Lucas Bathodius (um 1541/43 – um 1598)
From Theatrum Paracelsicum
Lucas Bathodius (um 1541/43 – um 1598) war Arzt, Kalenderschreiber und Paracelsus-Herausgeber.
Vater: Lucas Hackfurt (Bathodius, Bathodius, Hugfordus; geb. um 1495, gest. 6. April 1554 in Straßburg; Spitalkaplan, Armenschaffner, Humanist; bekannt mit Erasmus, Luther, Gerbel, Beatus Rhenanus u.a.). Mutter: Margaretha Meigel (seit 1531 dritte Ehefrau B.s). Ehefrau: Margarete Ried (Tochter von Matthes Ried und Margarete Kechel, Enkelin von Barbara Schwartzerdt). Kinder: Anna Bathod (1573 verh. mit Johannes Bentz/Bentius, 1547-1599, Prof. in Straßburg, Hellenist).
auch: Batodius, Battodius, Bathod, Hackfurt, Hachfurt
B. wurde um 1541/43 als Sohn des Straßburger Humanisten Lucas Hackfurt geboren. Er studierte in Tübingen (1559) und Wittenberg (1560 bis mindestens 1563), wo er vor 1568 zum Magister promoviert wurde. 1569/70 wurde er ohne die übliche Gebühr an der Universität Basel immatrikuliert. Um 1572 war B. Präzeptor des Grafen ↗ Gottfried zu Oettingen (1554--1622) in Oettingen. Nach 1572 hielt sich B. teilweise in Straßburg, teilweise in Oettingen (1578) auf. 1573 und 1577 nennt Michael Toxites ihn «Candidatus medicinae», doch ist über ein Medizinstudium nichts näheres bekannt. 1582 wurde er Nachfolger von ↗ Helisaeus Röslin als Leibarzt am Hof von Georg Johann I. von Pfalz-Veldenz (1543--1592) in Pfalzburg. Nach dem Tod von Georg Johann 1592 wechselte B. als Leibarzt an den Hof von ↗ Herzog Reichard von Pfalz-Simmern (1521--1598) in Simmern, wo er wiederum bis zum Tod Reichards im Januar 1598 tätig war. B. starb vermutlich im selben Jahr.
In den Jahren 1571–1578 unterhielt B. Beziehungen mit den Paracelsisten ↗ Michael Toxites in Hagenau und ↗ Heinrich Wolff in Nürnberg. Er wirkte 1574 an Toxites’ Ausgabe von Paracelsus’ Fünff Bücher Vonn dem Langen leben mit und gab selbst 1584 (Pseudo-)Paracelsus’ De natura rerum, IX Bücher. ↗ Johann Huser nennt B. 1589 im ersten Band seiner Paracelsus-Ausgabe unter den Lieferanten von Paracelsus-Handschriften.
Kaum in Wittenberg immatrikuliert, machte der Student B. 1560 in einem Brief an den Theologen Conrad Hubert (1507--1577) als einer der ersten Melanchthons Tod in Straßburg bekannt. Seit den 1560er Jahren stand B. in Kontakt zu ↗ Michael Toxites (1514--1581), der ihm sowie ↗ Florian Daniel Koschwitz und ↗ Valentin Koßlitz am 13. November 1571 seine Ausgabe von Raimundi Lullii [...] libelli aliquot Chemici (Basel: Pietro Perna 1572; VD16 R 150) widmete. 1573 zählte Toxites B. zu seinen «vertrauten guten Freunden». B. stand zudem in Kontakt mit dem Augsburger Humanisten ↗ Hieronymus Wolf (1516--1580), auf dessen Empfehlung hin sich der Bruder, der Nürnberger Arzt ↗ Heinrich Wolff (1520--1581), mit B. in Oettingen in Verbindung setzte. B. diente Wolff spätestens ab 1569 als eine Art Mittelsmann zu Toxites; Wolff sandte ihm wiederholt Handschriften, die zuvor von ↗ Sebald Hawenreutter durchgesehen worden waren, zur Weiterleitung an Toxites zu und empfahl 1573 auch die Mitarbeit eines Alchemisten namens ↗ Martin Faber. Toxites sollte die Handschriften im Auftrag Wolffs in Straßburg zum Druck befördern. Gelegentlich schickte B. die Handschriften jedoch statt an Toxites vielmehr an ↗ Valentin Koßlitz und ↗ Florian Daniel Koschwitz, beide ebenfalls in Straßburg, oder versuchte suchte den Basler Buchdrucker ↗ Pietro Perna für den Druck der Bücher Wolffs zu gewinnen. Auch Toxites gab nicht alle Manuskripte Wolffs unter dessen Namen heraus; bekanntestes Beispiel ist das Paracelsus-Kompilat Holtzbüchlein (Straßburg: Christian Müller, 1564; VD16 P 471). Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen Wolff, Toxites und Bathodius in den Jahren 1572 und 1573 standen Rezepturen zur Herstellung eines «Aurum potabile», an denen alle drei arbeiteten. Noch 1578 scheint Bathodius Wolff am Hof der Grafen von Oettingen diskreditiert zu haben, was sich allerdings wenig auf Wolffs Vertrauensstellung am dortigen Hof auswirkte. Ein weiterer langjähriger Bekannter B.s war der in Bautzen tätige Arzt ↗ Johann Franke, der 1570 ein Exemplar der 1527 gedruckten Vorlesungsankündigung des Paracelsus («Intimatio») erworben hatte und es bald darauf B. auslieh, über den es an ↗ Johann Huser gelangte, der die Intimatio seinerseits offenbar nach diesem Exemplar im 7. Band seiner Paracelsus-Ausgabe abdruckte. Noch 1582 bezeichnete Franke B. in einem Brief an Thurneisser als «gelarter Medicus, Chymicae artis studiosus», der «viel heimliche sachen» besitze. Zu unbekannter Zeit stand B. in Briefkontakt mit dem alchemiegeneigten Theologen ↗ Lukas Osiander d.Ä. (1534-1604), wie der Anonymus I.H. festhielt (Chymische Versuche, welche gröstenteils aus alten Manuscripten hergenommen, Frankfurt am Main und Leipzig 1756): «Wir haben einen Brief in Handen, kraft dessen D. Bathodius mit D. Lucas Osiander dieser Kunst wegen correspondirte». Schließlich ist bekannt, dass B. 1573 plante, in Krakau den Paracelsisten ↗ Johannes Gregorius Macer aufzusuchen.
1582 veröffentlichte Nicolas Clément de Treille eine Sammlung von Anagrammen auf zahlreiche Persönlichkeiten (Anagrammatographia, Paris 1582), darunter zwei auf den «Medicum Solertissimum» B. Im Jahr 1585 war B. anwesend auf der Hochzeit von Herzog Ludwig von Württemberg mit Ursula von Pfalz-Veldenz-Lützelstein, was sich in einer namentlichen Erwähnung im aus diesem Anlass verfassten Hochzeitscarmen des Dichters Nicodemus Frischlin niederschlug.
1582 veröffentlichte Nicolas Clément de Treille eine Sammlung von Anagrammen auf zahlreiche Persönlichkeiten (Anagrammatographia, Paris 1582), darunter zwei auf den «Medicum Solertissimum» B. Im Jahr 1585 war B. anwesend auf der Hochzeit von Herzog Ludwig von Württemberg mit Ursula von Pfalz-Veldenz-Lützelstein, was sich in einer namentlichen Erwähnung im aus diesem Anlass verfassten Hochzeitscarmen des Dichters Nicodemus Frischlin niederschlug.
Julian Paulus
Veröffentlichungen: 1568 war B. an Conrad Dasypodius’ unautorisierter Ausgabe von Caspar Peucers Hypotyposes orbium Coelestium (Straßburg: Josias Rihel 1568; VD16 P 1993) beteiligt, worauf in der Widmungsvorrede hingewiesen wird. Jeweils unter Mitwirkung von B. publizierte ↗ Michael Toxites im Jahr 1572 Raimundi Lullii [...] libelli aliquot Chemici (Basel: Pietro Perna 1572; VD16 R 150) sowie im Jahr 1574 Paracelsus’ Fünff Bücher Vonn dem Langen leben (Straßburg: Bernhard Jobin 1574; VD16 P 607). B. selbst gab 1584 (Pseudo-)Paracelsus’ De natura rerum, IX Bücher (Straßburg: Bernhard Jobin 1584; VD16 P 698) heraus. Seit 1585 veröffentlichte B. jährlich eine Practica, spätestens ab 1591 auch einen jährlichen Alt vnd New Schreibkalender und spätestens ab 1594 ein jährliches Prognosticon Astrologicum.
Literatur:
Biographie
Joachim Telle: Johann Huser in seinen Briefen: Zum schlesischen Paracelsismus im 16. Jahrhundert, in: Parerga Paracelsica: Paracelsus in Vergangenheit und Gegenwart, ed. by Joachim Telle (Heidelberger Studien zur Naturkunde der frühen Neuzeit, 3), Stuttgart: Franz Steiner 1991, p. 159-248, esp. p. 201-202
Corpus Paracelsisticum: Dokumente frühneuzeitlicher Naturphilosophie in Deutschland, ed. by Wilhelm Kühlmann and Joachim Telle, vol. 2 (Der Frühparacelsismus, Zweiter Teil) (Frühe Neuzeit, 89), Tübingen: Max Niemeyer 2004, esp. p. 260-262
Paracelsismus, Netzwerk
Nicodemus Frischlin: De secundis nuptijs Illustrissimi Principis ac Domini, D. Ludovici, Ducis Wirtembergici ac Teccensis &c. cum illustrißima Duce ac Domina, D. Ursula, Duce Bauariae, Comite Palatina Rheni, Tübingen: Georg Gruppenbach 1585, esp. p. 22 (Google Books) (VD16 F 2986)
Friedrich Helbach: Olivetum, Das ist/ Kunstbuch, Frankfurt am Main: Johannes Saur for Peter Kopf 1605, esp. p. 105 (Google Books) (VD17 3:301575D) (A)
Chymische Versuche, welche gröstenteils aus alten Manuscripten hergenommen, ed. by I.H., Frankfurt am Main and Leipzig 1756, esp. sig. )()(4r (online (2)) (A)
Karl Sudhoff: Vorwort, in: Theophrastus von Hohenheim gen. Paracelsus, Sämtliche Werke, ed. by Karl Sudhoff, vol. 3 1930, p. V-LIII, esp. p. XLI
Karl Sudhoff: Vorwort, in: Theophrastus von Hohenheim gen. Paracelsus, Sämtliche Werke, ed. by Karl Sudhoff, vol. 4 1931, p. V-XXXVIII, esp. p. VI
Rudolph Zaunick: Michael Toxites (Schütz) und Kurfürst August von Sachsen, in: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 36, n° 1/2 (1943), p. 90-99, esp. p. 96, 97 (A)
Wolfram Brechtold: Dr. Heinrich Wolff (1520-1581), Diss. phil., Würzburg, University, 1959
Nilüfer Krüger: Supellex epistolica Uffenbachii et Wolfiorum: Katalog der Uffenbach-Wolfschen Briefsammlung, vol. 1 (Katalog der Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, 9), Hamburg: Ernst Hauswedell 1978, esp. p. 45 (online)
Beat Rudolf Jenny: Helvetische Streiflichter auf den Praeceptor Germaniae, in: Dona Melanchthoniana: Festgabe für Heinz Scheible zum 70. Geburtstag, ed. by Johanna Loehr, Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2001, p. 147-169, esp. p. 166-167 n.79 (A)
Joachim Telle: Medizin und Alchemie am Hofe Herzog Reichards von Pfalz-Simmern, in: Die Wittelsbacher und die Kurpfalz in der Neuzeit: Zwischen Reformation und Revolution, ed. by Wilhelm Kreutz, Wilhelm Kühlmann and Hermann Wiegand, Regensburg: Schnell & Steiner 2013, p. 269-285, esp. p. 280, 284 (A)
Kalender
Klaus-Dieter Herbst: Lucas Bathodius, online at: Biobibliographisches Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750, 8 July 2019 (retrieved 28 April 2025)
Gustav Hellmann: Versuch einer Geschichte der Wettervorhersage im XVI. Jahrhundert (Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften: Physikalisch-mathematische Klasse, 1), Berlin 1925, esp. p. 26
Ernst Zinner: Geschichte und Bibliographie der astronomischen Literatur in Deutschland zur Zeit der Renaissance, 2nd ed., Stuttgart 1964, sub verbo
Michael Bärmann: Buchmakulatur als Überlieferungsgemeinschaft: Neuaufgefundene Druckbogenfragmente aus dem 16. Jahrhundert, in: Daphnis 25 (1996), p. 645-666, esp. p. 653-655 (DOI)
Vater
Otto Winckelmann: Das Fürsorgewesen der Stadt Strassburg vor und nach der Reformation, vol. 2, Leipzig 1922, esp. p. 105. – Mit Teilabdruck von B.s Tagebuch.
Miriam Usher Chrisman: Urban Poor in the Sixteenth Century: The Case of Strasbourg, in: Social Groups and Religious Ideas in the Sixteenth Century, ed. by Miriam Usher Chrisman and Otto Gründler (Studies in Medieval Culture, 13), Kalamazoo: Western Michigan University 1978, p. 59-67, 169-171
Miriam Usher Chrisman: Lucas Bathodius, in: Contemporaries of Erasmus: A Biographical Register of the Renaissance and Reformation, ed. by Peter G. Bietenholz, vol. 1, Toronto: University of Toronto Press 1985, p. 99 (A)
Jean Rott: Hackfurt Lucas, in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne (NDBA), vol. 14, Strasbourg: Fédération des Sociétés d'Histoire et d'Archéologie d'Alsace 1989, p. 1360 (online). – Des lettres de son fils ou le concernant se trouvent dans Archives du Chapitre de Saint-Thomas, déposées aux Archives municipales de Strasbourg, 41 IV/56, Va/10, Vb/213 et 154/76.
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Frühneuzeitliche Ärztebriefe des deutschsprachigen Raums (1500-1700): 00001908
Kühlmann/Telle, Corpus Paracelsisticum 1 (2001): 587, 631
Kühlmann/Telle, Corpus Paracelsisticum 2 (2004): 51, 52, 56, 128, 132, 238, 244, 251, 253, 259, 260-262, 292, 293, 294, 413, 528, 872
Kühlmann/Telle, Corpus Paracelsisticum 3 (2013): Nr. 141; 7, 270, 276, 381, 476, 495, 509, 511, 724, 787–788, 816, 825, 837, 989, 1204
Kühlmann/Telle, Corpus Paracelsisticum 2 (2004), 260-262 (Biogramm)
Kühlmann/Telle, Corpus Paracelsisticum 3 (2013), 757 (Biogramm)
Telle, ‘Johann Huser in seinen Briefen’, in Parerga Paracelsica (1991), 200-201 (Biogramm)