Troxler 1839 Umrisse
Ignaz Paul Vital Troxler,
Umrisse zur Entwickelungsgeschichte der vaterländischen Natur- und Lebenskunde 1839 |
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*) Landfahren lag im Geiste der Zeit, auch in der Noth der Zeit. Man lese doch den Auszug aus der Lebensbeschreibung von Thomas Plater im helvetischen Almanach 1785 und 1790, oder im dritten Band von Meister’s berühmten Männern Helvetiens.
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Es zeugt daher von der geistigen Seichtigkeit unserer modernen Zeit, daß so viele, die wohl nicht viel anders, als was in Compendien und Journalen steht, von dem wahrhaft großen Manne eines großen Zeitalters gelesen, so unverständig und unverschämt über ihn urtheilen konnten, wie es Curt Sprengel in seiner pragmatischen Geschichte der Medizin und A. F. Hecker in seiner Heilkunst auf dem Wege zur Gewißheit gethan. So viel nur um die Gestalt etwas zu läutern und die krassen Vorurtheile, welche dem hochlohnenden Studium dieser ächten Jatrosophie im Wege stehen, ein wenig, zu beseitigen. Man erwarte aber nicht, daß ich an diesem Orte, der einer Andern Aufgabe bestimmt ist, in die Erörterung der Lehre selbst eingehe. Es ist dieß um so unnöthiger, da es bereits von drei ausgezeichneten deutschen Physiologen mit eben so viel Geisteskraft als Unbefangenheit geschehen ist. Ich verweise daher auf die Schriften: 1) Auf den gehaltvollen Aufsatz: Paracelsus, von Ferdinand Jahn, in den literarischen Annalen der gesammten Heilkunde von Hecker, Band XIV, Heft 1 und 2. Berlin 1829. 2) Auf die Schrift: Die Homöobiotik, historisch, vergleichend, systematisch und als Quelle der Homöopathie dargestellt von Karl Heinrich Schulz. Berlin 1831. 3) Ueber Gegensatz, Wendepunkt und Ziel der heutigen physiologischen Medizin, von W. J. A. Werber. Stuttgart 1835. |
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Noch weniger aber der entschiedenste und leidenschaftlichste Gegner von Paracelsus, wie Thomas Erastus, Liebler, von Baden im Aargau, sich darstellte. Adam sagt von diesem: Geminum adolescenti doctrinae amore flagranti objectum fuit impedimentum, corporis alterum vitium, alterum fortunae. Indessen hatte sich Erastus an der Universität Bologna zu einem der ersten Gelehrten seiner Zeit in Philosophie, Theologie und Medizin ausgebildet, letztere auch in Heidelberg und Basel ausgeübt. Erastus war aber ganz in der alten Scolastik befangen und hing an den Vorurtheilen der Zeit. Gewiß ist, daß während er die neue Lehre des Paracelsus bekämpfte, auch de strigibus et lamiis disputirte und das aurum potabile suchte. Seine Opposition gegen Paracelsus hat also nur insofern Werth und |
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*) Ueber Paracelsus ist auch von Neuern vielerlei geschrieben worden, aber wenig Gründliches. Das Imitatorum servum pecus hat sich besonders in der Wiederholung der vor Alters gegen diesen Mann ausgeheckten Vorurtheile ausgezeichnet. Zuerst hat den Paracelsus einigermaßen zu Ehren gezogen Leonhard Meister in seinen Lebensbeschreibungen berühmter Männer Helvetiens mit Bildnissen von Pfenniger. Die gerechteste Würdigung fand aber zunächst Paracelsus in Rixner's und Sibert’s Leben und Lehrmeinungen berühmter Physiker. Verstanden und ausgelegt hat ihn aber noch Niemand wie der Naturphilosoph und Arzt Ferdinand Jahn in Meiningen. Wir wollen daher hier nur noch das Endurtheil Jahn's über Paracelsus als Arzt anführen. Nachdem Jahn die Grundansichten von Paracelsus entwickelt hat, sagt er:
„Wie der große Mann seine allgemeinen Ansichten in's Einzelne führt, wie er aus ihnen die einzelnen Verhältnisse, Verrichtungen und Beziehungen des Organismus, die einzelnen Krankheiten; die Wirkung und Bedeutung der Arzneien erklärt, hier das Wahre schauend, dort ahnend und andeutend, hier ganz verkennend, jetzt mit klarem Blick über die Zeitalter weg sich erhebend, jetzt in die krasse Myftik, den finstern Aberglauben und den wunderlichen Aberwitz der Zeit tief versinkend, bald mit seinen Leistungen überzufrieden, bald die alte Klage über die Beschränktheit des Irdischen überhaupt und menschliche Wirsenschaft in’s Besondere, anstimmend; wie er bei seinen chemischen Arbeiten Herrliches fand, oft aber auch Faust's Vater, wie ihn der Dichter schildert („Mein Vater war ein
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dunkler Ehrenmann“), glich, wie er, anders denkend als Sydenham, der mineralischen Dingen im Arzneischatz den obersten Platz einräumte und sie zuerst in umfassendster Weise heroisch, aber doch vorsichtig gebrauchend, die schwierigsten Krankheiten heilte; wie ihm zusammengesetzte Formen verhaßt waren, dieß darf hier nicht weiter erörtert werden. So der Arzt von Einsiedeln, anders geartet als Hippokrates, Galen und die übrigen Heroen der göttlichen Wissenschaft, aber wie sie groß und herrlich in aller Weise und unsterblichen Ruhmes werth.
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Bibliography
Troxler, Ignaz Paul Vital (1780–1866): Umrisse zur Entwickelungsgeschichte der vaterländischen Natur- und Lebenskunde, der besten Quelle für das Studium und die Praxis der Medizin, St. Gallen: Scheitlin und Zollikofer, 1839, pp. 24–29.
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