Hottinger 1825 Geschichte

From Theatrum Paracelsicum
Johann Jakob Hottinger,
Geschichte der Eidgenossen
1825

Text

[p. 321]


Auf der Grundlage der Naturkunde ruhend, erlitt begreiflich auch die Arzneywissenschaft durch jene Richtung auf das Geheimnisvolle und Uebernatürliche nicht unbedeutenden Schaden, und gegen diesen, der damahls ganz vorzüglich durch Theophrast Paracelsus schwülstige Orakelsprache 103), Marktschreyerkünste 104) und Verachten theoretischer Bildung 105) geäufnet ward, erscheint

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103) Man lese z. B. dessen Brief an Erasmus, der ihn berathen hatte, in Theophrasts Leben bey Adam vitae medic.
104) „Miras ubique fabellas reperio,“ sagt von seinen Schriften Albr. Haller; facere Carlinam, ut, qui ea munitus sit, possit duplo cum pondere alacriter progredi, dum reliqui lassantur, u. s. w. Bibl. Botan. I. 249.
105) Als Beweis nur zwey Stellen, seinen eignen Sdriften enthoben: „Darum so hörend auff blerren; denn ihr und eure hohe Schulen sind Beani, Schützen, darin ihr thut nichts dann lesen: Das ist in dem, und das ist in dem, und das ist schwarz und das ist grün, und weiter kann ich bey Gott nichts mehr und also find ich’s geschrieben. Wär es nicht geschrieben, so wüßtest du gar nichts. Meinet ihr, daß ich unbillig hie meinen Grund setze in die Kunst Alcymiam?“. Gesammelte Werke durch Huser ed. 1616. I. 222. „Ihr von Paris, Padua und Montpellier, Salern, Wien und Leipzig ihr seyd nit Professores veritatum, ihr seyd confessores mendaciorum, mendaces und nit Doctores, irregulirt und nicht regulirt. Ihr seyd das Katzensilber, also ist auch eure Philosophie lügenhaftig. All euer Philosophiren soll gelogen [p. 322] heißen, und für Irrthum erkennt werden.“ Ebendas. I. 345. Wer ihn will noch gröber und anmaßender sprechen hören, nehme die Vorrede zu seinen vier Büchern columnarum medicinae zur Hand.
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eben desselben überraschende Hülfe in etlichen verzweifelten Fällen 106), und geschickte Anwendung einzelner, nie, oder lange nicht mehr beachteter, Heilkräfte 107) nur als schwaches Gegengewicht. Selbst bedeutende Månner begannen, an Universalmittel, Goldtincturen, den Stein der Weisen zu glauben 108), deren Kenntniß jener vielgewanderte Abenteurer 109) aus Arabien und Aegypten gehohlt, von hochbetagten Weisen gelernt, von Geistern erfahren hatte, und weder seine weltkundige

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106) Hauptsächlich durch sein Laudanum. Vermittelst desselben soll er den Buchdrucker Froben von der Amputation eines Fußes, von den Aerzten bereits beschlossen, gerettet haben; eine Cur, die ihm auch das Zutrauen des Erasmus gewann. (Siebe dessen Brief an Paracelsus bey Adam vitae med.) Ebenso versichert Oporin, durch Gebrauch einer einzigen Pille desselben von schwerer Krankheit wieder hergestellt worden zu seyn. Jociscus oratio de Oporino.
107) Processus, ut vocant, Chemicos didicit undique, et a quocunque homine, et cum subito auxiliis, potentissimis armatus, ad lectos aegrotorum accederet, hydrargyro in acidis liquoribus soluto, parum in Germania noto, stibio, penitus fere in arte medica ignorato, helleboro, pro veneno habito, opii laudano nomine velati usu, omnium oculos in se convertit. Albr. Haller bibl. pract. II. 2.
108) Beyspiele siehe bey Helmont und andern seiner Verehrer.
109) Auf seiner Herkunft und seinen Wanderungen ist der Verfasser, das bisherige Dunkel zu lassen, genöthigt. Auch weitläufige Untersuchungen hätten schwerlich zu befriedigendem Ergebniß geführt. Wer indeß solche anstellen will, findet die umständliche Anzeige der, dazu dienlichen, Litteratur bey Haller Bibl. d. Schweizergesch. II. S. 315 f.
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Geldgier 110), noch sein eigener frühzeitiger Tod 111) waren hinreichend, zu hindern, daß seither schon mancher Verblendete in dem trüben Chaos der, von ihm hinterlassenen, oder ihm beygemessenen, Schriften unerschöpfliche Gold- und Lebensquellen mit Aufopferung seines Vermögens oder Verstandes gesucht hätte. Diese gefährliche Verirrung ward durch das Bessere nur mühsam und schwach bekämpft.

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110) Die ihn von Basel wegführte, als er den Prozeß mit einem Chorherrn verloren, der ihm für 3 Pilen 100 Gulden hatte bezahlen sollen. Wurstisen Baslerchr. ad. ann. 1527.
111) Im acht und vierzigsten Lebensjahr.

Bibliography

Hottinger, Johann Jakob (1783-1860): Geschichte der Eidgenossen während der Zeiten der Kirchentrennung, vol. 1. Abt., Zürich: Orell, Füßli und Co., 1825, pp. 321-323.
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Hottinger, Johann Jakob: Histoire des Suisses à l’époque de le Réformation, tr. by Louis Vulliemin, vol. t. 1, Paris/Zürich: J. Cherbuliez/Orell, Füßli und Co., 1833, pp. 257–258.
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Hottinger, Johann Jakob: Histoire de la Confédération Suisse, tr. by Charles Monnard/Louis Vulliemin, vol. t. 10, Paris/Genève: Th. Ballimore/Ab. Cherbuliez, 1840, pp. 177–178.
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