Christmann 1833 Etwas

From Theatrum Paracelsicum
Gottlieb Friedrich Christmann,
Etwas über Theophrastus Paracelsus
1833


Text

[p. 78]


Etwas über Theophrastus Paracelsus,


vorgetragen in der Versammlung der württembergischen Aerzte zu Göppingen am 6. Mai 1833 von Dr. Faber, Oberamtsarzt zu Schorndorf *).


Folgenden kleinen Aufsatz, von dem Physicus Lt. Christmann in Winnenden, welcher unserer aller Achtung verdient, indem er in seinem zweiundachtzigsten Jahre nicht nur im Allgemeinen für die Wissenschaft, sondern auch für unseren Verein ein lebhaftes Interesse zeigt, und blos durch körperliche Infirmitäten verhindert ist, in unserer Mitte zu seyn, — welcher beweisen soll, dass Paracelsus weder ein Goldmacher gewesen, noch sich für einen Besitzer dieser Kunst ausgegeben habe, veranlasste eine neue gelehrte und scharfsinnige Abhandlung:

„Friedrich Jahn Ahnungen einer allgemeinen Naturgeschichte der Krankheiten, mit einem Vorwort von C. F. Heusingen. 8. Eisenach. 1828.“

in welcher der bei seinen Lebzeiten und noch mehr nach seine Tode als medicinischer Ketzer berühmt gewordene Theophrastus Paracelsus mit Hippocrates, Sydenham und andern Heroën unserer Kunst in eine Reihe gestellt ist.

 Das Leben und die Schicksale dieses merkwürdigen annes, die Ursachen seiner Verketzerung, seine Verdienste *) und seine Fehler haben Männer von entschiedenem Ansehen unparteiisch zu erforschen sich rühmliche Mühe gegeben. Es mag daher erlaubt seyn, als EInleitung zu dem Nachfolgenden einige der vornehmsten derselben hier namhaft zu machen.

 Von den Aelteren genüge es, nur zwei: nemlich den Johann Winter von Andernach und den Olaus Borrichius zu nennen.

 Der erstere, welcher nicht nur ein Zeitgenosse des Paracelsus war, sondern auch bei dem hohen Alter, das er erreichte, sechs Jahre früher als derselbe geboren, ihn noch um sechsundvierzig Jahre überlebte, hat in seinem zur Kenntniss des damaligen Zustandes der Gelehrsamkeit und Wissenschaften überaus wichtigen Werk:

„Joh. Guinteri, Andern: de veteri et nova Medicina Libri duo. Basil. 1571. II. Vol. fol.“

einen sehr ausführlichen Abris und Inhalt der Paracelsischen Lehren mitgetheilt, ohne sich ein Urtheil darüber anzumassen.

 Von dem andern, welcher ein Jahrhundert nach Joh. Winter starb, aber nicht so alt wurde, haben wir folgende zwei, unter anderem auch zur Geschichte des Paracelsus gehörige Werke:

„Olaus Borrichius de Ortu et Progressu Chemiae. 4. Havniae. 1668.“
„Olai Borrichii Hermetis aegyptiorum et Chemicorum sapientia ab Herm. Conringii animadversionibus vindicata. 4. Havniae. 1674.“

von welchen Herr von Haller in seiner Bibliotheca medicinae practicae. 4. Basil. et Bern.

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*) Wir bitten bei dieser Gelegenheit die übrigen Herrn welche bei der letzten Zusammenkunft in Göppingen Vorträge gehalten haben, um gefällige Mittheilung derselben. Die Redaction.
*) Die Grundlage der homöopathischen Heilmethode ist der schon von Paracelsus ausgesprochene Satz „Similia similibus curantur“ dem aber Hahnemann eine ganz andere Deutung gab. Dr. Faber.
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1779. Tom. III. p. 114. ob er schon gewisse nicht genugsam begründete Behauptungen in denselben nicht verkennt, dennoch den Aussprich thut: „Doctissimi opus cum plurima voluptate legi.“

 Unter den Neueren verdienen folgende vorzügliche Erwähnung:

 1) Herm. Boerhaave Elementa Chemiae. 4. Lugd. Bat. 1732. II. Vol. Tom. I. Pars prima; de Historia artis.

 2) Joh. Matth. Schroekh, Lebensbeschreibungen berühmter Gelehrten; im ersten Band.

 3) Haller am angef. Ort; Tom. II. p. 1. sqq.

 4) Joh. Friedr. Blumenbach Introductio in Historiam Medicinae literariam. 8. Göttingen. 1786. p. 139. sqq.

 5) Kurt Sprengel in seiner berühmten, kürzlich wieder aufs neue in der dritten aus 5 Bänden bestehenden Auflage umgearbeiteten, pragmatischen Geschichte der Arzneikunde.

 6) Ueber Theophrastus Paracelsus von Hohenheim, von Loos, Doctor der Medicin in Heidelberg; in den Studien herausgegeben von Carl Daub und Friedrich Creuzer, Professoren in Heidelberg. 8. Frankfurt und Heidelberg. 1805. 1ster Band. p. 228 bis 291. Eine treffliche Schrift; tief in den Geist und Sinn des Paracelsus dringen und klar darstellend.

 Dem Paracelsus, welcher gleich andern verketzerten Männern sowohl Freunde und Verehrer, als Feinde und Verläumder *) hat, ist bekanntlich unter Anderem auch Diess nachgesagt worden, dass er die Kunst besessen habe oder wenigstens vorgegeben habe, sie zu besitzen, unedle Metalle in Gold zu verwandeln. Seine Freunde, welche Diess behaupteten, glaubten ohne Zweifel, seinen sonstigen wohl erworbenen Ruhm dadurch zu erhöhen, seine Widersacher aber nahmen davon Anlass, ihn als einen Charlatan und Betrüger zu verschreien.

 Es sollen desswegen hier ein paar historische Documente mitgetheilt werden, aus welchen mit grösster Wahrscheinlichkeit erhellt, dass die Sage, Paracelsus habe die Kunst unedle Metalle in Gold zu verwandeln, besessen, oder sich derselben gerühmt, nicht bei seinen Lebzeiten, sondern erst später nach seinem Tode entstanden sey.

 Das erste dieser Documente findet sich in folgender medicinischen Dissertation aus dem vorigen Jahrhundert:

De Sanguinis Temperie optima conservanda et restauranda, Praes. Georg. Ern. Stahl, resp. Theophil. Casimir Eysener. 4. Hal. 1706.

Nachdem nemlich der Präses Stahl, welcher, wie schon der Styl beweist, an der Dissertation wohl den grössten Antheil hatte, ausführlich gezeigt hat, wie es bei Verbesserung fehlerhafter Säfte, hauptsächlich des Bluts, nicht sowohl auf eine direct chemische Umwandlung derselben, als inseronderheit auf Zurückführung innormaler Lebensbewegungen zu ihrem naturgemässen Zustand ankomme; so führt er an, dass schon ältere Aerzte, namentlich Paracelsus und van Helmont ein dergleichen Arzneimittel durch Kunst zu bereiten sich bemüht haben, welches zwar ganz einfach, aber doch beide gedachte Eigenschaften in sich vereinige. Und führt, um Diess zu beweisen; p. 25 sq. in den §§. L. LI. und LII. aus den Schriften des Paracelsus einige wichtige Stellen mit den eigenen Worten desselben an:

 §. L. Paracelsus cum suis sequacibus mentem eius pressius insectantibus, brevibus rem expedire aggreditur, quando inprimis disertissime Libro V. Archidoxorum, profitetur, se inventorem esse talis medicamenti, quod intemperies quaelibet directe in optimam temperiem convertat; et hoc quidem non solum certo, sed etiam cito, tuto, jucunde.

 §. LI. Merentur eius verba, plurium etiam respectuum causa, cum occasio ita ferat, breivter allegari. „Denjenigen Stein der Philosophen, welcher von vielen andern, auf allerley Weyse beschrieben wird, habe ich nicht erfunden noch gemacht, untersuche auch denselben hierinnen nicht, und begehre auch von dem selben nicht zu reden, weden von hören sagen, noch was ich darüber gelesen. Darumb weil ich von demselben keine Gewissheit habe, will ich dessen Process an die Seite sezen, und von dem NB. Meinigenhandeln, als welcher von mir, sowohl der Handarbeit als Gebrauch nach erfunden worden, NB. NB. und solchen nenne ich den Stein der Philosophen, weil er, wie der ihrige (die unreinen und übel temperirte metallen in die beständigsten und besten, ihrem Angeben nach, also der meinige) die Cörper der Menschen tingiret, wie jene von dem ihrigen (auf die metallen) schreiben. Aber der meinige ist nach ihrem Process nicht zugerichtet, als welchen ich dieses Orts nicht verstehe, noch auch sonsten Erkenntniss davon habe.“ Idme quam maxime confirmat, magis sollicitus et sincerior pro suo captu eius interpres Gerhardus Dorn, expresse declarans, quod Paracelsus neque transmutaverit metalla, neque id potuerit, neque cordi habuerit: sed usus solum sit illius assertionis similitudine, eo, quod ipsius negotiis pulcherrime quadraret. Unde quoties de conversione imperfectiorum metallorum in perfectissima loquatur, nihil aliud velit, quam quod illae imperfectae imo malignae constitutiones in corpore humano, quas Astrologie aeque Planetis, uti Alchymistae metallorum proprietates, adscribunt,

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*) Sprengel (Geschichte der Medicin III. 470. 3te Aufl.) geht in seiner Feindseligkeit gegen Paracelsus so weit, dass er auch die schöne Idee desselben „von der Harmonie und wechselseitigen Beziehung aller Dinge in dem Universum auf einander“ eine blosse Grille heisst. Dr. Faber.
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in optimam, qualis inprimis Auro et Soli a talibus, tribui solet, mutentur.

 §. LII. Quibus etiam jungi merentur, quae de modo operandi speculatur idem Paracelssu, libro alleg. inquiens: „Gleichwie das Feuer, wann es die fleckigte Haut des Salamanders auswendig verbrennet, solche ganz rein machet, als käme sie erst neu auf die Welt: also reiniget auch dieser Stein der Philosophen den ganzen menschlichen Leib von allen Unreinigkeiten, NB. durch Einführung junger und neuer Kräfte, die er der Natur des Menschen beyfüget.

 Das zweite Document enthält die Grabschrift des Paracelsus in Salzburg, wo er bekanntlich im Jahr 1541 gestorben und auf dem Freythof der Kirche St. Sebastian begraben worden.

 Diese Grabschrift wird in Lorenz Hübners Beschreibung der Hochfürst. Erzbischöflichen Haupt- und Residenzstadt Salzburg. 8. Salzb. 1794. p. 116—118 folgendergestalt beschrieben: „Durch die Thüre, welche nach dem Freythofe führt, kommt man unmittelbar in eine Art von Vorhause, worin sich vorne eine mit einem eisernen Gitter gesperrte kleine rund Kapelle befindet. Im Vorhause auf der Hinterwand sieht man eine in der Mauer festgemachte, oben abgestumpfte Pyramide, mit eine Piedestale; beide sind von schönem weissem Marmor. Beiläufig in der Mitte dieser Pyramide ist das Portrait des Paracelsus en Buste in der damals gewöhnlichen schwarzen Kleidung gemalt und in einer runden Vertiefung zu sehen. Ueber demselben stehen die Worte: Philippi Theophrasti PAracelsi Qui Tantam Orbis Famam ex Auro Chymico Adeptus Est Effigies et Ossa Donec Rursus Circumdabitur Pelle Sua Job. C. 19. Unter dem Porträte: Sub Reparatione Ecclesiae MDCCLII. Ex Sepulchrali Tabe Eruta Heic locata sunt. Die Pyramide selbst ruht auf drei Kugeln. Auf dem Piedestale liest man folgende Aufschrift: Conditur Hic Philippus Theophrastus Insignis Medicinae Doctor, Qui Dira Illa Vulnera, Lepram, Podagram, Hydropisin, Aliaque Insanabilia Corporis Contagia Mirifca Arte Sustulit, Et Bona Sua In Pauperes Distribuenda, Collocandaque Honoravit. Anno MDXXXXI. Die XXIV. Septembris Vitam Cum Morte Mutavit. Nun folgt ein alter Wappenschild mit einem Querbalken von Silber, worauf drei schwarze Kugeln gereihet sind, und unten: Pax Vivis, Requies Aeterna Sepultis. Zur linken Seite dieses Monuments liest man auf einer ausgebauchten schwarzen Tafel noch folgende Aufschrift als Uebersetzung der obenstehenden lateinischen: „Leser! in neben aufgerichter Pyramid sihst du den wegen seinen chymischen Wissenschaften, oder sogenannten Stein der Weisen berühmten Philippum Theophrastum, dessen Gebeine, biss solche die allgemeine Auferstehung widerumb mit ihrer Haut umgeben wird, bey dem neuen Kirchengebäu ao. 1752. von ihrer Vermoderung ausgegraben, und hiehero unter sein Bildniss gelegt worden. (Job. Cab. 19. V.)“

 Hr. Hübner kann sich bei dieser Gelegenheit nicht enthalten, mit andern Vorgängern und Nachfolgern hierin auszurufen: „Ewig Schade, dass das unrühmliche Andenken dieses Patrons der Goldmacher der Vergessenheit entrissen ward!“

 Aber gewiss würde der sonst einsichtsvolle Hr. Hübner sich und seinen Lesern diese unnütze Tirade erspart haben, wenn er unbefangen und von Vorurtheilen unverblendet bei Betrachtung und Beschreibung dieses Monuments nur Altes und Neues, wie es sich gehörte, von einander unterschieden hätte. Denn es ist unwidersprechlich klar, dass man hier zweierlei Grabschriften liest, eine ältere und eine neuere, und dass die erstere oder ältere Grabschrift, welche nach einstimmigem Zeugniss der Schriftsteller dem Paracelsus bald nach seinem Tode von dem damaligen Erzbischoff und Stadtmagistrat gesetzt worden, nichts als seine grosse Geschicklichkeit in der Heilkunst und Wohlthätigkeit gegen die Armen von ihm rühmet; die zweite jüngere aber, welcher der vorigen erst im Jahr 1752 nebst dem Bildniss beigefügt worden, ihn als einen Goldmacher angibt.

 Da auch über die Todesart des Paracelsus so manches Abentheuerliche und Unstatthafte in die Welt ausgestreut worden, so ist es wohl nicht unschicklich, hier zum Schluss auf eine merkwürdige Nachricht darüber zu verweisen, welche in der Salzburger medicinisch-chirurgischen Zeitung vom Jahrgang 1815. 1ster Band p. 47 sq. sich befindet.

Bibliography

Christmann, Gottlieb Friedrich: ‘Etwas über Theophrastus Paracelsus’, in: Medicinisches Correspondenzblatt des Württembergischen Ärztlichen Vereins, 2 (1833), pp. 78—80.
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