Texte/Sudhoff/Michael Babst von Rochlitz (1890)

From Theatrum Paracelsicum

Michael Bapst von Rochlitz, Pfarrer zu Mohorn, ein populärer medizinischer Schriftsteller des 16. Jahrhunderts (1890)

Eduard Schubert und Karl Sudhoff: Michael Bapst von Rochlitz, Pfarrer zu Mohorn, ein populärer Schriftsteller des 16. Jahrhunderts. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Alterthumskunde 11 (1890), S. 77–116.

[p. 77] Einige Übersetzungen antiker Dramen und eigene Komödiendichtung haben Michael Bapst in der deutschen Litteraturgeschichte ein bescheidenes Plätzchen der Erwähnung verschafft. Eine etwas größere, wenngleich bis heute keineswegs beneidenswerte Rolle spielt der Mohorner Pfarrherr in der Geschichte der Arzneikunde. Er wird von den medizinischen Historikern mit Spott übergossen; seine Schriften werden als das Absonderlichste, Abgeschmackteste, ja Blödsinnigste gekennzeichnet, was die Litteratur dieser Disziplin aufzuweisen hat. Und doch müssen sich diese Bücher bei ihrem Erscheinen einer außerordentlichen Beliebtheit erfreut haben, das beweist schon die erhebliche Zahl von Auflagen, welche dieselben erlebten. Unzweifelhaft kamen diese Schriften einem Bedürfnisse ihrer Zeit entgegen und verdienen mithin das Interesse des Kulturforschers.

Obendrein wird Bapst unter die Schar der Paracelsisten eingereiht. Julius Rosenbaum[1] charakterisiert die Sparte der Jünger Hohenheims, unter welche Bapst zu [p. 78] zählen sein soll, folgendermaßen: „Das Gold, welches sie vergeblich in den Schmelztiegeln aufsuchten, lieferten die Arkana weit sicherer als der Stein der Weisen in ihre Taschen.“ — — Sollte wirklich der arme Landpfarrer, welcher durch ein Knabenpensionat seine Einnahmen aufzubessern suchte, durch den Handel mit geheimen Arzneimitteln leichte Reichtümer erworben haben?! Das schien uns durchaus nicht wahrscheinlich. —

Wir sind so ziemlich allen Schülern des großen Arztes von Einsiedeln nachgegangen[2] und auf diese Weise auch zu Bapst von Rochlitz gekommen. Und wenn die Verlockung, uns mit diesem Manne eingehender zu befassen, von vornherein auch nur gering gewesen ist, so hat derselbe unser Interesse allmählich doch insofern gewonnen, als es uns geboten erschien, dem Vielverspotteten seine richtige Stelle nicht so sehr in der Arzneiwissenschaft, für die er nichts Nennenswertes geleistet hat, als in der Kulturgeschichte des 16. Jahrhunderts anzuweisen. Aus seinen Schriften, welche wir einer gründlichen Bearbeitung unterzogen haben, ist für den Kulturhistoriker mehr zu lernen, als aus den Werken weit gelehrterer ärztlicher Zeitgenossen.

Michael Bapst[3] wurde im Jahre 1540 (also ein Jahr vor dem Tode Theophrasts von Hohenheim) in Rochlitz geboren und am 24. August getauft; sein Rathe war der Bürgermeister des Ortes Michael Peck[4]. [p. 79] Sein Großvater, Paul mit Namen, hatte sich, aus der Heimat (den spanischen Niederlanden) vertrieben, in Rochlitz niedergelassen. Sein Vater Mauritius saß im Rate der Stadt und war mit Kindern reich gesegnet; unter zwölf Geschwistern war unser Michael der siebente Knabe[5]. Er besuchte mit kurfürstlichem Stipendium die Landesschule Pforta und die Universität Leipzig.[6] Dort finden wir ihn im Jahre 1564. Er erzählt, er habe „Dr. Leonhardus Lycius weiland Professor Physices zu Leipzig anno 1564 in pub. lectione gehört, als er lib. de anima laß[7].“ Als er der „hochlöblichen Vniuersität zu Leipzig Depositor gewesen[8]“, bearbeitete er die Komödien des Terenz und übersetzte größere Abschnitte derselben in deutschen Versen, eine Arbeit, die er viele Jahre später im Druck veröffentlichte. — Er war von kleiner Körpergestalt[9].

Im Jahre 1569 war Bapst einige Zeit „Baccalaureus der Schulen“ zu Rochlitz[10]. Zwei Jahre später wurde er zum Pfarrer in Mohorn ernannt, einem Dorfe in der Nähe von Tharandt, wo er 32 Jahre bis zu seinem Tode verblieb[11]. Im gleichen Jahre, im Februar 1571, allem Anscheine nach noch vor seiner Niederlassung, verheiratete er sich mit Marie Steinmüller, der noch nicht zwanzigjährigen Tochter des Magisters Albertus Steinmüller[12], [p. 80] welche ihm in 30jähriger Ehe 11 Söhne und eine Tochter schenkte; der älteste Sohn, 1572 geboren, hieß wie der Vater Michael und starb mit 24 Jahren. Von andern Söhnen nennt er Paul[13], Samuel, Friedrich und Johannes. Letzterer, der Sechstgeborene, starb 1602 am 26. August in Leipzig an der Ruhr; es war dies der fünfte Verlust eines Kindes, welcher die Eltern traf[14].

Zur Ernährung seiner großen Familie war der schmale Pfarrgehalt nicht ausreichend. Also wohl um seiner kleinen Einnahme aufzuhelfen, errichtete Bapst im Jahre 1578 in seinem Hause eine Erziehungsanstalt, worin er mit Hilfe seiner Söhne und „feiner gelarter Praeceptores“[15] Söhne vermögender Eltern unterrichtete, z. B. aus dem Schönberg’schen Hause[16]. Nicht wenig thut er sich auf den herrlichen Erfolg seiner Pfarrschule zugute und mit welch trefflichem Beispiel er in seinen eigenen gelehrten Arbeiten diesen Jünglingen voranging. Mehreren seiner früheren Zöglinge widmete er 1596 den ersten Band seines Leib - und Wundarzneibuches und am Ende desselben Jahres einigen seiner damaligen Schüler den zweiten Band des nämlichen Werkes. Auch die „Postilla“ von 1603 ist „lieben Discipulis vnd Pflege Söhnen“ gewidmet. Für solche Widmungen wurden ja damals nicht unerhebliche Geschenke bezahlt, während die Verleger dem Autor nur selten ein Honorar gewährten. Bei den vielfachen Erwähnungen seines Pensionats in den Vorreden scheint die Absicht der Reklame für diese Anstalt nicht unwesentlich mitgewirkt zu haben. Wie fleißig Bapst neben allen diesen beruflichen Thätigkeiten schriftstellerisch arbeitete, ergiebt sich daraus, daß seit 1582 fast kein Jahr verging, in welchem nicht ein oder mehrere zum Teil dickleibige Werke von ihm erschienen wären.

Nach einem arbeitsamen Leben starb Bapst, 63 Jahre [p. 81] alt, zu Mohorn am 19. April 1603 an einem Schlagfluß[17]. Seine Gattin hatte er schon zwei Jahre vorher, am 16. August 1601, verloren. Ein Bruder Namens Paul überlebte ihn; derselbe war „Rathsverwandter vnd Syndicus der Stadt Leipzig“. Ihm ist von dem Herausgeber Tanck das letzte nachgelassene Werk Bapsts, das „Juniperetum“, gewidmet.

Eben dieser Joachimus Tanckius, Professor der Medizin in Leipzig, giebt in der Vorrede dieses posthumen Werkes vom 1. Januar 1605 dem Michael Bapst das Lob eines trefflichen Geistlichen von gesegneter Wirksamkeit, eines tüchtigen Lehrers im eigenen Seminar und eines fleißigen medizinischen Schriftstellers[18].

Wir gehen zu den Schriften Bapsts über, berücksichtigen dieselben im folgenden aber nur insoweit, als sie medizinische und naturwissenschaftliche Gegenstände behandeln.

Der Entstehungsmodus dieser Schriften ist ein sehr einfacher. Bapst hat neben seinen seelsorgerischen und pädagogischen Amtsgeschäften in den Mußestunden fleißig gelesen und excerpiert. Seine Lektüre erstreckte sich über sehr heterogene Gebiete. Was ihm besonders gefiel, was in seinen Ideenkreis paßte, was ihm praktisch verwertbar erschien, wurde notiert und aus diesen Kollektaneen stellte er dann in bunter Ordnung seine Abhandlungen zusammen. Eigene geistige Arbeit hat er meist mir wenig hinzugethan, wenn auch einzelne eigene Beobachtungen, einzelne aus dem Munde des Volkes und dem [p. 82] Verkehre mit andern „Gelehrten“ geschöpfte praktische Notizen und Rezepte gelegentlich mit unterlaufen. Es finden sich nur wenige unter seinen hierher gehörigen Schriften, welche in zusammenhängender Form geschrieben sind und ein Thema mehr oder weniger vollkommen disponiert abhandeln. Meist sind es, wie gesagt, lose aneinander gereihte Lesefrüchte; der Faden des Zusammenhanges ist oft durch lange Strecken nicht aufzufinden. Nur selten spricht er selber ein Urteil aus, wenn er auch nacheinander sehr verschiedene Ansichten anderer vorträgt. Ab und zu sind wohl auch kurze belehrende Exkurse eingestreut.

Diese Entstehungsart seiner Bücher gesteht er selber ruhig zu. Fast auf allen Titeln finden sich Redewendungen wie die folgenden: „Aus vieler Autoren Schrifften zusammengetragen vnd gelesen“ — „Auß vieler Hochgelerter Ertzte Bücher mit Fleiß zusammengetragen vnd beschrieben“ — „Aus vielen der bewerten Alten vnd Newen Leibs vnd Wunderzte Bücher mit fleis zusammengebracht“ — „mit fleis aus vielen berhümpten Scribenten zusammengeschrieben“ — „aus vieler hochgelehrter Ertzte, vnd vornehmer Artisten Bücher zusammengetragen“ u. s. w. Allerdings fügt er daneben meistens noch hinzu „vnd eigener erfahrung“ oder „auch Experientz“[19].

Seine Werke haben so ein recht buntes Aussehen, aber sie machen auch auf Wissenschaftlichkeit keinen Anspruch. Im Gegenteil: er will Bücher fürs Volk, für die Ungelehrten schreiben, praktische Hand- und Hausbücher, worin man sich in vielen Fällen Rats erholen könne. So sagt er auf dem Titel des „Gifftjagenden Kunst- und Hausbuches“ ausdrücklich „allen vnd jeden Hausvätern sehr nützlich“; vor dem ersten Bande seines „Leib- und Wundarzneibuches“ heißt es „mit allem fleiß, den gemeinen Haußvätern zu nutz vnd heilsamen Vnterricht, zusammengetragen“, und vor dem dritten Bande „mit fleis den gemeinen Haußvätern zu nutz, vnd heilsamen vnterricht“, endlich auf dem Titel der „Pimo- [p. 83] lotheca“: „allen Hausvätern, Wundartzten, Barbieren vnd Badern“ (also nicht für Ärzte).

Er wollte durchaus populär schreiben und war sich des bunten, wunderlichen Eindrucks, den seine Rezeptsammlungen hervorbringen mußten, wohl bewußt. So schreibt er denn:

„Bitte demütig vnd fleißig, der guthertzige Leser wolte dieses mein vornehmen (welches maiore voluntate quam facultate von mir an die Handt genommen, damit ich nicht allhie auff dem Dorffe, dahin mich Gott gesetzet, als ein vorgeblicher schatten, oder last der Erden angesehen vnd gefunden werde,) freundtlich von mir auff vnd annehmen, vnd es also verstehen, das es anders nicht als trewhertzig, vnd so gut gemeinet, damit den gemeinen Haußvätern vnd Haußmüttern dadurch gedienet werde. Denn wenn ich’s den gelarten wolte zu lesen fürschreiben, wie offt gesagt, würde ich ebenso thörlich handeln, als derjenige, der ins Meer Wasser vnd in den Bohemerwalt Holtz tragen wolte[20].“ (Leib- und Wundarzneibuch, II. Teil, Bl. 118b)
„Will den Leser aber freundtlich bitten, er wolte mir diese meine digressiones, deren ich gar viel hin vnd wieder gebrauche, zu gute halten. Denn weil es ein Wunderartzneybuch intituliret worden, darff sich niemand wundern, das auch ein wunderliche disposition vnd Ordnung darinnen gehalten wird.“ (ib. Teil 1, Bl. 107b.)

Über die Art der Abfassung seiner Schriften sind noch die folgenden Stellen von Interesse:

„Wann ich aber beyneben meinen Amptßgeschefften allhie auffm Dorff, dahin mich Gott verordnet, anders nichts inn die Hand nehme, als das ich die vbrige Zeit mit lesen vnd schreiben zubringe, So habe ich auch dißfals nichts bessers, als dieses Buch, so gut mirs der Allmechtige GOtt durch embsige Auffsuchung vieler Scribenten Bücher in die Feder bescheret.“ (Vorrede zum Arznei-Kunst- und Wunderbuch.)

Noch genauer schildert er in der „Pimelotheca“ (S. 1) seine verschiedenartigen Studien.

„Hab derwegen, sonder rhum zu melden die Zeit, welche ich nach Verrichtung meiner predigten, vnd andern Amptsgeschefften vbrig gehabt mit lesen vnd betrachtung der Chronologorum vnd Medicorum schrifften vnd Bücher zugebracht, wie solche neben meinen Theologischen Tractaten, die in Druck verfertigten Chronicken vnd Ertzneybücher, bezeigen.“

[p. 84] Auf seine theologischen Abhandlungen, sowie auch auf seine „chronologischen“ Schriften wollen wir an dieser Stelle nicht eingehen. Seine Übersetzungen und Bearbeitungen antiker Dramen erwähnt Bapst hier nicht, vielleicht weil er das nicht zu den eigentlich wissenschaftlichen Arbeiten rechnete. Dieselben mochten pädagogischen Erwägungen oder Bedürfnissen seiner Schule ihre Entstehung verdanken. Doch überlassen wir dies anderen berufeneren Federn und wenden uns zur speziellen Betrachtung der medizinischen Schriften.

Wir lassen zunächst eine kurze Analyse der einzelnen Werke[21] in chronologischer Ordnung hier folgen.

I. „Von dem newen Pestilentzischen Krampff, oder reissenden Chyragrischen vnd Podagrischen Kranckheit.“[22]

Es dies die einzige zusammenhängende Arbeit Bapsts über ein medizinisches Thema. Dieser erste Versuch des Theologen auf ärztlichem Gebiete ist fast mehr eine theologische Abhandlung zu nennen; denn das theologische Beiwerk beansprucht den weitaus größten Raum. — Wir finden hier die Schilderung einer damals „in diesen landen fast vberall, beide in Stedten vnd in Dörffern“ grassirenden, anscheinend epidemischen Krankheit, welche nach Angabe des Verfassers noch nicht in einer Druckschrift behandelt worden war. Eine eigentliche Diagnose der fraglichen Krankheit ist nach der Schilderung des Laien kaum möglich. Er sagt, „daß viel leute an hend vnd Füssen erbermlich gelehmet, vnd an allen beide jnnerlichen vnd eusserlichen gliedern dermassen geschwecht vnd verderbet werden, das sie jhre vernunfft, Witz vnd verstand verlieren“, und daß die Krankheit „mit unseglichen schmertzen die Hende vnd Füsse zusammen zeuchet oder von einander strecket, wie dann der Krampff eigentlich ein anzihung, oder außbreitung der Neruen, Span, Sen vnnd Flachßadern, des gantzen Leibes, sonderlich des Halses ist.“ Haller[23] vermutet, daß es sich um eine Epidemie von Ergotismus spasmodicus handele, der [p. 85] ja 1596 und 97 epidemisch auftrat, und verlegt das Buch deshalb ins Jahr 1597. Jedoch nennt der Verfasser zweimal 1583 als das Jahr des Auftretens der Krankheit und der Niederschrift seines Buches; es ist wohl eher an Meningitis cerebrospinalis epidemica (Genickstarre) als an die Kriebelkrankheit zu denken.

Das Wichtigste sei nach Galenus die Erkenntnis der Krankheitsursache, welche Bapst denn auch weitläufig behandelt Doch kommt dabei dem guten Theologen, aber schlechten Anatomen ein grober Schnitzer in die Feder. Er schreibt: „Wann auch den Patienten böse schedliche Dämpffe aus dem Magen, per neruum opticum, welcher aus dem haupt herab in den Magen gehet, auffzusteigen pflegen[24].“ Daß es hier ohne „Verstopffung des Gehirns“ und „Dünste“ aus der „alten vermoderten bösen Materie, welche sich in den Adern vnd Neruen des Magens zu erhalten pfleget“, nicht abgeht, ist selbstverständlich und echt galenisch. Die „influentz des Gestirns“ spielt natürlich eine große Rolle, doch wird auch Witterung, Erdfeuchtigkeit, stehendes Wasser, dichte Nebel, Verwesungsdünste und dergleichen in Anspruch genommen. Doch damit nicht genug: auch das „Epicurische leben“ der Menschen wird als Krankheitsursache beschuldigt, und damit läuft Bapst ins theologische Fahrwasser ein. Der Zorn Gottes ist in dieser Krankheit als Strafe über die Menschen gekommen. Mit der Cura siehts dann flau aus. Gelobt wird zwar Galen und heftig geeifert gegen die „Empirici, Ambubai, Seplasiarii, Circumforanei Medici vnd wie die Praestigiatores vnd Zanbrecherischen Thyriackskramer vnd Blatte- [p. 86] rones Medici heissen mögen“, aber bis jetzt hätten auch die vernünftigen Ärzte „keine gewisse Ertzney vnnd Experiment“ gegen diese Seuche finden können: „ob einer gleich alle der Materialisten vnd Apotecker Simplicia et composita Medicamenta miscirete, vnd dieselbigen einneme, und verschlünge darzu des Galeni Therapeuticon, vnd alle Paracelsische subtiliteten, so würde ihm doch nicht besser werden.“ Trotzdem solle man sich nach einem „wolgeübten verstendigen gelarten Artzt vmbsehen, vnd nicht allen leichtfertigen jungen Roßärtzten, vnd alten zeuberischen weibern seinen leib vertrawen, dann solche Störer verderben vnd sterben allzeit hundert menschen, ehe sie einem helffen, indem sie jhre Cathartica mit vnbedacht starck genug, für die Giganten vnd Ditmarschen Bawren ... präpariren vnd on allen bedacht ... verkauften.“ — Das Ganze geht schließlich in eine rein pastorale Ermahnung aus. Zur Heilung dieser für Sicherheit in Sünden, Einehen, Geiz, Fressen, Saufen, Hoffart, Verstocktheit gesendeten Seuche muß man sich zu dem himmlischen und höchsten medico medicorum wenden, aus seinem Kunstbuche, der Bibel, Genesung suchen, Buße thun u. s. w. Er empfiehlt zuletzt aber auch Barmherzigkeit gegen die Kranken, was einigermaßen bezeichnend für ihn ist in seiner religiös stark angehauchten Zeit. — So hält Bapst schon gleich anfangs seine Wage ganz gerecht zwischen Galenismus, Paracelsismus und Seelenhirtentum, fernab von aller Schwärmerei und Mystik!

II. „Ein newes vnd nützlichs Ertzney, Kunst vnd Wunderbuch.“[25]

Nach einer langen Einleitung über allerhand sagenhafte menschliche Monstrositäten und monströse Völkerschaften, aus unzähligen alten und mittelalterlichen Autoren zusammengetragen, kommt Bapst zum eigentlichen Thema, der arzneilichen, tierarzneilichen und technischen Verwendung der verschiedenen Teile des menschlichen Körpers, Menschenfleisch (mumia), Haare, Hirnschale, Knochen, Zähne, Ohrenschmalz, Stimme (Gesang und Rede, wobei auch allerlei Zaubersprüche, die bekannten „Incantationes“, vorkommen, die er jedoch vorsorglich [p. 87] verdammt, damit man ihn nicht zu einem solchen „zauberischen Lügner“ mache[26], Haut, Schweiß, Blut (speziell Menstrualblut), Frauenmilch, Nabelschnur und Nachgeburt (wobei er auch emphatisch ein noch nicht veröffentlichtes „Stück“ anführt, „welchem die Erfahrung, ein krefftiges gutes Zeugnis giebet“ bei Fallsucht), Herz, Galle, Blasen- und Gallensteine, Fett, Koth, Nägel, Schenkel, Füße u. s. w. Das Ganze ist aber keine zusammenhängende Auseinandersetzung, sondern eine Rezeptensammlung, bei welcher nur einigermaßen die Ordnung nach diesen Körperbestandteilen innegehalten wird. Im einzelnen geht es aber bei der Aneinanderreihung bunt durcheinander. So folgen sich in anmutigem Wechsel Mittel für Nasenbluten und Menorrhagien, Zähmung von Leoparden, Verstopfung, Skorpionstich, Zahnweh, Hundsbiß, Spinnenstich, Erkennung der Fruchtbarkeit einer Frau, Kupfer das Aussehen von Silber zu geben, sichtbare und unsichtbare Schrift, Fischfang, Pferdekrankheiten, gegen das Fürchten bei Nacht u. s. w. u. s. w. Meist sind die Rezepte mit der Angabe des Autors versehen, aus welchem sie genommen sind. Eingestreut sind Exkurse über Chiromantie und Chirurgie gelegentlich der Menschenhand, über Pflege neugeborener Kinder, über die Bedeutung des Menschenbluts in der Alchemie, welches wie [p. 88] viele andere alchemistische Termini oft nicht wörtlich zu nehmen sei, da darunter ein blutfarbiges Metallpräparat verstanden werde; dabei spricht er, als ob er selbst die alchemistischen Kniffe wohl verstehe, und giebt sich gleich darauf die Blöße (wie noch öfter) von „Albachest“ (statt Alkahest) zu sprechen. — In der nach seinem Tode veröffentlichten Ausgabe von 1604 sind Lesefrüchte aus den Jahren 1590—1603 allenthalben eingetragen, ohne den Charakter des Buches irgend wesentlich zu ändern[27].

III. „Gifftjagendes Kunst vnnd Haußbuch.“[28]

Abermals eine bunte Sammlung aus den verschiedensten Schriftstellern. Von „eigener Erfahrung“ ist kaum etwas zu finden. Beginnt mit dem Schlangenbiß (zuerst die Schlange im Paradies) und arzneilicher Verwendung der Schlangen, Spinnenstich, Querder (Köder) an die Angel, Löwen- und Wolfsbiß, Füchse etc. zu fangen, Wölfe zu vertreiben, Ranula, Skorpionstich, vielerlei über Würmer, Tauben an den Schlag zu gewöhnen und daß sie andere Tauben mitbringen, Bäume pfropfen, Früchte konservieren, Pflanzenspielarten zu erzielen, Fleisch konservieren. Mücken etc. zu vertreiben, Zips der Gänse, Durchfall der Hühner, Bienen im Stock halten. Fledermäuse töten, Haare und Warzen vertreiben, Wundpflaster, Motten, Mitesser, Läuse vertilgen, Vogel-, Fisch- und Krebsfang, wobei sich die Kur des Carcinoms anschließt u. s. w. u. s. w. Unter den Tausenden von Rezepten aller Art sind hie und da. dem Zeitgeschmack gemäß, als Lesefrüchte auch einige alchemistische und chemiatrische Rezepte mit eingestreut[29].

IV. „Wunderbarliches Leib vnd Wund Artzneybuch.“ I. Teil.[30]

[p. 89] Diese Schrift wird in einem Lobgedicht (hinter dem Vorwort) „Liber de Epilepsia“ genannt und es ist denn auch trotz des bunten Allerleis der Rezepte viel von der Fallsucht die Rede; der Autor kehrt nach vielen Abschweifungen immer wieder zu diesem Thema zurück. Außerdem wird viel von Augenleiden gehandelt. Es beginnt mit allgemeinen Notizen über Epilepsie, Einteilung nach Galen, Ansichten verschiedener Ärzte über die Pathogenese; Eintrocknung der humores in den Hirnventrikeln, Exkurs über die 4 humores, die Wirkungen der Imagination, Epilepsie nach Kopfverletzungen, Purgationen im Allgemeinen und Speziellen, Schädlichkeit des Quecksilbers und dessen Austreibung aus dem Körper, Wundergeschichten, Allerlei aus der „Rothwelsch Grammatika“. Folgt eine Unzahl von Rezepten gegen den epileptischen Anfall und andere Leiden, als Alopecia, Fisteln, Krebs, Pestilenz u. s. w. Kosmetika; Mittel, daß die Raupen das Kraut nicht fressen, Roßarzneiliches, Heilkräfte des Menschenkothes, Goldschmiedekünste chemischer Art, — Rückkehr zur Epilepsie, aber sofort wieder Abschweifung zu Wundtränken und -salben, abergläubische Kuren, Mittel gegen Augenleiden, — Rückkehr zur Epilepsie, nochmals Allgemeines über Purgationen, Mittel zur Hebung der Geschlechtsfunktionen (Lieblingsthema), Stärkungsmittel, Haarfärbemittel (verwirft er, weil gegen Gottes Willen), Folgen des Schrecks — abermals Epilepsie, Heilung derselben durch Sigille, viele Mittel gegen Unfruchtbarkeit, Erkennungsmittel der Fruchtbarkeit einer Frau (gleichfalls beliebtes Thema) u. s. w., wiederum Heilmittel für Augenleiden, lange Abhandlung über destillierte Wässer, Verzeichnis der Pflanzen, welche von verschiedenen Autoren mit gleichen Namen bezeichnet werden (22 Seiten), Tiere und Tierteile als Mittel gegen Fallsucht, Kitt für Destillieröfen, aurum potabile, Augenmittel, komplizierte Rezepte für Epilepsie, äußere Mittel gegen dieselbe; Fruchtbarkeitsmittel, Aderlaßzeiten, sympathetische Kuren. — Man sieht, es ist eine bunte Musterkarte; der Anfang des Buches nimmt sich in unserer Inhaltsskizze leidlich geordnet aus, es [p. 90] sind aber auch dies nur aneinandergereihte Äußerungen verschiedener Schriftsteller, selbständige Ansichten werden nicht vorgebracht. Bezeichnend ist es, daß Bapst, wenn er ein Mittel für Epilepsie bespricht, dann gleich den ganzen Chorus von anderen Leiden vorführt, bei welchen dasselbe Mittel in verschiedenen Kompositionen wirksam sein soll.

V. „Der ander Theil, des Wunderbarlichen, Leib vnd Wundartzneybuchs“[31].

Handelt in drei Büchern vom Blute der lebenden Wesen. 1. Vom Menschenblut. Purgation des Blutes im Mai, Mittel gegen Blutspeien, Blutharnen, Hämorrhoiden, Metrorrhagien, Emmenagoga; Heilungen und andere Wirkungen durch Menstrualblut; rote Ruhr, Hyphäma, Aderlässe, Aderverletzungen, Blutstillungen, Melancholie, Gurgelwässer, Ohrenleiden, Schlag, Schwindel, Veterinaria, Gliederleiden; Bruchsalben, Wundsalben und andere Arzneien aus Menschenblut; ökonomische und chymische Anwendungen des Menschenblutes, welches oft nur ein Pseudonym für gewisse Metallverbindungen sei; Exkurs über die echten Alchymisten (Jatrochymiker), medizinische und technische alchemistische Prozesse. — 2. Vom Vogelblut, dem Blut der Fische und anderer Wassertiere, wilder und zahmer vierfüßiger Tiere, der Würmer und des Ungeziefers, d. h. von der Verwendung des Blutes dieser Tierarten. — 3. Blutegel zu Salben und Blutentziehungen; Blutstein und seine Verwendung; Wirkung des Drachenblutes (vom Drachenbaum). — Der Faden ist auch in dieser Schrift ein loser; den Mitteln, welche Blut enthalten, sind oft andere beigefügt, die damit nichts zu thun haben[32]. Die Citate aus Anhängern der Jatrochemie sind hier etwas zahlreicher als früher; Bapst scheint später solche Werke mehr gelesen zu haben. Namentlich citiert er öfters Martin Rulands Curationes Empiricae und Bernh. Penots Tractatus varii de vera praeparatione et usu medicam. Chymicorum (Francof. 1594. 8°). Gerade diese beiden Schriften kommen aber auch den [p. 91] Bedürfnissen Bapsts aufs schönste entgegen; es sind ja selbst Sammlungen einzelner Heilungsfälle und Rezepte und bieten ihm das Material aufs bequemste schon bearbeitet dar.

VI. „Des Wunderbarlichen Leib vnd Wundartzneybuchs, Dritte Theil“[33].

Eine Rezeptensammlung wie die vorhergehenden Schriften außer Nr. 1. Als Leitfaden dienen eine Anzahl blutstillender Kräuter. Tormentill. Johanniskraut, Prunella, Täschelkraut, Wegerich, Schaftheu, Walwurzel, Cypresse, Inula, Lagopus, Wasserlinse, Hundszunge, Schafgarbe, Nymphäa, Klapperrose, Fingerkraut, Portulak, Weiderich, Sanguisorba, Natterwurzel, Sideritis, Sinau, Sonnenblume, Nessel, Eisenkraut. — Außer der Blutstillung wird bei jedem Kraut auch die weitere Verwendung desselben in allerhand Zusammenstellungen vorgeführt. Dazu werden häufig neben den Kräutermitteln auch die chemischen Heilmittel der betreffenden Krankheiten angegeben.

VII. „Pimelotheca“[34].

Handelt von der Verwendung der verschiedenen Fettarten in fünf Teilen: 1. Menschenfett, 2. Vogelschmalz, 3. Fischthran, 4. Schmalz der unvernünftigen vierfüßigen Tiere, Bestien und Würmer, 5. die chemischen Oleitäten und neben diesen überhaupt die Erklärung aller in den 4 andern Teilen vorkommenden chemischen Manipulationen. Es ist auch wieder eine Rezeptensammlung, dabei werden allerhand niedliche Kenntnisse, welche man zum Teil gar nicht hinter dem Verfasser suchen sollte, namentlich aus dem Gebiete der Aphrodisiaca vorgebracht. Auch „Ruß aus einem Kometen“ gegen Erbgrind ist eine hübsche therapeutische Errungenschaft, die er aufgelesen. — Nach Anführung galenischer Rezepte werden hier gleichfalls öfters die Verordnungen der .latrochemiker beigebracht. Auch in den ersten vier Teilen kommen Anweisungen über chemische Prozesse vor, z. B. die Darstellung des Spiritus vini (S. 119) u. a. [p. 92] Ueberhaupt ist es unverkennbar, daß Bapst in dieser letzten medizinischen Schrift, welche er noch selbst herausgab, den Excerpten aus Vertretern der chemischen Heilmethode mehr Blatz einräumt als in den früheren Werken. Wir haben hierin wohl einen Beweis dafür zu erblicken, daß Bapst einem gesteigerten Bedürfnis damaliger Zeit in dieser Weise entgegenkam[35].

VIII. „Juniperetum oder Wacholder Garten.“[36]

Die letzte Arbeit Bapsts, im Jahre 1603 kurz vor seinem Tode vollendet und 1605, von Joachim Tanck „übersehen“, zum Druck gegeben. Es läßt sich nun nicht sagen, wieviel der Herausgeber von seinem Eigenen hinzugethan hat; denn Tanck hat auch eigene iatrochemische Schriften und viele Schriften anderer, namentlich alchemistischer und medizinisch-chemischer Autoren edirt.

Das Buch handelt von den verschiedenen medizinischen und ökonomischen Verwendungen des Wachholders, beginnend mit ganz einfachen Verordnungen und zu immer komplizierteren aufsteigend. Alles, was Bapst von Rezepten, welche Wachholder enthalten, auffinden konnte, hat er hier zusammengestellt, natürlich gänzlich ohne Rücksicht darauf, ob der Juniperus in dem betreffenden [p. 93] Rezepte eine wesentliche Bedeutung hat oder nicht. Die Krankheiten gehen bunt durcheinander; für dasselbe Leiden kommen an ganz entfernten Stellen des Buches verschiedene Medikationen vor; doch sind auch ganze Reihen von Rezepten manchmal für dasselbe Leiden hintereinander genannt (darunter dann auch manche ohne Wachholder). — Manchmal wird es selbst Bapst zu toll bei den Verordnungen seiner Gewährsmänner, z. B. sagt er nach Anführung der Verordnung des Grafen von Hohenlohe, welcher gegen Krämpfe und Gliederschmerzen 5 Läuse und 8 Schafsläuse in Brot gewickelt zu essen empfiehlt, „wer es lust zu gebrauchen hat, der mag es thun, ich will mich dafür bedanckt haben.“ (Von der psychischen Wirkung dieses noch heute unter dem Volke üblichen Mittels hat er keine Ahnung!) — Öfters streut er auch Exkurse ein, z. B. eine Auseinandersetzung über die sechs Teile des menschlichen Darmes[37]. Am Ende des Buches (S. 238 ff.) spricht er eingehender über Eigentümlichkeiten in der Schreibweise alchemistischer Schriftsteller, ihre Symbolisierungen und Allegorien, absichtliche Dunkelheit, ungewöhnliche termini, welche er nach dem Synonymen-Verzeichnis in der Pandora (Basel 1582 und 1588, 8°) erklärt. Er druckt die Tabula smaragdina ab und giebt eine schlechte deutsche Übersetzung dazu. Zuletzt stellt er ein Verzeichnis der hauptsächlichsten alchemistischen Schriftsteller zusammen, welche er denen als lesenswert empfiehlt, welche sich mit diesem Wissensgebiet bekannt machen wollen. Paracelsus steht nicht in diesem Verzeichnis[38].

Ob dies alles in Bapsts Garten gewachsen ist oder ob Tanck etwas hinzugethan hat, läßt sich nicht entscheiden. Wenn aber Tanck, der Heißsporn unter den Jatrochemikern, von dem Seinigen etwas hinzufügte, so hat er jedenfalls gewußt, welche Verbreitung und welchen Einfluß er mit dieser Bapstschen Schrift für seine Anschauungen gewann.

[p. 94] Damit wäre die Reihe der medizinischen Schriften Michael Bapsts erschöpft, wenigstens gelang es uns nicht, weitere aufzufinden, auch finden wir nirgends andere citiert. Das Büchlein von „der Sieben Planeten lauff“ berührt zwar stellenweise medizinisches Gebiet, ist aber dennoch nicht hierher zu rechnen[39].

Das allgemeine Urteil über diese Schriften kann nicht schwer fallen. Wenn aber auch gelehrte Ärzte zu diesen Sammelbüchern greifen konnten[40], so läßt sich das damit erklären, daß es zu damaliger Zeit keine anderen Werke gab, welche so reichhaltig waren in der bequemen Zusammenstellung der heterogensten Heilmethoden[41]. Fleiß im Zusammentragen des Materials läßt sich Bapst nicht absprechen, das ist aber auch wohl das Einzige, was man an ihm lobend hervorheben kann. Bei all dem Unsinn, den er stellenweise vorbringt, wird es ihm manchmal selber angst um das Urteil des Lesers. So sagt er einmal[42], „weil ich des meisten theils in diesem [p. 95] Buche aus andern Scribenten entlehnet habe, vnd nicht soviel zeit vnd vormögen gehabt, alles zuuersuchen, obs recht oder vnrecht, konte es wol geschehen, das hie auch etwas mit vnter gelaufen were. Wenn es derwegen der Leser gewar werde, wolte er solches nicht mir, sondern den Scribenten, von denen ichs abgeschrieben, zumessen, vnd jhm dißfals meinen Heils vnd wolgemeints Gemüte gefallen lassen.“ Er will also die Schuld auf die „Scribenten“ abwälzen, als ob damit all die vielen aufgewärmten Dummheiten beseitigt wären, die er wieder unter die Leute brachte.

Nachdem wir Art und Inhalt der Bapstschen medizinischen Schriften in ihren Hauptzügen kennen gelernt haben, kommen wir zur Beantwortung der Frage: Mit welchem Rechte wird Bapst zu den Paracelsisten gerechnet?

Die in der Geschichte der Arzneikunde herrschende Ansicht über den Mohorner Pastor wird in den folgenden Worten August Hirschs vollkommen wiedergegeben: „In der nebenher betriebenen Arzneikunst folgte er Paracelsischen Grundsätzen; einer jener Schwärmer, die ohne positive Kenntnis von tiefer Mystik befangen, mehr zu den Betrogenen als Betrügern gezählt werden müssen[43].“

Ohne uns hier näher auf diese Charakteristik Bapsts einzulassen, gestehen wir zwar gern zu, daß ihm tiefere „positive Kenntnisse“ in der Medizin allerdings gänzlich abgingen[44], müssen aber betonen, daß wir bei eingehender Kenntnisnahme weder von „Befangensein in tiefer Mystik“, noch von „Schwärmerei“ bei unserem geistlichen Herrn in den medizinischen Schriften etwas entdecken [p. 96] konnten[45]. Nüchterner hat wohl kaum jemals ein Vielschreiber seine Kollektaneen zu Büchern zusammengeleimt! — Ob Bapst je eigentlich die „Arzneikunst betrieben“ hat, werden wir noch untersuchen. Doch prüfen wir zunächst, ob es wirklich historisch richtig zu nennen ist, wenn man ihm „Paracelsische Grundsätze“ nachsagt! —

Wer hat unsern Autor zuerst zu den Anhängern Hohenheims gerechnet? — Die bekannten Kompendien, Bibliotheken etc. vor Haller schweigen fast alle von ihm. Einen Melchior Adam, Hermann Conring, van der Linden, Borellius, Freher, Pope Blount, Reimmann, Le Clerc, Stolle, Morhof, Kestner, Brucker, Eloy und viele andere wird man vergebens um Bat fragen. Manche dieser Autoren geben Verzeichnisse der Paracelsisten, aber keiner führt Bapst darunter auf. Ch. G. Jöchers Gelehrtenlexikon kennt allerdings unsern Pastor, aber seine Paracelsusjüngerschaft erwähnt er nicht.

Die unsers Wissens früheste Liste der Paracelsisten, welche vielfach später (z. B. von Reimmann und Brucker) benutzt wurde, aber heute vergessen ist. giebt die im Anfang des 17. Jahrhunderts geschriebene „Elegia de vera antiqua philosophica. Medicina“ von Ulrich Bollinger, welche sich mehreren lateinischen Ausgaben von Oswald Crolls Basilica chymica angehängt findet (zuerst der Ausgabe von 1609 nach Linden renov.). Unter der großen Zahl der hier erwähnten Anhänger der Medizin Hohenheims — die allgemein bekannten und viele sonst selten oder gar nicht genannte — wird Bapst nicht angeführt. Das ist aber gewiß kein Versehen, sondern Bollinger hat ihn offenbar noch nicht in diese Schar gerechnet.

Die erste Erwähnung Bapsts von chemiatrischer Seite fanden wir in Johann Heinrich Freytags „Catalogus testium veritatis Chimiatricae[46].“ im „Epilogus“ [p. 97] dieser Schrift (pag F3v bis F4v) giebt der Autor eine Liste lesenswerter Schriftsteller: „Legat interea ... cui Veritas & Conscientia, salusque Publica potius ac Lucrum turpissimum & male parta autoritas, maleque educata Calumnia cordi est, Observationes aureolas Chymiatrorum, Quercetani cum primis, Renealmi, Horstii ....“ Er führt dann zirka 190 Namen auf, worunter mehrfach Wiederholungen sich finden. Als 56ter findet sich der Name Babstij. Es werden aber auch Crato, Gesner, Faventinus, Montagnana, Mesua, Avicenna. Aristoteles, Hippocrates, Massa, Vigo, Manardes, Fernel, Pare, auch Barth neben seinem chemischen Gegner Pithopoeus (!!) darunter aufgeführt, welche man doch nicht zu den Chemiatrikern rechnen kann. Die Mehrzahl der von ihm Genannten sind aber doch Jatrochemiker, und man kann deshalb immerhin annehmen, daß J. H. Freytag den Michael Bapst unter dieselben einreihen wollte. Es hat dies ja auch insofern seine Berechtigung, als Bapst wegen der Excerpte aus Paracelsisten und Jatrochemikern, welche sich bei ihm finden, ganz wohl als Quelle für chemiatrische Belehrung empfohlen werden konnte. (Am Ende seiner Liste sagt Freytag freilich nur, daß die Schriften der Genannten nicht „Rethoricâ sterili, sed quotidianis successibus celebrium Practicorum monumenta“ seien.) Wegen der Anführung iatrochemischen Heilmethoden mögen auch die Paracelsisten des 17. Jahrhunderts unsern Bapst zu den Ihren gerechnet haben.

Schwerlich jedoch ist die Anführung Joh. Heinr. Freytags in seinem „Catalogus“ für die späteren Historiker maßgebend gewesen, welche Bapst alle — sofern sie ihn überhaupt anführen — zu den Paracelsisten rechnen. Albrecht von Haller sagt schon (und wohl zuerst!) „Paracelsicis hypothesibus addictus[47]“; J. Fr. Gmelin läßt ihn „mannigfaltige paracelsische Afterweisheit auskramen“[48], und Kurt Sprengel rechnet ihn gar unter die „Lehrer der Paracelsischen [p. 98] Schule“, in deren Wahl dieselbe nicht strenge gewesen[49].

Den Spuren dieser drei Koryphäen sind alle späteren Historiker gefolgt. Auch Häser teilt dies Urteil in den beiden ersten Auflagen seines Lehrbuchs. In der dritten Auflage wird Bapst gar nicht mehr genannt, ob infolge der Erkenntnis, daß seine Einreihung unter die Paracelsisten unrichtig sei, das wagen wir ein wenig zu bezweifeln.

Der unbefangen urteilende medizinische Geschichtsforscher kann nur demjenigen Autor den Namen eines „Paracelsisten“ zuerteilen, welcher sowohl in seinen theoretischen Anschauungen über das Verhältnis des Menschen zu seiner natürlichen Umgebung, namentlich über die Bedingungen der Gesundheit und der Entsteh- [p. 99] ung der Krankheiten mit Hohenheim übereinstimmt, als auch den Theophrastischen Heilungsprinzipien folgt, und zwar ebensowohl in der Bereitung der Arzneien, wie in deren Anwendung bei den verschiedenen Erkrankungen. Wieweit entspricht denn aber nun unser Bapst diesen Anforderungen? Was sagt zunächst er selber über sein Verhältnis zu den Galenisten und Paracelsisten?

Sehr häufig nennt er diese beiden Richtungen als gleichwertig nebeneinander. So schon in seiner ersten Schrift[50]:

„Es haben weder die Galenisten noch Theophrastisten biß anher helffen können vnd wird auch wol, da wir nicht ernste buße thun, schwerlich diese Seuche können Curirt werden, ob einer gleich alle der Materialisten vnd Apotecker simplicia et composita medicamenta verschlänge, dazu des Galeni Therapeuticon, vnd alle Paracelsische Subtilitäten, so würde jhm doch nicht besser werden“.

Öfters kehrt folgende Wendung wieder:

„wenn eine Artzney auch noch so bewert were vnd der Artzt auch dem Galeno oder Theophrasto Paracelsi [!] zuuergleichen, so lichtet doch der Artzt wenig auß, wenn der Patient nicht das Vertrauen zu ihm hat[51]“.

Ein andermal schreibt Bapst:

"Und wenn also die Seuche (Epilepsie) angeboren ist, vnd eine Erbseuche worden, so kann sie nicht Curiret werden, wenn gleich alle Galenisten vnd Theophrastisten, jhre kunst zusammen mengeten, vnd quintam essentiam daraus extrahirten, Ja, wenn gleich Menecrates, wieder von todten aufferstände[52]“.

Den Galen citiert er in all seinen Schriften sehr reichlich, ohne je einen Tadel gegen ihn auszusprechen. Oftmals lobt er ihn sehr, z. B.:

„so wissen auch die studiosi medicinae, das der Hochberühmte Man, vnd vortreffliche Medicus Galenus ...[53]“.

Man vergleiche damit die heftigen Schmähungen der Paracelsisten gegen diesen von Hohenheim so sehr verdammten Mann, der die Leuchte der medizinischen Wissenschaft durch viele Jahrhunderte gewesen ist. [p. 100] Allerdings spricht Bapst auch von den „hochlöblichen Chymischen Ertzten“ und sagt auch „der hochgelehrte vnd wolerfarne Med. D. Au. Ph. Theophrastus Paracelsus[54]“. Ebenso nennt er aber auch dessen erbittersten Gegner Thomas Lieber Erastus) und spricht oft von den „rechten dogmatici Medici[55] “.

Zur weiteren Orientierung über Paracelsus verweist Bapst höchst naiv nebeneinander auf Peter Severinus, Günther von Andernach und Thomas Erastus, (also auf den „besten Schüler“ Hohenheims, den größten „Conciliator“ und den hartnäckigsten Widersacher):

„Wer aber zu wissen begehret, was von der Theophrastisten Medicin zu halten sey, der lese das Buch Petri Severini Dani ... dessen Titel also lautet: Idea Medicinae Philosophicae ... Zu dem hat auch Guintherus Andernacus zwey große Volumina medica geschrieben, darinnen er denn im dialogo 2. tomi primi, eilff vrsachen setzet, warumb der Paracelsus von der alten Art der Ertzney gewichen. Dagegen aber hat Thomas Erastus D. vier grosse Bücher wieder jetzt gedachten Philip. Paracel. vnd seine dogmata geschrieben[56]“.

Würde es jemals einem Paracelsisten in den Sinn gekommen sein, den Leser so ruhig auf Thomas Erast als Belehrungsquelle über seinen Meister Paracelsus zu verweisen? Bapst ist aber ein unbeteiligter Zuschauer, der jedem seiner Leser je nach Lust und Neigung den Weg zu weiterer Information zeigen — oder auch mit Zitaten prunken will, deren Tragweite er selbst nicht kennt.

Noch klarer wird seine Stellung zu den Parteien aus folgender Stelle:

„demnach ich allhie ... in diesem Buche neben der allgemeinen alten vnd wolfundirten Galenischen Curen, auch bißweilen der Theophrastischen Experimente gedencke, als wil ich hie auch dem Liebhaber der Theophrastischen künste nachfolgendes Wunderbarliches Wasser zur ergetzung beyleufftig mit anhero verzeichnen[57]“.

Es kommt ihm also entschieden nicht darauf an, immer die Paracelsische Heilmethode hauptsächlich voranzustellen oder gar einzig für wirksam und erfolgreich zu erklären. Genau genommen geht das gerade Gegenteil aus dieser Stelle hervor: nur beiläufig will [p. 101] er auch diese berücksichtigen. Und diese Stelle steht in der vorletzten von Bapst selbst herausgegebenen Schrift!! — Er huldigt dem Motto: „Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen“.

In der Pimelotheca heißt es endlich:

„daß ich der Theophrastisten[58] in diesem so offte gedencke, geschieht deswegen nicht, daß ich dadurch die Galenisten wil verachtet haben, inmaßen ich denn auch der Galenisten nicht derwegen so offte gedencke, das ich die Theophrastisten darmitte wolte verworfen haben, ich lasse einem jeden Theile seine meinung wie er sie zur Antwort gedrucket ...[59]“.

Klarer kann er seine Unparteilichkeit nicht aussprechen! — Wir denken diese Stellen genügen. Nirgends präzisiert er seine Stellung in anderem Sinne. Es ist mithin klar, daß Bapst selbst sich nicht für einen Schüler oder Parteigänger des Paracelsus aus giebt. Es bleibt uns also nur noch zu untersuchen, ob der Thatbestand in Bapsts Schriften mit seinen eigenen Erklärungen übereinstimmt, und da ist es zuerst interessant zu untersuchen, wie weit denn wohl die Kenntnis der Werke Hohenheims bei diesem seinem angeblichen Jünger reicht. Gewiß hat der fleißige Bücherwurm eine stattliche Belesenheit in Hohenheims Werken aufzuweisen!? — — Aber nein, es finden sich nur Zitate aus folgenden fünf Schriften:

1. „Wunder Artzney vnd verborgene Geheimnisse aller Geheimnisse. Basel 1586“. (Dies Werk, welches mit Paracelsus in Wahrheit nicht das geringste zu thun hat, sondern sich seines Namens nur als Aushängeschild bedient, wird von Bapst in allen seinen Rezeptsammlungen zitiert.) — 2. Die „13 Bücher Paragraphorum von Toxites herausgegeben“. (Wahrscheinlich nach der Baseler Ausgabe 1585, 8°, zitiert. Im Gifftjagenden Kunst und Hausbuch [1591, S. 191 ff] wird der Abschnitt über die Würmer hieraus abgedruckt, das Buch aber auch sonst genannt.) — 3. „De natura rerum IX Bücher herausgegeben von L. Bathodius“, Straßburg 1584. (Bapst zitiert diese Schrift anfangs [1590] nur unter dein Namen des Herausgebers Bathodius, scheint also gar nicht bemerkt zu haben, daß das Buch von Paracelsus ist; später [1597] wird das Buch dann aber auch unter dessen Namen erwähnt.) — 4. Aus der Großen Wundarznei werden in der Pimelotheca zwei Stellen angeführt, aber ohne genaueres Zitat; Bapst hat dieselben wahrscheinlich einem anderen Autor, der sie er- [p. 102] wähnt, entnommen. — 5. „Von offenen Schäden und Geschwären“, Straßburg 1577. (Hieraus giebt Bapst nur in seinem letzten Werke, dem Juniperetum, Auszüge, und zwar an vielen Stellen; er hatte das Buch gewiß unmittelbar vorher gelesen und verwendet schnell seine neue Weisheit.)

Das ist alles! Er spricht zwar auch von „Paracelsus de Podagra“, hat dies aber aus Penot entnommen. Und wenn er am Ende des Juniperetum noch mehrere andere Namen Hohenheimscher Schriften nennt (z. B. Archidoxa, Metamorphosis, de vexationibus), so geht aus diesen Titelnennungen noch nicht hervor, daß er die Schriften gelesen hat, dieselben werden ja bei Penot und anderen allenthalben angeführt. Nirgends findet sich eine Spur davon, daß Bapst die in den Jahren 1589—91 erschienene Husersche Sammelausgabe Hohenheimscher Werke gekannt hat. — Wenn man demgegenüber bedenkt, daß bis zum Jahre 1600 etwa 220 Ausgaben Paracelsischer Schriften erschienen sind[60], so kann man die Litterarische Kenntnis Bapsts in bezug auf diese Schriften nur als eine recht geringe bezeichnen.

Wie steht Bapst nun weiter zu den theoretischen Anschauungen Hohenheims? Zu allgemeinen naturphilosophischen Darlegungen findet er in seinen, nur praktischen Zwecken dienenden Schriften keine Veranlassung, wie er aber zu Theophrasts Ansichten über die Entstehung der einzelnen Krankheiten sich verhält, darüber giebt der „liber de Epilepsia“[61] eklatanten Aufschluß. Da findet man wohl die Ansichten des Galen und Aristoteles, des Averrhoes und Avicenna, des Erastus und Fernel samt vieler andern des Breiteren vorgetragen, aber von den Lehren des Paracelsus über den „Caducus“ findet man auf den 450 Quartseiten dieser Schrift kein Wort. Nur fünfmal wird sein Name in dem Buche genannt, aber nie in bezug auf die Fallsucht, während z. B. Erastus, Lemnius, Fernel, Mizaldus, Konrad Gesner sehr häufig, gewiß jeder über fünfzigmal, genannt werden[62].

[p. 103] Des weiteren ist bekannt, daß Paracelsus sich mit Vorliebe mit meteorologischen Fragen beschäftigt hat. Beweis dafür ist sein „Buch Meteororum“ und viele andere meteorologische Ausarbeitungen im 8. Bande der Huserschen Quartausgabe, sowie vieles „Astronomische“, „Astrologische“ u. s. w. Es entspricht z. B. die eine seiner vier Grundsäulen der Medizin, „die Astronomey“, durchaus nicht dem, was wir heute Astronomie nennen, sondern behandelt großenteils die meteorologischen Einflüsse auf den Menschen. Bapst hat nun auch ein kleines meteorologisches Werk geschrieben, den „Wetterspiegel“ (Leipzig 1589. 8°. 64 Bl.), folgt aber bei all seinen Erklärungen der einschlägigen Naturerscheinungen nirgends den Anschauungen Hohenheims, der dieselben mit oft so großer Heftigkeit vorträgt und vertheidigt, wobei er namentlich die Ansichten des Aristoteles (er dekoriert ihn dabei mehrfach mit dem Ehrentitel „Narristoteles“) aufs erbittertste entgegentritt. Nein, im Gegenteil, Bapst folgt vollkommen der Meteorologie des Aristoteles und erwähnt Hohenheims mit keiner Silbe.

Der eklatanteste Beweis dafür, daß Bapst in theoretisch-medizinischen Dingen nicht mit Hohenheim übereinstimmt, läßt sich wohl darin finden, daß der Herr Pastor vielfach eingehend die alte Lehre von den „vier humores“ vorträgt, während doch kein Punkt der alt überkommenen ärztlichen Anschauungen so heftig von Paracelsus bekämpft wird wie dieser.

Einmal polemisiert Bapst geradezu gegen eine Paracelsische Behauptung, wenn er berichtet (Leib und Wundarzneibuch II, 164): „Theophrastus vnd seine anhenger geben für, wenn ein Magnet seine Vires, krafft, vnd eigenschafft verloren habe, so sol man jhn glüend machen, vnd etzlich mahl in Oleo ferri außleschen, so wird er dieselbigen so gewaltig wieder bekommen, daß er auch einen Nagel aus der Wand wird herausser heben vnd ziehen. Diesem wiederspricht Johan. Bapt. Porta .... Gleicher gestalt ists auch falsch, das etzliche [p. 104] fürgehen ... Hadrianus hat auch jrrige meinung“. (Inwieweit Bapst hier wirklich Hohenheims Ansicht vorträgt, ist an dieser Stelle zu untersuchen nicht nötig, das Factum der Polemik genügt).

Im „Prognosticon von des Türckischen Reiches Abnemen“ (1595) zitiert Bapst Stellen aus der bekannten Lichtenbergerschen Prophezeiung, ohne dabei der Hohenheimschen Kritik und Verbesserung dieser Wahrsagungen zu gedenken. Natürlich ist darauf kein großes Gewicht zu legen; aber es ist doch immerhin von Interesse: ein wahrer Jünger würde auch in so kleinen Zügen nichts unterlassen, was zur Verherrlichung seines Lehrmeisters dienen könnte.

An verschiedenen Stellen, wo sich Bapst über alchemistische Themata ausspricht, streift er ja wohl auch theoretische chemische Ansichten Hohenheims, und zwar ohne denselben etwas entgegenzuhalten. Aber dazumal war jeder alchemistische Autor mehr oder weniger in den allgemeinen Fragen im Einklang mit Theophrastus der ja in mehrfacher Hinsicht hier Neues geboten hat. Bapsts Äußerungen über die dunkle oft metaphorische Ausdrucksweise des Paracelsus auf diesem Gebiete sprechen zwar keinen Tadel darüber aus, suchen sogar dies Verfahren als verständig und berechtigt darzustellen. Aber darin spricht er auch nur andern „Chymisten“ nach, die alle an der Dunkelheit der Anweisungen und Redewendungen nichts auszusetzen finden, auch wenn sie reine Alchemisten sind, ohne gerade Anhänger der „spagirischen“ Medizin des Paracelsus zu sein. Viele tadeln ja sogar Theophrast von Hohenheim, weil er — oder wenigstens einige ihm wahrscheinlich untergeschobene alchemistische Schriften — manches deutlicher bekannt gemacht habe, als es im Interesse der alchemistischen Geheimbündelei wünschenswert gewesen wäre. —

Da Hohenheim auch als Verfasser theologischer Abhandlungen, ja als der Urheber einer theologisch-theosophischen Schule gilt, so erwähnen wir hier nochmals, daß Bapst mit dieser „paracelsisch-weigelianischen“ Richtung nichts gemein hat[63]. Doch wenden wir uns zu [p. 105] der weiteren Frage: Wie verhält sich Bapst zur Paracelsischen Praxis?

Hier ist zunächst zu untersuchen, ob Bapst überhaupt selber medizinische Praxis getrieben hat. Dies wird ja allgemein behauptet, wir glauben dem aber mit allem Grund widersprechen zu müssen.

Faßt man zunächst Stellen ins Auge, worin er sagt, daß er neben seinen seelsorgerischen Amtsgeschäften „anders nichts in die Hand nehme, als daß er die vbrige zeit mit lesen vnd schreiben zubringe[64]“ oder seine vielfach wiederkehrenden Bemerkungen „ich für meine person habs nicht versucht[65]“ und „ich setze es hierher, wie ichs gelesen habe, obs aber gewiß also zutrifft, kan der Leser versuchen[66]" — oder Äußerungen wie die folgende: „Dieses, vnd so wol auch, was ich sonsten bißweilen mehr aus anderer Scribenten Bücher anhero vorzeichnet habe, referire ich nur, wie ichs gelesen habe, wils die jenigen, die es erstlichen fürgehen, vnd auff die bahn gebracht, vorantworten lassen, vnd mich derwegen mit niemands in einige disputation einlassen. weil ich, wie gesagt, das jenige was hie in diesem Buche aus andern entlehnet worden, nur wie es des orts, da ichs gelesen, stehet, nur erzehle[67]“ — oder wenn er gelegentlich nach Empfehlung einer „köstlichen sterck Latwerge“ galenistischer Art fortfährt: „neben dieser sterckung haben die Theophrastischen Ertzte, auch viel außbündiger vnd köstlicher sterckung vnd erquickung. deren sie sich in grosser Schwachheit vnd mattigkeit, gebrauchen, wie solches jhre Bücher besagen[68]“, — [p. 106] so liegt es nach allen diesen und vielen ähnlichen Äußerungen nahe, den Schluß zu ziehen, daß er seihst keine praktische Arzneierfahrung hatte.

Was Bapst als eigene „Experientz“ und „Erfahrung“ vorbringt, sind aus dem Munde des Volkes aufgelesene Heilverfahren und Rezepte, oder auch Beobachtungen, die er auf seinen seelsorgerischen Krankenbesuchen etc. zu machen reiche Gelegenheit hatte (sei es in der Praxis anderer Ärzte, sei es in der Kur anderer Volksheilkünstler etc.). Endlich sind es nicht selten Erzählungen von Begebenheiten verschiedenster Art, die er nach eigener Anschauung oder meist nach Hörensagen berichtet. Aber auch bei solchen Berichten ohne gedruckte Quelle hat er dann noch die Vorsicht, hinzuzufügen: „dieses referire ich allhie, wie ichs gehöret habe[69]“.

Wir wollen natürlich nicht behaupten, daß Bapst nicht gelegentlich auf seinen priesterlichen Gängen oder sonstwie Leidenden Mitteilungen aus seinem „reichen Wissensschatze“ gemacht oder einmal einem alten frommen Weiblein einen guten Rat gegeben hätte; denn das wäre absurd. Wenn man aber behauptet, er habe „ärztliche Praxis“ getrieben, so ist das doch ganz was anderes!

Wenn man seine Schriften achtsam durchliest, so muß man es geradezu erstaunlich finden, daß Bapst, der tausend und abertausend Arzneiverordnungen aufzählt und oft 10 und mehr Anweisungen zur Heilung desselben Leidens giebt, niemals aus der Rolle fällt und erklärt, dies und das ist gut, ich habe es selbst erprobt; einem wirklichen Praktikanten der Heilkunde (und gerade einem Laien) wäre eine solch ungeheure Objektivität ganz unmöglich. Nirgends auf den über 3000 Seiten seiner Arzneibücher fanden wir eine eigene Heilungsgeschichte angeführt, aus welcher die Wirkung eines empfohlenen Mittels hervorginge. Selbst von den oben supponierten priesterlichen Gelegenheitskuren sagt er kein Wort, hebt dafür aber so und so oft hervor, daß eine angeführte Kur „mit rath eines verstendigen Medici auff den Patient gerichtet werden“ müsse[70] und warnt immer und immer wieder vor den leichtfertigen Kuren der Landfahrer, „denn es ist je Ämter allen Künsten [p. 107] keine, die mehr gefahr auff sich hat, als die Kunst der Medicin[71]“.

Einen Einblick in Bapsts angebliche Ausübung der Arzneikunst gewährt auch folgender Erguß, welchen er an die Aufzählung einiger Mittel gegen das Podagra anfügt:

„Darbey wil ichs auff dißmahl lassen wenden, vnd alle die mit dem Zipperlein belastiget sein, freundtlich gebeten haben, wenn jhnen diese dinge, die nicht mein, sondern wie oben gemeldet, anderer Leut kunst vnd experiment sein, nicht helffen möchte, .... sie wolten mit meinem guten willen vorlieb nehmen, vnd es gewiß dafür halten, wenn ich warhafftig das Zipperlein vertreiben konte, wie sich mancher vermessener Mensch zu nehmen pfleget, ich wolte in wenig Wochen mehr als des Tantali vnd Pelopis talenta, vnd groß Reichthumb zu wege bringen, da ich also vnter des, mit den Diuitijs Lysistrati, mus vorlieb nehmen, wie man bey den lateinischen Sprichwortsweise zu reden pfleget[72]“.

Endlich ließe sich noch sein Bericht über Krankheit und Tod seines Sohnes Michael hier heranziehen, wobei er sagt:

„Wenn er durch künst, vnd Vorsichtigkeit der Ertzte, vnd derselbigen angeordnete artzney vnd mittel, hette können erhalten werden. So were er noch im leben, denn ich die vornemesten Medicos, die ich habe erlangen können, dißfals Consulirt, vnd alles was menschlich vnd müglich gewesen jhn zu retten, an die hand genomen[73]“.

Er macht hier keinen Unterschied wegen der „Schule“ der Ärzte, welche er zu Rate zog, da ihn offenbar der Gedanke an die Heilmethode wenig beschäftigte; [p. 108] noch weniger spricht er natürlich von eigenem therapeutischen Eingreifen.

Doch kurz und gut, wir haben durch unsere eingehende Lektüre der Bapstschen Sammelbücher nicht den Eindruck gewinnen können, daß der Autor ärztliche Praxis betrieben hat. Auch Joachim Tanck spricht nur von Bapsts medizinischer Schriftstellerei, nicht Praxis[74]. Und wenn es ja doch der Fall gewesen sein sollte, daß er praktisch die Arzneikunde betrieb, so kann man aus dem Folgenden ersehen, daß er ganz gewiß nicht ausschließlich nach Paracelsischen oder iatrochemischen Heilungsgrundsätzen verfahren wäre.

Mehrfach kommt Bapst auf die Indikationen für die Purganzen zu sprechen und erwähnt eine große Anzahl von Meinungen verschiedener galenischer Autoren über diesen Punkt, gedenkt aber der Ansichten Hohenheims darüber mit keinem Worte, obgleich hier gewiß Gelegenheit gewesen wäre, mit seiner Vorliebe für den Arzt von Einsiedeln hervorzutreten; denn Paracelsus hat seine sehr von den alten und damals herrschenden abweichenden Ansichten über die Abführkuren an vielen Stellen seiner Schriften zum Ausdruck gebracht und seine Schüler erwähnen mit Vorliebe auch diesen Punkt der Lehren ihres Meisters. Für seine „Praxis“ hätte der quacksalbernde Pastor gewiß auch dies aufgestöbert. Er hatte aber kein Interesse daran.

Ebenso verhält es sich mit der Epilepsie. Auch bei dieser weitläufig von Bapst besprochenen Krankheit wird der Heilmethode Hohenheims nicht gedacht und in einem Verzeichnis derer, welche glücklicher Heilung sich rühmen dürfen[75], nennt er mit großem Pomp z. B. Ambroise Pare, Thomas Erast und andere. Seinen angeblichen Lehrmeister Paracelsus, dem seine Jünger auch in dieser Krankheit viel glückliche Kuren nachrühmen, erwähnt Bapst aber nicht. Er hatte davon eben in den paar Büchern mit Paracelsischen Titeln nichts gefunden, kannte auch, als er seinen Tractat de Epilepsia schrieb (1596), des Paracelsus anti-epileptisches Mittel nicht, das „Oleum Vitrioli[76]“. Die Epilepsie aber war stets das Eldorado [p. 109] der pfuschenden Geistlichen, zu denen sich Bapst also nicht gesellte, seinen Studien nach zu urteilen.

Im „Juniperetum“ zitiert Bapst eine große Anzahl von Mitteln gegen den Stein, ohne eins von Paracelsus zu nennen: und doch sind gerade die Stein- oder Tartarischen[77] Krankheiten eines der am meisten von Hohenheim kultivierten Gebiete der Medizin.

Wenn Bapst in demselben „Juniperetum“ sagt[78]: „Für die Frantzosen vnd Scharbock ist nichts besser zu gebrauchen, als das Holtz Lignum Guaiacum genandt...“ so ist dies für jeden, der etwas von den Arbeiten Theophrasts über die „Franzosenkrankheit“ weiß, ein Beweis, daß Bapst mit den Ansichten Hohenheims über diese von demselben so hervorragend besprochene Krankheit recht mangelhaft, jedenfalls nicht in der Weise eines unbedingten Anhängers oder gar „Lehrers“ und „Praktikanten“ des Paracelsismus bekannt war.

Wo Bapst im „Arznei Kunst und Wunderbuch“ seitenlang über die „Mumia“ handelt und allerlei Arzneiformen, Wundtränke, Wundsalben etc. bespricht, welche aus mumia, „d. i. Menschenfleisch“ bereitet werden, erwähnt er Hohenheim mit nichten, während gerade dieser das Wort „Mumia“, wenn auch oft in einem ganz anderem Sinne, so außerordentlich häufig gebraucht. (Dies findet wohl darin seine Erklärung, daß Bapst dies Wort bei Penotus nicht erwähnt fand, von dem er seine Kenntnis Paracelsischer Wundbehandlung treulich entlehnte, ohne für weiteres als bloßer Abschreiber aufzukommen.)

Solche Beispiele ließen sich aber ins Unendliche häufen, die Anführungen und Anpreisungen galenischer oder von Galenisten empfohlener Mittel sind ganz ungeheuer überwiegend über die von Heilmitteln des Paracelsus und seiner Anhänger. In seiner angeblichen ärztlichen Praxis würde demnach Bapst jedenfalls einen guten Galenisten abgegeben, nicht aber nach Paracelsischen Grundsätzen kuriert haben.

Einige Stellen kommen allerdings in den vielen dickleibigen Bänden vor, an welchen Bapst im einzelnen [p. 110] Falle einem chemischen Mittel vor einem pflanzlichen den Vorzug giebt. Es sind jedoch nur wenige; wir führen sie in folgendem alle an.

Aus der „Pimelotheca“ S. 22: Bei „verstockter Milch in den Brüsten“ schreibt er nach warmer Empfehlung anderer Heilmittel: „Noch besser aber were es, wenn man in dieser kranckheit das Aurum Diaphoreticum gebrauchet Anhelosis enim subvenit & spiritum facilitat &c.“ und gleich darauf „krefftiger (als Genseschmalz) were die Blutstillung, wenn man Quintam essentiam, vel tincturam corallorum gebrauchete.“ Ähnlich schreibt er ib. S. 24 bei Vergiftungen: „Oder, daß noch besser were, so köndte man j. q. Auri diaphoretici einnemen, denn es treibet alle gifftige materiam durch den schweis hinweg." ib. S. 34: Um „Vnkeuschheit zu erwecken“, zur Erzeugung von Kraft bei „nächtlichen Betthändeln“, sagt er nach Anführung eines anderen Aphrodisiacums: „Ich für meine Person hielte es für krefftiger, wenn einer vj. Gran de Essentia Perlarum in Zimetründen öhl, oder das aurum potabile einneme[79].“ und endlich ib. S. 282: „Ich für meine Person hielte mehr von dem Auro Diaphoretico, oder von dem oleo philosophorurn, wenn mans dem Wassersüchtigen eingebe“.

Außer diesen fünf Stellen in der „Pimelotheca“ findet sich nur noch eine im „Leib und Wundarzneibuch" III. Teil, Bl. 113b:

„Etzliche nemen Alandwurtzel j. quintlein, Terrae sigillatae ein halb loth, für Gifft ein. Ich für meine Person hielte dießfals von dem Auro Diaphoretico viel mehr, denn das ist gewiß, das jetztgedachtes Aurum diaphoreticum, alle vnd jede gifftige materia durch den schweiß aus dem Menschlichen Cörper hinweg treibet, ist außbündig gut, in morbis acutis, als in der Pestilentz, Pleurisi oder seitenstechen. Es kompt auch zu hülffe den Wassersüchtigen, denen die keinen Athem haben, machts lufft, ist gut in dem quartan Feb. Wenn mans auff vorhergehende Purgation gebrauchet, reseriret vnd eröffnet alle vnd jede opilation, verstopffung und verschleumung der Adern, vnd ist sonsten zu vielen dingen mehr gut. Dosis à Ʒ s. vsque ad Ʒ j. pro ratione morbi & personarum, cum conuenienti liquore." Das ist also ungefähr dasselbe zusammen gesagt, was in der Pimelotheca über das Aurum diaphoreticum" zerstreut gutes berichtet wird. Es schiene demnach als wenn unser Pastor am Ende seiner Laufbahn populär-medizinischer Schriftstellerei eine besondere Vorliebe für dieses chemische Arzneimittel (welches den Namen Aurum nur von der Goldfarbe trägt) gewonnen habe.

[p. 111] Um über die Bedeutung dieser Stellen für unsere Frage klar zu werden, müssen wir auf eine von Bapsts Hauptquellen für medizinisch - chemische Citate zurückgehen, die er gerade hier nicht nennt[80], auf Bernhard G. Penot. Derselbe spricht in seinen „Tractatus varii de vera praeparatione et usu medicamentorum chymicorum nunc primum editi“ Francofurti, M.D.LXXXXIIII. 8°, zuerst S. 96—103 weitläufig und sehr lobend vom „aurum diaphoreticum“. Aber die Hauptstelle für Bapst findet sich im „Tertius tractatus“ dieser Schrift in dem Abschnitte „Usus et dosis quorundam Medicamentorum spagyrigorum“. Dort heißt es Seite 71:

"Aurum diaphoreticum.
Omnem materiam venenatam è corpore propellit per sudorem quem summopere mouere sine in morbis acutis vt in peste, pluresi ex maxime conducit. Hydropicis Anhelosis subuenit & spiritum facilitat. In febribus post purgationem vtilissime propinatur praesertim quartanis. Obstructiones & opilationes venarum reserat. & ad plurima corporis mala eius vsus esse poterit dosis à Ʒ ß vsque ad Ʒ j.; pro ratione morbi & personarum, cum conuenienti liquore“.

Man sieht die obige Stelle im „Leib und Wund Arzneibuch“ ist einfach aus Benot übersetzt, aber keineswegs musterhaft. Und die drei Stellen aus der Pimelotheca über das aur. diaphoret. beruhen gleichfalls auf diesem Penotschen Artikel. Die Blutstillung mit „Quinta Essentia vel tinctura coraliorum“ geht wohl auf Penots „Liquor Corallorum“ ib. S. 166 zurück. Es bliebe für Bapst nur das Verdienst, die Anwendung der iatrochemischen Confortativa[81], der „Essentia perlarum“ und des „aurum potabile“, auch zur Hebung der geschlechtlichen Potenz empfohlen zu haben, worauf wir keinen besonderen Wert legen können, seihst wenn es nicht mir eine Lesefrucht sein sollte.

[p. 112] Die oben angegebenen sechs Stellen, deren geistigen Vater wir eben nachgewiesen haben, sind die einzigen von uns aufgefundenen, auf welche man die Behauptung Michael Bapst von Rochlitz sei ein Paracelsist in Theorie und Praxis gewesen, mit einigem Schein der Berechtigung stützen könnte. Aber es ist auch dies nur ein Schein! Nach allem andern genügen diese sechs Stellen in so zahlreichen und voluminösen Sammelwerken durchaus nicht einmal dazu, Bapst eine volle Hinneigung zur iatrochemischen Schule unterzulegen (und Iatrochemie ist um 1600 keineswegs mehr gleichwertig mit Paracelsismus zu nehmen). Solche Bevorzugung einzelner chemischer Heilmittel ist auch bei „galenischen“ und „hippokratischen“ Ärzten damaliger Zeit (schon seit Conrad Gesners „Euonymus“ 1552) keine Seltenheit mehr. Und wie bald sollte nicht durch die Berufung Joh. Hartmanns (1609) auf den ersten chemiatrischen Lehrstuhl in Marburg die Einführung der Chemie in die Arzneikunde auch äußerlich dokumentiert werden!

Bei Bapst sind diese wenigen Stellen mir Ausnahmen in seiner sonst allenthalben bewahrten absoluten Unparteilichkeit im damals so heftigen Kampfe der Parteien, welche nach dem Sprichworte nur die Regel bestätigen können. Penots Arzneiempfehlungen hatten ihm bei der Lektüre offenbar gewaltig imponiert.

Doch wir glauben auch entschieden nicht, daß es gerade diese sechs Stellen gewesen wären, welche der Annahme, Bapst sei ein Anhänger Theophrasts von Hohenheim, zu Veranlassung dienten. Gewiß sind dieselben bis heute von nur wenigen Historikern beachtet worden, vielleicht von keinem. Allein in den Zeiten als der Kampf zwischen Galenismus und Paracelsismus noch in voller Heftigkeit tobte, wurde es Bapst wohl von Anfang an als ein grober Verstoß von den Vertretern der alten reinen Lehre angekreidet, daß er überhaupt auch iatrochemisch-paracelsische Heilmittel zitierte; damit wurde er unter die Schar der vielgehaßten und vielgeschmähten Paracelsisten geworfen, wie es wenige Jahre später einem Daniel Sennert in Wittenberg um nichts besser erging, da er die chemischen Medikamente einzuführen und durch die Schrift „de consensu ac dissensu Chymicorum cum Aristotelicis et Galenicis“ (Wittebergae 1619 und öfters) eine Vereinigung der Dogmatiker und Para- [p. 113] celsisten anzubahnen erstrebte, womit er der Stifter der eigentlichen „Chemiatrie“ im engeren Sinne wurde.

Andererseits wurde aber unserm Bapst wohl aus denselben Gründen von den latro Chemikern und Paracelsisten diese Aufnahme ihrer Ansichten und Mittel neben den galenischen dankbar angerechnet und als Entgegenkommen gedeutet. Es mochte wohl diesen Sektierern ebensoviel daran liegen, den bei Gelehrt und Ungelehrt vielgelesenen Autor auf ihre Seite zu setzen, als es den Dogmatikern Befriedigung gewährte, den Unparteiischen, der beiderlei Ansichten ruhig, als außerhalb des Kampfbereichs Stehender, neben einander referierte, der bitter gehaßten Gegenpartei zuzuzählen und seine Bücher so gleichsam auf den „Index librorum prohibitorum“ für die „rationales medici“ zu setzen, blos weil er doch offenbar zur Verbreitung gegnerischer Ansichten, wenn auch gerade nicht mit bewußter Absicht, beitrug.

Auf diese Weise ist wohl der Mythus von der Paracelsus-Jüngerschaft unseres harmlosen Theologen zu erklären.

Von dem Vorwurf, mit einer gewissen Parteilichkeit gegen diesen wie gegen Paracelsus und seine Nachfolger überhaupt, vorgegangen zu sein, läßt sich selbst Kurt Sprengel nicht ganz freisprechen. Haller hatte ihm wohl den Weg zu seinem wenig historischen Urteil über Bapst angebahnt.

Wer dann, nachdem so anerkannte Autoritäten das Urteil abgegeben hatten, mit dem Gedanken, daß Bapst ein Paracelsist sei, an dessen Schriften heranging, dem konnte vielleicht schon die einfache Lektüre der Titel seiner Schriften genügen, das Verdict zu bestätigen. Namentlich der Titel des Arznei Kunst und Wunderbuchs von 1590 (auf welchem sich „Alchymistische Künste“ genannt finden) und mehr noch der etwas veränderte der Ausgabe von 1604 (also nach Bapsts Tode[82], konnte zu dieser Ansicht verführen.

Und doch, wie jemand, der Bapst kennt, ihm Paracelsismus andichten kann, wäre kaum für möglich zu [p. 114] halten, wenn man dergleichen seichte Urteile in der Geschichte der Medizin nicht allzusehr gewohnt wäre, und diese edle Wissenschaft nicht mit Spott und Hohn bedeckt infolgedessen unter den Füßen der eigenen Jünger am Boden liegen sähe.

Bapst von Rochlitz ist weder Galenist noch Paracelsist, gehört keiner der damaligen medizinischen Schulen an, ist überhaupt kein Mediziner, sondern ein Laie, der für Laien bestimmte populäre Bücher schrieb. Er hat auch nicht wie der Physikus zu Donauwörth und der Rechten Licentiat Dr. jur. et med. Georg am Wald (mit welchem Bapst gewöhnlich als Abschaum deutscher Medizin zusammen genannt wird) in marktschreierischer Weise Arzneimittel feil geboten oder wie sein Amtsbruder Joh. Gramann (der ebenfalls „Paracelsische“ Mittel ausbot) geradezu Partei für Hohenheim ergriffen, sondern er fabrizierte aus seinen in unermüdlicher Lektüre gesammelten Notizen Hausbücher, welche ebensowohl Rezepte zur Heilung von Krankheiten der Menschen und Hausthiere, als Anweisungen für alle möglichen technischen und ökonomischen Verlichtungen und Zufälle des täglichen Lebens enthalten. Daß er zu seinen Sammelwerken nicht nur die alten Ärzte und Naturforscher samt ihren Nachfolgern bis zu seiner eigenen Lebenszeit herab benutzte, sondern auch die Schriften der neuen iatrochemischen Schule seiner Tage, ist, gerade weil er populär schrieb, gewiß nicht zu verwundern. Denn bei der großen Beliebtheit und dem lebhaften Interesse, dessen sich dazumal alles, was nach Alchemie schmeckte, bei der großen Masse erfreute, bei der Begierde, mit welcher man nach Lektüre über diese interessante scientia occulta damals haschte, ist es nur zu natürlich, daß Bapst auch diese Wunderblume in seinen unermeßlich großen Garten aufnahm, daß er auch namentlich auf dem Titel betonte, wie man bei ihm auch über alchemistische Dinge Belehrung finden könne. Namentlich in den letzten Jahren seines Lebens scheint er sich viel mit dem Lesen alchemistischer Bücher beschäftigt zu haben und das spiegelt sich auch in seinen letzten Schriften ab, namentlich im III. Teil des Leib- und Wundarzneibuchs und in der Pimelotheca. Doch kommt er niemals zu einer wirklichen Parteinahme für die chemisch-medizinische Richtung.

[p. 115] Wenn man gerecht sein will, muß man zugestehen, daß es im 16. Jahrhundert gewiß keinen Mann gegeben hat, dem dieses Kompilieren aus allen möglichen alten und neuen Büchern mehr zuwider gewesen wäre, als gerade dem Verächter der bloßen Buchgelehrsamkeit, Theophrast von Hohenheim. Diese blindfleißige alexandrinische Encyklopädistenart, welche überallher zusammenstöberte und zusammenklaubte, war ihm in tiefster Seele verhaßt, ihm, der mit größter Entschiedenheit auf eigene Naturbeobachtung und eigene experimentale Erfahrung drängte, ihm, der nicht im Dämmer der Studierlampe hockte, sondern im „Lichte der Natur“ wandeln wollte — und wandelte, wie sonderbar manches scheinbar seinen staunenden offenen Augen auch erschien, wie z. B. das brausende Aufsteigen von Luftblasen, wenn er verdünnte Schwefelsäure mit einem Metalle in Verbindung brachte, oder die Gewichtszunahme des Zinns, wenn er es oxydierte, und zu beiden Vorgängen sich eine Erklärung suchte, die nicht allzuweit von der Wahrheit ab wich. — —

Michael Bapst also will nicht der Verbreitung einer Lehrmeinung dienen; daß er jedoch den Wünschen seines Publikums gerecht wurde, das bezeugen die vielen Auflagen und die Menge seiner umfangreichen Schriften. Sie haben in vieler Hinsicht ein nicht geringes kulturgeschichtliches Interesse; als Nachschlagebücher für das, was an der Neige des 16. Jahrhunderts selbst ein Gottesgelehrter lutherischer Observanz für wahr hielt, sind sie wohl zu verwerten, ebenso als reiche Fundgrube für die Volksmedizin seiner Tage, namentlich in sächsischen Landen. Dagegen haben sie für die Kenntnis Paracelsischer Lehren nicht den geringsten Wert.

Daß diese Schriften solch ein wunderliches Gepräge haben, ist keineswegs ihrem Verfasser allein zuzuschreiben. So fabelhafte Sachen, wie er sie vorbringt, welche uns als der „größte Blödsinn“ erscheinen, „der medizinisch je geschrieben ist“, wurden damals noch geglaubt und finden sich zerstreut in den Werken auch aller bedeutenden Schriftsteller seiner Zeit, wie er diese ja auch in Massen als Quellen anführt. Allerdings sehen sie für uns in diesen Quellenschriften nicht so abschreckend lächerlich aus, weil sie nur gelegentlich vorkommen, unter (für uns!) vernünftigen Auseinandersetzungen ein- [p. 116] gestreut. Hier bei Bapst sind sie vielfach bunt aneinandergereiht, und das schärft das barocke Aussehen dieser wohlbeleibten Bände sehr. Daraus ihm einen so schweren Vorwurf zu machen, ihm das so sehr zur Mißachtung anzurechnen, beweist einen entschiedenen Mangel an historischer Kritik.

Wir glauben nicht zu irren, wenn wir es eben diesem Mangel an historischer Kritik in jetzt überholten Zeiten auch zuschreiben, daß Bapst zu den Paracelsisten gerechnet wurde. Gerade das Wunderliche, „Blödsinnige“, Kunterbunte der Bapstschen Schriften wird mit die Veranlassung (wenn nicht die hauptsächlichste!?) gewesen sein, ihn einen Paracelsisten zu nennen. Paracelsus selbst schien den Historikern aus Subjektivismus ein ganz verworrener Kopf, der alles toll durcheinander schrieb, und der tolle Bapst sein tollerer Schüler, der die Eigenart seines Lehrers zur Karrikatur verdeutlichte, verzerrte, den man ihm als abschreckende Frucht seines Geistes an die Seite stellte.

So kann uns „Bapst als Paracelsist“ als Beleg dienen für die ganze verflossene geschichtliche Auffassung des großen Theophrast von Hohenheim, wenn es eines solchen Beleges noch bedürfte.




  1. Ersch u. Grubers Encyklopädie, Serie II, XI (1838), 284.
  2. Vgl. unsere „Paracelsus-Forschungen" I. Heft. Frankfurt am Main 1887. Vorwort.
  3. So schreibt er seinen Namen am häufigsten. Daneben gebraucht er aber auch die Schreibung „Babst“, namentlich im Akkusativ „durch M. Babsten“. — Auf den Titeln seiner Publikationen aus den Jahren 1595—97 nennt er sich „Mich. Bapst den Eltern“ zum Unterschied von seinem Sohne, dem Magister Michael Bapst, nach dessen Tode (5. Juni 1596) der Vater diesen Zusatz wieder fallen ließ. Zuerst kommt diese Bezeichnung vor unter der Vorrede zu dem „Büchlein von den 7 Planeten“ (Michaelis 1593). — In den lateinischen Gedichten, welche der Zeitsitte gemäß in den Schriften häufig sich finden, nennen er und seine Söhne sich „Papa“.
  4. In der „Pimelotheca“ (1599) S. 7 erzählt Bapst von der Hinrichtung eines Verbrechers in Rochlitz und der Sektion der Leiche desselben „Anno 1540“. Die fremden Ärzte, welche zur Sektion sich einfanden, wohnten damals beim Bürgermeister „Michael Pecken, der mich Michael Babsten dasselbige Jahr um Bartholomäi, auß der Tauffe gehaben.“ Vgl. auch die Vorrede zur Türkischen Chronika (1593) S. A2v: „Weil ich zu Rochlitz Anno 1540 geboren.“
  5. Vgl. Sam. Gottl. Heine, Historische Beschreibung der alten Stadt und Grafschaft Rochlitz (Leipzig 1719. 4°), wo sich S. 275 bis 281 eine Geschichte des Geschlechtes „Papst“ findet, nach Mitteilungen, „welche ein vornehmer Mann von diesem Geschlecht aus Freyberg gütigst communiciret hat.“
  6. In der Vorrede zu "Allegoria“ (1586) schreibt B.: „Demnach Augustus Hertzog zu Sachsen ... seligster gedechtnis, aus angeborner mildigkeit, mich vnter den alumnis, der Pfortischen Schulen vnd folgends vnter den Stipendiaten zu Leipzig etliche Jahr gehalten, vnd mich also zum Studium befördert.“ Vgl. J O. Opel, Valentin Weigel (Leipzig 1864. 8°) S. 9. Weigel war auch ein solcher Stipendiat zur selben Zeit.
  7. Pimelotheca S. 12 u. öfter.
  8. Rythmologia Terentij (1590), S. A7v; Arzneikunst und Wunderbuch (1590) S. Ll2v (1604 S. 316).
  9. Speculum belli (1595) S. A3r „von wegen meiner kleinen Statur.“
  10. Heine a. a. O.; hierauf geht die Bemerkung im Arzneikunst und Wunderbuch (1590) S. Tt2v „weil ich damals des Orts [Rochlitz] ein Schuldiener war.“ (1604, S. 405.)
  11. Vorrede zum „Gifftjagenden Kunst- und Hausbuch“ (1591).
  12. Vorrede zum Leib- und Wundarzneibuch I. Teil (1596) und in der Predigt über den Witwenstand (1602), S. A2r. Nach Heine (a. a. O. S. 278) war Steinmüller Pastor zu Wechselburg und Bapsts erster Präzeptor.
  13. Geboren 13. Dezember 1578 und am 4. Oktober 1588 gestorben. Über Krankheit und Tod dieses Söhnleins spricht B. ausführlich im Arznei - Kunst - und Wunderbuch 1590. S. O4r (1604 S. 125).
  14. Vgl. Juniperetum 1605. S. 74.
  15. Die er „nicht ohne geringe Kosten“ für seine Schule hielt; Vorrede zum Leib- und Wundarzneibuch 1. Teil. Vgl. auch die Vorrede der „Postilla“ von 1603.
  16. Viele andere Familien nennt Heine a. a. O.; nebenbei giebt er eingehende Notizen über die Mohorner Pfarrschule.
  17. Nach Heine a. a. O. S. 276, wo auch seine Grabschrift in der Kirche zu Mohorn mitgeteilt wird.
  18. Diese kleine biographische Skizze, welche fast einzig auf den hie und da in Bapsts Werken eingestreut gefundenen Lebensdaten beruht, stimmt in allem wesentlichen vollkommen mit dem überein, was W. Scherer in der Allgemeinen deutschen Biographie (II, 44) in seinem Artikel über Bapst giebt. Die auf verschiedenen Wegen gewonnenen Resultate dienen sich also gegenseitig zur Bestätigung. — Nach Scherers im Jahre 1875 erschienenen. Angaben könnte es wunderlicher scheinen, daß im Biogr. Lexikon der Ärzte I. (Wien 1884), 283 die Notiz sich findet, „Bapsts Geburts- und Todesdaten sind unbekannt“, wenn man bei der Benutzung dieses Werkes nicht schon daran gewöhnt wäre, auch für deutsche Autoren häufig nur französische Repertorien benutzt zu finden, wo weit verläßlichere deutsche Quellen ohne Mühe erreichbar gewesen wären. So findet man denn auch in den Nachträgen (1888, VI, 446) Geburts- und Todesjahr nach neuerer französischer Quelle nachgetragen.
  19. Eine dieser eigenen Beobachtungen hat Joh. Schenck von Grafenberg in seine „Observationum medicarum rariorum Libri VII“ aufgenommen (Ed. Lugd. 1643. Fol. p. 891): „Et ego Friburgi in Misnia Virginem noui, ferinae omnis ex auitio genere, expertem. Mich. Papa Empiricus, Jatreio suo memorab. pag 16.“ Gemeint ist das Arznei-Kunst und Wunderbuch von 1604.
  20. Diese Wendung kommt in allerlei Variationen vor, z. B. „nicht für die gelarten, würde mir es sonst gehen, wie einem, der den Adler wolt fliegen, den Delphin schwimmen vnd den Hasen lauffen lernen" (ib. S. 57a) oder „damit ich nicht angesehen werde, als wolte ich den Atheniensem Nachteulen, oder den Tartessijs Katzen zuführen“ (S. 65b) oder „ich mag vnd kan nicht in den Lydischen flus Pactolum oder den Iberischen Tragum [!] Goltkörner tragen“ (S. 82b).
  21. Eine ausführliche Bibliographie sämtlicher Schriften Bapsts haben wir in dem Centralblatt für Bibliothekswesen, Jahrg. 1889, S. 537—549 gegeben, auf welche wir hiermit verweisen.
  22. Freybergk o. J. (1583) 4°.
  23. Bibl. med. pract. II, 293.
  24. Laurentius Fries, Spiegel der Artzney (Straßburg 1532, Folio), Bl. 74b) schreibt in dem Kapitel „von schwindel vnnd vmblauffen vor den Augen“: „vrsach diser bresten ist ein vmbwendung des hirns, so die geist der gesicht gehindert werden, von etlicher böser matery des hirns oder bösen dempffen des magens inn das haupt steigende, durch den neruum der vom haupt herabgeet in den magen neruus obticus genant.“ Bei der großen Verbreitung dieses „Spiegels“ durch viele Auflagen (seit 1518) haben wir hier wohl die direkte Quelle der Bapstschen medizinischen Weisheit und anatomischen Unwissenheit vor uns. Vielleicht hat die Lektüre dieses mit so viel Liebe zur Arzneikunde für Laien geschriebenen Buches dem Theologen auch zuerst seine lebenslängliche Liebe zu unserer Wissenschaft eingeflößt. — Daß Fries ein energischer Anhänger des Galen und Avicenna war, sei nur nebenbei erwähnt. Nähere Mitteilungen über Fries gaben wir in unseren „Paracelsus-Forschungen“ II (Frankfurt a. M. 1889), 67—71.
  25. Mülhausen 1590, 4°; Leipzig 1592, 4°; Leipzig 1604,4°.
  26. Er tadelt oft diese „vnchristliche vnd Gottßlesterliche Segen“, z. B. „Dieses sind böse vnd vnchristliche Mittel, welche einem Heiden nicht wolanstehen, will geschweigen ... einem Christen.“ — „O jhr verblendten Leute, was macht jhr mit solchen superstitiosis remediis, man hat Gott lob andere Mittel.“ Er führe diese Sachen an, „nicht das mans brauchen solle“, „sondern allein, daß der Leser sehen soll, wie der Teuffel die Leute zu blenden pfleget“. Ähnlich spricht er sich auch in andern Schriften aus, z. B. im „Gifftjag. Kunst vnd Hausbuch“ S. 60, 131, 168, 204, 229, 247, 254, 256 (wo er es „abergleubisch.es Narrenwerk“ vnd „Lapperey“ nennt) und im Leib und Wundarzneibuch II, 37. 139. 148. 166; III, 123 u. s. w. Die Stellen aus Cornelius Agrippa von Nettesheim führt er oft absichtlich unvollständig an und verdeutscht sie auch nicht, mit Absicht, wie er hinzufügt. Vielfach folgt er den Gedanken Wey er s und schreibt z. B. „Dieses alles ist vnrecht, vnd eine blendung des bösen Geists. Wer aber außfürlichen bericht wissen vnd haben wil, was von diesen vnd dergleichen abergleubischen, oder aber auch zauberischen Sachen zu halten sey, der lese die 5. Bücher de praestigiis Daemonum D. Joan. Wierij, den Zauberteuffel Ludouici Milichij.“ — Den Hexenverfolgungen war er aber wohl nicht abgeneigt; denn er führt im Leib und Wundarzneibuch (II, 166 f.) für die „einfältigen Richter“ Gesetzesstellen an, worin die Zauberer etc. mit dem Tode bedroht werden.
  27. Die Zusätze sind vielfach alchemistischer und iatrochemischer Art, was auch auf dem Titel betont wird, „Darinnen neben allerley Alchymistischen vnnd Jatrochymischen Wercken ... Sampt nützlichen Vnterricht wie man ... allerley Destillation, Oel Saltz vnd künstliche Extract zur Artzney, Alchymistischen vnd andern Künsten dienstlichen praepariren vnd machen sol ...“
  28. Leipzig 1591 und 1592. 4°. (375 SS.)
  29. S. 12f. sagt er nach Besprechung „magischer“ Dinge: „Ich für mein Person habe die Zeit meines Lebens viel gelesen, habe auch lust gehabt, vnd noch, mich in allerley natürlichen Künsten zu üben, zu solchen Sachen aber habe ich niemals lust gehabt, dieselben auch nicht gerne gelesen.“
  30. Eißleben 1596. 4°. (235 Bll.)
  31. Eißleben 1597. 4°. (248 Bl.)
  32. Welche er manchmal recht gelungen motiviert, z. B. (Bl. 177) beim Gemsenblut: „Weil der Schwindel gar gemein, vnd das Gemsenblut dagegen hie in diesen Landen gar seltzam ist, als will ich dem Leser nachfolgende Stücke namhafftig machen, die er wieder den Schwindel gebrauchen kan“, und dann folgt eine ganze Litanei.
  33. Eißleben 1597. 4°. (217 Bl.)
  34. Eißleben o. J. (Vorrede vom 24. August 1599). 4°. (581 SS.); auch 1604 als „Ander Theil“ des Arznei Kunst und Wunderbuchs erschienen.
  35. Um einen kleinen Überblick über die Quellen Bapsts zu geben, stellen wir die in der Pimelotheca citierten Autoren (wörtlich wie er sie giebt) zusammen: Realdus Columbus Cremonensis, Joh. Bockelius, Jac. Theodorus, Jac. Sylvius, Theatr. Diabolorum, Hieron. Cardanus, Joh. de Cuba, Plinius, Galenus, Leonh. Lycius. Christoph Wirsung, Conr. Gessner, Joh. de Rupecissa, Ursinus, Rud. Henslein, Nicol. Praepositus, Albertus, Marsil. Ficinus, Beruh. Penotus, Petrus Hispanus, Leonell. Faventinus, Levin. Lemnius, Ant. Guainerius, Macer, Marcellus, Nic. Myrepsus, Joh. Gaurotus, Andr. Furnerius, Hippocrates, M. Gratinari, Aretaeus, Sylvaticus, Alex. Benedictus. Jatreion Wirtebergicum, Aëtius, Joh. Küfnerus, Wittichius, Alexius Pedemontanus, Raim. Lullius, G. Bartisch, Egineta, C. C. L. Medulla destillatoria, Forestus, Kiranides, Oppianus, Elianus, Fallopia, Seranus, Conr. Florerus, Rondeletius, Hans von Gerstdorff, Sextus Platonicus, Mart. Rulandus, Mizaldus, Joh. Bapt. Porta, Ottho Brunfels, Pythagoras, G. Pictorius, Villiganus, Theophr. Paracelsus, Montanus, Hier. Rubens, Vesalius, Andr. Libavius, Dioscorides, Osw. Gebellkheven. Hugo Gordonius, Ruffius, Guil. Adol. Scribonius, Phil. Ulstadius, Gilbertus, Nic. Jacob. Paul Schneider von Eger, Joh. de Coleto, Rhasis, Giraldus, Ant. Schneeberg, Matthiolus, Jacob Weckerus, Cassianus, Andr. Glauven. Das sind 81 Autoren in dieser Schrift; doch ist Bapsts Belesenheit damit nicht zum dritten Teile erschöpft.
  36. Eißleben 1605. 4°. (268 SS.)
  37. S. 192—194; vgl. dazu Laurentius Fries, Spiegel der Arznei.
  38. Trotzdem werden diese hier gegebenen und auch sonst in seinen Schriften vorkommenden Citate aus alchemistischen und „spagirischen“ Autoren manche dogmatisch befangene Geister dazu verführt haben, ihn des „Paracelsismus“ zu beschuldigen.
  39. Erschien in Leipzig 1594. 8°. — Bapst wollte auch ein „Rosetum oder Rosengarten“ herausgeben (Juniperetum S. 73) und erwähnt einen schon geschriebenen „Tractat von der nutzbarkeit der Butter“ (Pimelotheca S. 51 und 306), der aber nicht gedruckt zu sein scheint.
  40. Wie Kurt Sprengel angiebt. Wir halten dies nicht gerade für unwahrscheinlich (denn man war am Ende des 16. Jahrhunderts nicht wählerisch in der Entnahme neuer Heilmittel, wie die Lektüre der medizinischen Briefwechsel aus dieser Zeit jeden Aufmerksamen lehren kann), trotzdem Sprengel die von ihm citierte Belegstelle sehr mißverstanden hat, wie wir unten sehen werden.
  41. Bapsts Schriften haben aber auch Analoga in der medizinischen Litteratur jener Zeit, vielleicht zum Teil durch sein Beispiel hervorgerufen. Erwähnen wollen wir nur Friedrich Helbachs „Olivetum, d. i. Kunstbuch darinnen gründlicher Bericht, wie man aus allen Erdgewächsen, metallen etc.“ Frkf. 1605 und Joh. Georg Agricolas „Cervi in medicina usus.“ Letztere Schrift wird von W. Stricker im biographischen Lexikon der Ärzte (I, 93) fälschlich einem Joh. Georg Albrecht zugeschrieben. Das Buch erschien zuerst 1603 und betitelt sich: „Cervi Excoriati Et Dissecti In Medicina Usus. Das ist: Kurtze Beschreibung, welcher gestalt deß zu gewisser zeit gefangenen Hirschens fürnembste Glieder in der Artzney zugebrauchen ... Mit besonderem fleiß aus vieler Alten vnd anderer fürnemer Medicorum Bücher, vnd durch erfahrung zusambgetragen durch Johannem Georgium Agricolam, Med. Doctorem vnd Physicum ... der Statt Amberg. Gedruckt zu Amberg durch Michael Forster Anno MDCIII.“ 4°. (12 Bll. + 120 SS. + 2 Bll.) Es ist deutsch geschrieben (nicht lateinisch wie Kestner, med. Gelehrtenlexikon, Jena 1740. 4°. S. 14, angiebt) ebenso wie die Ausgabe von 1617.
  42. Leib und Wund Arzneibuch, 2. Teil, Bl. 171b —172a.
  43. Allg. Deutsche Biographie II, 44 im Anschluß an Wilhelm Scherers oben erwähnte Biographie Bapsts.
  44. Wo waren diese damals zu finden außer in der Anatomie, mit der Bapst sich wenig oder gar nicht befaßt hat, und in der Chemie, von welcher er allerdings einiges mit vorbringt, obgleich er selbst in dieser neuen Wissenschaft nicht praktisch mit dem Destillierkolben etc. gearbeitet zu haben scheint Was er aus beiden Disziplinen hervorbringt, ist bloße Buchgelehrsamkeit; wo diese im Irrtum war, irrt er unbefangen und skrupellos mit in seinen wohlgemeinten Referaten für das Volk. Wurde seine Zeit von anderer vermeintlicher Wissenschaft betrogen, so wurde er es mit. Von „Betrüger“ ist an ihm nichts zu verspüren!
  45. Auch in den theologischen Schriften hat er sich, soviel wir sehen, von allen schwärmerischen Richtungen seiner Zeit ferngehalten. Er wanderte unbeirrt auf den Bahnen lutherischer Rechtgläubigkeit. Er unterschrieb 1579 die „Konkordienformel“, was allerdings auch Valentin Weigel gethan hat, trotz seiner tiefsinnigen „schwärmerischen“ Philosophie. (Vgl. Opel a. a. O., S. 53 und August Israel, M. Valentin Weigels Leben und Schriften. Zschopau 1888, S. 18 ff.)
  46. s. l. et a. 8°. 52 Bl., wahrscheinlich 1636 in Quedlinburg erschienen —Dies seltene Schriftchen enthält eine Aufzählung glück- [p. 97] licher Heilungsfälle durch chemische Mittel, ähnlich den „Ex curationibus Observationes“ von Paul Renealmus (Paris 1606. 8°). Der Autor Johann Heinrich Freytag (geb. 1596) ist ein Sohn des Helmstedter Professors und späteren Leibarztes Arnold Freytag aus Emmerich am Niederrhein († 1605).
  47. Bibl. med. pract. II, 292 (1777).
  48. Geschichte der Chemie I, 288 (1797).
  49. Geschichte der Arzneikunde (3. Aufl.) III. 514 (1. Aufl. 1792—1799). Sprengel sagt dort auch, wie oben schon erwähnt, „und dennoch konnten gleichzeitige Hippokratische Aerzte wie Monavius sich aus diesem Kunstbuch Raths erholen (Craton. epist. lib. 2, p. 388)“. Aber wie sollte sich denn Petrus Monavius, der schon am 12. Mai 1588 (37 Jahre alt) starb, in dem Bapstschen Arznei Kunst und Wunderbuch Rat geholt haben können, dessen erste Auflage 1590 erschien!!? Die Stelle, auf welche Sprengel verweist, findet sich in einem Brief des Monavius an Laurentius Scholz vom 11. März 1583 und lautet: „Vidi nuper libellum Medici Galli Christophori Landrini, Germanice conuersum per Hieremiam Martium Medicum Augustanum: in quo plurima εὐπόριστα remedia ex vilissimis rebus, inprimis vero ab excrementis animalium petita, traduntur; contra morbos grauissimos et periculosissimos. Statim emi et auide percurri: ac quidem eum ipsum esse puto, quem te olim apud D. Salomonem Witebergae vidisse saepe, dicere memini. Ita enim excrementorum vsum extollit. & fere ab his solis aduersus praecipuos morbos remedia sumat. Nisi antea habes: non dubito quin illum pro te comparaturus sis. Chartas paucissimas habet, & adjectus est ad librum secretorum Gabrielis Fallopii, qui inscribitur Kunstbuch“. Man sieht sofort, welch böser Schnitzer Sprengel hier in die Feder gekommen ist. Er verwechselt das von Jeremias Martius übersetzte „Kunstbuch“ (Augsburg 1571 u. 1573) des großen Anatomen Fallopia („secreti diversi e miracolosi“, Venedig 1563) mit dem Bapstschen „Arznei Kunst und Wunderbuch“. Aber wenn damit auch die Behauptung der Benutzung Bapsts durch gelehrte Arzte hinfällig wird, so ist dieser Brief, den wir leider nicht wohl ausführlicher hier geben können, schon ein Beweis dafür, woher sich so gepriesene Arzte damals ihre Heilmittel holten und welch seltsame Mittel roher Empiriker sie im geheimen anwendeten, während öffentlich über die „Empirie“ Hohenheims und seiner Anhänger Zeter geschrien wurde. Solche Beispiele giebt es in Menge.
  50. „Vom Pestilentzischen Kampff“ S. C1v; fast ebenso sagt er in der „Pimelotheca“ S. 4/5, also in der ersten und letzten medizinischen Schrift dasselbe Urteil.
  51. Z. B. Arznei Kunst und Wunderbuch Bl. D4r; Leib und Wundarzneibuch I. Bl. 27b und II. Bl. 83a; Juniperetum S. 205.
  52. Leib und Wundarzneibuch I. Bl. 11b.
  53. Arznei Kunst und Wunderbuch Bl. B. 2b.
  54. Giftjagendes Kunst und Hausbuch S. 191.
  55. Arznei Kunst und Wunderbuch, 1604, S. 160.
  56. Ebenda Bl. Qq2v (1604, S. 379f.).
  57. Leib und Wundarzneibuch III. Teil, Bl. 148a.
  58. Zur Erklärung des Sinnes, welchen er der Bezeichnung „Theophrastisten“ beilegt, sagt er einmal in der Pimelotheca (S. 60) „also pflege ich in diesem buche die Chymistischen Artisten zu nennen“.
  59. S. 86.
  60. Mooks Bibliographie des Theophrastus Paracelsus (Würzburg 1876. 4°) kennt bis 1600 allerdings mir 169 Ausgaben. Seitdem haben wir diese Zahl bis auf 223 Ausgaben vervollständigt, und diese uns bekannte Zahl kann noch keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit machen.
  61. Der I. Teil des Leib und Wundarzneibuchs.
  62. Es wäre überhaupt ein Irrtum, zu meinen, daß Paracelsus von Bapst besonders häufig genannt wird. In dem giftjagenden [p. 103] Kunst und Hausbuche wird er nur dreimal angeführt, viermal im 2. Baude des Leib und Wundarzneibuchs und im Arznei Kunst und Wunderbuch ebenfalls viermal. Allerdings werden nebenbei auch einige Schüler Theophrasts genannt, aber auch diese in hervorragender Weise nur in der Pimelotheca. Häufig stellt er das therapeutische Verfahren der „Theophrastisten“ dem der Galenisten gegenüber und mag hierin manchem Altgläubigen zu weit gegangen sein.
  63. In „Georgii Heinrici Goetzii, de Theologis Pseudomedicis seu Num Theologo Artem Medicam exercere liceat? disquisitio. Lipsiae MDCC“. 4°. (14 Bl. unpag.) wird Bapst nicht erwähnt; aber [p. 105] auf S. C1r findet sich folgende charakteristische Stelle, welche uns zeigt, wie leicht im 17. Jahrhundert ein Theologe, wenn er sich mit medizinischen Dingen abgab, in den Verdacht gerieth, ein Paracelsist zu sein. „Denique (Theologi Pseudomedici) & suspicionem de se excitant, quod Theophrasti Paracelsi, Val. Weigelii, Rosencruzianorumque libros habeant in deliciis, crebroque adhibeant in consilium. Hinc accidit, ut erronea quoque fidei dogmata imbibere soleant ... etc“. Über Hohenheims theologische Schriften siehe „Paracelsus-Forschungen“ II, 146 ff.
  64. Vorrede zum „Arznei, Kunst und Wunderbuche“.
  65. z. B. Pimelotheca S. 92.
  66. ib. S. 375.
  67. Leib und Wundarzneibuch II. Teil Bl. 156b.
  68. Leib und Wundarzneibuch III. Teil. Bl. 17b.
  69. Leib und Wundarzneibuch II. Teil. Bl. 40a.
  70. z. B. Pimelotheca S. 332.
  71. Leib und Wundarzneibuch II. Teil, Bl. 36a und öfters. Beachtenswert ist auch folgende ähnliches besagende Stelle: „Dieses obseruiren die rechtschaffene Medici, weil sie nach der Lehr des Galeni fleissige auffseher, Ministri vnd Diener der Natur sein, die Ertzneystörer aber, welche illotis pedibus in die edle Kunst hinnein lauffen, bedenckens nicht vnd thun offt grossen schaden“, (ib. Bl. 56b) und eine andere, wo er nach Besprechung des Aderlasses bei Augenleiden und dessen vorsichtiger Anwendung hinzusetzt: „Ich für meine Person, damit ich die rechte Wahrheit bekenne, were in solchen fellen timidior Pisandro“ (ib. Bl. 99b). Ebenso dringend warnt er Unerfahrene vor chirurgischen Maßnahmen, z. B. ib. Bl. 191b.
  72. Leib und Wundarzneibuch II. Teil, Bl. 146b.
  73. Pimelotheca S. 5. Ebenso berichtet er über den Tod des Sohnes Johannes in Leipzig an der Dysenterie (Juniperetum S. 74): „vngeachtet, das die Herren Medici bey jhm möglichen fleiß angewendet, vnd alle Mittel an die Hand genommen, die nur menschlich vnd müglich gewesen, damit hiebeuorn durch Gottes ... hülffe gar manchen Menschen gedienet vnd geholffen worden ...“
  74. In der Vorrede zum Juniperetum.
  75. Leib und Wundarzneibuch 1. Teil, Bl. 71.
  76. Er erwähnt dasselbe erst in der Pimelotheca (1599) mehrmals als ein Mittel der „Chymistischen Aerzte“ gegen die Fallsucht.
  77. Diese Begriffe decken sich zwar keineswegs vollkommen, aber für hier genügt es dies hervorzuheben; über alles weitere verweisen wir auf unsere „Paracelsus-Forschungen“ II. 107—112.
  78. S. 222.
  79. Wir wollen hoffen, daß er diese Mittel weder an sich, noch an andern probierte, wenn er sie auch nach Sammlerart als heilkräftig empfiehlt. Zur „pflege der Ehelichen Werck" erklärt er ein andermal (Leib und Wundarzneibuch II. Teil. Bl. 200b) nach Nennung andrer Mittel: "Ich hilts von einem starcken Vater vnser, oder Gebet, vnd wenn daneben die Instrumenta prolificae facultatis von jhn selber fein richtig vnd tüchtig weren, viel mehr als von solcher Lapperey“.
  80. Wie er es ja sonst meistens thut und als seinen schriftstellerischen Grundsatz proklamiert, z. B. „Türkische Chronica“ S. X6r: „Ich citire gerne den Ort, woher ich etwas entlehne, damit ich nicht angesehen werde, als wolte ich mich fremder Arbeit theilhafftig machen, wie es offt zu geschehen pfleget, daß sich mancher mit fremder Arbeit schmücket ..." und „Leib und Wundarzneibuch“ Teil II. Bl. 32a: „Ich ernenne gerne den Autorem vnd den ort, woher ich etwas entlehne vnd borge, damit der Leser mit der zeit, wenn ich lange gestorben, mir solches nicht darff fürwerffen, vnd Sprichwortes weise sagen, Mazam ab alijs pistam pinsuit“.
  81. Z. B. Penot 1. c. S. 165. „Perlae restituunt vires amissas, & Membra principalia confortant“ und sonst oft.
  82. Vgl. Anm. 26. Außerdem kommt noch das „Juniperetum“ hier in Frage, welches auf dem Titel zu lehren verheißt: „wie man aus diesem edlen Gewechse, Wasser, Extracten, Oehl vnd Salien, durch die Spagierische vnd Chymistische Kunst bereiten soll.“ Das könnte aber auch Joachim Tanck hinzugesetzt haben. Andere Titel enthalten keine Verweise auf Alchemie u. s. w.