köstlicher und grosser Schatz soll also elend da verborgen liegen. Deren eins habe ich auch in einem Closter im Lande zu Sachsen gesehen in der Stadt Braunschweig. Ist aber durch die unwissenden Esel verbrennet worden. Welches Buch noch seines gleichen bey einem alten Bürger in der Stadt Hamburg vorhanden ist/ und noch viel auf birckene Rinden und wächserne Taffeln des Galeni und Avicennae eigene Handschrifften. Aber was ists/ so bald es unsere Gelehrte werden sehen/ werden sie sich nicht beschämen zu sagen/ es sey Negromantia oder sonsten Gauckeley. Dieweil es nicht nach ihrer Leyer schmeckt. Denn es describirt viel humores und nicht nur viere. Ein solches Buch wird auch in einem Lande zu Preussen in einem Closter Polphir genant gefunden/ und wird auch vor Aelte verderben müssen. Wer der wäre es also verstünde/ den möchte man vor einen wissenden und erfahrnen Artzt halten.
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länglich dasselbige zu entkräfften: Es wird auch von dem Helmontio l. c. mit deutlichen Worten bescheiniget/ daß er den Lapidem Chrysopaeium gehabt. Und er selbst ist es in seinen Secreto Magico Tom 2. Operum p. 668. nicht in abrede/ daß ihm das Geheimnüß bekant sey/ wie aus der materia prima Metallorum dergleichen Wunderstein und das wahre Universale könne verfertiget werden. Und gesetzt auch/ es träffe mit der Wahrheit nicht überein/ daß er in seinen Lebzeiten von sich zu rühmen pflegen: Er habe 18. Fürstliche Personen curiret, welche von andern Medicis als incurabel verlassen worden/ item, es sey die Aufschrifft auff seinem Leichstein in etwas zu milde eingerichtet/ da man gesetzet; Er habe den Aussatz/ das Podagra/ die Wassersucht und viel andere unheilbare Zufälle des Leibes mit einer wundersamen Kunst hinweg genommen: So ist doch unläugbar/ daß er in der Artzeney-Kunst eine ungemeine Wissenschafft gehabt und durch dero Behuff und Hülffe bißweilen solche Curen verrichtet/ die denen damahligen Humoristen gantz unbegreiflich gewesen. Das grosse Aufsehen/ das er damahls in der Republ. Litt. erreget/ machet uns dieses glaublich. Das Zeugniß des Conradi Gesneri, Joh. Oporini, Francisci u.s.w. die der Herr Conring l. c. p. 388. allegiret hat/ dienet uns an stat eines Beweißgrundes. Und der Herr Conring selbst bekannet p. 397. l. c. es sey eine ausgemachte Sache/ daß er in der heilung derer gifftigen Geschwüre was

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sonderliches gewust/ und daß auch in seinen Schriften solche recepte zu finden/ die so wohl die innerlichen Kranckheiten als auch die bösesten Geschwüre zu curiren überaus diensam und folglich geschickt gewesen/ ihnen eine bewundernde Hochachtung zu wege zu bringen. Und gleichwie ihm das Schicksaal hierdurch den Schlüssel in die Hände gegeben/ damit er den Tempel der Ehren eröffnen/ und sich also der Glückseeligkeit theilhafftig machen solte/ die als eine rechtmäßige Belohnung auf die vorhergegangene Arbeit zu erfolgen pfleget: So würde es ihm an der Besitzung und Nutzgeniessung derselben nicht ermangelt haben/ wenn er sich der angebothenen Gelegenheiten nur hätte bedienen wollen. Die Baseler machten ihn in ihrer Stadt zu einem Physico, und auf ihrer Academie zum Professore Publico ordinario. Er hatte einen grossen Zulauf von Patienten/ und noch einen grösseren von Discipeln. g) Und würde er


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g) Er gedencket derselben in seinen Schrifften an unterschiedlichen Orten/ und auch auf unterschiedliche Art und Weise. Denn in seinen fragmentis Medicis Tom. I. Operum p. 143 nennet er sie alle mit einander ohne Unterscheid Ertzschelmen und überall Impostores oder Betrüger. Aber in seiner Vorrede über die Bücher Bertheoneae p. 335 macher er bey dieser Regel einige Exceptiones und sagt: was in ich Artzen gebohren hab aus den hunderten von Pannonia sind 2. wohl gerathen: aus der Confin. Poloniae 3. aus den Regionen der Saxen 2. aus den Sclavonien einer: Aus Bohemien einer. Aus dem Niederland einer. Aus Schwaben keiner. Wiewohl in einem jeglichen Geschlechte
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sich über alle Medicos zu seinen Zeiten erhoben haben/ wenn er so geschickt gewesen/ sein Glück zugebrauchen/ als zu erwerben. Allein das waren die Unvollkommenheiten die sich bey seiner Vollkommenheit befunden. Er war in seinen Gedncken zu hoffärtig/ in seinen Worten zu großsprecherisch/ in seinen Wercken zu eigensinnig/ in seinen Sitten zu Baürisch/ in seinen Principiis zu paradoxisch. Er bekam zu Basel einen Canonicum in die Cur mit Nahmen Cornelius von Lichtenfels/ der an einer desperaten Schwachheit darnieder lag. Der verhieß ihm 100. Gülden/ wenn er ihn wieder zu seiner vorigen Gesundheit verhelffen würde. Und als ihn der Paracelsus seines Wunsches gewährete/ und ihn mit drey Pillen von seine, so genantem Laudano h) restitui-


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grosse Zahlen gewesen sind. Ein jeglicher aber hat meine Lehre nach seinem Kopffe gesattelt &c. und in dem c. 22. l. 2. von Frantzosen p. 174. gibt er unter allen dem Joh. Oporino den Vorzug/ nennet ihn seinen getreuen/ und sagt/ er habe ihn insonderheit in allen Vertrauen gebrauchet.
h) Was es mit dieser Medicin vor eine Bewandniß gehabt/ das wil ich lieber mit eines andernals mit meinen eigenen Worten erläutern. So lässet sich aber der Melchior Adami in der Lebens-Beschreibung des Paracelsi davon vernehmen: celebratur inter caetereas Theophrasti Medicinas Laudanum ejus, quam aliqui lapidem philosophorum fuisse existimant, alii opium sed veraque opinio est false. Fuit enim Laudanum Theophrasti Medicina laudatissima, quae ex rebus quas orbis habet praestantissimis, quae vitam conservant conficitur, & in omnibus morbis efficax est praetquam in lepra. Und dieses sol nach einiger Meinung
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rete; so wolte er ihm hernachmahls das verheissene Artzlohn nicht bezahlen/ mit dem nichtigen Vorwenden: Er könne vor die wenige Artzeney und geringe Mühe so viel nicht praetendiren. Dahero denn die Sache vor das Gericht kam. Und als de Cornelio daselbst Recht gegeben/ dem Theophrasto aber nichts mehr als das gewöhnliche Artzneygeld zu erkennet wurde: ließ sich derselbige einiger harten Worte gegen den Richter vernehmen. Er mochte auch wohl in öffentlichen Schrifften desselben nicht zum besten erwehnet haben. Und dieses war die Ursach/ daß er seine öffentlichen Bedienungen zu Basel verlassen/ und sein Vaterland mit dem Rücken ansehen mußte. Es gaben ihm einige vornehme Leute ein heimliches consilium abeundi. Und er gab denenselben auch Gehör. Er gieng aus der Schweitz in Elsas/ und von da an andere Orte/ und terminirte also von anno 1530. immer in der Irre herum/ biß auf das Jahr 1541. da er zu Saltzburg im Lazareth in dem 47. Jahr seines Alters gestorben ist. i) Es ist wahr/ ich ziehe diesen letzen Ab-


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der spiritus familiaris gewesen seyn/ den er in seinem Degen-Knopffe bey sich getragen/ und dessen er sich bedienet/ wenn er in der Artzney-unst was wunderwürdiges verrichten wollen.
i) Der Melchior Adami und andere setzen/ er sey in dem 48. Jahre seines Alters gestorben. Der Joh. Bapt. von Helmont aber schreibet 2mahl nach einander/ es sey das 47. Jahr sein Todes-Jahr gewesen: nemlich 1) in seinem tr. de tribus principiis Chymicis p. 387. §. 16. und 2) in den
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schnit seines Lebens fast allzu kurtz zusammen. Ich sollte hier billig mit erinnern/ was vor Glück


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Arcanis Paracelsi p. m. 739. alwo er zugleich eine Reflexion mit beyfügt/ die wohl werth ist/ daß sie alhier wiederholet werde: Er sagt: der Paracelsus habe sich berühmt/ er wolle mit Hülffe des Elexir proprietatis das höchste Alter erreichen. Und sey ihm vom Himmel herab die Freyheit gegeben/ eine Art und Zeit des Todes zu erwehlen nach seinem Wohlgefallen. Allein daß dieses nur eitel Großsprechereyen gewesen/ das könne man daraus gar leichtlich schliessen/ weil er in dem 47. Jahr seines Alters gestorben: es sey wahr/ daß seine Discipel hierdurch in die größeste Erstaunung gesetzet/ und sich nicht genug verwundern können/ durch was vor eine Kranckheit oder Zufall dieses geschehen sey/ und wie es möglich gesesen/ daß ein solcher Mann in der besten Blüthe seines Alters habe sterben können/ der den warhafftigen lapidem chrysopaeium gehabt und so viel 100000. Kranckheiten als mit der Sichel abgehauen und wie ein ander Hercules mit seiner Keule erleget habe. Er vor seine Person lasse es dahin gestellet seyn/ denn es sey sein Werck nicht jemanden in seinen Beschuldigungen zu vertreten: er gestehe auch gar gerne/ daß er sich aus seinen Schrifftgen vortreflich erbauet: und sey nicht in Abrede/ daß er durch seine Artzney-Mittel/ welche an das Mahlzeichen der Einheit hinaufgestiegen den Aussatz/ Engbrüstigkeit/ Schwindsucht/ Schlag/ Gicht/ Stein/ Wassersucht/ Krebs und andere dergleichen Kranckheiten/ die insgemein vor incurabel gehalten würden/ geheilet habe: allein daß der Paracelsus die Wurtzel des langen Lebens nicht erkennet/ das habe er aus seinen Schrifftgen/ Recepten und schleunigen Tode gesehen. Inmassen er denn die Erinnerungen und Verbesserungen/ deren er sich hin und wieder und zuweilen nicht ohne Ursach rühme/ in der That nichts anders seyn als Reinigungen der festen Theile mit einer Ausbesserung und Wegschaffung derer die darinnen begriffen sind: Und soferne sey er ein Artzt fast
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und Unglück/ Wohl und Weh/ Lust und Unlust er in demselben erlebet/ was vor Freunde und Feinde/ Gönner und Mißgönner/ Ankläger und Vertheidiger er gehabt/ was man an ihm gelobet und getadelt/ beschuldiget und angeschuldiget/ gebilliget und gemißbilliget/ item was ihm vor Ehren und Schimpf-Nahmen beygeleget worden; Allein die kürtze der Zeit will mir dergleichen Weitläufftigkeit nicht verstatten/ und ist meine Absicht nicht/ alle diese Begebenheiten anjetzo zu berühren. Die Historia der Aertzte muß die Historie der Artzney-Kunst nicht unterdrücken. Ich habe vorhin von seinen defecten schon etwas mit eingemenget. Er selbst hat eine Verantwortung wieder seine Ankläger geschrieben Tom. I. Operum p. 252. seq. Und dahero will ich anjetzo sonst nichts mehr erwehnen/ als daß er von einigen wegen seiner sonderbahren Wissenschafft in der Theorie und glückseeligen successe in praxi Trismegistus Germanicus, Philosophus Paradoxus, Mysteriarcha, Lutherus k) Medicorum, Hippocra-


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aller Kranckheiten gewesen. Es sey aber auch hierbey gewiß/ daß seine Medicin mehr auf ein gesundes und beqvemes als langes Leben gezielet.
k) Dieser Beynahme ist ihm von etlichen in einer guten/ von etlichen aber in einer bösen Absicht gegeben worden. Die ersteren nenneten ihn deshalber Lutherum, weil sie ihn pro Reformatore Medicinae hielten. Die andern aber suchten das tertium Comparationis in der vermeinten deformation und standen in der Hoffnung/ er und Lutherus würden noch mit der Zeit auf den Scheiter-Hauffen gesetzet
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tes Germanorum, novus Aesculapius, l) Monstrorum Domitor m) &c. von andern hingegen Cacophrastus, Haeresiarcha, u. s. w. genennet wird nebst der Pralerey auch der Völlerey und Zauberey u. d. g. beschuldiget. Und so wenig ich gesonnen bin ihn in allen diesen Auflagen zu vertreten/ und diejenige Schande zu bedecken/ die vor aller Menschen Augen entdecket ist: Inmaßen denn fast alle Blätter in seinen Schrifften bezeugen/ daß er von dem ersten Laster nicht allerdings frey gewesen und allzu schmeichelhafft von sich selbst ge-


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und verbrennet werden/ wegen der vielfältigen Verwüstungen/ die der eine in der Theologie und der andere in der Medicin angerichtet. conf. Theophrasti fragmenta Medica Tom. I. Operum p. 143.
l) Es können hiervon die Uberschrifften der Operum des Theophrasti insgemein und der Prologus des Valentini Antrapassi Silerani insonderheit nachgesehen werden/ den er vor des Theoprhasti Buch des morbis & tartaro gemacht/ und der Tom. I. Oper. p 4766. zu finden ist.
m) Diesen Titel hat ihm der Joh. Valent. Andreae in seinem Menippon 42. beygelegt. Und weiß ich nicht was der Herr M. Andreas David Carolus vor eine Edition davon haben muß/ daß er in seiner Würtenbergischen Unschuld Parte 3. c. 9. §. 6. p. 450. berichtet/ er habe denselben darinn nicht finden könne. Er stehet in der Edition de anno 1618. in 12. auf dem 78. Blate. Und in der Cölnischen oder Berlinischen de anno 1673 in 8. auf dem 103.{?} Und dahero sehe ich nicht ab/ ob man in diesem Stücke einen genugsamen Grund habe den Herrn Arnold einer Unrichtigkeit in seiner Kirchen-Historie zu bezüchtigen.
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urtheilet: n) So wenig kan ich mich im Gegentheil enthalten diejenigen Schönpflästergen mit


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n) Ich will nur ein paar Oerter aus seinen Schrifften anführen/ um den geneigten Leser von seiner Mund-Art einen Geschmack zu geben. Denn so schreibet er in seiner Vorrede über das Buch Paragranum Tom. I. p. 199. Mir nach/ ich nicht euch nach. Ihr mir nach/ mir nach Avicenna, Galene, Rhasis, Montagnana, Mesue &c. Mir nach/ und nicht ich euch nach/ ihr von Pariß/ ihn von Montpellier, ihr von Schwaben/ ihr von Meissen/ ihr von Cölln/ ihr von Wien und was an der Donau und Rheinstrom lieget/ ihr Inseln im Meer/ di Italia/ du Dalmatia, du Athenis, du Griech/ du Arabs, du Israelita mir nach/ und ich nicht euch nach/ euer wird keiner im hintersten Winckel bleiben/ an den nicht die Hunde seichen werden. Ich wird Monarcha, und mein wird die Monarchey seyn/ und ich führe die Monarchey, und gürte euch um eure Lenden. Wie gefält euch Cacophrastus? diesen Dreck müsset ihr essen. Item de tinctura physicorum c. 1. Tom. I. Operum p. 922. Ich Philippus Theophrastus Bombast, sage/ daß nach Göttlicher Gnaden Offenbahrung/ zu der Tinctur physicorum vielerley Wege sind gesuchet worden/ und doch endlich zu einem End begerten zu kommen. Daher ist Hermes Trismegistus der Egyptier nach seinem Sinn zu Wercke gangen: Orus der Griech hat gleich denselben vorgenommenen Process behalten. Hali ein Arabischer Meister ist in seiner Ordnung geblieben. Der teutsch Albertus hat auch den langen Weg gefolget. Also hat dieser ein jeder seinem Kopf nachgegangen/ und sind doch zuletzt alle zu einem Termin kommen/ nemlich dem langen Leben/ von Philosophis zum höchsten begehret und zu ehrlicher Unterhalten desselben in diesem Jammerthal. Aber jetzt hat nun die Göttliche Gabe an Philippum Theophrastum Bombast der Arcanen Monarchen gelangt/ daß forthin jederman/ der sich des höchsten Wercks der Physic unterstehen wird/ mir nach müssen/ du seyst Italiänisch oder Polnisch/
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anzuführen/ damit die Liebhaber seiner Person und Lehre die angezogenen Schandflecken zu belegen pflegen. Sie sagen/ die strengen Urtheile die er von denen Medicis zu seiner Zeit gefället/ seyn aus seiner Schweitzerischen Mund-Art o) und dem gerechten Schmertz über den damahligen verderbten Zustand der Heilkunst geflossen: Lutherus habe eben so von sich und denen ungelehrten Mönchen geschrieben. Auf die groben Aeste gehöreten grobe Keile. Die Umstände der Zei-


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Frantzoß oder Teutsch. Mir nach alle Philosophi, mir nach alle Spagyri, mir nach alle Astronomi, es sey Heintz oder Cuntz &c. ingleichen in der Dedications-Schrifft des Buchs de gradibus & compositionibus receptorum Tom. I. Oper. p. 951. sicuti Arabam Medicus erat Avicenna, Pergamensium Galenus, Italorum vero Marcilius Medicorum optimus fuit; ita etiam ipsa me Germania felicissima in ssum Medicum necessarium delegit.
o) Der Herr M. Ehre-Gott Daniel Collberg gibt in seinem Platonisch-Hermetischen Christenthum Part. I. c. 4. §. 2. p. 180. den Paracelsum vor einen Schwaben aus: allein es wiederlegen ihn des Paracelsi eigene Worte die er in der Vorrede seines Büchleins de tinctura physicorum contra sophistas Tom. I. Op. p. 921. führet da er setzet: es seyn einige die ihm aufrücken/ daß er aus dem groben Schweitzerlande gebohren nirgend von wisse/ und Betlers-Weise von einem Land zum andern vagire &c. und in seiner Defension-Schrifft Tom. I. Op. p. 261. schreibt er: er sey von Natur nicht subtil gesponnen: es sey auch nicht seines Landes Art/ daß man das mit Seiden-Spinnen erlange/ sie werden nicht mit Feigen erzogen/ noch mit Meth/ noch mit Weitzen-Brodt/ sondern mit Käse/ Milch und Haber-Brodt. Die im Frauenzimmer auferzogen werden/ und sie die im Tannzapffen erwachsen verstehen einander nicht wohl.
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ten/ Personen/ Oerter &c. hätten es also erfodert. Bey der Völlerey werde ihm vieles von seinen Feinden angedichtet. Er selbst habe in seinen Wercken gart hart wieder die Säuffer geschrieben/ und sich z. e. in seiner Philosophia Occulta p. 291. dieser Worte vernehmen lassen: Trunckenheit ist ein Ursprung und Brunnen alles Ubels und aller Laster die alle aus EIngebung des Teuffels durch solche Trunckenboltze geschehen. Darumb seyd mäßig mit essen und tincken/ beschweret eure Hertzen nicht/ denn der Teufel ist allezeit gegenwärtig/ wiewohl unsichtbar/ denn er ist ein Geist/ so kan er auch die Kunst/ daß er allenthalben seyn kan auf dem gantzen Umkreyß der Erden. Denn er ist ein Erfüller und Vollbringer des Ubels/ so auf dem gantzen Erdboden bey allen Menschen geschicht/ und laustert auf die Menschen/ wie die Katze auf die Mäuse. Drum alsbald ih euch anfüllet mit Wein und truncken werdet/ so fähret er in euch und bringet euch in Sünden/ und übet alle Laster und Ubel in euch/ führet euch am Seile herum als ein Hencker den Ubelthäter/ bis er mit ihm ein Ende macht und hinrichtet. Also thut er auch bis er ihn leiblich besitzet/ einnimmet oder sonst gar in Verzweiffelung bringet. Drum seht zu ihr Epicurer/ Bachi und Landes-Knechte/ die gute volle Brüder seyn und Tag und Nacht bey dem Weine sitzen/ sich nicht wollen straffen lassen/ sondern sich ausreden/ mit ihrem Sprichwort/ wie sie sagen/ ein Kriegsmann und ein Schwein sollen immer voll seyn. Denn sie wißen nicht wenn sie sterben

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müssen oder wenn mans absticht -- &c. So weit gehen die Worte des Paracelsi l. c. und endlich was die Beschuldigung der Zauberey anlange/ so müsse man die Magiam Naturalem mit der Diabolica nicht vermengen. Jene gründe sich auf das geheimne Erkäntniß der physicalischen und Methematischen Grundsätze/ diese auf den Mißbruach des Göttlichen Nahmens und die Beschwerungen des Teuffels. Und gleichwie der Paracelsus die Erstere excoliret/ so habe er gegen die Andere an verschiedenen Orten sein höchstes Mißfallen bezeuget und z. e. in seinem Buche des Imaginibus Tom. 2. Oper. c. 11. p. 307. gesetzet/ die Zauberey sey hoch wieder GOtt und das Licht der Natur. Der Virgilius und seine Nachfolger haben durch grosse gewaltige Conjurationes dieselbe zu wege gebracht/ und die Teuffel und bösen Geister in die Bilder bezwungen/ die denn in denen Bildern Zeichen gethan und Red und Antwort geben haben: Es sey ihnen aber in dem Weg nicht nachzufolgen/ sondern ihr process zu fliehen und zu meiden als der Teuffel selbst. etc. Es sey nicht ohne/ daß er sich zuweilen solcher Worte und Redensarten in seinen Schrifften bedienet/ die nach der schwartzen Kunst zu schmecken scheinen: Allein das sey die Art derer Spagyricorum daß sie ihre Geheimniße in Magische Rätzel einhüllen und denen natürlichen Sachen eine mehr als natürliche Signatur eindrücken. Die Nahmen der Geister die er in seinen Schrifften hier und da gebrauche und die man im ersten Anblick vor eitel Lock-Vö-

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gel des Teuffels halte/ seyn in der That nichts anders als Benennungen unterschiedlicher Extracten/ Essentien, Medicinischer Spirituum und derer Eigenschafften und Zubereitungen/ item der Mineralischen wachsenden und beseelten Dingen deren er sich in der Verfertigung seiner Artzney-Mittel bedienet; u. s. w. Und da ich nicht ohne Ursach besorgen muß/ es werde mir und dir eine Unbeqvemlichkeit daraus erwachsen/ wenn ich dir von seinen Schrifften/ Grundsätzen/ Wiedersachern/ Nachfolgern u. d. g. eine solche Nachricht ertheilen wolte/ wie es die Weitläuffigkeit der Materie erfodert: Als will ich dieses alles auf das kürtzeste zusammen ziehen/ und dir also von diesen Hauptstücken nur dieses zu erkennen geben/ was dir zu der Erlangung unsers jetzigen Zwecks am allermeisten zu wissen nöthig ist. Und kanstu dahero behalten von seinen

I. Scriptis
1) Daß dieselbe theils gedruckt/ theils ungedruckt/ und diese letzteren theils noch vorhanden/ theils auch verlohren gangen. Conf. Ioh. Huseri praefat. in Opera Theophr.
2) Daß zu denen noch vorhandenen ungedruckten Schrifften seine weitläuffigen Commentarii in omnes pene N. T. libros vor allen andern mit gehören/ welche der Herr Morhoff L. 1. Polyhist. c. X. p. 100. in der Bibliotheque des Isaaci Vossi gesehen hat.
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3) Daß die gedruckten mehrentheils nach seinem Tode von andern erstlich sind heraus gegeben worden. Und daß dahero das Urtheil des Herrn Morhoffs l. c. gar zu billig zu seyn scheine da er sagt: Man solle nicht alles was aus seinen MSctis publiciret so gar genau anatomiren. Inmassen denn allerdings zu glauben/ daß seine Schrifften sich gantz in einer andern Gestalt würden praesentiret haben/ wenn er sie selbst bey seinen Lebzeiten solte an der Licht gestellet haben.
4) Daß der Joh. Huserus, Churfürstlicher Cöllnischer Rath und Medicus der erste gewesen/ der dieselben auf begehren des damahligen Churfürsten zu Cölln Ernesti zusammen gesamlet/ und in Ordnung gebracht/ und zu Straßburg anno 1616. in 2. Tomis in f. publiciret, welchen hernachmals seine Erben anno 1618. die noch rückständige Chirurgischen Schrifften in einem besondern Tomo mit beygefüget.
5) Daß in denselben so viel die Physique, Medicin und Chymie betrifft zwar überaus schöne Sachen/ daneben aber auch diese Gebrechligkeiten mit zu finden sind. Als
a) Ein überaus rauher/ grober/ harter/ dunckler/ verworrener und unangenehmer Stilus, der nicht allein mit vielen Schweitzerischen terminis beflecket/ sondern auch mit so vielen neuen/
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frembden/ ungewöhnlichen und seltzamen Worten und Rätzelhafften Redensarten, ingleichen mit so vielen abgeschmackten tautologie, wunderlichen connexionen, albernen Sprichwörtern/ Bäurischen Ausdrücken u. s. w. beschmitzet/ daß ein jeglicher periodus fähig ist einem Liebhaber der Wohlredenheit einen Eckel zu erwecken/ und ihm die Paracelsischen Opera verhast zu machen.
b) Ein unartiger Methodus, darinnen das hunderte zuweilen in das tausende geworffen wird.
c) Einige unverständliche Worte und Sachen/ die theils in denen MStis des Theophrasti also gefunden/ theils auch von denen editoribus mit fleiß obscuriret, daß sie von denen unbedachtsamen Lesern nicht solten gemißbrauchet werden. Conf. Epilogum tr. de pestilitate Tom. I. operum, p. 355.
d) Einige anstößige characteres, figuren und Bilder.
e) Verschiedene Lücken und defecte welche in der Huserischen edition theils mit einem Stengen (*) theils auch mit zweyhalben Circkeln bezeichnet sind.
f) Einige offenbahre contradictiones und Wiedersprechungen/ u. s. w.
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6) Daß man bey einigen gar wahrscheinliche Ursachen zu zweiffeln habe/ ob sie den Paracelsum zu ihrem rechten Urheber und Vater haben? oder ob sie nicht vielmehr von andern sind unterschoben worden.
7) Daß der ehemalige Medicus zu Basel Adamus von Bodenstein/ des D. Andreae Carlsstad. (de quo vide sis His. litt. Germ. Sect. 3. c. 1. Qu. 24. p. 29.) Sohn verschiedene teutsche Schrifften des Paracelsi Lateinisch/ und Lateinisch Teutsch gemachet/ und an das Licht gegeben habe.
8) Daß der Fridericus Bitiscus die Opera des Paracelsi Lateinisch heraus gegeben/ u. denenselben eine praefation vorgesetzet/ darinnen er den Paracelsum wieder seine Gegner gar gelehrt vertheidigt hat. conf. Barchusen Hist. Medic. Dial. XV. p. 404. Olai Borrichii Hermes. c. 8. p. 439. Und das ist die edition darauf der Mr. Guy Patin in seiner lettre 97. Tom. I. p. 226. so übel zusprechen ist/ da Er schreibet: habt ihr gehöret/ daß der Paracelsus zu Geneve gedruckt werde in 4. voluminibus in folio? gewißlich es ist eine Schande/ daß ein solches schlimmes Buch Pressen und Drucker überkommen muß/ die zuweilen denen allerbesten Wercken mangeln. Ich vor meine Person wolte lieber
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sehen/ daß man den Alcoran davor aufgeleget hätte. Denn der ist nicht so gefährlich/ zum wenigsten würde er die Welt nicht so sehr betrügen etc. Alleiin man hat sich an dieses Urtheil des Mr. Patin um so viel weniger zu kehren/ je ehr er in denen angezogenen Brieffen seines Hertzens-Gedancken offenbahret/ und sich bloß gegeben/ daß er ein geschworner Feind der Chymie und aller Chymicorum sey.
9) Daß die relation des so genanten Valentini Antaprassi Silorani nach einer Fabel zu schmecken scheinet/ die sich in seinem prologo über des Paracelsi tractat de Morbis & tartaro Tom. I. Op. p. 476. befindet/ da er setzet: Es habe der D. Cyperinus Flaenus die scripta Theophrastica in die Italiänische und Frantzösische: der Bebeus Ramdus aber die Medicinischen Wercke dieses Auctoris in die Griechische Sprache übersetzet: Denn erstlich ist biß dato noch niemand gewesen/ der diese versiones gesehen: hernach so sind auch die angegebenen Nahmen in der Republ. Litteraria gar nicht bekant: Und letztens ist es unter denen Urhebern dieser Erzehlung selbst noch nicht ausgemacht/ ob der erste Cyperinus Faënus, oder Cyprianus Fienus, oder Cyperinus Fianus, und der ander Bebeus Ramdius, oder Bebeus
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Rambus, oder Bebeus Ramdus geheissen. conf. Melchioris Adami vitas Medicorum p. 14.
II. Principiis.
α) Physicis.
1) Daß er statuiret, alle corpora mixta bestehen ex Sale Sulphure & Mercurio, und lassen sich auch in diese principia wieder resolviren.
2) Daß er der erste gewesen/ der diese angeregten principia metallica auf alle corpora mixta extendiret. Morhoff. Tom. 2. Polyhist. l. 2. c. 16. p. 267.
3) Daß er zu dem Sulphure & Mercurio das Sal noch hinzugethan/ und also die beyden principia derer alten Chymicorum noch mit einem dritten vermehret hat. l. c.
b) Medicis.
1) Daß er der erste gewesen/ der den Tartarum vor eine Ursache aller Kranckheiten angegeben. Helmontius in Historia Tartari p. 222. item Adamus Bodenstein in praefat. librorum Paracelsi de causis, signis & curationibus Morborum & tartaro.
2) Daß er davor gehalten/ die wahre Arzeneykunst stehe auf 4. Säulen/ nemlich auf der
a) Physica, welche nichts anders sey/
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als ein Erkäntniß der Erde und des Wassers und aller derer Dinge/ die daraus gezeuget werden.
b) Astronomia, welche da sey eine unbetrügliche Wissenschafft derer übrigen beyden Elementen und aller himmlischen Dinge.
c) Alchymia, welche lehre/ woraus die Körper bestehen/ und worinn sie wieder resolviret und aufgelöset werden/ wenn man nach der Anweisung der Natur fleißig hand anlegen wolte.
d) Virtute, welche von dem Medico erfodere/ daß er fromm gegen Gott/ gerecht gegen seinen Nechsten/ beständig/ aufrichtig/ und nach allen Guten begierig seyn solle. conf. Melchior Adamus in Vita Paracelsi p. 13. ipse Paracelsus in Paragrano suo.
III. Sectatoribus.
a) Daß der Adam von Bodenstein der erste gewesen/ der seine principia medica zu Basel mit Worten und in der That fortgepflantzet/ und denen Patienten nicht allein eine vollkommene Cur von denen unheilbahren Kranckheiten/ sondern auch so gar eine verlängerung des Lebens verheissen hat. Adami in Vitis Medic. p. 95. a)
b) Daß der Königliche Dänische Leib-Me-
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dicus und Canonicus zu Roeskild Petrus Severinus der erste gewesen der in seiner idea Medicinae philosophicae die zerstreueten Lehr-Sätze des Paracelsi in eine Kunstmäßige Forme zusammen gebracht/ und sich damit bey denen Liebhabern derselben in ein solches Ansehen gesetzet/ daß der Herr Conring in seinem l. 2. de Medicina Hermetica c. 1. p. 179. bezeuget: jam plerosque Severinum potius quam Paracelsum sectari. Und der Sennertus c. 3. de Consensu & dissensu chemicorum p. 58. sagt: Plerique qui hodie Chymiatrici audire volunt, Petrum Severinum, qui dogmata e Paracelso hinc inde disjecta in Artis formam redigere conatus est, potius quam ipsum Paracelsum sequuntur. Hinc hodie nova quasi secta nata est quae Severiana dici potest.
c) Daß der ehemahlige Philosophus Matheseos zu Pariß Jacobus Gohorri, der unter dem erdichteten Nahmen Leonis Suavii ein Compendium Philosophiae & Medicinae utriusque Theophrasti Paracelsi geschrieben/ der erste Paracelsiste in Franckreich gewesen, vid. Naudaei Tr. von denen vornehmen Leuten/ die der Zauberey fälschlich beschuldiget. c. 14. §. 17. p. 160.
d) Daß seine vornehmsten und berüchtigsten Nachfolger diese seyn: Als
1) Gerardus DORN.
2) Michael TOXITES, D. Medicinae zu Hagenau.
3) Georgius FORBERGER, M. Philosophiae zu Basel/ bürtig aus Meissen.
4) Osvvaldus CROLLIUS, Leib-Medicus bey denen Fürsten zu Anhalt.
5) D. Joh. HOMELIUS, Secundus Physicus in de Steyer-Marck.
6) D. Elisaeus ROESLIN, Medicus zu Hagenau.
7) D. Lucas BATHODIUS, Fürstlicher Pfältzischer Medicus zu Pfaltzburg.
8) D. Joh. HILLER, Fürstlicher Marggräflicher Leib-Medicus zu Anspach.
9) D. Melchior WIEL, Physicus zu Solothurn.
10) M. Bartholomaeus SCULTETUS, Mathematicus zu Görlitz.
11) Henningus SCHEUNEMANN, von dessen Medicina Reformata der Daniel Sennertus c. 16. de Consensu & Dissensu Chemicorum p. 501. seq. ausführlich gehandelt hat.
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12) Alexander SUCHTENIUS.
13) Wolfgang THALHAUSEN, Physicus in Augspurg.
14) Joh. HUSERUS, Churfürstlicher Cöllnischer Rath und Medicus.
15) Heinricus CUNRATH, Medic. Doctor u. d. g.
IV. Adversariis. Daß die notabelsten derselben diese seyn: nemlich
1) Der gewesene D. Medicinae und P. P. zu Basel Thomas ERASTUS. p) Denn der hat geschrieben Disputationes de Medicina nova Theophrasti Paracelsi davon der erste/ andere und dritte Theil zu Basel anno 1572. der vierdte und letzte aber 1573. eben daselbst in 4. publiciret, und in ihrem Inhalt so eingerichtet sind/ daß so wohl das Leben als auch die Lehre


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p) Dieses ist der Thomas Erastus welcher in dem XVI Saeculo, mit seiner neuen Meynung von dem Kirchen-Bann ein so grosses Ansehen in Europa erreget hat. Es findet sich dieselbe in seiner so genanten Explicatione gravissimae quaestionis, utrum excommunicatio quatenus religionem interlligentes / amplexantes, a Sacramentorum usu propter admissum facinus arcet, mandato nitatur divino, an excogitata sit ab hominibus? Und gehet er in derselben sonderlich dahin/ daß die excommunicatio forensis wie sie heutiges Tages bey denen Consistoriis gebräuchlich sich blosserdings auff Menschen-Satzungen mit nichten aber auf eine Göttliche Ordnung gründe. Vide sis Seldenum de synedriis l. 1. c. 10. p. 296. seq.
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des Paracelsi darinnen auf das euserste herunter gemacht wird.
2) Der Bartholomaeus REUSNERUS, gewesener D. Medicinae und Stadt Physicus zu Zwickau/ q) denn der hat anno 1550. zu Görlitz drucken lassen: Christianam confutationem Theophrasti Paracelsi blasphemiarum. Germ.
3) Der Bartholomaeus HUBNERUS, D. Medicinae zu Erfurt. Denn der gab anno 1593. daselbst heraus Orationem de variis immotisque fundamentis Artis Medicae & philosophiae atque de impietate, vanitate & erroribus Theophr. Paracelsi.
4) Der Ernestus SONERUS (de quo vid. Hist. lit. Germ. Sect. 3. c. 2. Qu. 9. seq.) denn von dem haben wir eine Oration de Theophrasto Paracelso ejusque per-


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q) So beschreibet ihn der Joh. Heinr. Cunradus in seiner silesia togata p. 236. und thut unter andern auch diesen Umstand mit hinzu/ daß er anno 1572. den 22. Octobr. in dem 4. Jahr seines Alters zu Zwickau gestorben sey. Dahingegen setzet der Nicolaus Henelius ab Hennefeld in seiner Silesiographia c. 7. p. 255. ingleich der Elias Reusnerus in seinem Indice Chronologico Doctorum Virorum Isagoga Historica adjecto p. 661. der Paulus Freherus in seinem Theatro V. 1. p. 2012. Königius in seiner Bibliotheca V. & N. T. p. 686. &c. er sey zu Zittau gewesen. Und dieses bringet mich fast auf die Gedancken/ daß der Herr Cunradus die beyden Nahmen Zittau und Zwickau in seiner Silesiographia mit einander versetzet habe.
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niciosa Medicina, die in der philosophia Altorfina mit verfasset/ und mit so gar herben/ bittern und gallreichen Worten aufgesetzet ist/ daß dem Leser der appetit dieselbe durchzugehen alsofort im Eingange benommen wird.
5) Der Hermannus CONRINGIUS, (von welchem du unsere Hist. lit. Germ. Sect. 3. c. 3. Qu. 41. p. 246. nachsehen kanst.) Denn der hat nicht allein in seiner introductione in universam artem medicam c. 2. §. 20. p. 53. item c. 3. §. 38. p. 11. u. s. w. den Paracelsum gar hart mit genommen/ und ihn en Ungeheuer eines Menschen der zum Verderb der guten Gelehrsamkeit gebohren; Einen Schelm und Betrüger; seine Lehren aber gottloß/ absurd und scheußlich genant: Besondern er hat auch seine beyden Bücher de Hermetica Medicina eintzig und allein darum geschrieben/ daß er beweisen wollen/ das Leben und die Lehre des Paracelsi sey eines so viel nutze als das andere/ und die alte Hermetische Medicin in Aegypten sey von der neuen Paracelsischen so weit als der Tag von der Nacht entfernet. Und so wenig ich die harten Beschuldigungen in allen Stücken gut zu heissen/ und mit meinem Beyfall zu approbiren willens bin/ da ihm von dem Olao Borrichio in
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seinem Hermete vorgerücket wird: Er habe das meiste/ das er in seinem angeregten Buche wieder den Paracelsum vorgetragen/ aus dem Sennerto ausgeschrieben/ und desselben doch nur als im verbeygehen erwehnet: item, er habe ein hauffen Soloecismos und Barbarismos mit einfliessen lassen/ depoentia passive gebraucht/ fecasse pro fecuisse gesetzet/ u. s. w. so wenig kan ich das Urtheil des Herrn Morhofs tadeln/ da er in seinem TOmo 2. Polyhist. l. 2. c. 16. p. 276. schreibet: Er sey gegen die Chymie derer Alten und Neuen etwas zu unbillig/ und p. 266. Er habe alles zusammen gesamlet/ was dem Paracelso zur Schande gereiche/ und dasjenige hingegen ausgelassen/ was zu seinem Lobe etwas beytragen können. Es ist wahr/ er hat sich mit diesem Buche einen großen Ruhm in der gelehrten Welt gemachet. Seine sonderbahre Belesenheit/ sein durchdringendes Urtheil/ sein majestätischer Vortrag zeiget sich auf allen Blättern: Und der Borrichius selbst hat sich in der praefation seines Hermetis nicht enthalten können/ die Tugend an seinem Gegner zu loben/ und dieses Werck ein volumen doctum zu nennen: Allein es würde seine Ehre noch viel grösser und herrlicher gewesen seyn/ wenn er das in der Tractation gethan/ was er in
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der praefation gethan zuhaben versichert/ daß er sich nemlich durch keine Partheyligkeit verleiten/ und sich so wenig durch die Liebe der Aristotelischen philoophie als den Haß der Paracelsischen Medicin von der untersuchung der Warheit abwendig machen lassen: Aber so hat er seine menschlichen Fehler zuweilen bloß gegeben; Und ich kan nicht läugnen/ daß ich in der Gegeneinanderhaltung der Conringianischen und Borrichianischen Schrifften/ die sie in der Paracelsischen Sache mit einander gewechselt/ vielfältig bey mir befunden/ daß mein Gemüthe geneigter gewesen/ dem Letzeren als dem Ersteren Beyfall zu geben/ ungeachtet des grossen respects den ich von Jugend auf vor dem Conringianischen Nahmen gehabt/ und noch biß dato habe.

Ich wolte auch wohl sagen/ daß der Paracelsus der Erste gewesen/ der sich erkühnet die philosophischen Wissenschafften in teutscher Sprache vorzutragen/ teutsch zu profitiren, zu disputiren r) u. s. w. item, daß er der Erste gewesen/


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r) Docuit, sagt der Melchior Adami in Vitis Medicorum p. 13. a) praeter Academiarum morem vernacula lingua vel saltem mixtim, latinis partim, partim germanicis verbis, ut nim. ab omnibus intelligeretur. Der Helmontius zwr vermeinet in seiner Historia Tartari p. 225. a)
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der die Doctrin de humoribus aus der Medicin zu verbannen gesuchet/ s) und daß der Olaus Borrichius in der Vorrede seines Hermetis gar artig von ihm geschrieben. Sie beneficio nullo alio beasset mortalitatem, quam quod salium lixivorum historiam locupletauerit, tradicto eorum usu ad febres expugnandas utilius quid praestitit Hercule, proterente Hydram &c. Allein ich habe dich schon so lange aufgehalten/ daß ich glaube du werdest ein grösser Verlangen haben/ daß ich die Historie derer restirenden Secten anfangen/ als daß ich diese noch weiter ausführen soll.


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er habe deswegen teutsch dociret/ weil er das Latein verachtet und vergessen/ und gemeinet/ die Warheiten müsten nur teutsch ausgesprochen werden: allein ich halte die von dem Adamo angeführten Ursachen vor gewisser/ und glaube/ daß seine Haupt-Absicht hiebey gewesen sey/ das allgemeine Praejudicium allgemählig auszuwurtzeln/ da wir uns überreden lassen/ alle Schätze der Weißheit und des Erkäntnisses liegen in der lateinischen und griechischen Sprache verborgen/ und wer diese Schalen nicht vorhero zerbrochen/ der habe sich auch kein Facit auf den Kern zu machen.
s) Denn so schreibet der Helmontius in seiner Scholarum Humoristarum passiva deceptione c. 1. §. 8. p. m. 158, Paracelsu primus humores ita risit. Helvetico more, ut Galenicos simul & Arabes Medicos, Humoristarum cognomine deluserit: attamen ipse saepe inconstans ad humores delabitur & complexiones, nondum sat in suis thesibus fundatus.
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225. Warum hastu den Herrn Georg Wolfgang WEDEL, in die derselben gesetzet/ welchen die Pharmacia ihre Reformation zu dancken hat?

Darum/ daß wir so viel schöne Schrifften von ihm in Händen haben/ darinnen er sich eintzig und allein um die Ausbesserung dieser Wissenschafft bekümmert/ in dero Historischen Beschreibung wir jetzo begriffen sind. Denn daß ich an die Tabulas Synopticas de Compositione Medicamentorum Extemporanea anjetzo nicht gedencke/ die er an. 1687. zu Jena in f. herausgegeben/ u. hernach in dem schönen Tractat erläutert/ den er von eben dieser Materie in dem nachfolgenden 1688. daselbst in 4to publiciret hat: daß ich auch derer Amoenitatum Materiae Medicae nicht erwehne/ die er an. 1684. zu Jena in 4to an das Licht gestellet/ und denen er einen Syllabum Materiae Medicae Selectioris mit beygefüget/ welcher wohl Werth ist/ daß er von denen Artzneygeflißenen mit Fleiß gelesen werde: So hat er mit seiner Pharmacia in Artis Formam redacta den Platz alleine verdienet/ den wir ihm unter denen Reformatoribus derer Apotheker- oder vielmehr derjenigen Kunst die Artzney-Mittel geschicklich zu bereiten/ gegeben haben. Und die Pharmacia Acroamatica die er/ uns hernachmahls an. 1686. zu Jena in 4to überliefert/ und darinn er dasjenige weiter ausgefüh-

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ret/ was er vorhero in der Pharmacia in Formam Artis redacta kürtzlich abgehandelt/ die dienet uns zum Zeugnüß/ wie vortrefflich er diese Wissenschafft verbessert/ und wie wenig der Herr Schelhammer in seinen Notis ad Conringii introduct. in A. M. c. XI §. 6. p. 386. von dem Leitfraden der Wahrheit abgegangen/ da er schreibet: Es kan des Herrn Wedels Pharmacia in Formam Artis redacta, und ACromatica von denen Anfängern um so viel beqvemer/ und mit so viel grösserm Vortheil gelesen werden/ je klährer und deutlicher die Schreib-Art ist/ deren sich der Herr Auctor zu bedienen beliebet/ vor der Ludovicianischen. Und gewiß/ wo uns frey stehet/ das Kind bey seinem Nahmen zu nennen/ und ohne die geringste Partheyligkeit/ damit wir dem Autori, als unserm alten Freunde und Gönner verbunden sind/ von der Sache zu urtheilen/ so müssen wir sagen/ er habe alle diejenigen/ die vor ihm dergleichen unternommen/ und auch so gar seinen Praeceptorem, den Rolfincium selbst/ gar weit übertroffen. Diese beyden Leute (Wedel und Ludovici) haben mit gleichmäßiger Absicht/ und Glückseeligkeit die alte Pharmaceuticen mit der Neuen verknüpffet/ damit diejenigen Stücke/ die durch eine unbillige Separation von einander geschieden waren/ durch sie/ als durch Brautführer wieder mit einander versöhnet/ und in eine Eheliche vergnügliche Verbindung möchten gesetzet werden.

226. So werden die Teutschen auch wohl zweiffels ohne viel schöne Medicamenta erfunden haben?
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Wenn der berühmte Polyhistor zu Augspurg/ Georgius Hieronymus Welschius, die dissertation de inventoribus Medicamentorum zum Stande gebracht/ die er nach dem Zeugnüß des jüngern Lucae Schröckii in memoria Welschiana c. 9. p. 72. zu schreiben vorgehabt/ so solte mir es eine leichte Sache seyn/ dir auf deine vorgelegte Frage eine beliebte Antwort zu ertheilen/ und die vielfätligen Verdienste der Teutschen auch in diesem Stücke zubeweisen; allein weil derselbe durch einen frühzeitigen Todt an seinem Vorsatz verhindert/ und das angeregte argument so viel mir wissend/ auch sonst noch von niemand ex professo tractirt ist: als wirstu mir nicht verdencken/ daß ich dir bey so gestalten Sachen mit kürtzern Gerichten abspeisen muß/ als du in deinem appetit vermuthet. Die alten Teutschen haben sich in ihren Curen mehrentheils derer simplicium bedienet. Und ungeachtet sie in dem XIII. Seculo nach gerade anfingen die Artzneykunst auf Galenische principia zusetzen/ so haben sie sich doch in der pharmaceutica gar wenig um den Galenum bekümmert/ und bekümmern können/ weil der Original-Text vor ihren Augen verschlossen/ und die Griechische Medicamenta von denen Arabischen mehrentheils verdrungen waren. Wer damahls practicirete/ der verschrieb Arabische recepte aus dem Mesua, Avicenna b) u. d. g. Die Griechischen hinge-


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b) Der Joh. Zvvelferus erhebet die Verdienste derer Araber in der Erfindung derer Artzney-Mittel gar hoch in der
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gen stunden hinten an. Und ich zweiflele/ ob unter allen compositis, die sich weyland in denen Griechischen officinen befunden/ noch jetzo einige bey uns bekant/ und im Gebrauch sind/ ausser dem Theriac und Methridat; wiewol dieselben auch ebenfals von ihrer ehemahligen Beschaffenheit gar weit degeneriret sind. Und in diesem Zustande ist es mit denen Medicamenten in Teutschland verblieben/ biß in das XVI. Seculum, da die Chymie mit der Artzeneykunst verknüpffet/ und also denen Medicis gelegenheit gegeben ist/ die Arabische Artzeney-Mittel mit denen Chymischen zu vertauschen. Denn da hat sich die bißherige constellation in der Pharmacopaeia dergestalt verändert/ daß da sich vorhero gar wenige gefunden/ welche auf neue


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Praefation seines Appendicis ad Animadversiones in Pharmacopoeiam Augustanam, da er setzet: cum apud Hippocratem & Galenum vix audias praeter Peplium, Colocynthiadem, Esulam, Veratrum & similia extremarum quasi torturarum instrumenta, quorum usus tot praecautionibus vix saits circumseptus, etiam peritis adhuc horror est, Arabes locoplete benigniorum remediorum suppellectile rem medicam ditarunt auxeruntque, vnde quod incognitam Rhabarbari radicem sciamus purgare flavam bilem suaviter, Senae folia fine querela esse vacuando humori atro; Laricis fungum Agaricum ad phlegmaticam saburram non violenter evertendam dicatum; saccharum, Mannam, Casiam & sexcenta alia pharmacopolii pyxides eleganter non minus quam abunde distinguere, totum experientiae eorundem debemus, qui, quae in veterum mentem haud descenderunt, labore improbo aperuerunt, suis vigiliis priorum industriam suppleverunt, &. ut paulo jucundiora remedia extarent, effecerunt.
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Artzeney-Mittel bedacht gewesen/ indem sie sich mehrentheils mit denen Arabischen Vorschrifften beholffen/ da sind der Leute hernachmahls so viel worden/ welche was neues ersonnen zu haben sich gerühmet/ daß wir einen gantzen geschlagenen Tag würden zubringen müssen/ wenn wir die blosse Liste derselben erzehlen wollten. Ich bin nicht gemeinet/ mich so weit in dieser materie zu vertieffen. Ich will nur einige wenige zur Probe anführen/ die von denen Teutschen hieher gehören/ um damit zubescheinigen/ was dieselben in der vorgedachten dissertation des Herrn Welschii vor einen Platz würden eingenommen haben/ wenn dieselbe zu ihrer gewünschten Vollkommenheit hätte gedeyhen sollen. Denn da versamlen sich unter diese rubrique z. e. der

1) Theophrastus PARACELSUS, welcher zu erst erfunden
α) Das Elixir proprietatis. Vide Michaëlis Ettmülleri Collegium Pharmaceuticum in Ludovicum Tom. I. Opp. p. 1154. Et adde Schröckii pharmacop. Augustanam restitutam p. 477.
β) Das Vngventum Armarium Sympatheticum, magneticum, stellatum, oder die Waffen-Salbe/ davon der Iacobus Primerosius in tr. de vulgi erroribus in Medicina c. 48. p. 488. verdienet nachgesehen zu werden.
γ) Die bekante mistiruam simplicem.
δ) Das so genannte Laudanum, davon wir vorhin in seiner Lebens-Beschreibung allberei geredet haben. Ich geschweige derer vielfäl-
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gen Specificorum, und anderer köstlichen Artzney-Mittel/ die er theils in seinen Libris Archidox. theils in andern beschrieben/ und unter welchen auch ein gewissen specificum Anodynum zu finden/ welches der Herr Wedel in seiner Opiologia L. 1. Sect. 2. c. 6. p. 69. de meliori recommendiret hat.
2) Ioh. Iacob WECKER, der des D. Alexii Pedemontani sieben Bücher de Secretis zum erstenmahle aus dem Italiaenischen in das Lateinische übersetzet/ und dieselben nicht allein in eine bessere Ordnung gebracht/ sondern auch zu gleich mit verschiedenen Geheimnüßen/ die er zum Theil selbst erfunden/ zum Theil auch von andern entlehnet/ vermehret hat.
3) Ioh. Baptista van HELMONT, welcher die nachfolgenden Secreta wo nicht alle erfunden/ dennoch alle mit einander gewust/ und auch wohl mehrentheils mit sich in das Grab genommen hat. Als
a) Den Liquorem Alcahest.
b) Mercurium Corallatum & Diaphoreticum.
c) Ignem Veneris.
d) Aroph.
e) Tincturam Lili ab Electro minerali.
d) Tincturam Lili antimonialem.
e) Mercurium vitae Stibii prolem.
f) Lac perlarum achtiecticum & Antiparalyticum.
g) Arborem Vitae.
[p. 789]


h) Substitutum Lapidis Butleriani.
i) Arcanum sedativum in Hydrope.
k) Emplastrum Antiquartanarium Febbr.
l) Annulum contra Haemorrhoides & Suhffocatinem vteri &c. conf. Chrits. Ludovici Addit. ad Pharmaciam modern Seculo applicandam p. 38. seqv.
4) Daniel SENNERTUS, welcher nach seiner beywohnenden Fähigkeit die Medicin vermehret
α) Mit einem Aqua Apoplectica (Schlagwasser) conf. Ioh. Schröderi Pharmacopaeiam Medico-Chymicam l. 2. c. 38. p. 134.
β) Mit dem Oleo Camphorae, vid. Ioh. Zwelferi Pharmac. August. reformatam. p. 442.
γ) Mit vielen andern Simplicibus und Compositis, die aber zum Theil so beschaffen seyn sollen/ daß man sich in der Praxi nicht sicher genug darauf verlassen kan. vid. Schelhammeri notas ad Conringii Introd. in A. M. c. 7. §. 13. p. 253. seq.
5) Ioh. Stephanus STROBELBERG, welcher nebst dem oleo Febrifugo, das der Herr Iohann Schröder in seiner Pharmacopaeia Medico-Chymica l. 2. c. 72. p. 239. beschrieben/ auch ein Emplastrum Febrifugum erfunden/ davon der Herr Schröder l. c. c. 53. p. 192 berichtet/ es habe der Graff Carl von Wolckenstein dem Herrn D. Strobelberg 100. Rthlr. vor das Recept gegeben/ nachdem er dadurch von dem
[p. 790]


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Bibliography

Reimmann, Jacob Friedrich (1668-1743): Versuch einer Einleitung in die Historiam literariam der Teutschen, vol. des 3. und letzten Theils viertes und letztes Hauptstück, Halle: Renger, 1713.
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