Text.Reusner.1582-04.!1v/Text

From Theatrum Paracelsicum

[sig. (:)1v] Dem Ehrenuesten vnd Hochgelehrten Herren/ Martino Rvlando, der Artzney Doctorn/ Pfaltzgräffischen Medico, vnd Physico zu Lauingen an der Donaw/ meinem insondern Großgünstigen Herren vnd förderer.

Ehrenuester vnd Hochgelehrter Herr Doctor Rulande, die Lobliche Kunst der Artzney/ wirt sehr fein vnd artlich/ von vilen fůrtreffenlichen Leuthen/ Soror Sapientiæ, ein Schwester der Weißheit genennt. Dann gleich wie die Weißheit des Menschen gemüt im Zaum heltet/ damit einer nicht/ wie ein vnuernünfftig wild Thier oder Saw/ lebe: Also [sig. (:)2r] pfläget die Artzney des Menschen Cörper/ mit gebürender Diæt vnd Remedien/ dahin zu halten/ damit er nicht Kranck vnd Siech zu Beth lige/ vnnd endtlichen mit grossem schmertzen den bittern Tods Apfel eher beissen muß/ dann er sein gesetztes ziel erreichet. Vnd wenn dises geschicht/ kan keiner dem Menschlichen Geschlecht dienstlich sein. Dann wie kan einem wol zu mut sein/ wie kan einer studieren/ wie kan einer auff gemeinen Nutz/ im Geistlichen vnd Weltlichen Stand dencken/ wann er kein gute stund hat/ der Kranckheit halben?

Derwegen sind die rechten Dogmatici Medici, allzeit inn grosse ansehen bey Fůrsten vnnd anderen Potentaten gewesen. Dann das sie kondten Land vnd Leute/ weißlich [sig. (:)2v] Regieren/ haben sie müssen gesund sein: Welches jhnen nicht widerfahren hett können/ ohne gelehrter Artzte rhat vnnd vorstand/ denen Gott solche genad vnnd Kunst/ durch vil müh vnd arbeit verliehen.

Was aber jetziger zeit für mißbreüche vnd betriegerey/ täglichen in diser Kunst für fallen/ ist genugsam am tage. Dann man findet sehr vil verlauffene Lottersbuben/ Kottschier knecht vnd Bader/ die jmmerzu mit jhrem verfelscheten/ stinckenden Tyriacks vnd vermaledeyten Salben/ von einer Statt zu der andern lauffen: vnnd dem Gemeinen pöfel nicht allein Beutel vnd Kisten raumen/ sondern auch vmb Leib vnd Leben bringen/ fürnemlichen/ wenn sie sich vnderstehn Hasenscharten/ Brüch/ Stein/ Ge- [sig. (:)3r] wächs zu schneiden/ vnd zu heilen. Das heißt recht/ experimenta per mortes agere. Es müssen die Salben vnnd Balsamen probiert sein/ vnnd solte es fünfftzig Bauwren kosten.

Disen schlahen auch nach etliche hochtrabende Balbierer vnd Schärer: welche/ ob jhnen schon Indicationes curandi, quæ ab unica morborum Causa continente & pendent, & sumuntur, gantz vnd gar vnbekannt/ doch den Krancken/ Pillulen/ Trencke/ Lattwergen/ auch wol Vitrum Antimonij simpliciter fusum, neque uerè ab impuritatibus separatum, oder Turpetum minerale, mit grosser gefahr vnd gewaltigen bewegungen vnd perturbation/ eingeben. Jst gar nichts/ in jrem nerrischen kopff/ daran gelegen/ ob sie schon nicht [sig. (:)3v] die ingredientia Receptarum verstehen: Wie ein mal ein solcher hüpscher Meister in die Apotecke kam/ vnd da er hatte gelesen in einem alten Buch/ Recipe⟩ Puluer[is] Serpentar[um] fragete/ nach gepüluerten Schlangen.

Was sage ich aber vil von disen? Es pfläget wol offt der Hencker/ Schinder oder ein alts Weib hinder dem Kachelofen/ einen grossen Doctor in die Schule zuführen/ vnd jm auß seinem Tittel CT. zu berauben/ vnd zu schanden vor den Leuten zu machen.

Dises Hummels gesindlein beschreiben die alten Rythmi: So also lauten.

Est impostorum dux Doctor, signifer Vnctor,
Fumiger excæcans, fera per Cauteria rodens,
Elotor madidus, sudans Mediastinus, Vstor,
Martius, immitis Sector, fidensq́ue Chimistes.
Sordescens Rasor, trux Exorcista, Minister
[sig. (:)4r] Perfidus, insulsus Lignator, apistus Apelles,
Interpres Græcus, Lictor rudis, atq́ue recoctis
Pharmaca prostituens brodijs, torquendo Cremator
Ordine vicenus, Venæ truncator agyrta.

Jtem dise Versen.

Iactant se medicos, quiuis Idiota, Sacerdos,
Iudæos, Monachus, Histrio, Tonsor, Anus:
Ambubaiarum collegia, Pharmacopolæ,
Rastricolæ, Molitor, Pistor, Agaso, Faber.

Als solches der gewaltige vnnd Hochuerstendige Mann/ Theophrastus Paracelsus, gesehen/ hat er auß grossem eyfer vnd lieb gegen seinen Teütschen/ ueram Magiam erfunden: per quam actuando, uel uniendo uirtutes naturales,[s1] mirabilia efficimus opera in natura, & quasi mundum maritamus, ut Pius Mirandulanus scribit: quæq́ue in rerum supernaturalium cognitionem nos ducit. Dergleichen Magi, (ich verstehe aber nicht Teüffelsbanner/ oder andere Schwartz- [sig. (:)4v] Künstler) sind die Weisen gewesen/ so zu den Newgebornen Kindlein gegen Bethlehem kommen: Jtem die Cabalisten bey den Hebreern/ die Philosophi bey den Griechen/ die Gymnosophisten bey den Jndiern.

Damit man aber die Pärlen nit für die Sew würffe/ hat der gute Theophrastus ein new Magische art zu schreiben erfunden/ welche nicht ein jeder Landtfarer/ oder Bartscherer/ oder apoteckers knecht/ Sondern allein Filij Sapientiæ & ueri Magi, in jre köpffe bringen mögen: wie er sich denn selbst in seinem Manuali de Lapide Philosophorum, & in lib[ro] Vexationum, entschuldiget.

Das ist die vrsach/ darumb er viel per allegorias, ænigmata & figuras uarias abgemahlet hat. Darumb hat [sig. (:)5r] er auch so gar wunderliche Cabalistische vnd Magische Namen erdacht: welche/ vielen Zauberisch sein duncken/ Als das er die verborgene Krafft oder Tugend der Natur/ auß welchem alles erwachset/ genehrt vnd gemehrt wirt/ Iliastros nennet: Jtem Ares das einen jeden sein sondere Natur/ Form vnd Gestalt zu eignet/ damit es von den anderen känntlich vnderscheiden sey/ als an den Kreütern allein zu sehen/ da ein jedes sein besondere wurtzel/ blůst/ stengel vnnd bletter hat. Diser macht er vier geschlecht/ Der erst oder eingesatzt Jliaster ist der Zweck des lebens/ oder der menschliche lebhafft Balsam. Der ander oder bereitet Iliaster/ ist das zu gericht vnd angestelt ziel des lebens/ der lebendige Balsam/ den wir auß [sig. (:)5v] den Elementen/ oder Elementischen dingen haben. Der dritt ist dz end des lebens/ vnd der rechte Balsam/ den wir ex quinta rerum essentia schöpffen. Der vierdt oder groß Jliaster/ ist die verzuckung des gemüts/ so der mensch in die andere welt gezucket wirt. Also bringet er auch herfür Archeum, das ist ein krafft/ die alle ding auß dem Iliaste, (est autem Theophrasto Iliastes, prima rerum omnium materia, ex Mercurio, sale, & sukphure, tanquam ex tribus principijs constans, quæ analysi Spagirica depræhenduntur:) fürbringet vnd scheidet. Also hat er in dem Microcosmo einen Balsamum, Quintam Essentiam, Mumiam, Mannam, Arcanum, Elixir, Mercurium: welches alles nichts anders ist/ denn ein innwendiger behalter aller cörper vor fäulung vnd [sig. (:)6r] zubrechung/ ein temperirt ding/ ein resoluierts saltz/ oder ein saltz des saffts/ sal liquorus in homine, dz vor fäulung behütet. Also heisset er den Mercurium præcipitatum, Diatessadelton: Jtem die holen geschwer vnd fisteln/ Dubelech: Jtem/ ein artzney auß weissen Corallen vnd Agstein/ Dubelcoleph: Jtem/ ein Kropff/ Chœras, botium. Vnd dergleichen sachen gar vil mehr/ die man nicht so leicht fassen kan/ als wenn es Galenische Recept weren.

Bißweilen hat er mit sonderem fleiß/ (wie auch der Geber gethan/) die Ordnung in operando vmbgekert: fürnemlich wenn er arcana Naturæ mysteria handelt/ vnd ein Meisterstuck tractiert/ das außgezogen wirt/ von den natürlichen dingen/ on scheidung vnd on Elementische [sig. (:)6v] bereitung/ durch zusatz/ inn welche solche materien gezogen/ vnd darinn behalten wirdt. Solches sihet man augenscheinlich in Archidoxis, in Metamorphosi, de Tinctura Philosophorum, de Vexationibus, de præparationibus, vnd in andern Büchern mehr.

Damit aber die Magi & filij Sapientiæ diser hohen Künsten möchten theilhafftig werden/ vnd den menschen darmit dienen: haben sie nicht mit grossem vnkosten/ auß der Jnsel Succotra/ Aloën/ paradißholz/ Rhabarbar/ Zimmetrinden/ Cardamömlin/ Halcyonium, Smaragden/ Hyacinth/ vnd dergleichen materien bringen lassen: sondern sein auff die Berge gestiegen/ vnd für lange/ vngeschaffene/ vnliebliche Recept/ kräuter gesucht: für die Schreibfe- [sig. (:)7r] der ein Kolenzang inn die faust genommen/ vnd dapffer gebrennet/ biß sie die rechte Mumiam Balsamitam, zu allen kranckheiten erfunden haben.

Solches hat sie warlich vil müh vnd arbeit gekostet: haben nicht vil dürffen auff weichen Küssen sitzen: ist derowegen kein wunder/ das die Magi vnd Philosophi jhrem Vatter Paracelso, im schreiben nach gefolget/ vnd die Magisteria & arcana Magicè & allegoricè, mit mancherley formen/ den nachkommen fürgelegt/ damit nuh die fleissigen/ die gern mit den kolen vnd Alembicen vmbgehen/ disen schatz möchten erlangen.

Also muß man auch diese gegenwertige Pandoram Francisci Epimethei vorstehen: so wol die ænigmatische vnd Magische bildnissen/ vnd [sig. (:)7v] frembde wörter: welche alle den filijs Sapientiæ bekannt sein: so sich nit lassen abschrecken Adarnech, Anfaha, Catrobil, Canze, Zingifur &c.

Demnach aber dise Kunst jtziger zeit betteln gehen muß/ vnd von wegen des Theophrasti, (welchen die Philosophi billich/ Lumen Naturæ nennen) inn grossem voracht fast bey jederman ist: als habe ich auß des Typographi begeren vnd rath/ diser Pandoræ, so vnder jrer schönen gestalt vil zu affen macht/ die jr nit wissen recht entgegen zůgehen/ einen andern treuwen Epimetheum suchen[c1] müssen/ der mit jhr also zuhandeln wiste/ damit der Iason das aureum uellus bekommen möchte.

Vnder allen aber/ Achtbar vnd Hochgelarter Herr Doctor Rulande, innsonder großgünstiger Herr [sig. (:)8r] vnd forderer/ habe ich keinen bequemern finden können/ als eben den Herren: dieweil er auch noch etwas von diser kunst helt. Denn was der Herr mir/ als ich für dem Jar zu Lauingen gewesen/ für grosse wolthaten erzeiget/ kan ich nit genugsam rühmen/ vil weniger darfür dancken. Darzu hat mich auch nicht wenig angetriben die grosse freundschafft/ so ich zwischen dem Herren/ vnnd dem Achtbarn vnd Hochgelarten Herrn/ Nicolao Reusnero/ beyder Rechten Doctorn/ vnd der Schůlen Rectorn/ meinem hochgeliebten Herren Fettern gespüret/ vnnd augenscheinlich gemercket.

Gelanget derhalben an den Herren Doctorn mein fleissiges vnd embsiges bitten/ Er wölle diese schöne Jungfraw Pandoram, günstiglichen [sig. (:)8v] vnd freundlichen annemen/ vnd jrer Epimetheus sein: damit sie nicht inn die Mördergruben/ zu dieser zeit/ da fast kein glaub mehr/ auch bey vertrawten Freunden ist/ falle. Bitte auch ferner zum höchsten vom Herren/ Er wölle mich vnd meine studia Medica, weiter/ wie biß anhero/ fördern.

Wo dises der Herr (wie ich dann gar keinen zweifel trage) thun wirt/ sol Er mich die zeit meines lebens/ jm vorpflicht finden. Will hiermit den Herren im Göttlichen Schutz trewlich entpfohlen haben. Jn Basel/ 1. Septemb[ris] Anno, 1582.

Hieronymus Reusnerus Leorinus, D[octor] Med[icinae].

Apparatus

Sources

  1. Source: Giovanni Pico della Mirandola, Apologia, Quaestio quinta de magia naturali et cabala Hebreorum, Bologna: Benedictus Hectoris Faelli, 20.III.1496 (https://gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/M33276.htm), sig. EE2r; ed. Basel 1557 et 1572, p. 171

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