Scherer 1821 Theophrastus

From Theatrum Paracelsicum
Alexander Nicolaus Scherer,
Theophrastus Paracelsus
1821


Text

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Theophrastus Paracelsus
Gewürdigt
in der zur Feyer des Geburtsfestes
Sr. Majestät des Kaisers
Alexander des Ersten,
Selbstherrschers aller Reußen etc. etc. etc.
am 12 December 1820.
gehaltenen
Hauptversammlung
der pharmaceutischen Gesellschaft zu St. Petersburg
von
dem Direktor derselben


Ursprünglich war diese Darstellung nicht für den Druck bestimmt. Den vielfältigen Aufforderungen, sie demselben zu übergeben, habe ich aber endlich nachgeben müssen. Die zahlreiche Versammlung, welcher ich sie vortrug, nahm diesen Versuch vielleicht des Eindrucks wegen, der durch die Ueberraschung, sich wieder in die Vorwelt versetzt zu sehen, hervorgebracht seyn mochte, zu gütig auf! So sehr ich fürchte, daß sie auf manchen Leser, der etwa durch die einseitige u. höchst ungerechte Beurtheilung eines Sprengel (in s. Versuche einer pragmatischen Geschichte der Arzneikunde, zweite Aufl. Th. III. S. 335—67) eingenommen, nicht den erwünschten Eindruck machen möchte, so sehr beruhige ich mich mit der Ueberzeugung, baß es eben nicht das leichteste ist — das medium tenuere. Noch mehr beruhige ich mich damit, daß es auch Schriftsteller neuerer, Zeit sich haben angelegen seyn lassen, Paracelsus zu rechtfertigen. Zu diesen gehört vorzüglich unter uns D Friedr. Loos, Professor her Medicin zu Heidelberg. Seiner gediegenen Abhandlung: „Ueber Theophrastus Paracelsus von Hohenheim“ (in den von C. Daub u. Friedr. Creuzer herausgegebenen. „Studien“ B. I. S. 228—91) bin ich daher gröstentheils, ja oft sogar wörtlich, wo ich grade nicht mit eignen Worten es besser zu geben vermochte, gefolgt, Eben so habe ich mich auch an seiner Auswahl einzelner Stellen aus den Schriften von Paracelsus vorzüglich gehalten, weil ick bey eigner Vergleichung seiner Schriften (nach Huser’s Ausgabe), mich davon überzeugte, daß sich keine zweckmäßigere treffen läßt. Was mir an literarischen Hülfsmitteln mein eigner Bücher-Vorrath darbietet, habe ich ausserdem sorgfältig benutzt, Vieles hätte ich noch benutzen zu können gewünscht, aber dazu fehlte es mir an Gelegenheit. — Wenig oder gar nicht hat mir eine kürzlich erschienene Biographie des Paracelsus von Rixner u. Siber genützt, die in dem ersten Hefte ihrer verunglückten Ausgabe von dem Leben u. Lehrmeinungen berühmter Physiker am Ende des 16 u. zu Anfange des 17. Jahrh. Sulzbach, 1819. XVI. u. 168 S. gr. 8 enthalten ist (vgl. Leipz. L. Z. 1820. II. 1499—501). Eben so wenig habe ich der verworrenen Darstellung folgen können, die sich von seinem Leben u. Wirken in folgender Schrift befindet: Beytrag zur Geschichte der Hähern Chemie oder Goldmacherkunde. Leipzig, 1785. S. 156—225.

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Indem wir auch heute, verehrungswürdigste Anwesende, uns den Schaaren von Millionen anschließen, um mit ihnen vereint den inbrünstigsten Dank der Vorsehung darzubringen; unsere lebhaftesten Wünsche mit denen der ganzen cultivirten Welt für die Erhaltung deßen hinaufsteigen lassen, der uns der Wohlthaten so viele, das Gute so fortdauernd zu Theil werden läßt — kann wohl die pharmaceutische Gesellschaft diesen Tag der allgemeinen Freude nicht feierlicher begehen, der hohen Festlichkeit deßelben nicht würdiger entsprechen, als dadurch, daß sie ihrem bereits im v. J. gegebenen Beyspiele zufolge, auch heute die Verdienste eines Mannes in Erinnerung bringt, dein die Pharmacie Alles verdankt! Ist doch der heutige ein solcher, der uns an große Verdienste um die Menschheit so wie um das Vaterland erinnert!

 Die Pharmacie befindet sich in unserm Zeitalter, ohne grade uns des Fehlers der Ueberschätzung der Gegenwart schuldig zu Wachen, auf einem hohen Standpunkte in wissenschaftlicher Hinsicht. Es ist ein wohlthätiges Strebest überall wahrnehmbar. Aber auch eben so unverkennbar ist der wohlthätige Einfluß des Wissenschaftlichen auf den ausübenden Theil derselben. Nicht mehr dem Hergebrachten, dem Handwerksmäßigen unterliegt der Apotheker gegenwärtig. Die Würde auch dieses Standes wird allgemein anerkannt. Die Apotheken heutiges Tages sind keine Kramladen nicht, sie sind zu jenen heiligen Stätten erhoben worden, in denen für das Wohl der Menschheit, für das Edelste, was dem Menschen hier zu Theil wird, für die Erhaltung u. Wiederherstellung der Gesundheit gewirkt wird.

 Wie ist aber diese Erhebung möglich geworden? — Wem haben wir sie wohl vorzüglich zu danken? das sind wohl gewiß Fragen, die sich Jedem hierbey von selbst aufdrängen. Sie zu beantworten sey mir heute verstattet.

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Nicht ist es mein Zweck, Sie mit der historischen Entwikkelung alles deßen zu unterhalten, was auf die Entstehung, das allmälige Fortschreiten, auf die endliche Vervollkommnung Einfluß hatte. Es wird hinreichend seyn, auf Ein Hauptmoment hinzuweisen, auf das Andenken Eines Mannes Ihre Aufmerksamkeit zu richten, der in der Geschichte der Pharmacie zu den denkwürdigsten gehört. Es sey mir erlaubt, Sie mit dem Leben u. Verdiensten eines Mannes zu unterhalten, der das Schicksal mit so vielen großen Männern gemein hat, daß er eben so sehr verkannt, als verehrt worden ist. Der Grund liegt auch bey diesem, wie in solchen Fallen überhaupt darin, daß wir von dem Leben der Menschen durch die gewöhnlichen Biographieen nur die Oberfläche kennen lernen. Wir sehen wohl, sagt Moritz sehr treffend, wie der Zeiger an der Uhr sich drehet, aber wir kennen nicht das innere Triebwerk, das ihn bewegt. Einseitigkeit, Selbstsucht, Mangel an Critik — lassen oft den wahren Gesichtspunkt verfehlen, aus dem das Leben u. die Wirksamkeit eines Mannes allein beurtheilt werden können.

 In diesem Falle befinden wir uns auch mit Theophrastus Paracelsus, deßen Leben u. Wirksamkeit uns gegenwärtig beschäftigen u. uns selbst aus der finstern Vorwelt einen unsrer Erinnerung u. Beherzigung höchst würdigen Gegenstand vorführen soll.

 Die Lebensgeschichte dieses Mannes ist eine der räthselhaftesten. Die Verhältnisse, in welche er durch seine ausgezeichneten Talente, so wie durch die Art der Aeußerung derselben sich zu seinen Zeitgenossen versetzte, erschweren eine befriedigende Darstellung des wahren Zusammenhanges aller seiner Schicksale. Viele seiner Zeitgenossen ertheilen ihm das ausgezeichneteste Lob, viele derselben behandeln ihn mit der unbegrenztesten Verachtung. Das ist aber das Loos alles Großen, das der Mensch hervorbringt; theils wird es verkannt, eben von denen, welchen es Nutzen gewährte, theils bestrebt man sich, den Werth deßel-

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ben dadurch zu verringern, daß man in dem, der es hervorbrachte, das Menschliche, die Schwächen, nachweist! Sey es nun auch, daß es einmal das Gewöhnliche, das Hergebrachte, das Leichtere ist, eben so unbedingt zu loben, als zu tadeln, daß es daher zu den nicht befremdenden Erscheinungen gehört, ohne Berücksichtigung aller Umstände, die auf die Aeußerungen, auf die Handlungen des Menschen Einfluß haben, über das Leben, über den Werth seines Wirkens absprechen zu hören: so ist es gewiß um so auffordernder, das Leben eines ausgezeichneten Menschen, von Zeit zu Seit, näher zu würdigen; es gewährt dem denkenden Forscher die genügendste Beschäftigung, durch critische Beleuchtung aller einzelnen Umstände diesen gen hervorzuheben, welche den entscheidendsten Einfluß auf das Leben selbst, so wie auch auf die Beurtheilung deßelben haben. Es haben in unsern Tagen es nur wenige gewagt das Leben u. die Verdienste von Paracelsus mit Wahrheit zu schildern. Das durch die Auktorität so mancher Stimmgeber bewirkte Vorurtheil gegen ihn, bestimmte viele, seiner kaum, oder nur auf eine Art zu erwähnen, die gegen ihn einnehmen mußte. So geht es aber leider uns allgemein in der Beurtheilung. Ist einmal daß Urtheil zum Nachtheil gefällt, ist es durch Auktorität scheinbar begründet, — verrufen ist dann selbst der Name, der einen solchen Gegenstand bezeichnet. Lessing schrieb einst Rettungen, in denen er Gelehrte, deren Ruf man verdächtig zu machen gesucht hatte, in ihrer wahren Würde darstellte. Gewähren, Sie es auch mir, v. A, Paracelsus den Verkannten, ja sogar Verfolgten, in einem günstigeren Lichte darzustellen, oder vielmehr in jenem, der sich nur mit der Wahrheit allein vereinigen läßt. Erlauben Sie auch mir, davon hinwegzusehen, was leider so gewöhnlich zum Nachtheile so vieler gedient hat, was Verläumdung hervorgebracht, Auch über die Gerüchte lassen Sie uns hinwegsehen, denn was diese beweisen, hat kürzlich Lord King ohnedieß trefflich dargethan. Uebrigens wollen wir

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eingedenk seyn, daß wir das Leben eines Menschen zu schildern haben u. uns dabey an Steigentesch’s Worte erinnern:

 Der Mensch bleibt immer Mensch, was auch die Weisen sagen, in jedem Alter wird des Staubes schwacher Sohn den Stempel einer Thorheit tragen!


 Theophrastus Paracelsus, oder wie er sich selbst zu nennen pflegte, Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus Bombast von Hohenheim war 1493 zu Ein, siedeln, einem zwei Meilen von Zürch entlegenen Flecken, geboren.

 Schon in Hinsicht seines Namens sehen wir uns genöthigt, auf das Gehäßige, was man über Alles, das ihn betrifft, zu verbreiten gesucht hat, hinzuweisen.

 Den Namen findet man schon lächerlich. Wahrscheinlich, weil die Gegenwart uns für diese Art Namen entfremdet hat. Selbst ein Hufeland legt hierauf in s. Makrobiotik den Nachdruck der Lächerlichkeit, indem er alle diese Vornahmen mit großer für den Zweck, für welchen er schrieb, unnöthigen Genauigkeit aushebt.

 Wem ist es unbekannt, daß man in der Namengebung von jeher sonderbaren Eigenheiten folgte. In jener Zeit war es ja nicht ungewöhnlich, deutsche Namen bald mit gleichbedeutenden griechischen Worten zu verwechseln, oder ihnen wenigstens eine lateinische Endung zu geben. So wandelten die Vorfahren unsers bekannten Chladni, die sich aus Ungarn in Wittenberg niederließen, ihren Namen in Chladenius um. So entstanden Melanchthon aus Schwarzerde, Placotomus aus Bretschneider, Agricola aus Bauer, Tragus aus Bock, Bucretius aus Rindfleisch, Cornarus aus Hagebutte, Dryander aus Eichmann. Herrscht denn nicht dieselbe Sitte noch unter uns? Wem ist es denn unbekannt, daß unter unsern Zeitgenossen sich ein Schulz: Friedrich Laun, ein Hayne:

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Anton Wall, ein Wächter: Veit Weber, ein Richter gar Jean Paul nennen. Wie wird man wohl nach 300 Jahren diese Bizarrerie beurtheilen? Daß Paracelsus der Vornahmen so viele führte, das fallt mir eben so wenig auf, als daß man in einigen Gegenden Deutschlands eben so an viele Vornahmen gewöhnt ist, als man in andern wohl gar Männern Frauennahmen ertheilt. So hieß mein seel. Freund Batsch: August Johann Georg Carl, so hieß der verstorbene Dalberg: Karl Theodor Anton Maria. Wollen wir überhaupt in etwas, was so wenig reellen Werth besitzt, als Namen, einen Sinn suchen, so würden wir uns höchstens jenem Recensenten von Meusels gel. Deutschland anschließen, der die sonderbare Reflexion ausstellte: es gebe in der deutschen Gelehrten-Republik über 70 Fischer, aber nur einen Fisch.

 Bombast von Hohenheim hieß ein berühmtes adeliges Geschlecht, deßen Existenz durch Angaben der Schriftsteller seiner Zeit außer Zweifel gesetzt worden ist.

 Paracelsus stammt also als Abkömmling der Bombaste aus einem adeligen Hause. Dies wird von einem Schriftsteller seiner Zeit, Erastus, in Anspruch genommen. Dieser behauptet grade weg, es habe ein solches Geschlecht in der dortigen Gegend gar nicht existirt, P. sey aus der Hefe des Pöbels hervorgewachsen. Aber hier spricht offenbar die Leidenschaft; denn Erast war der abgesagteste Feind von P. Für seine Abkunft spricht Alles, was nur einer historischen Critik unterworfen werden kann; entscheidet das Zeugniß des Magistrats zu Villach in Kärnthen, woselbst sich sein Vater aufhielt. Sonderbar ist es daher wohl, daß selbst der verehrungswürdige Haller, um seine adliche Abkunft zweifelhaft zu machen, die Behauptung aufstellt: er habe eigentlich Höchener gehießen. Das schreiben Spielmann u. andre grade zu nach. Er stützt sich hierbey auf das Zeugniß eines Amtmannes im Canton Appenzell. Widersprächen auch selbst dieser Angabe nicht allein die unzweideuti-

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gen Zeugnisse seiner Zeitgenossen, so wie seine eigene sehr bestimmten Aussagen: so erhellt die Nichtigkeit dieser Angabe selbst dadurch, daß es in diesem Zeugniße heißt: Höchener sey aus Gaiß im Canton Appenzell gebürtig gewesen. Mithin ist in demselben von einer ganz anderen Person als P., von einem Höchener die Rede, der allerdings auch existirt haben mag, der aber nur willkührlich von Haller mit P. verwechselt worden ist. Der Name Hohenheim scheint überhaupt vielen Schriftstellern ein Stein des Anstoßes gewesen zu seyn. Ein englischer 1) erbebt denselben gar zu einer Stadt. Er sagt: Paracelsus was born at Hohenheim, two miles from Zurich.

 Der Vater des Paracelsus hieß Wilhelm Bombast von Hohenheim u. war, wie es höchst wahrscheinlich ist, mit dem nachmaligen Großmeister des Johanniter-Ordens George Bombast von Hohenheim, nahe verwandt.

 Auch dieser Umstand ist auf eine sonderbare Weife von seinen Biographen verdreht werden. War er auch nicht der Hefe des Pöbels entsprungen, so sollte er doch wenigstens der Sohn eines Bastards seyn. Man findet nämlich von ihnen angegeben: Wilhelm sey der unächte Sohn eines Teutschmeisters, ja, nach andern gar eines Fürsten oder wenigstens eines Mannes vom ersten Adel gewesen, Daß dies aber nur leere Erdichtungen find, bedarf nach dem vorhin Erwähnten keines ausführlichen Beweises.

 Da in der ersten Erziehung u. in dem Unterrichte, den man in der Jugend genossen, die wahren Quellen zu entdeckten sind, woraus sich die Stimmung des Charakters, die Richtung der Talente und die Neigungen des Geistes erklären lassen, so würde es wohl zur vollkommenen Beurtheilung un-

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1) S. The lives of alchemystical philosophers. London, 1815. S. 50.
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sers P. wünschenswerth seyn, von seiner Erziehung erschöpfende Nachrichten zu besitzen Leider sind aber diese eben so wenig vollständig als befriedigend. Haß, Selbstsucht, Bestreben, alles herabzuwürdigen, leuchtet auch in dem Wenigen, was darüber die mitgetheilten Nachrichten enthalten, unverkennbar hervor.

 Nach einigen soll er seine Jugendjahre verlebt haben, wie die Scholastici vagantes der Zeit zu thun pflegten, d. h. er soll im Lande umhergezogen seyn, die Nativität aus den Sternen u. aus den Linien der Hand gestellt, die Todten citirt Haben. Fahrender Schüler mag er gewesen seyn, das war einmal Sitte der damaligen Zeit — auch Luther war in seiner Jugend fahrender Schüler gewesen. Aber ob er damit auch das eben angeführte Geschäft verband, ist wenigstens nicht so erwiesen, daß nicht daran gezweifelt werden dürfte. Kaum erwähnt zu werden verdient die Fabel, die Erast aufstellt: er habe als Knabe nur die Gänse zu hüten gehabt.

 Bekannt ist es aber, daß sein Vater 32 Jahre hindurch als praktischer Arzt zu Villach in Kärnthen sich aufgehalten hat, daß er als solcher allgemein geachtet u. hochgeschäzt worden ist. Es ist also jenen Nachrichten gewiß mehr Glauben beyzumeßen, nach denen er in der früheren Zeit meist des Unterrichts seines Vaters genoßen. Der Vater soll, darüber stimmen alle Nachrichten überein, eine Bibliothek beseßen haben — zu damaliger Zeit eine große Seltenheit. In dieser hat P. wahrscheinlich Liebhaberey zur Lecture gewonnen u. den Grund zur Bekanntschaft mit den Schriften der Alchemisten gelegt. Nach eben jenen Nachrichten ist es mehr denn blos wahrscheinlich, daß er besondern Unterricht in jenen Wißenschaften, welche damals als die wichtigsten erkannt wurden, in der Alchemie, Astrologie, Magie u. dergl. von verschiedenen Kloster-Geistlichen u. unter diesen vorzüglich v. Tritheim, dem bekannten Abt von Sponheim u. von Sigismund Fugger erhalten habe. Schon

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als Knabe zeigte er eine besondere Vorliebe zur Alchemie u. Metallurgie; frühe schon befuhr er die Bergwerke u. machte sich mit den Hüttenarbeiten bekannt.

 Unwahrscheinlich ist es wohl, daß er einen zusammenhängenden Schulunterricht erhalten, so wie auch daß er einen vollständigen Universitätscursus absolvirt u. nach gewöhnlicher Weise den Doktorgrad erhalten habe, ob es gleich nicht geleugnet werden kann, daß er sich einige Zeit auf mehreren Universitäten, vielleicht später, mit dem gewöhnlichen Gange des Unterrichts bekannt gemacht, mithin den akademischen Unterricht benuzt habe. Er selbst versichert wenigstens, auf deutschen, französischen u. italiänischen Universitäten gewesen zu sein. Er erwähnt sogar des Eidschwurs, den er bey seiner Promotion hat ablegen müssen.

 Im dichten Dunkel ist übrigens alles gehüllt, was jene Periode seines Lebens, in welcher die Bildung desselben in reiferen Jahren fiel, betrifft. Er selbst, so wenig, wie seine Biographen, geben bestimmt an, wo, wann u. wie lange er studirt. Wenigstens läßt sich in dieser Hinsicht nichts Entschiedenes auffinden; in seinem Curriculo vitae werden daher in gewöhnlicher Form immer wesentliche Lücken bleiben.

 So viel kann man indeß mit Sicherheit annehmen, daß er diese Laufbahn nicht auf eine gewöhnliche, sondern sehr genialische Weise verfolgt haben müsse; denn die praktische Seite, welche sie dadurch gewann, daß er schon frühe als Wundarzt verschiedene Feldzüge mitmachte, daß er bey Fugger als Laborant selbst Hand anlegen mußte, giebt darüber einen bedeutenten Aufschluß, wie er keiner Lehre unbedingt zu folgen gewöhnt, wie er in der Erfahrung allein wahre Belehrung zu suchen veranlasst worden seyn müsse. Es erklärt sich daraus, wie wenig ihm die Lage der Medicin u. Philosophie seiner Zeit, so wie das Treiben seines Zeitalters überhaupt genügend erschienen seyn müsse, und von welchem Eifer er müsse beseelt gewesen seyn,

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einen andern Weg zur Erforschung der Wahrheit sich selbst zu bahnen.

„Wo ein Ding in den Eigennuz gerichtet ist, sagt er, 2) da fälschen sich die Künste, auch das Werk; denn Kunst u. Werkschaft müssen aus der Liebe entspringen, sonst ist nichts vollkommenes da. — Es soll sich Niemand befremden lassen, daß ich in der Arznei den Eigennuz nicht preisen kann, dieweil ich weiß, wie der Eigennuz so gar verderblich ist, so baß die Künste durch Denselben gefälschet werden, u. allein auf den Schein u. Kauf gerichtet, welches nicht ohne Falsch geschehen mag; welches Falsch die Verführung in den Dingen verursacht. Darum soll der Arzt nicht aus dem Eigennuz wachsen, sondern aus der Liebe. Dieselbige ist ohne Sorge, sorget nicht, was sie morgen essen will, sondern gedenkt: wie die Lilien im Feld gekleidet werden, u. die Vögel gespeiset, vielmehr der Mensch, der da wandelt nach dem Willen Gottes. — Aber dieweil in der Arznei ein so unnüz Volk eingemischt wird, die allein den Eigennuz betrachten u. suchen, wie kann es Statt oder Folge haben, daß ich sie der Lieb vermahne? Ich für mein Theil schäme mich der Arznei, angesehen, daß sie so sehr in einen Betrug gekommen ist. — Ob nicht billig sich einer sollt’ schämen einer Profession, die so ganz wider ihre Eigenschaft gebraucht wird von untüchtigen Leuten. Wiewohl die Kunst an sich selbst ein hoher Schaz ist, so wird sie doch von diesen nicht betrachtet. Also sind viele die sich der Arznei annehmen; ein jeglicher will sie gebrauchen u. nicht kennen. Sie sind Diebe u. Mörder, steigen nicht zur rechten Thür hinein.“
 „Wiewohl 3) sie groß gewidmet sind, u. eingesezt der vier Säulen Eine der Hohenschulen, worauf sie dann große Dinge setzen, als sollt’ Niemand wider einen solchen Stand reden. So wisset doch in den Dingen, daß die so sie gesezt haben, selbst bekennen, sie hätten sie zwar verordnet, aber sie wüßten nicht, speculirten sie recht oder nicht. Sie lasten sie ihr Ding verantworten. Allein sie sind dazu geursacht worden, durch etliche Experiment u. rationes; ob aber das der Gründ sey, das lassen
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2) Fünfte Defension, von Entschlahung der falschen Gesellschaft und Aerzte.
3) Paramirum Lib. IV. De origine morborum matricis.
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sie sie selbst verantworten. Das ist eine schlechte Säule setzen, hat einen schlechten Grund. Zudem da sie viel auf den Grund bauen u. sagen, die sie auf die hohe Schul gesezt hätten, irrten Nicht. Es ist fürwahr wüste geirrt, indem man euch gesezt hat. Sie haben ehren Grund genommen aus Christo, welcher sagt: Die Kranken bedürfen des Arztes: so ihr den Namen hättet, haben sie gemeint, ihr seyet es auch. Fürwahr hätten sie das besser betrachtet, daß Gott den Arzt geschaffen hat u. seine Arznei aus der Erden, daß man ihm soll Statt geben, so hätten sie eine Frag in der Schule lassen umgehn: ob ihr von Gott oder dem Teufel beschaffen wäret, d. i. ob ihr mit Wahrheit oder Lügen umgegangen. So hätte man wohl geschmeckt, wer euch geschaffen hat. Denn daß Gott den verdorbenen Schulmeister, Procurator, Apotheker, Mönchen, Pfaffen u. dgl. zu einem Arzt geschaffen habe, das ist nicht. Euch hat Leipzig, Tübingen, Wien, Ingolstadt geschaffen, also seyd ihr auch, wie der Schöpfer, der euch da geschaffen hat. Es ist nicht minder, ihr schmecket etwas in der Astronomie, etwas in der Philosophie, etwas in der Logica; aber was ihr schmecket, ist weder kalt noch warm.“
 „Ihr sollt 4) es nicht seltsam nehmen, daß ich Niemand verweise auf die Bücher des Papiers, in ihnen den Anfang der Arznei zu lernen. Die Ursach ist nicht noth, daß sie betrachtet wird. Es schreiben durcheinander gute u. böse Leute, u. viel der Schwärmer, Gutes u. Böses zusammen, fälschen das Gute durch das Böse, finden u. erheben eher das Böse dann das Gute, u. machen durcheinander einen Muß, daß einer der auf die Wellen kommt, nicht wieder kann ins stille Meer kommen. Ein Jegliches will von Andern Federn seinen Namen erheben, u. ein Neues aufbringen. Durch solche Scribenten ist die Arznei zerbrochen worden, u. es ist den papierischen Büchern nicht zu trauen. — So wenig als das Bild im Spiegel lehren, mag, u. den Grund darlegen, so wenig mag aus der Feder der vollkommene Grund gesezt werden.“
 „Ehrlicher 5) u. statthafter ist. meine Secte gegründet, dann ihr, die ihr nichts Anderst wisset, dann auf das Papier zu
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4) Labyrinthus medicorum Anderes Capitel.
5) Von des Arztes Tugend; der dritte Grund der Arznei.
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zeichnen, was im nächsten Wasser zerschwimmt, u. aus alten Lappen gemacht wird. So wie es daraus besteht, so ist es auch Lapperei, was ihr darauf findet, eine Lehre von Stückwerk u. Lumpen. Das Papier ist der Acker, in dem die Trespe gesäet wird, u. ihr seyd die Trespenärzte. Denn ihr klaubet allein aus, was nichts soll, was da soll, das zertretet ihr, darum: weil die Trespe dicker steht, u. scheinbahrlicher in seinem Ansehen wie der Weitzen.“
 „Wer 6) wollte gelehrt werden in Erkänntniß der Erfahrenheit, vom Papier, da das Papier die Eigenschaft hat, daß es faule u. schläfrige Leute macht, aber hoffärtig, die sich selbst lernen überreden, die stiegen lernen ohne Flügel, welche Dinge alle dem Arzt widerwärtig sind. Darum ist es das Gründlichste, der Erfahrenheit zuzueilen.“
 „Ich Habe oft mit großem Aufsehn u. fleißiger Arbeit mich beflissen zu erfahren den Grund in der Arznei, ob sie möge eine Kunst geheißen werden, oder nicht, oder was doch an ihr sey. Dazu haben mich bewegt vierlei Ursachen; nehmlich das Ungewisse des Fürnehmens, daß so wenig Lob u. Ehr durch die Werke erschienen sind, so viel Kranke verdorben, getödtet, erlahmet, oder gar verlassen worden, nicht allein in Einer Krankheit, sondern fast in allen, so daß zu meiner Zeit kein Arzt gewesen, der nur ein Zahnweh gewiß hatte heilen können, oder noch etwas geringeres, geschweige denn eine große Krankheit — hab auf solches mehrmalen für mich genommen, diese Kunst zu verlassen; weil Niemand gewiß sey, sey es ein Fabelwerk, ein süß Auslocken des Pfennigs, eine Kunst dahin gestellt auf den Glauben. So etwa einer von selbst treffe die Stand der Besserung, so lege man es, jedoch unbillig, der Kunst zu, der es nicht gehöre. Hab oft von ihr gelassen, u. mit Unwillen in ihr gehandelt 7).“
 „Doch hab ich mir selbst hierin nicht ganz Recht gegeben, sondern es meiner Einfalt zugemessen, hab also lange Zeit die hohen Schulen erfahren bei den Deutschen, Italischen, Frankreichischen u. den Grund der Arznei gesucht, mich nicht allein den Lehrern, Schriften u. Büchern derselben ergeben wollen, sondern bin weiter gewandert gen Granaten, Lizabon, durch Hispanien, Engelland, die Mark, Preussen, Lithauen, Poland, Ungern, Wallachey, Siebenbürgen, Crabaten, Windischmark
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6) Von den Bergkrankheiten. Anderes Buch.
7) Vorrede zur großen Wundarznei.
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u. andre Länder, nicht noth zu erzählen. In allen den Orten u. Enden hab ich fleißig u. emsig nachgefragt, Erforschung gehabt, gewisser u. erfahrner, wahrhafter Künste der Arznei, nicht allein bei den Doctoren, sondern auch bei Scherern, Badern, gelehrten Aerzten, Weibern, Schwarzkünstlern, so sich deß pflegen, bei den Alchymisten, bei den Klöstern, Edeln u. Unedlen, bei Gescheuten u. Einfältigen; hab aber so ganz gründlich nicht Mögen erfahren gewiß zu seyn in jeder Krankheit, habe wieder viel daran gedacht, daß die Arznei eine ungewisse Kunst sey, die nicht gebührlich zu gebrauchen, nicht billig mir Glück zu treffen, Einen gesund zu machen, Zehen dagegen zu verderben, das mir Ursach gegeben hat, als sey es ein Betrügniß von Geistern, den Menschen also zu verführen u. gering zu machen. Hab abermahls von ihr gelassen, u. bin in andre Händel gefallen. Jedoch bin ich wieder m die Kunst gedrungen u. habe befunden, daß sie nach Inhalt des Spruchs Christi wahrhaftig, gerecht, gewiß vollkommen u. ganz wäre, in ihr nichts von Geistern zur Verführung, Nicht des Glückes Schuld, sondern in Nöthen eine bewährte, wahrhafte Kunst, allen Kranken nüzlich u. hülflich zu ihrer Gesundheit. — Befand aber, daß keiner diese je gewußt, erfahren u. verstanden, daß sie lehrten was sie selbst nicht wußten, daß sie ihr Disputieren nicht verstünden, war also gezwungen, einem andern Grund nachzusuchen, der unbefleckt sey von den gemeldeten Fabeln.“

Es erklärt sich aus allem Angeführten, daß P. dem die damalige Weisheit der Aerzte ein Greuel war, eigentlich wohl gar keinen regelmäßigen Gang in seinen Studien nach dem gewöhnlichen Zuschnitte habe verfolgen können. Dem innem Drange, nach Erweiterung seiner Kenntniße durch die Erfahrung folgend — schien ihm nichts anders übrig zu bleiben, als sehr frühe schon in seinem 20sten Jahre auf Reisen zu gehen, oder, wie er sich selbst darüber ausdrückt: „im Buche der Natur zu blättern.“ Seinen vorhin angeführten Nachrichten zufolge sind vorzüglich außer Deutschland wohl Spanien, Portugal, Preußen, Polen, Siebenbürgen, Italien diejenigen Länder gewesen, die er durchwanderte. Diesen Reisen, auf denen er alles ihm sich Darbietende benuzte, verdankt er wohl unstrei-

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tig alle seine Kenntnisse; sie gaben seinem Geiste wohl die eigenthümliche Richtung, durch die er sich nachmals auszeichnete. Einige seiner Biographen, besonders diejenigen, welche in P. blos den Alchemisten verehren, bemühen sich durch unerwiesene Angaben den Umfang seines Reisebezirks ungemein auszudehnen. Sie laßen ihn nach Aegypten ziehen, um ihn da Nahrung für die alchemistische Tendenz seines Geistes finden zu lassen, um ihn dort sich in alle Geheimnisse der Alchemie einweihen zu sehen. Ja sie fügen noch die Fabel hinzu, er sey, nachdem er Rußland durchkreuzt, an der Grenze von den Tartaren gefangen genommen u. vor ihren Chan gebracht worden. Hier habe er so viel Beyfall gefunden, daß er dem Sohne deßelben zur Begleitung auf seiner Reise nach Constantinopel mitgegeben worden sey u. dort habe er sich in die Mysterien der Alchemie einweihen u. sich von dem daselbst aufhaltenden Trismosin den Stein der Weisen ertheilen lassen.

 Es ist aber auch über diesen Abschnitt seines Lebens so wenig Gewisses bekannt, daß es nicht einmal möglich ist, völlig außer Zweifel zu sehen, welche Länder er durchwandert. Er selbst erwähnt derselben nur beyläufig. Alles was sich aus seinen eignen Nachrichten ergiebt, verräth deutlich genug, daß er mit vielen Widerwärtigkeiten zu kämpfen hatte, daß er die mühevollesten Wege nicht gescheut, die niedrigsten Hütten besucht, daß er sowohl von dem Umgange u. dem Unterrichte der Aerzte, wie von den Künsten der alten Weiber, der Scharfrichter, Zigeuner u. Schwarzkünstler Vortheile zu ziehen gesucht habe.

 Nach seiner Rückkunft, ungefähr im 33 Jahre seines Alters wurde er wegen seiner vielfältigen glücklichen Euren, selbst der damals für unheilbar erklärten Krankheiten, z. B. der Wassersucht u. des Podagra etc. der Gegenstand der Bewunderung, zugleich aber auch des Neides der Aerzte. Achtzehn Fürsten, die wir er sagt, durch die Galenischen Aerzte verdorben waren, hat

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er wiederhergestellt. Unter andern heilte er den Markgrafen Philipp von Baden glücklich an einer Ruhr; dieser versprach ihm auch fürstliche Belohnung, hielt aber, Nachdem er wieder hergestellt war, nicht allein nicht sein Wort, sondern behandelte P. noch überdieß sehr unfürstlich.

 Indessen trugen diese u. ähnliche Kuren dazu bey, daß sein Ruf ungemein zunahm. Die Art, wie er sich über die Behandlungsart der Krankheiten äußerte; die Einfachheit seines Verfahrens, da er sich der chemischen Zusammensetzungen statt des ungeheuren Troßes von galenischen Mitteln, die damals im Gebrauch waren, bediente; der Reiz der Neuheit — alles wirkte zusammen, allgemein die Aufmerksamkeit auf ihn rege zu machen. Auch heilte er viele Arme unentgeldlich, von denen sich die übrigen Aerzte bezahlen ließen.

 So ward ihm denn 1526 der Ruf als Stadtarzt u. Professor der Medicin auf der Universität Basel zu Theil und wie man sagt, auf besondere Empfehlung des bekannten Oecolampadius. Er lehrte täglich zwei Stunden mit dem grösten Fleiße u. zwar in deutscher Sprache, welches in den damaligen Zeiten auf Akademieen ganz ungewöhnlich war. Seine Vorlesungen waren keine Commentare über den Galen, Hippokrates oder Avicenna, worauf sich einzig die Aerzte u. Professoren der Medicin jener Zeit beschränkten. Er trug den theoretischen wie den praktischen Theil der Kunst auf eine ganz neue Art vor, mit Hinweisung auf seine Kuren u. seine Mittel. Die Lebhaftigkeit seines Vortrags erwarb ihm eben so viel Beyfall, als ihm sein ausgezeichnetes Gedächtniß dabey sehr zu Statten kam, denn er konnte ganze Stellen aus Avicenna wörtlich herrecitiren. Eine große Zahl von Zuhörer aus der Umgegend, selbst aus der Entfernung drängte sich nach Basel. Veranlassung genug, um den Neid seiner Collegen dahin zu bestimmen, alle Mittel anzuwenden, seine Thätigkeit zu beschränken, gegen ihn unter dem Schein des Rechtens aufzutreten, um ihn des Rechts,

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Vorlesungen halten zu dürfen, zu berauben; denn einigen schien es eine Beeinträchtigung ihrer Rechte, daß er vom Magistrate u. nicht mit Zustimmung der übrigen Aerzte eingesetzt worden, andren schien es gar nicht statthaft, ihn in ihrer Mitte zu leiden, da sie nicht wüßten, woher er komme u. ob er wirklich Doctor legitime Promoters sey. Die Wurzel alles Uebels lag aber lediglich in der Furcht, durch ihn Abbruch leiden zu müßen.

 Zwar rechtfertigte er sich gegen Alles beim Magistrate, was aus der niedrigen Quelle der Anfeindung u. Verfolgung seiner Widersacher stoß. Die Erbitterung gegen sich steigerte er aber noch mehr dadurch, daß er in seinen, Hörsaale die Werke, welche die Summe alles damaligen ärztlichen Wissens enthielten, des Ebn Sina u. Galen, so wie später Luther die päpstliche Bulle, öffentlich verbrannte (ein engl. Schriftsteller will wißen, daß dies in a brass pan with sulphur and nitre geschehen sey), sich dabei im Eifer manche Aeußerungen auf Kosten seiner Vorgänger, die er übersehen zu können glaubte, zu Schulden kommen ließ; — derselbe engl. Schriftsteller führt unter andern an, er habe zu einer Vorlesung die sämmtl. Aerzte eingeladen, den bedeckten Tisch entblößt, um ihnen an dem Erfolge ihrer ausleerenden Methode — den Exkrementen, die sich daselbst befanden, — die Unstatthaftigkeit derselben zu demonstriren, worauf sie alle davon gelaufen wären; — daß er in der Qualität eines Stadtarztes die Apotheken-Untersuchung einführte, die Vorsteher dieser damals sieh über Conditoreyen u. Wurzel- u. Kräuterhandel kaum erhebenden Kramladen in Hinsicht ihrer Kunstfähigkeit selbst prüfte, ihre Vorräthe genau in Augenschein nahm u. vorzüglich nachforschte, in wie fern sie mit den Aerzten Verträge in Hinsicht des Ablaßes der Arzneien geschlossen hatten. Auster den Verdrießlichkeiten mit den Aerzten zog er sich noch den Haß der Apotheker zu. Man suchte also Gelegenheit, gegen ihn nachdrücklicher auftreten zu können. Die Kur, welche er an Frobenius verrichtete, welche selbst Eras-

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mus in Erstaunen gesetzt u. diesen veranlaßt hatte, sich seines Beistandes zu bedienen, fiel nicht glücklich für ihn aus. Frobenius starb bald darauf nun hatte sich seinen Gegnern eint herrliche Gelegenheit dargeboten, seine scharfen mineralischen Mittel, so wie sein ganzes Heilverfahren, verdächtig zu machen. Wäre auch gleich diesem entnervten Podagristen auf keine Art zu helfen gewesen — der Tod muß doch eine Ursache haben — wird diese nicht eingesehen oder findet man es grade gerathen, sie nicht einsehen zu wollen — so muß der Arzt sie seyn. Genug, diese Deutungen trugen dazu sehr viel bey, P. Ruhm zu schmälern. Unglücklicherweise folgte diesem Verfalle bald darauf ein ihm noch viel ungünstigerer. Der Canonicus Cornelius von Lichtenfels nämlich, der schon lange am Zipperlein gelitten hatte, versprach ihm, wenn er ihn wiederherstellen könnte, 100 Gulden zur Belohnung. P. gieng den Vertrag ein u. bewerkstelligte dieses sehr bald durch drei Pillen seines Laudanums. Der über alle u. noch mehr über seine eigne Erwartung so schnell entzipperleinte Hr. Canonicus weigerte sich nun aber, sein Versprechen zu halten u. wollte nur 6 Gulden bezahlen. „Lumpigte drey Pillen, meynte der Hr. Canonicus, was können denn die viel kosten u. Einmal ist P. ja auch nur bey mir gewesen“. Ist es daher nicht verzeihlich, daß so mancher, der medicinischen Politik treu folgend, seine Visiten ohne alle Noth vervielfältigt u. ohne alle Ursache recht viele Recepte u. zwar solche, die dem Kranken sehr viele Kosten verursachen, verschreibt. Mundus vult decipi! — P. belangte ihn beim Magistrat u. diesem scheint nun, von dem fortwährenden Aufwiegeln seiner Feinde irre geleitet, die Gelegenheit recht willkommen gewesen zu seyn, sich seiner plötzlich zu befreyen — der Magistrat, alle Rechte des Vertrages mit Füßen tretend, schützte sich hinter dem scheinbaren Rechte —er erkannte ihm nur die gewöhnliche Taxe zu. Man hatte schon die Heftigkeit seines Characters kennen gelernt, rechnete daher auf einen

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übereilten Schritt, deßen er sich schuldig machen würde. Nicht verrechnet hatte man sich auch wirklich in diesem Falle. P. wurde dadurch so sehr gereizt, daß er sich auf eine sehr heftige u. beleidigende Art gegen seine Obrigkeit äußerte, oder, wie einer seiner Biographen angiebt: „er hatte böse Zettel fliegen lasten.“ Das hatte man nur gewollt, um ihm nun in Form des Rechtens mit Strafen drohen zu können. Natürlich entflammte dies Verfahren das Feuer, das ihn beherrschte, um so lebhafter; natürlich brach jezt seine Heftigkeit in noch beleidigendere Aeußerungen aus. In dieser verzweifelten Lage, in welche ihn seine Freunde nun versetzt sahen, veranlaßten diese, ihm den Wink zu geben, um jeder schmachvollen Erniedrigung zu entgehen, Basel zu verlaßen. Im vollen Aufwogen der Leidenschaften ist ein rascher Schritt leicht vollführt — er verließ Basel, nachdem er kaum zwey Jahre daselbst für die Ausbreitung seiner neuen Lehren gewirkt, nachdem er selbst in dieser kurzen Zeit so manchen Lichtfunken hingeworfen hatte, der später erst zur Flamme sich entwickelte.

 Er fleug nun an, aufs Neue zu wandern, wohin der Verein günstiger Umstände ihn zu rufen schient So brachte er 12 Jahre an verschiedenen Orten in Straßburg, Colmar, Nürnberg, St. Gallen, im Pfeffersbade, in Augsburg, in Villach, Mindelheim zu u. beschloß sein Leben zu Salzburg im Wirthshause zum weißen Roß am 23 Spt. 1541 im 48 Jahre seines Alters. Auf sein Begehren ward er im Hospital zu St. Stephan daselbst begraben. Sein Testament verfertigte er im Beisein eines Kaiserl. Notarius u. mehrerer Bürger in Salzburg als Zeugen. Seine Verlassenschaft aus Kostbarkeiten von Gold u. Silber u. dergl. bestehend, vermachte er einigen Bürgern in Salzburg u. seinen Verwandten, im Fall sie noch lebten, alles übrige aber sollte nach Berichtigung seiner Schulden unter die Arme vertheilt werden.

 Einigt lassen ihn im Lazareth selbst sterben, um ihn als

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Vagabunden, der aus Mitleiden aufgenommen sey, aus der Welt gehen zu lasten. Um aber einen Grund seines frühen Ablebens aufzufinden hat man die größten Lächerlichkeiten ersonnen. So geben einige vor, er sey durch Diamantstaub vergeben worden; das lächerlichste unter allen ist wohl: er habe einen Pakt mit dem Teufel geschloßen u. weit die Zeit vorübergegangen sey, habe er bey vollkommener Gesundheit fortgemüßt. Ich führe dies nur an, um dadurch einen Beweis aufzustellen, welcher Geist damals herrschte. Ein englischer Schriftsteller läßt ihn an den Folgen des Dunstes meinem Wirthshause zu Straßburg 8) sterben. Andre laßen ihn sein Leben gar in einer Prügeley nach einem Trunkgelage enden, bey welcher er aus einem Fenster hinabgeworfen worden sey u. den Kopf zerschmettert habe. Diese Fabel haben die Alchemisten erdichtet, die ihn so gern an ihrer Spitze aufstellen möchten; die zu behaupten sich erdreisten, er habe die Universal-Tinctur, durch welche das menschliche Leben willkührlich verlängert werden könne, beseßen, könne also nicht natürlichen Todes gestorben seyn. Sömmerring hat z. B. in Heßling’s Theophrastus redivivus illustratus (Zofingen, 1662) die Angabe von seinem Tode so angegeben gefunden: „P. wurde auf einem Gastgebot von einer Höhe abgestürzt u. ihm also der Hals gebrochen.“ Bor drey Jahren hat indeß Osiander seine Grabstätte besucht u. in seiner Nachricht von dem Schädel u. den Knochenresten deß P. zu erweisen sich bemüht, daß der auch von Sömmerring bemerkte Riß im Schlafbein durch einen Schaufelstich des Todtengräbers hervorgebracht worden sey. Osiander fügt aber noch eine sonderbare Bemerkung hinzu: daß der Schädel von P. sich dem Bau des weiblichen Schädels nähere. Dies veran-

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8) Straßburg u. Salzburg ist dem Herrn Engländer — bekanntlich gute Geographen — wieder einerley, wahrscheinlich weil die Namen beyder Orte gleiche Endung haben.
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laßt ihn hinzuzusetzen, daß Männer, die früh castrirt worden, verweiblichen. Denn die Sage ist freilich von einigen Biographen des P. aufgenommen worden: Paracelsus sey in seinem dritten Jahre castrirt worden. In der genauen Bestimmung dieses Vorfalls herrscht aber wieder viel Widersprechendes, so daß auch wohl sie selbst nur zu den Fabeln gehören mag. Bald soll ein Soldat, bald ein Schwein die Operation verrichtet haben, bald soll es auf seinen Reisen geschehen seyn.

 Wenn wir nun das Leben des P. einer aufmerksamen Betrachtung würdigen, so ist selbst bei den auffallenden Eigenheiten, welche man an ihm erblickt, bey der rohen Außenseite seines Wandels, bei der nicht selten in Leidenschaft ausartenden Härte gegen sein Zeitalter u. alles, was seiner Ueberzeugung zuwider war, bei seinem häufigen Umherziehen unter dem gemeinsten Volke, dennoch ein reiner Sinn für das Höchste der Kunst, eine innige Liebe zu ihr u. ein beherztes, treu meinendes Bestreben sichtbar, die Wahrheit zu ergründen. Seine freiwillige Entsagung aller äußern u. zeitlichen Vortheile, alles Gepränges, seine große Uneigennützigkeit zeigt uns ein frommes, in sich zufriedenes Gemüth, welches dem, was es für das Bessere erkannt hat, sich ergebend, ruhig auf die Eitelkeiten des Lebens Verzicht leistet. „Habe kein Ächt meines Elends, du Leser, schreibt der Verfolgte 9), laß mich mein Uebel selbst tragen. Ich habe zwei Gebrechen an mir, meine Armuth u. meine Frommheit. Die Armuth ward mir vorgeworfen durch einen Bürgermeister, der etwa die Doktoren nur in seidenen Kleidern 10) gesehen Hatte, nicht in zerrissenen Lumpen an der Sonne braten. Jezt wurde die Sentenz gefällt, daß ich kein Doktor sey. Der Frommheit werde ich von Pfaffen gerichtet, dieweil ich kein

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9) In der Vorrede zum Buche von der Pest.
10) In Zinkgrefen’s deutscher Nation klug-ausgesprochener Weisheit (Amsterd. am 1655) befindet sich folgende hierauf sich
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Zutütler der Venus bin, auch mit nichten diejenigen liebe, die da lehren, was sie selbst nicht thun.“

 Wir gehen nun zu der Würdigung der Verdienste des P. über. In dieser Hinsicht giebt es einen sonderbaren Widerspruch zu lösen. Sowohl in der Geschichte der Medicin, wie in der Geschichte der Chemie u. Pharmacie wird von ihm, als einem Reformator, eine neue Periode begonnen u. doch wird er von sonst achtbaren Geschichtsforschern 11): „Fanatiker, Fantast, wilder Trunkenbold, fahrender Theosoph, Schwärmer erster Größe, Vagebunden, Landläufer, Charlatan, gelehrter Renomist“ etc. genannt.

 Soll die Würdigung eines Mannes, deßen Wandel u. literarischer Treiben wir nur durch einen Rückblick in die graue Ferne gewahr werden, unpartheyisch, soll sie befriedigend für den Kenner des menschlichen Herzens, wie für den Verehrer des Wissenschaftlichen ausfallen, so wird es wohl höchst nothwendig seyn, auf sein Zeitalter, seine Umgebungen, seine Bildung, kurz auf Alles, was auf ihn Einfluß haben konnte, zugleich Rücksicht zu nehmen.

 Welcher Zeit gehörte P. an? Leider jener, in welcher die Menschheit, den Fesseln des Geisteszwanges unterliegend, auf Irrwege jeglicher Art gerathen war. Der päpstliche Stuhl, die

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beziehende Anekdote. Er sey nämlich zum Kaiser in seiner Krankheit gefordert worden. Als er nun dahingegangen, hätten ihn die Hofdiener nicht in seinen täglichen Kleidern, weil die etwas schlecht gewesen wären, vor den Kaiser lassen wollen, sondern ihm einen köstlichen Rock oder Talar angezogen, und so vor den Kaiser geführt. Der Kaiser redete lange nichts; Theophrastus auch nichts. Endlich als der Kaiser klagte, er wisse nicht, was sie ihm da für einen Arzt zugewiesen hätten, er spräche nichts zu ihm, er thäte nichts bei ihm, habe jener geantwortet: Er hätte gemeint, der Rock würde es thun müssen.
11) Wie z. B. Sprengel, Gmelin u. a.
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Zeit beherrschend, war noch der Sitz der Hierarchie, welche, auf den Trümmern der Moralität triumphirend, mit den Sünden der Menschheit Handel trieb, um in desto größerer Ueppigkeit ihren Lüsten zu fröhnen. Ueberall finsterer, blinder Aberglaube! Die Schlacken des Mittelalters erblickte man noch an der scholastischen Barbarey. In diesen Zeiten des philosophischen Trübsinnes keimte noch eine trübsinnigere, die theosophische Philosophie aus. Magie, Astrologie, Chemie, alles mußte dazu dienen, ein Ganzes zu bilden, welches die göttliche, über alle menschliche erhabene Weisheit genannt wurde, nämlich die Kabbala. Diese tolle Sucht, das Wunderbare zu erhaschen, die Schicksale des Menschen damit in Verbindung zu bringen, um alles, was ihm bevorsteht, vorherzusagen, hatte fast alles Wissenschaftliche besteckt, jeder opferte diesem Götzen der Zeit. Auch die Naturwissenschaften, ja selbst die Medicin unterlagen ihm, sie wurden in die undurchdringlichen Schleier des Mysticismus gehüllt. Mit Einem Worte, seltsamer u. lächerlicher war wohl nie das philosophische Gewand, womit der Aberglaube sich Zierte, lebhafter u. heftiger war überhaupt niemals der Streit zwischen Licht u. Finsterniß, als zu Ende des 15ten u. zu Anfange des 16ten Jahrhunderts geführt worden, bis Luther die grausen Fesseln durchbrach, in denen der bessere Theil der Menschheit damals seufzte.

 Die erste Entwickelung seines Geistes verdankt P. vorzüglich Klostergeistlichen; besonderen Antheil scheint der Bischof Tritheim daran genommen zu haben — ein Mann, der sich alle mögliche Mühe gab, in Deutschland die Kabbala u. zugleich alle Zweige dieser Schwärmerey mehr in Umlauf zu bringen; dem dies auch gelungen war; der selbst für einen Schwarzkünstler gehalten wurde; der in grossem Ansehen stand selbst hohen Häuptern, unter andern dem Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg Unterricht in der Astrologie u. dgl. ertheilte.

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Herrschte dieser Geist im Allgemeinen, wes ließ sich erst von den nächsten Umgebungen des P. erwarten?

 Ist es demnach wohl zu verwundern, daß die verwaltende Richtung seines Geistes die allgemeine seines Zeitalters seyn mußte, wäre es wohl nicht zu erwarten gewesen, daß er ein eben so befangener Schwärmer hätte werden müssen, als seine Zeitgenossen, wenn nicht das frühe in ihm erwachte Verlangen, nach Erweiterung seiner Kenntnisse, ihn angetrieben hätte, sich aus dem ihn immer mehr beengenden Kreise seiner Umgebung herauszudrängen, in die Schule der Beobachtung u. Erfahrung zu wandern, d. h. auf Reisen zu gehen.

 Dies vorausgeschickt, so vorbereitet laßen Sie uns nun zur Beleuchtung deßen übergehen, was in Hinsicht seines Characters u. seines Wirkens gemeiniglich geurtheilt worden ist.

 Man beschuldigt ihn der Rohheit, Grobheit, Leidenschaftlichkeit u. Streitsucht. Freylich übte er keinesweges die Künste her Feinheit u. Gewandheit. Er sprach die Wahrheit unumwunden. Lichtenberg bemerkt aber schon: das Wahrsagen bringe mehr Vortheil, als die Wahrheit sagen. „Die wenigsten Menschen können, wie bekannt, die Wahrheit vertragen, so wenig wie das schwache Auge des Kindes den Sonnenstrahl. Das kommt wohl daher, weil jeder Mensch in seinem Alter u. Stande bereits mit seiner Erziehung fertig zu seyn glaubt. Aber die Wahrheit will nichts anders als bilden u. zwar auf dem schlichten u. graden Wege ohne Honigworte. Ueberdies fürchten die Menschen fast nichts so sehr, als die Critik, die jeder lieber allein treiben möchte u. meinen, man falle ihnen ins Handwerk, wenn man ein wenig die Geißel aufhebt. Wie könnte auch die Wahrheit gefallen, da ihr Spiegel nur zu getreu ist, u. jedes Zerrbild, gerade alles so wieder giebt, wie es in der Wirklichkeit dasteht! So ein Wespennest ist das Innere des Menschen, daß alle seine Ideen u. Empfindungen im Auf-

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ruhr hervorstürmen, sobald nur ein leises Wort der Wahrheit hineingerufen wird 12).“

 Selbst Luther sagt in dieser Hinsicht von seinen Zeitgenossen in seinem Briefe an den Pabst Leo X: „Zu unsern Seiten sind unsre Ohren so gar zart u. weich werden, durch die Menge der schädlichen Schmeichler, daß, sobald nichts in allen Dingen wird getobt werden, sie schreyen, man sey beißig u. dieweil wir uns sonst der Wahrheit nicht erwehren mögen, entschlagen wir uns doch derselben durch erdichtete Ursache der Beißigkeit, der Ungeduld, der Unbescheidenheit: Was soll aber das Salz, wenn es nicht scharf beißet? Was soll die Schneide am Schwerd, wenn sie nicht scharf ist, zu schneiden?“ —

 Als Beweis führt man seine Schriften an, das fortdauernde Polemischen in denselben, das, daß er in denselben gleichsam Allen Hohn sprach. Zu einer Hauptstelle dafür dient besonders folgende u. mehrere der ähnliche:

„Daß ihr mich nun forthin recht verstanden, wie ich den Grund der Arzney führe u. worauf ich bleibe u. bleiben werde, nämlich in der Philosophie, in der Astronomie, der Alchemie u. in den Tugenden. Also daß die erste Säule die ganze Philosophie sey der Erden u. des Wassers, die andre Säule sey die Astronomie u. Astrologie mit vollkommener Kentniß beyder Elemente der Luft u. des Feuers; daß die dritte Säule sey die Tugend u. bleibe beim Arzt bis in den Tod, welche zusammenhalte alle drey Säulen. Und merket wohl das Gesagte, oder ihr werdet das Nichtige eurer Lust blos geben. Wie ich mich aber an diese viere halte, also müßt ihrs auch thun u. müsset mir nach u. ich nicht Euch, Ihr mir nach, Mir nach Avicenna, Galen, Rhasis, Montagnana, Mesue etc. mir nach, u. nicht ich Euch nach, ihr von Paris, ihr von Montpellier, ihr von Schwaben, ihr von Meissen, ihr von Cölln, ihr von Wien
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12) Pockels im Hannöv. Mag. 1807, 1297.
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u. was an der Donau u. dem Rheine liegt, ihr Inseln im Meer, du Italia, du Dalmatia, du Athenis, du Griech, du Arabs, du Israelita, Mir nach u. ich nicht Euch nach, eurer wird keiner im hintersten Winkel bleiben, an dir nicht die Hunde seichen werden. Ich werde Monarcha u. mein wird die Monarchie seyn etc. 13)

Man vergeße aber nicht, daß die Aerzte seiner Zeit durch bloßes Nachbeten des Galen u. Avicenna sich auf einen höchst bedauernswürdigen Standpunkt versetzt hatten, daß sie angesteckt von allen Fehlern ihres Zeitalters die Kunst ihrer Würde beraubt hatten; man vergeße nicht, daß er das Wahre vom Falschen wohl zu unterscheiden wußte, indem er von Hippokrates mit großer Hochachtung sprach; daß er von den Aerzten seiner Zeit aufs heftigste verfolgt u. auf das höchste gereizt worden war. Die Verfolgungen, die über ihn ergiengen, erstreckten sich sogar so weit, daß man häufig den Druck seiner Schriften zu verhindern suchte. Nur äußerst wenige derselben sind daher zu seinen Lebzeiten erschienen. Es ist also begreiflich, mit welchen Schwierigkeiten es verbunden seyn müsse, über die Aechtheit des in denselben Enthaltenen ein entscheidendes Urtheil zu fällen, da der größte Theil derselben erst nach seinem Tode erschienen sind. Wie viel ist da nicht bona u. mala voluntate hineingeschoben worden. Wissen wir doch, wie es überhaupt in solchen Fällen zu gehen pflegt. Huser, welcher sie zuerst gesammelt

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13) Diese Sprache findet man nicht allein grob, sondern sie dient auch als Haupt-Argument gegen das Verdienstliche seines Treibens. Man bedenke aber, so sprach er vor dreihundert Jahren. Ich habe im Ausgange des philosophischen Jahrhunderts (1795) auf einer berühmten Universität einen Professor der Philosophie in einem öffentlichen Collegio sagen gehört: „Kant ich will dir ein Dorn, Kantianer ich will euch ein Stachel seyn, auf daß niemand von euch bleibe, der an die Wand pisse!“.— Dergleichen Auswüchse u. Verirrungen erhitzter Phantasie giebt es wohl immer! —
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hat, bemerkt daher schon: „Weil gemeldeter P. bei seinem Leben aus vieler Verhinderung, auch wegen vielfältigen Reisen seine Scripta nicht hat publiciren können, sondern dieselben hin u. wieder zerstreut hinter sich gelassen, sind dieselben von etlichen Liebhabern der spagyrischen Arznei eines Theils hin u. wieder zusammen gebracht, u. Andern dieselbigen in Druck zu verfertigen gegeben worden, welche aus Unfleiß, zum Theil auch aus Neid, die hochnützlichen Scripta des hochbegabten, theuren P. nicht allein gar mendose drucken lassen, sondern auch an vielen Orten gar verkehrt, ganze Folia u. Periodos ausgelassen haben.“ Ich möchte dabey nicht unerwähnt lassen: wie viel mehr noch mögen sie ihres Eigenen hinzugesetzt haben. Wie oft kann also wohl der Fall eintreten, daß man etwas für Theophrastischen Unsinn erklärt, woran dieser gar keinen Theil hat, indem das Mscpt immer vorher durch viele Hände gegangen u. dadurch auf mannichfaltige Weise verändert u. entstellt worden seyn mag. Denn die Werke von P. sind nicht aus Schriftstellerei, Ruhmsucht oder ehrgeizigen Triebfedern entstanden. Er schrieb am häufigsten für seine Freunde, nicht für das große Publikum, wie man dies z. B. aus dem Buche de generatione animalium sieht, welches er mit folgenden Worten seinem Freunde widmet.

„Derohalben 14), lieber vertrauter Freund und Bruder, dieweil ich dir allein dies Büchlein geschrieben habe und sonst keinem Andern, bitt’ ich dich, du wollest solches bei Dir als ein liebes Kleinod verborgen behalten und bis an den Tod von Dir nicht kommen lassen, und solches auch vor Deinem Tod in gleicher Gestalt Deinen Erben und Kindern befehlen, daß sie es auch in gleicher Weiß wie Du verborgen halten. Darum will ich sie insonderheit gebeten haben, auf daß es allein unter Deinem Geschlecht bleibe und zu keiner Zeit also gemein werde, daß es in die Hände der Sophisten und Spötter komme, die dann
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alles, was nicht mit ihnen stimmt, verachten, und auf das höchste calumniiren. Sie sind aller Weißheit seind, darum achten sie alle gering; sie ist ihnen eine Thorheit, sie nüzt ihnen nichts, sie wissen sie nicht zu gebrauchen.“

Auch hakte P. die Gewohnheit, manches zu diktiren, vielleicht von Manchem wohl gar nur den Entwurf, dessen Ausführung er seinen Schülern überliess. Die Zahl dieser Schriften war ungemein groß. Sie wurden auch sehr geachtet. Es sagt von denselben Alexander Perseus sogar: „Es sey seines Gleichen nie geberen, u. werde nimmer der rechte Grund genugsamlich erfunden werden, seine allerklügsten Sentenzen u. Declamationen zu verstehen.“ Der grosse Baco rühmt vorzüglich sein Bestreben auf dem Wege der Erfahrung die Wahrheit zu erforschen. Die Achtung, mit welcher seine Schriften aufgenommen wurden, beweist auch die Danksagung der Stände des Erzherzogthums Kärnthen, mit 14 Siegeln bekräftigt, wegen Zueignung einiger Schriften: „Wir sagen euch deßhalb, u. sonderlich wegen der grossen Mühe u. Fleisses, welche zur Verhütung schwerer Krankheiten vieler Menschen u. Erlangung ihrer Gesundheit zu grossem Nutz u. Stätten kommen möge, u. besonders wegen der Verehrung, die ihr der gemeinen Landschaft hierin bewiesen, gar freundlich u. fleißig Dank.“

 Was freylich den Styl seiner Schriften angeht, so ist dieser von dem Vorwurf der Rohheit, Verworrenheit u. Weitschweifigkeit keinesweges freizusprechen, wiewohl öfters eine kräftige u. natürliche Herzlichkeit jene Mängel in reichlichem Maaße ersezt. Vieles trägt hiezu auch die Uncultur der deutschen Sprache selbst zu jenen Zeiten bei; daher bei dem Abstande mehrerer Jahrhunderte uns manches anstößig seyn muß, was es den Zeitgenossen des Schriftstellers nicht war. Eben so liegt auch in der Neuheit der darzustellenden Ideen ein Grund, aus welchem die Härte der Schreibart sich erklären läßt. Er sagt darüber selbst: „Möchte der Styl etwas schwer scheinen,

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14) Vorrede zu den Büchern de generatione naturalium.
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auch die Nahmen u. Wörter, auch die Ordnung der Recepten, so geschicht’s doch nicht aus Verblendung oder Verklügung, also ist dir Ordnung der Arznei.“

 Eine derbe Sprache führte P. Derb im Ausdrucke waren aber alle die kräftigen Männer, die jenes Jahrhundert verherrlichen. Eine derbe Sprache führte auch Luther, wer wird ihn deshalb der Grobheit zeihen? Eine derbe Sprache führten nicht selten verdiente Gelehrte selbst in spätern Zeiten 15).

 Und was möchte nach 300 Jahren von unsrer verfeinerten Sprache der Naturphilosophischen Aerzte für ein Urtheil gefällt werden, die in feinen Worten den gröbsten Unsinn hüllen? Exempli gratia, wenn man von ihnen folgende Weisheit hört: „Ursprünglich sind Instinct u. Vernunft nicht von einander verschieden. Vernunft ist nur der Instinct im menschlichen Leibe; Gott aber ist die Vernunft in der Welt. Eine menschliche Vernunft, welche wieder Instinct wird, tritt in die physische oder göttliche Welt zurück, woher sie gekommen u. diese Welt ist ihr Leib.“

„Das Gehörorgan ist der unmittelbare Leib der allgemeinen Klangseele in der Natur u. der Klang der starken Körper offenbart das denselben eingeborne Uebersinnliche u. Geistige.“
 „Sehne u. Bogen find dieselben Linien, aber sie sind in der Geschlechtsdifferenz befangen. Die Sehne ist dasselbe unter weiblicher Form, was der Bogen unter männlicher. Die Sehne mit dem Bogen ist die natürliche Hyeroglyphe der Begattung oder vielmehr der Ehe.“
 „Da das Fünfeck ein unvollkommenes Sechseck ist, so ist das Fünfeck mit dem Dreyecke aus seinen verlängerten Sehnen Hieroglyphe des unvollkommenen Gebärens d. h. Pflanze. Also ist Viereck Mineral, Fünfeck Pflanze, Sechseck Thier.“
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15) Man vgl. die mit Heftigkeit u. der äußersten Derbheit geführten Streitigkeiten von Ludolf u. Mangold, Pott u. Justi u. so vieler andern.
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„Licht ist eine Einheit aus Finsterniß u. Licht unter der Potenz des Lichts.“
 „Schlaf ist die aus den Holen in die Null zusammengezogene Existenz.“
 „Die Laus ist die Ausdünstung des menschlichen Körpers in der dritten Potenz.“

Das Verständniß der Paracelsischen Schriften wird dadurch noch sehr erschwert, daß er theils bekannten Worten einen ungewöhnlichen Sinn beilegt, theils neue auf eine besondre Art componirt; so heißt bei ihm das Wesen eines Dings Astrum, die Kraft eines Dinges Essatum, die Grundanfänge derselben Ares, Hech, Ileus, Ileadus. Sind Liese neuen Worte aber weniger dunkel als die potentialitas, haecceitas, esseitas u. dgl. der damaligen oder die Spontanäität, Ding an sich, Nicht-Ich u. dgl. m. der neuesten Philosophie?

 Wenn gleich die Formlosigkeit der Darstellung unläugbar ein Hinderniß zur Verständlichkeit dieser Schriften darbietet, so ist dieses doch gering gegen den Inhalt u. Die Materie des Dargestellten selbst. Bey so vielen großen Gedanken u. herrlichen Ideen, welche deutlich dargestellt find, möchte man sich über das, wovon das Verständniß schwerer ist, mit Socrates beruhigen, der von einem Werke Heraklits gesagt haben soll: „wo ich’s verstanden habe, ist es sehr vortrefflich, ich vermuthe, es wird so seyn, wo ichs nicht verstandest habe“. Ueberhaupt kann man das System des P. als einen vollkommenen u. starken Gegensatz der damaligen Medicin u. Philosophie, ja des ganzen Zeitalters ansehen u. in dieser Vergleichung seine wahre Gestalt am besten erkennen. Die Philosophie seiner Zeit war durch das seelenlose Nachbeten der Aristotelischen Formeln gänzlich in die Region der Begriffe u. Definitionen, in Seichtheit herabgezogen. Die Medicin befand sich auf einem noch tiefern Standpunkt. Man beschränkte sich einzig auf das Commentiren der Galenischen oder Hippokratischen Lehrsätze. P. Streben ging

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darauf, die göttliche Abkunft der Philosophie zu beweisen u. die Medicin aus der Flachheit erlernter Meinungen zur Wissenschaftlichkeit, aus einer blos oberflächlichen u. einseitigen Betrachtung des Wesens vom Organismus zu einer höhern u. Universelleren zu erheben, die Aerzte selbst aber aus dem beschränkten Kreise ihres gewöhnlichen Handelns zur Kunstansicht zu führen. So sehr diese Tendenz sich in feinen Werken offenbart, so würde man doch zu viel behaupten, wenn man annehmen wollte, daß ihm dieses ganz gelungen sey; immer wird ihm indeß das Verdienst bleiben, zu einer Zeit, da die meisten Gelehrten in einer niedern Verstandes-Sphäre befangen waren, einen höhern Standpunkt errungen zu haben.

„Daß sie mit verargen, daß ich anderst schreibe, sagt er 16), dann was ihre Schriften enthalten, geschieht nicht aus meinem, sondern ihrem Unverstand. Denn ich, wie meine Schrifften beweisen, gebe nichts außerhalb dem Grund, sondern aus der Wurzel selbst, u. zur rechten Meyenzeit drücke ich die Sprößlein der Wahrheit aus. Daß sie aber über eine solche wohlzeitige Schrift brumlen, geschieht nicht aus kleinen Ursachen. Denn Niemand schreit dann der verwundet wird; niemand wird verwundet, dann der empfindlich ist; niemand ist empfindlich, dann der zergänglich ist, u. nicht bleiblich. Sie, dieselbigen schreien, denn ihre Kunst ist zerbrüchlich u. tödtlich. Nun schreiet nichts, dann was tödtlich ist; also sind sie tödtlich, darum schreien sie wider mich. Die Kunst der Arznei schreiet nicht wider mich, denn sie ist untödtlich, u. dermaßen auf einen untödtlichen Grund gesezt, daß Himmel u. Erden müssen zerbrechen, ehe die Arznei stürbe. Dieweil mich die Arznei ruhen läßt, was soll mich dann bewegen das Geschrei der tödtlichen Aerzte, die allein darum schreien, weil ich sie werf’ u. verwunde. Das ist ein Anzeichen, daß sie selbst in der Arznei krank liegen. Dieselbige Krankheit ist Schuld an dem Kampf wider mich, indem sie sich nicht gern lassen entdecken noch offenbaren. Denn sie brumlen am Mehrsten in dem, da ich berühre den Puls, wo er schlagt, u. begehren mehr zu beschirmen ihren Abgang, dann zu
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16) Vorrede in das Buch Paragranum.
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Verfechten was den Kranken betrifft, Kunst, Gelehrtheit, Erfahrenheit, Frömmigkeit, darin ich meines Schreibens Grund u. Ursach suche. Und sie spalten ihr Verantworten u. brechen ihren Grund wider mich, also daß ein jeglicher einen andern Grund führt, so doch in der Arznei ein Grund ist, nicht gespalten. Aber die Ursach solches Spaltens ist die, weil sie aus den Fragmenten gewachsen sind. Darum: Du Doctor verantworte das, Du Baccalaureus das, Du Bader das Uebrige.“
 „Bacchanten muß ich sie heißen, weil sie widerstreben den rechten Grund der Natur u. mit ihren Syrupen u. Pillen alle arcana überschreien. Nicht ich, sondern sie verrathen sich selbst, indem sie mit solchem Schreien dir Auditores überthören, daß diese von arcanis u. mysteriis der Natur nicht horchen wollen: so müssen sie also ersaufen in den decoctionibus u. mixturis der Aerzte.“
 „Dieweil das Geschrei über mich gehet 17), ich sey der da in die Arznei falle, u. nicht zur rechten Thür hineinsteige, wie sich gebührt, so will ich mich Leser gegen Dick verantworten, u. das also: Saget mir, welches ist zur rechten Thür hinein gegangen in die Arznei? Durch den Avicennam. Galenum, Mesue, Rhasim etc. oder durch das Licht der Natur? Denn da find zwei Eingänge; der Eine Eingang ist in den bemeldeten Büchern, der andere Eingang ist in der Natur. Ob es Nun nicht billig sey, daß da ein Aufsehen gehalten werde, welche Thür der Eingang sey, welche nicht? Nämlich das ist die rechte Thür, welche das Licht der Natur ist, das Andere heißt oben zum Dach hinein gestiegen, denn sie stimmen nicht zusammen. Anderst sind die Codices scribentium, anderst Lumen naturae.“
 „Die so zerbrochene Künste können 18) zweifelhaftig sind u. nichts tröstliches oder gewisses wissen, die sollen sich nicht berühmen ihr Erbtheil von Gott zu haben, sondern wie Bankharte essen sie ihres Vaters Brod im Freien, mit Schmach, Verachtung, Gnade u. Gunst.“

Die philosophischen Grundsätze des Theophrastus erhellen aus Folgendem:

 „Es sind zwei Weißheit in dieser Welt 19), eine Ewige u. eine Tödtliche; die ewige entspringt ohne Mittel aus dem Licht
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17) Vorrede in Labyrinthum medicorum.
18) Vom Grund der Weisheit; anderer Tractat.
19) Vorrede in Philosophiam sagacem.
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der Natur. Die aus dein Licht der Natur hat nur Eine species an sich, das ist die gerechte, unbreßhafte Weißheit. Die aus dem Licht der Natur hat zwei species an sich: die gute u. böse Weißheit; die Gute hangt sich an das Ewige, die Böse an das Verdammliche.“

 „Wir sollen in den tödtlichen Schulmeister nicht so viel setzen, wie in den Untödtlichen. Denn der tödtliche Schulmeister ist nichts Anderm zu vergleichen als wenn Du nimmst ein Tuch, u. netzest es im Wasser. Das Tuch ist naß, sieht dein Wasser gleich, Wasser ist da. Wer ist aber, der daraus trinken möge, als allein die Zunge ein wenig zu kühlen. Wie also der Brünnen der ist, der den Menschen tränket, u. das Tuch nichts also haben wirs von Engeln, u. nicht von Tödtlichen, welche nur an der Bleiche ein wenig genetzt worden sind. Wen wollen sie tränken, da sie selbst nichts haben 20)?“
 „Der Mensch soll sich verwundern, daß er hündisch ist u. nicht, daß der Hund menschlich ist. Also soll man reden: Der Hund ist wie ein Hund in seiner thierischen Vernunft seyn soll, der Mensch der auch so ist, ist hündisch, denn er gebraucht hündische Vernunft u. zu schlagen, der Hund nicht menschliche Vernunft, sondern thierische. Denn das ist irrig geredet, daß man ein Thier menschlich nennt, das ist hinter sich genommen. — Der Vogel ist nicht menschlich, sondern papagaisch, dolisch, krähisch. Der Mensch, der seine Zunge nicht mit mehr Nutzen braucht, wie ein solcher Vogel, derselbige ist papagaisch, dolisch, krähisch, kann nichts dann schwätzen, klappern u. weiter ist kein Saft in ihm. Darum ist reden u. schwätzen thierisch, papagaisch, elsterisch, spechtisch u. nicht menschlich. Die Kraft der Worte aber, die soll menschlich seyn. — So die Hunde mit einander uneins werden, sich einander beißen aus Geitz, daß der Eine alles allein haben u. fressen will, dem Andern nichts lassen, so ist das thierisch. Auch dem Menschen hänget an solcher Neid u. Untreu, mißgünstige Art, daß einer dem andern nichts lassen will, sondern alles allein in sich selbst essen. Dermaßen wie sie einander um eine Hündinn beißen, also ist Buhlerei eine hündische Arbeit, denn solche Dinge sind alle bei den Thieren auszulesen, u. wie in ihnen, also auch im Menschen. — Woher nimmt der Mensch seine Kunst, daß er kochen kann, u. viel seltsame Dingt in der Küche bereiten? Aus thierischem Verstand. — Aber alle
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20) Von den Podagrischen Krankheiten. Erstes Buch.
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diese Dinge müssen hinweg von dem Menschen, daß weder Fuchslistigkeit, Wolfsraub, noch Schaafsmilde etc. erschein auf Erden, denn die sind tödtlich, u. wer darin lebt u. sich selbst wohlgefällt, derselbige lebt tödtlich, u. verzehrt seine Zeit in tödtlichen Dingen u. nichts wird vor Gott erscheinen in seinem Reich 21).“
 „Können wir erforschen u. ergründen, wozu die Wolle an den Schafen gut sey, u. die Börsten auf dem Rücken der Schweine, u. können wir ein jegliches Ding dahin bringen, wohin es gehört, die roheren Speisen kochen, wie sie dem Munde wohlschmecken, welches alles nur dem Leib zu zärtlen dienet, Noch viel mehr sollen wir nachforschen dem, was nicht dem Leibe, sondern dem Ewigen dienstlich ist 22).“

Alle Gelehrsamkeit, die blos ein erlerntes, unlebendiges Wissen ohne Wahrheit des Sinnes u. Ergebung des Gemüths zur Schau tragt, war ihm gänzlich zuwider:

„Dieweil die Menschen solcher Art sind, so wisset, daß man die Kinder von Jugend auf mit Fleiß lehret in den Schulen. Aus solchem Fleiß werden auch gelehrte Leute, aber nicht von oben herab, sondern in thierischer Natur, wie die Elster schwatzen lehret, der Hund durch den Reif springt, u. dergl. — Sie werden gelehrt u. witzig aus dem großen Fleiß, den sie haben, aber sie bleiben in der thierischen Natur, in derselben übertreffen sie sich einander, wie ein Bauernhund den Jagdhund, der Schießhund einen andern. Also sizt einer im Hof, der andere im Dorf, der dritte in des Fürsten Hof; das ist der Fuchs Herodes u. sein Hofgesind. Der eine ist wild, der andere heimisch, der eine wohl, der ändert übel gezogen 23).“
 „Es ist ein schön Ding um eine Rose, aber sie muß ein ganz Jahr haben, bis sie zum Gesträuch kommt, zur Dolde, zur Blume. Also auch andere Dinge. Der das Gesträuch will für eine Rose achten, der hätte keine Rosen, kennete sie nicht; der die Knospe wollte für eine Rose halten u. abbrechen, was hat er? Der aber die Zeit erwartet, bis die Natur auszeucht u. auf ihren Termin erwächst, der hat eine Rose. So die Natur also
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21) Von Fundament der Weisheit. Dritter Tractat.
22) Vorrede in die Bücher morborum invisibilium.
23) Liber Philosophiae de inventione Artium.
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handelt, wie viel mehr auch das Himmlische übet der Natur. Darum soll keiner vor der Zeit sich etwas berühmen, sondern die Zeit ermessen. Nichts ist aber was vor derselbigen zeitig werde. Der die Zeit nicht erkennt, der giebt ein Irrer u. Verführer, bricht ab, was nicht zeitig ist, nimmt was ihm nicht befohlen 24).“
 „Wahrheit soll man schreiben u. setzen u. wo man zweifelt auch den Grund nicht weiß, das Schreiben unterlassen. Nicht daß das allein in der Arznei geschähe, sondern auch in Chroniken, in Historien u. in allen andern Büchern. Also kommen die Lügen unter die Leute, die da Mehr lieb haben die Finsterniß dann das Licht. Also will ich euch, die ihr schreibet, eitlen Bericht geben. Die Geschrift sagt: der Buchstab tobtet, der Geist macht lebendig. Nun Merket unter den Zweyen, was der Buchstab, u. was der Geist sey. Das ist der Geist, der allein die Wahrheit in sich hat. Einer der da allein schreibt was die Wahrheit ist, der schreibt nicht einen Buchstaben, sondern die Wahrheit, die der Geist ist, der doch an sich selbst nicht sichtbar ist, sondern geschrieben werden Muß, oder durch die Stimm an uns gelangen. Das aber ist der Buchstaben, welcher schreibt was Nicht die Wahrheit ist. So Nun einer schreibt was nicht Wahrheit ist, so schreibt er Lügen. Aus dem folgt daß der Buchstabe tödtet, d. i. der erlogne Buchstabe. Darum einer der da schreiben will, befleißige sich in der Wahrheit zu bleiben, damit er Niemand tödtet 25).“

 Er hielt es für ungeschickt, das Ansehen des Alters oder andere Verhältnisse im gleiche des Wissenschaftlichen geltend zu Machen; der Meister, wollte er, müsse sich freuen vom Schüler übertroffen zu werden:

„Was ist höheres und löblicheres an einem auditore vnd discipulo, denn daß er in einer weichen Schaale liege, die da nicht erhärte, bis er seiner Disciplin gewachsene Flügel erlangt habe und alsdann den Ruthen entrinne? Ehrlich und löblich ist es dann solchen, daß sie die Alten aus den Nestern stoßen. Denn Kunst u. Weißheit, Zucht u. Liebe sollen alle Stund erhoben werden über ihre Meister u. aufwachsen
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24) Philosophia sagax. L. II.
25) Vorrede in den andern Tractat der Wundarznei.
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wie eine junge Buche, die durch ihr Aufwachsen den alten Buchen ihr Lob nimmt 26).“

In Beziehung auf die Medicin selbst besteht ein besonderes Verdienst unsers P. darin, daß er sie gleichsam in eine höhere Region des Geistes versezte, u. sie dadurch, daß er von ihrer bürgerlichen Lage im Staate gänzlich abstrahirte, mit einem reineren Gehalt begabte.

„Das Höchste so wir Aerzte an uns haben ist die Kunst, nachfolgend das dem gleich ist, ist die Liebe, deren zweyen Beschluß ist die Hofnung. So nun das Höchste bei uns die Kunst ist, so besteht derselbige Theil in den hohen Dingen, nämlich in der Gewalt von oben herab, nachfolgend in unserer Erfahrenheit, u. zulezt in der erfahrnen Anweisung. Jedoch liegt das Hauptstück in der Erfahrenheit der Kunst. Gleicherweiß ist es mit der Liebe, die auch in den hohen Dingen mit begriffen wird, d. i. daß wir tuest Gewalt aus der Liebe Gottes empfangen, zum andern daß wir’s in derselbigen Liebe wiederum austheilen. Denn aus ihm ist sie da, also durch uns soll sie gegen den Dürftigen gehen; zum dritten, daß wir dieselbige in solcher Liebe brauchen, als betreffe es uns selbst. Der höchste Grund der Arznei ist die Liebe, denn in welchem Maaß die Liebe ist, dermaßen wird auch das Wetter über uns gehen, d. i. ist unsre Liebe groß, so werden wir große Frucht in der Arznei dadurch schaffen; wird sie preßhaftig seyn, so werden unsere Früchte mangelhaft gefunden. Denn die Liebe ist die die Kunst lehrt, u. außer derselbigen wird kein Arzt gebohren. Also stehet auch die Hofnung in den hohen erfahrnen Dingen, d. i. daß wir in unsere Kunst vertrauen sollen u. eine Hofnung haben, daß sie nicht fehlen werde. So wir aber in der Hofnung fehlen, so fehlen unsre Früchte, Ursach: wo die Hofnung nicht ist, ist gut wissen, daß derselbige nichts kann. Denn der allein hofft, der es nicht weiß, hofft nicht, sondern zweifelt; der es weiß u. hofft, der fehlt nicht u. zweifelt auch nicht. — Also ihr Aerzte, was ist uns nütze der Nahm, der Titel, die hohe Schul, so wir nicht die Kunst auch haben. Die Kunst macht den Arzt, nicht der Nahme, noch die Schul. Was ist uns nütz, daß wir groß Ansehn u. großen Pomp führen, so wir die Kunst nicht kennen? Was ists, daß wir groß geachtet werden bei Für-
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26) Der erste Grund der Arznei, welcher ist Philosophia.
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sten, Herren, Städten, Ländern, daß man uns große Dignität, Ehre u. Zucht erbeut, so es kommt in die Stunde der Noth, da wir sollen die beschehene Ehre ehrbittig bezahlen, so wir die Kunst nicht haben? Welche ziert die Ehre, der Talar, anderst als diejenigen, die da mit ihrer Kunst solches verantworten können? 27)
 „Die Kunst läßt sich nicht ererben, noch aus Büchern abmahlen, sondern sie muß etliche Mahl gegessen, ruminirt u. masticirt werden 28).“
 „So die Arznei eine Kunst ist, so ist sie nicht ein Experiment. Die Kunst probiert sich selber u. ist gerecht. Das Experiment ist fallax, darum ist’s keine Kunst 29).“
 „Darum ist mein Fürnehmen, daß sich kein Arzt behelfe des Spruchs: experimentum fallax, sondern scientiam suche; so ist es nicht fallax, auch nicht den Spruch halte: judicium difficile, welches eben so wohl mißredet ist. In dieser Zeit soll es nicht also seyn; wiewohl der Spruch bei ihm selbst so gewesen ist. Denn Hippocrates giebt zu verstehen, daß ihm das Judicium schwer gewesen, u. andern noch viel mehr. Sehet ein jeglich Werk an, das von der Hand gemacht wird, wie z. B. ein Bild. Ein jeglicher mag ein Bild machen, der nur Holz u. Eisen hat. Was ist aber das? Einer macht experimentaliter, so mag ein Engel ein Teufel werden, der andere cum scientia, so wird es, was es werden soll. Versuchen u. mir Wissen handeln oder thun ist zweierlei. Das sollen wir aber wissen, daß der Arzt dahin kommen muß u. soll, daß judicium non difficile, experimentum nicht fallax sey, das mögen wir erlangen durch scientia. Ein todter Buchstab solt Nichts; so soll auch kein Experiment ohne scientia 30).“

Die Medicin, nach der Idee des P., hatte überhaupt einen höhern Ursprung:

„Das höchste u. erste Buch der Arznei heißt sapientia, ohne dieses Buch wird keiner etwas fruchtbares ausrichten. Und das ist sapientia, daß einer wisse, nicht wähne. — Zu gleicherweise wie die Sonn auf uns scheint, also müssen auch die Künste von oben herab auf uns scheinen.
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27) Vorrede zum Spitalbuch.
28) Vorrede in das andere Buch der großen Wundarznei.
29) De Peste in addition. L. I.
30) Vorrede zum dritten Buche der großen Wundarznei.
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Denn was ist Weißheit? als allein die Kunst, daß ein jeglicher sein donum, sein officium wisse u. kenne. Und das mögen wir so wenig aus uns selber haben, als wenig wir Tag u. Nacht, Sommer u. Winter haben mögen, Sie thun nichts als Lernen, u. mögen doch nicht kommen auf die Kunst der Wahrheit 31).“
 „Die Arznei ist getrennt in zwei Theile, in den Weg des natürlichen Lichts, u. in die fragmenta, welche als Brosamen vom Tisch hinabfallen. Der nach dem Weg der Natur handelt, überfleußt in beiden Philosophien des Himmels auch der Erde. Mit was grosser scientia dieser begabt ist, ist leichtlich zu erkennen, so daß ihm weder Leben, Gesundheit, Krankheit noch Tod verborgen ist. Wie mißlich es aber um den andern Theil der Arznei steht, vernimm also: Sie haben Experimente, mangeln aber der Krankheit, so ihren Experimenten dienstlich ist, d. i. sie vermeinen Kunst zu haben, hätten sie nur auch gereimte Krankheiten dazu 32).“
 „Saget ihr: es ist genug an den Büchern, die wir haben, so fehlet ihr im Grunde der Arznei. Denn neue Zeit bringt neue Bücher u. tilgt die alten ab. Das ist der Fehler den ihr habt, daß ihr die Natur m ihrem Licht nicht erkennet, u. den Ursprung aus der Natur suchet, nicht aus den todten Buchstaben die längst verzehrt sind. So studiert ihr im Schatten, seyd Schattenärzte 33).“

Die Medicin beruhte nach seiner Vorstellungsart auf vier Säulen, der Philosophie, Astronomie, Alchemie u. der Tugend. (S. hierüber das ganze Paragranum u. die Vorrede zu demselben.)

„Auf den vieren, sagt er, will ich fußen, eines jeglichen. Gegentheil erwarten, u. Acht haben, ob außerhalb der vieren ein Arzt gegen mich aufstehen wird. Diese sind der Arzt, der Mensch nicht; sie sind Erkenntniß der Krankheit, sie sind Zeichen, sie sind die Arznei, in ihnen liegt der Arzt, hierin des Kranken Trost u. Hofnung. — Was ist das Erste der Arznei? Daß der Arzt wisse das, so vor dem Manschen gewesen ist dasselbige ist Philosophia; sie tractirt nichts nach dem Menschen, sondern was vor dem Menschen. Es werden sonach zwei Philosophie gebildet, der Dinge der untern Sphär, u. der Dinge der
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31) Labyrinthus medicorum. Erstes Capitel.
32) De Peste L. I.
33) Fragmente zur großen Wundarznei.
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obern Sphär. Also kann ich sagen, daß die Philosophie zweierlei sey, also auch zweierlei Eingang der Arznei. Ein jeglicher Theil ist für sich selbst zweifach; denn jedwede Sphär hat zwei Element. Darum ist der Astronomus der Philosophus des Himmels u. der Luft, u. was der Astronomus weiß, soll auch der Philosophus wissen, u. hingegen Astronomus Philosophiam. Sie heißen beide Philosophi, auch beide Astronomi; jedweder ist ein Astronomus, jedweder ein Philosophus. Der Eine braucht die astra in der untern Sphär, der Andere die mineralis in der obern Sphär; also ist minera u. astrum Ein Ding. — So nun der Arzt aus der Natur wachsen soll, was ist die Natur anderst, dann die Philosophie? Was ist Philosophie anderst, dann die unsichtbare Natur? Einer der die Sonne u. den Mond erkennt u. weiß mit zugethanen Augen, wie die Sonne u. der Mond ist, der hat Sonne u. Mond in sich, wie sie im Himmel u. am Firmament stehen. Das nun ist die Philosophie, daß sie im Menschen wie außerhalb unbegreiflich steht, wie einer, der sich selbst im Spiegel sieht. — Einer der da will ein Philosophus seyn, u. darin kein Falsch legen, der muß den Grund der Philosophie dermaßen setzen, daß er Himmel u. Erde in Einen Microcosmum mache, u. nicht um ein Härlein fehlschieße. Also auch einer der da will aus dem Grund der Arznei schreiben, der muß auch nicht um ein Härlein fehlen anderst, dann daß er aus dem Microcosmo den Lauf der Himmel u. der Erden mache. Also daß der Philosophus nichts anderst findet im Himmel u. in der Erden, dann was er im Menschen auch findet, u. daß der Arzt nichts findet im Menschen, dann was Himmel u. Erde auch haben. — Die Natur ist der Arzt, du nicht. Aus ihr mußt du, nicht aus dir. Sie sezt zusammen, du nicht. Sie hat die Arcana gewaltig gesezt u. zusammen componiert, was da zusammen gehört. Lernet, daß ihr sie verstehet u. wisset, nicht daß ihr euch selber verstanden habt, u. die Natur nicht. — Du mußt dich anderst einrichten, dann wie die Humoralisten angefangen haben, die im Koch der Humoren ersäufen wollen, deren Weißheit auf nichts anders gerichtet ist, dann zu purgieren, clystieren etc. Die Humores müssen hintangelegt werden, u. die Eigenschaften der Elemente herfürgenommen u. in denselbigen gesucht was Gebrechen sey. Diese werden dich nichts lehren von den Humoribus, sondern dich in den wahrhaften Grund der Arznei führen, in welchem du bisher irre gehest, u. betrüglich fürfahrest in allen deinen
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Krankheiten. — Ihr sollt euch dermaßen in Wissenheit richten, daß ihr kennet den Ursprung des Glücks oder Unglücks, so ihr das nicht könnt, so stehet von der Arznei ab. Denn den Kranken todten, ist nicht ein Unglück, den Kranken gesund Machen ist auch kein Glück. Es ist das Ende, nach welchem ein jeglicher kommen kann, welches ein jeglicher sucht. Denn das Ende bewährt, wer im Glück oder Unglück wandelt, im Wissen oder im Unwissen.

Ein Alchemist ist dem P. derjenige, welcher das, was aus der Natur dem Menschen zu Nuz wachst, dahin bringt, wohin es von der Natur verordnet wird. In diesem Sinne beschreibt er die Alchemie als die dritte Säule der Medicin:

„Nicht wie die wähnen, welche sagen: Alchimia mache Gold, mache Silber; das Fürnehmen ist einzig: mache arcana, u. richte dieselbigen gegen die Krankheiten. Da muß es hinaus, das ist der Grund. Denn alle diese Dinge gehen aus Anweisung der Natur, u. ihrer Bewährung vor sich. So wollen die Natur u. der Mensch in Gesundheit u. in Krankheiten zusammengefügt, gebracht, u. verglichen werden. Hierin liegt der Weg der Heilung u. der Gesundmachung. Solches alles bringt zu Ende die Alchymie, ohne welche diese Dinge nicht geschehen mögen. Alle arcana sind also Arzneien, u. alle Arzneien arcana. — Meinet ihr, daß ich Unbillig meinen Grund in die Kunst Alchimiam setze, die mir anzeigt, was da wahr ist, u. was ihr nicht zu probieren wisset. Soll es nicht gut seyn, eine Kunst zu probieren u. an den Tag zu bringen? Soll sie nicht billig der Grund der Arznei seyn, da sie das Wissen eines Arztes probiert, zeigt u. bewährt? Was gedünket euch, daß ein Urtheil einem Arzt nuz sey, wenn er spricht: „Es schreibt Mesue, Rhasis, Plinius, Dioscorides, Macer, von der verbena, sie sey dazu u. dazu gut.“ Das aber, was du redest, kannst du nicht probieren, daß es wahr sey. Was gedünket dir von einem solchen Urtheil? Urtheile selbst, ob das nicht mehr sey, der da weiß zu probiren, daß das wahr sey, was drinnen ist. Das kannst du aber nicht ohne die Alchimia. Und wann du schon noch so viel liesest u. wissest, so ist dein Wissen kein Wissen.“

Von der vierten Säule od. proprietas des Arztes sagten „Ob ich nicht mit Recht verlange die Redlichkeit eines Arztes u. sie einen Grund, eine Säule der Arznei seyn lasse?

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Was ist aber des Arztes Redlichkeit? Ja, Ja, Nein, Nein. Das ist seine Redlichkeit, darauf soll er gründen. So nun Ja soll Ja seyn, so muß er dermaßen die Arznei im rechten Grunde wissen, daß das Ja ein Ja sey u. werde; also soll auch Nein das Nein seyn. Darum soll er wissen, was das Nein der Arznei sey, woraus folgt, daß die Redlichkeit des Arztes auf der Wissenheit der Kunst stehet, welche Wissenheit gehet u. kommt aus dem gemeldeten angezeigten Grund, außerhalb sich keiner mag redlich heißen oder melden in der Arznei. — Nicht die Leichtfertigkeit will Gott mit der Arznei begaben, sondern er will, daß sie geschehe durch die Wahrhaftigen. Denn da er die Kunst geschaffen u. gegeben hat dem Menschen zu Nuz, welches Niemand widersprechen kann, so muß sit allein in der Wahrheit stehen, u. in gewisser Wahrheit, nicht in zweifelhafter Kunst, sondern in gewisser Kunst.“

 Er war ein entschiedener Gegner der Meinungen der arabischen u. griechischen Aerzte.

„Es ist die größte Verführung, die zu meiner Zeit umläuft, daß viele nichts anderst wissen, als ein wenig der Sprach Graecorum. So nun einige Bücher bei den Griechischen angefangen haben, vermeinen sie, dieweil die Sprach die Bücher regiere, so regiere sie auch die Kranken. So lernen sie die griechischen Bücher lesen, u. so sie dieselbigen auslernen, so können sie nichts 34).“
 „In der Arznei stehet ein ofnes Thor, dadurch mögen eingehen die Griechen, die Arabischen, Chaldäischen, Barbarische, Teutsche, Welsche, gute u. böse, ehrliche u. unehrliche, u. was vor Faulheit sich nicht mehr ernähren kann. Es ist ebensowohl dem Leichtfertigen, wie dem Tapfern offen. Bisher ist vermeint worden, die Griechen seyen das Thor, da sie doch nur die sind, die zum Thor eingegangen u. unter den Tapfern wohnen. Was nun also dadurch geht, das kommt ohne Arznei nicht heraus, bringt etwas mit sich, es sey gut oder böß. Welche recht ein- u. ausgehen, die bringen der Natur Kraft mit sich, die andern das Schwätzwerk. Etwa ist auch vermeint worden, daß Mompelier das Thor der Arznei sey u. Salern, ist doch nichts von ihm gebracht worden, denn ein roth Baretlein. Etwa ist,
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34) Von den Franzosen. Das erste Buch von Imposturen.
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Avicenna vermeint worden, u. ist doch nichts aus ihnen gebracht, als die Zahl de febribus u. humoribus 35).“

Bei dieser Abneigung gegen die griechischen Aerzte zeugen doch seine vortrefflichen Commentarien zu einigen Aphorismen des Hippocrates, wie werth ihm diese erfahrungsreichen Sprüche gewesen seyen. Seine Bemerkungen zum ersten Aphorism mögen zum Beweise hiervon dienen:

„Unser Leben ist kurz gegen andre 36). Gold, Silber bleibt bis in das Ende des Feuers. Stein u. Salz dergleichen. Der Mensch aber bleibt nicht, hat den kürzesten Termin, keine bestimmte Stund, alle Tage muß er davon. Denn der Mensch überschleicht, übersieht andre Geschöpfe. — Ars longa. Die Kunst ist lang in einem Weg: es ist angefangen worden zu suchen von Anfang der Welt bis auf meine Zeit u. ist noch kein End gefunden. Die Krankheit ist schnell; die Kunst langsam, so wird der Kranke versäumt. Denn die Aerzte haben noch kein Ende der Kunst, u. was sie haben, ist so langsam, daß die Krankheit die Kunst übereilet. Dessen kann sich Hippocrates wohl beschreien, denn auch seinen Nachfolgern hängt das an. — Kunst der Arznei steht in der Philosophus, Astronomis, mia u. Physica. Nun mag Hippocrates wohl sagen, daß die Kunst lang sey, denn die vier Säulen der Arznei zu ergründen braucht es eine Zeit. Wie stiegen ohne Federn nichts soll, so soll es auch nichts in der Arznei. Die Federn aber wachsen zu lassen, braucht es eine lange Zeit, bis die Kunst perfect ist. Dem Kranken ist die Kunst lang, denn es wird ihm langsam geholfen. Kunst u. Arznei sind zweierlei; um die Hülfe u. die Krankheiten zu erkennen, ist die Kunst langsam, die Arznei aber ist schnell. Daß die Kunst langsam sey, machen die Irrgänge, welche in der Arznei sind. Als ich sagte: die Kunst sey kurz, u. das Lernen langsam, so ist wohl zu bedenken, daß das Irrgehen auch zu den Zeiten des Hippocrates gewesen sey. Darauf redet er: die Kunst ist lang, d. i. wird mehr gebraucht, als noth ist. Daß die Kunst kurz sey, beweißt die Erkenntniß, so im Arzt seyn soll. Die Kunst des Irrgangs aber ist lang, denn die Sucher sind nie an
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35) Vorrede der Bücher Berthoneä.
36) Commentaria in Aphorismos Hippocratis.
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das Ende gekommen. Was also Hippokrates in diesen Puncten gesagt hat, ist nicht ohne Ursache geschehen. Denn Suchen ist bei ihm gewesen, das donum finis ist ihm nicht gegeben worden, darum ist Hippocrates gestorben vor der Kunst. Sie ist lang, das Leben aber kurz. Wo das donum finis aber ist, da ist die Kunst für kurz, das Leben aber sang gegen die Kunst zu rechnen.“
 „Judicium difficile etc. Wenn die Zeit der Herr des Arztes ist, so ist die Arznei nicht gewiß in seiner Hand. Daraus folgt auch, daß es kein gut Urtheil werden kann. Denn in allen Hauptstücken der Kunst ist ein Zweifel, u. in keinem ein Grund. So aber die vier Säulen, wie ich gemeldet habe, in gutem Wissen sind, so ist nimmer also, sondern das Leben ist lang, die Kunst ist kurz, u. die Zeit muß sich biegen lassen u. regieren, das Experiment liegt im Kaum gebunden. So mag ein Urtheil gesprochen werden, das nicht zweiflich, mißlich oder fehl sey, so der Arzt die Gesundheit aufrichten.“

Er war ein entschiedener Gegner der Humoral-Pathologie, u. zeigt überhaupt auch in Hinsicht mancher practischen Grundsätze, die mit dieser Vorstellungsart zusammenhangen, u. welche in den neuern Zeiten häufig zur Sprache gekommen sind, ein sehr richtiges u. eindringendes Urtheil, z. B. in Rücksicht des Mißbrauchs der evacuirenden Methode.

„Ihr beschuldigt oftmahls ein Blut, es sey ungesund, darum weil es zu Boden fällt, welches aber nicht Schuld an der Ungesundheit ist, deßgleichen, daß oft ein Blut nicht färbet, trocken oder wäßrig ausfließt, — dasselbige Blut aber das euch unter die Augen fallt, liegt nicht an dem Ort wo der Schmerz ist, sondern weit hinten. — Sie haben auch hiebei kein Urtheil in Erkenntniß des Bluts; denn alles Blut so heraus kommt, ist von Stund an todt, wer will aus dem Todten den Lebendigen beurtheilen? Betrachtet einen Menschen per da gesund ist, wieder an sich ist; darnach wenn er krank, wie weit von der Gesundheit entfernt; darnach wenn er todt ist, wie so gar unkenntlich, daß Niemand deß Richter seyn kann, was er gewesen ist. Nun so ist es auch vom Blut zu verstehen, sobald es vom Leib kommt, ist es todt; wer kann nun aus dem todten Blute große Dinge urtheilen, das dazu krank gewesen ist? Dein Urtheil über daß
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Lebendige soll aus dem Lebendigen gehen. Du sagst wohl: das Blut ist faul; ja im Scherben ist es faul, im Menschen nicht 37).“
 „Der Arzt soll sich nicht berühmen mit der Vielheit der Stuhlgänge, nur mit rechtschafner Egestion, daß diese gefunden u. gegeben werde. So groß ist aber der Unverstand der Aerzte, daß sie nichts wissen von diesem Aphorismo, täglich sich sein berühmen, u. ihn nicht verstehen. Ey sagen sie: wie kann er nur krank seyn, wir haben ihn so oft purgiert, clystiert auf viele Stuhlgänge etc. Was ist das für eine Red? Eurer eignen Schand berühmet ihr euch, daß ihr es nämlich nicht verstehet 38).“
 „Ihr rathet oftmahls Ader zu schlagen, so die Krankheit im Magen liegt, zu verstehen wie Einer der etwas in einer Stadt verlohren hat, weiß daß es darinnen ist, aber nicht an welchem Ort. Diesen werdet ihr vergleicht, was der ganzen Kunst der Arznei ein Spott ist 39).“
 „Ihr sagt viel vom bösen Blut, u. euer keiner weiß, was das böse Blut sey. Ihr sagt viel u. sonst nichts als vom verstockten Blut, verbronnenen, faulen u. dgl. Es ist eine große Thorheit, daß ihr gesunden Leuten purgieren u. zu lassen rathet. Die sind gesund, die der obern u. untern Sphär widerstehen. Ihr aber heißet die Gesunde krank, u. darauf hin sollen sie arzneien, purgieren u. fassen 40).“
 „Wenn ein Arzt nichts mehr kann, so räth er ins Bad, gerade als wenn Einer Unsinnigkeit mit Tanzen vertreiben wollte 41).“

Sehr richtig bemerkt er über die Curmethode der Wassersucht:

„Das ist nicht die Cur: Ausleeren; es ist expulsio superfluitatis. Die Cur ist, daß nichts mehr wächst, daß du also eingedenk seyest der Tinctur von marte, die allein thut’s, — also durch martis essentias wirst du den Wassersüchtigen dahin bringen, daß er nimmer in die Krankheit fallen wird 42).“
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37) Gründlicher Unterricht von Aderlassen.
38) Commentarium in Aphorism. XXIII.
39) Vom Aderlassen, anderer Tractat.
40) Vom Purgieren u. Aderlassen.
41) Vom Schröpfen.
42) De Elleboro.
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So sehr das Gute u. Sinnvolle der theophrastischen Grundsätze u. Lehrmeinungen, wie dieses bisher geschehen ist, eine Auszeichnung u. Werthachtung verdient; so kann es dennoch damit nicht gemeint seyn, alle die sonderbaren, unverständlichen, grillenhaften u. phantastischen Vorstellungsarten in Schutz zu nehmen u. zu vertheidigen, welche die Schriften desselben in großer Menge darbiethen. Daher es für diesen Zweck nicht undienlich seyn möchte, auch einige Proben dieser Art hier anzuführen. So war er z. B. sehr abergläubisch, er erzählt 43), daß ihm u. seinen Schülern in denen Jahren 1632 bis 1636 in Preußen, Ungarn, Schwaben viele Sterngeschoß vorgekommen seyen, worauf Pest, Colik, Kinderpocken gefolgt seyen. — Die Distel sey ein stachelicht Kraut, zeige also mit ihrer Signatur an, daß in ihr eine verborgene Kraft verborgen sey für Stechen um die Brust u. in der Seite.

„Es geschieht oftmahl, sagt er an einem andern Orte, daß einem Menschen Beulen, Striemen oder blaue Mähler gähling am Leib ausfahren, als sey er mit Stecken geschlagen; wem dieses ohne natürliche gute Ursache geschieht, der denke nicht anderst, als es sey von einem Zauberer geschehen. — Es soll also der Arzt Achtung geben, wenn sich übernatürliche dolores zutragen, es nicht für natürlich zu erkennen, zu halten u. apothekarische Arznei dagegen brauchen. Derohalben kann der Medicus was er kennen u. wissen soll, nicht alles auf der hohen Schule lernen, sondern er muß auch zu Zeiten zu alten Weibern, Zigeunern, Schwarzkünstlern, Landfahrern, alten Bauersleuten u. dergleichen unachtsamen Leuten mehr in die Schule gehen 44).“

Man giebt P. tiefe Unwissenheit schuld, weil er seine Vorlesungen zu Basel in deutscher u. nicht, wie es damals gewöhnlich war, in lateinischer Sprache gehalten habe. Freylich war dies damals, wie ein Geschichtsforscher bemerkt, so verhaßt,

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43) De pestilitate Tract. 1.
44) Philosophia occulta.
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als eine halbe Ketzerey. Er war also der erste Professor, der in Deutschland in deutscher Sprache lehrte. Unkundig war er wohl der lateinischen nicht — aber daß er der deutschen den Vorzug bey seinen Vorträgen ertheilte, hatte wohl den Grund, weil ihm die neuen ihn belebenden Ansichten schön in deutscher Sprache schwer zu entwickeln, vollkommen deutlich zu machen wurden. Hätten sie Wohl auch in lateinischer Sprache den allgemeinen Eingang gefunden, deßen sie sich erfreuten? Stolle ist aufrichtig von jenem der lat. Sprache eingeräumten Vorzuge einzugestehen: „die Gelehrten wollten ihre Dinge als ein Heiligthum für sich behalten u. die Ungelehrten als Profane davon ausgeschlossen wissen, welchem allem das Vortragen u. Schreiben grade entgegen lief,“ Das lag aber grade nicht im Plane von P. Wahrlich nur in dem Hergebrachten liegt es wohl, daß man noch jezt hie u. da glaubt, nur in der lateinischen Sprache liege der Abglanz tiefer Gelehrsamkeit. Nicht, daß der Gelehrte sie entbehren könne, das zu behaupten, sey ferne. Im Gegentheil, der gelehrte Unterricht muß mit dem classischen Studium beginnen, die lateinische Sprache sollte immer gleichsam die ianua linguarum bleiben. Aber das Verstehen u. der Vortrag sind zwey sehr verschiedene Dinge. Die Wissenschaften sind den Sprachen des Alterthums zu sehr vorgeeilt, so daß dir Bearbeitung derselben in den alten Sprächen fast unmöglich wird. Und sollte nicht schon aus diesem Grundt nach Jahrhunderten die deutsche Sprache vielleicht die gelehrte werden können! Der unsterbliche Joseph hob plötzlich alle Vorträge auf seinen gelehrten Anstalten in lateinischer Sprache auf, die deutsche wurde allgemein; hat deshalb das classische Studium im Oesterreichischen aufgehört? Ich erinnere mich, daß vor 25 Jahren auf einer bekannten deutschen Universität der Antrag gemacht wurde, die Disputationen in deutscher Sprache zu halten — der Vorschlag scheiterte aber, weil ein sehr erfahrnes Mitglied die Bemerkung machte: Es würde, wenn in

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scher Sprache disputirt werden sollte, die Unwissenheit zu grell hervorleuchten, die jezt doch wenigstens durch die fremde Sprache gleichsam verhüllt werde. Grade so wie noch fortdauernd die französische Sprache in Ländern, die nicht französisch sind, als die allgemeine Sprache, als die Sprache der sogenannten gebildeten Welt sich erhält; denn würde der größere Theil dieser vermeintlichen Gebildeten sich in der Muttersprache ausdrücken, ach! was würde dann das leere Gewäsche erst auffallen, dat sich nun unter der schönklingenden Hülle verbirgt!!

 P. folgte dem Andrange seines Bestrebens nach Wahrheit, wenn er sich vorzüglich der deutschen Sprache bediente, indem er wohl in dieser Hinsicht der Meynung gewesen seyn mag, daß die deutsche die Sprache der Wahrheit sey, wie dies schon Kaiser Carl V. gemeint haben mag, der gesagt haben soll: „mit Feinden müße man deutsch sprechen“.

 Man legt ferner P. zur Last, er sey ein ungesitteter Landstreicher gewesen. Was kann aus dem beständigen Umhertreiben anders als Sittenlosigkeit, Unfähigkeit zur regelmäßigen Beschäftigung u. dgl. erfolgen, pflegt man anzuführen. Aber was blieb ihm in seinen Verhältnißen anders übrig? Wäre er Nicht früh grade dadurch aus seiner beschränkten Bildungssphäre herausgetreten, hätte er nicht ein einseitiger Schwärmer werden müßen, zu dem ihn die Klostergeistlichen bildeten? Sind deshalb Humboldt, Chladni u. v. a. Landstreicher, weil sie den größten Theil ihres Lebens auf Reisen zubringen u. durch diese der Menschheit mehr Nützen, als wenn sie Noch so folgsam dem Leisten des Conventionellen, dem leider auch der Gelehrte in feinen Dienstverhältnissen nicht zu entgehen pflegt, huldigten! Schützt nicht noch das Reisen die Gelehrten für die sonst unvermeidliche Einseitigkeit. Es ist daher wohl ein falscher Wahn, daß man hie u. da zu glauben scheint, der Gelehrte genieße ja deshalb seine Schul- u. Universitäts-Bildung, damit er hernach bis an sein Lebensende diene, d. h. das Eingesammelte wieder

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unausgesetzt so von sich gebe, wie er es empfangen. Wozu führt aber dies, leider zur dürren Einförmigkeit, zu dem wunderlichen Glauben, nur der junge Mann sey zum Reisen berufen; man jagt ihn daher ein paar Jahr hindurch durch die ganze Welt, statt daß man auch den Gereifteren diese Wohlthat genießen ließe, der nicht erst zu lernen hat, wie man lernen soll, sondern der durch seinen geübten Blick zum wahren Einsammeln geeignet ist. — Dies sollte man thun u. jenes nicht lassen.

 In späterer Zeit war durch Verstimmung des Gemüthes auch P. durch sein Schicksal unfähig geworden, sich wieder an einem Orte zu fixiren. Doch hören wir auch hierüber ihn selbst:

„Mir ist noth, daß ich mich verantworte von wegen meines Landfahrens, und von wegen dessen, daß ich nirgends bleiblich bin. Nun wie kann ich aber wider das seyn, oder das gewaltigen, was mir zu gewaltigen unmöglich ist, oder was kann ich der Prädestination nehmen oder geben? Damit ich mich aber gegen euch etlichen Theils entschuldige, dieweil so viel dagegen geredet wird, als ob ich darum, daß ich ein Landfahrer bin, desto minder werth sey, so soll es mir Niemand verargen, daß ich mich ob demselbigen beschweren werde. Mein Wandern, welches ich bisher verbrächt habe, hat mir wohl erschossen; weil keinem der Meister im Haus wächst, oder einer seinen Lehrer hinter dem Ofen hat. So sind auch die Künste nicht verschlossen in Eines Vaterland, sondern sie sind ausgetheilt durch die ganze Welt. Richt daß sie in Einem Menschen allein seyen, oder an Einem Ort, sondern sie müssen zusammen geklaubt werden, genommen und gesucht da wo sie sind. — Die Kunst geht keinem nach, ihr muß nachgegangen werden; darum hab ich Fug und Verstand, daß ich sie suchen muß, und sie nicht mich. — Sie sind keine Perambulani, darum hassen sie das was sie nicht sind. Das Beßre Haffen sie darum, weil sie ärger sind. Nun weiß ich, daß das Wandern nicht verderbe, sondern besser mache. Giebt Wandern nicht mehr Verstand, dann hinter dem Ofen sitzen? — Wo Gott die Kunst hingelegt, da soll sie gesucht werden. Das ist eine große Erkenntniß im Menschen, das er die Gaben Gottes sucht, wo sie liegen, daß wir gezwungen sind, denselbigen nachzugehen., So nun ein Zwangniß da ist, wie kann man einen verachten, der solches thut? Es ist wohl
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wahr, die es nicht thun, haben mehr, dann die es thun. Die hinter dem Ofen bleiben, essen Rebhühner, die den Künsten nach ziehen, essen eine Milchsuppe. Die Winkelsitzer tragen Ketten u. Seiden, die da wandern vermögen kaum den Zwilch zu bezahlen. Die in der Ringmauer haben Kaltes u. Warmes, wie sie wollen: die den Künsten nachziehen hätten keinen Schatten, wenn der Baum nicht wäre. Der nun dem Bauch dienen will, der folget mir nicht; er folget denen, die in weichen Kleidern gehen. Wiewohl sie auch zum Wandern nichts taugen. Denn Juvenalis hat es beschrieben, wie allein der fröhlich wandert, wer nichts hat. Darum betrachten sie den Spruch: Damit sie nicht gemordet werden, bleiben sie hinter dem Ofen tu kehren Bieren um. Also glaub’ ich, daß ich bisher mein Wandern billig verbracht habe, u. mir dieses ein Lob u. keine Schande sey. Denn das will ich bezeugen mit der Natur; wer sie durchforschen will, der muß mit den Füßen ihre Bücher treten. Die Schrift wird erforscht durch ihre Buchstaben, die Natur aber durch Land zu Land, so oft ein Land, so oft ein Blatt. Also ist codex naturae, also muß mau ihre Blätter umkehren 45).“

Feinde hatte P. sich selbst durch das Gute, das er zu wirken sich bemühte, zugezogen. Die meisten Calumnien gegen P. rühren von seinem Schüler, dem berühmten Buchdrucker Oporin her. Ihm hatte P. sehr große Wohlthaten erwiesen — Oporin griff ihn am heftigsten an, verbreitete Nachrichten von seinem Wandel, die am nachtheiligsten auf seinen Ruf wirkten. Eine Art des Undanks, die übrigens unter dem Monde nicht zu den Seltenheiten gehört. Er wirft ihm besonders das Laster der Trunkenheit vor. Nun ist et in der That nicht zu leugnen, daß viele seiner Schriften mit einer so glühenden Heftigkeit geschrieben sind, daß man diesem Vorwurfe leicht Glauben beymessen könnte. Diese Neigung zum Trinken aber, wenn sie ihn wirklich beherrscht haben sollte, kann leicht durch seine viele u. beschwerliche Reisen, seinen häufigen Aufenthalt in Wirthshäusern hervorgebracht u. begünstigt worden seyn. Auch tadelt Oporin seine Verschwendung, worüber sich P. folgendermaßen erklärt:

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45) Vierte Defension.
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„Ob ich schon das Geld mit guten Gesellen verthumle, so ist doch meinem Hauptgut nichts abgegangen; denn die Kunst mein Hauptgut, die verläßt mich mit Gottes Hülf nimmermehr. Ich habe also ein beständiger Gut dann ihr, da dir Kunst mein Gut ist u. erster Reichthum. Dieses kann mir kein Dieb stehlen, kein Feuer, Wasser oder Räuber nehmen. Man nehme mir auch den Leib, so nimmt man doch die Kunst nicht, denn sie ist in mir verborgen u. ein unbegreifliches Ding; derohalben gehts mit mir dahin, wie der Wind. Sehet ein solches Gut hab’ ich, welches übertrift Haus u. Hof, Kleider, Geld, Silber u. Gold u. all’ euer Vermögen, denn es ist beständig 46).“

Oporin bereute aber seine Verläumdung u. bezeugte P. nach seinem Tode eine große Verehrung. Der Mensch kreist ja immer in Extremen! P. ist selbst mit seinen Schülern unzufrieden; er erklärt sich darüber, indem er sagt: „Hütet euch vor den Auditoribus, die ich in Basel verlassen habe, die mir haben den Urin aufgewärmt, die Federn vom Rock gelesen, mir gedient u. gelächelt, die wie die Hündlein um mich geschlichen u. mir angehangen sind. Das sind Erzschelme. Hütet euch vor ihrem Gift. — Ein jeglicher hat meine Lese nach seinem Kopf gesattelt. Einer führt mir’s in einem Mißbrauch zu seinem Seckel, ein andrer ziehts in seinen Hoffart, ein andrer glossirt’s u. emendirt’s, u. im Fürlegen für mich waren’s erstunkene Lügen.“

 Man hat auch oft feine Großsprechereien sehr lächerlich finden wollen. Allein bei der großen Ehrlichkeit, in der er immer sich zeigt, erscheinen auch diese in einem günstigeren Lichte. Er sagt selbst, was er von sich hielt, treuherzig u. ohne Verstellung. Andere, wenn sie auch dasselbe von sich glauben, heucheln Demuth u. Bescheidenheit, sind aber eben so ruhmsüchtig, ohne so ehrlich zu seyn. Dazu kömmt, daß vieles nur so erscheint durch die begleitenden Umstände u. durch den Abstand, in dem er sich häufig in Vergleich seiner Umgebungen finden mußte. Man wirft ihm vor, daß er sich nach Art der Grossprecher u. Char-

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46) De mysteriis vermium.
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latane gerühmt habe, alle, die schwersten Krankheiten heilen zu können. Blickt man aber auf die verkehrte, sinnlose Behandlungsart der Aerzte seiner Zeit, so wird man er wohl sehr natürlich finden. Zum Beweise diene der Vorfall, daß er, um diesen Vorwurf in seiner Nichtigkeit darzustellen, den Magistrat in Nürnberg ersuchte, ihm einige unheilbare Kranke anzuvertrauen. Dieser übergab hierauf einige an der Elephantiasis leidende Kranke seiner Heilung, welche er auch glücklich u. umsonst bewerkstelligte, worüber in den Archiven der Stadt Nürnberg sich die Zeugnisse befinden sollen.

 Endlich hat man ihm auch sein ungestümes, zorniges Wesen, überhaupt seine Unverträglichkeit zum Vorwurf gemacht, wogegen er sich selbst vertheidigt:

„Nicht daß es genug sey, mich in etlichen Artikeln anzutasten, sondern auch das gehört dazu: ich sey ein wunderlicher Kopf mit verkehrter Antwort, wäsche nicht jeglichem nach seinem Gefallen auf, antworte nicht einem jeglichen auf sem Fürnehmen mit Demuth. Sie schätzen u. achten das eine große Untugend an mir zu seyn; ich selbst aber schätz’ es für eine große Tugend, wollt nicht, daß es anderst wär wie es ist, mir gefällt meine Weis ganz wohl. Damit ich mich aber verantworte, wie meine wunderliche Weis zu verstehen sey, so merket also: Von Natur bin ich nicht subtil gesponnenes ist auch nicht meine Landesart, daß man etwas mit Seidenspinnen erlange. Wir werden auch nicht mit Feigen erzogen, noch mit Meth, noch mit Waitzenbrod, aber mit Käß, Milch u. Haberbrod. Es kann nicht subtile Gesellen machen. Zu dem, das einem all’ sein Tag anhängt, was er in der Jugend empfangen hat, dieselbige ist sehr grob gegen jene Subtile, Katzreine, Superfeine. Denn die, welche in weichen Kleidern u. Frauenzimmern erzogen werden, und die wie in Tannzapfen erwachsen verstehen einander nicht wohl. Darum so muß der Grobe grob zu seyn geurtheilt werden, ob derselbige schon gar subtil u. holdselig zu seyn vermeint. Also geschieht mir auch, was ich für Seiden achte, heißen die andern Zwilch u. Trillich.

Nun aber merket weiter auf, wie ich mich gegen das entschuldige, daß ich rauhe Antwort gebe. Die andern Aerzte können wenig der Künste, behelfen sich mit freundlichen, lieblichen,

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holdseeligen Worten, bescheiden die Leut mit tüchtigen u. schönen Worten, legen alle Ding lieblich mit sonderlichem Abschnitt dar. Dagegen sag’ ich: Was willt? hab’ jetzt nicht der Weil, es ist nicht so nöthig. Also haben sie die Kranken genarrt, das sie ganz im Glauben sind, freundlich, liebkoßleben, Federklauben, Zuthütlen, viel gramanzen sey die Kunst u. die Arzney. — Mein Fürnehmen ist, mit dem Maul nichts zu gewinnen, allein mit den Werken. So sie aber des Sinnes nicht sind, so mögen sie billig nach ihrer Weis sagen: ich sey ein seltsamer wunder, licher Kopf, gäbe wenig guten Bescheid aus. Es ist nicht meine Meinung, mit freundlichem Leibkosen mich zu ernähren. Darum so kann ich das nicht brauchen, was sich mir nicht fügt, u. ich nicht gelernt habe 47).“

 Sein Hauptverdienst bleibt uns noch aufzustellen Die Pharmacie hat ihm eine große Revolution zu verdanken. Für einen bloßen Adepten hat man ihn wohl erklären wollen — aber das geschah nur aus Unverstand. Er war fern vom Goldmachen; denn er begriff unter dem, was man Alchemie zu nennen pflegte, nur unsre Chemie. Er zeigte, welchen großen Werth sie für die Arzneikunde habe, indem sie die Bereifung der wirksamsten Arzneimittel möglich mache, einen Werth, den dir Aerzte seiner Zeit verkannten. Er überzeugte sie, wenigstens den bessern Theil derselben, durch die auffallend schnelle u. glückliche Wirkungen seiner chemisch bereiteten Mittel, von dem Werthe derselben, auf das überzeugendste, Als Albert Basa, Leibarzt des Königs von Polen, aus Italien zurückkam u. auch P. in Basel besuchte, nahm ihn dieser mit zu einem Kranken, dessen Kräfte, nach dem Urtheile Basa’s, völlig niedergeschlagen u. dem er daher das Leben absprach. P. aber lud den Kranken, um die Macht seiner Kunst zu zeigen, zu sich auf den folgenden Tag zu Tische, gab ihm darauf Tropfen von seinem Laudanum u. der Kranke fand sich wirklich am folgenden Tage bey P. ein.

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47) Sechste Defension.
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Von manchen der chemisch zubereiteten Mittel möchten wohl Spuren in den frühern Handschriften der Alchemisten Vorhaus den gewesen seyn; mag auch P. nicht grade der erste gewesen seyn, der Quecksilber gegen die Lustseuche anwandte, so war er doch der erste, der öffentlich von diesem Mittel sprach, der in den alten Handschriften der Alchemisten über dieselben nachgeforscht hatte, die Aufmerksamkeit der Aerzte auf dieselben leitetet Er veranlaßte doch Prüfungen, Beobachtungen, Erfahrungen. Er setzte doch die glückliche Wirkung des Quecksilbers nicht blos in der Lustseuche, sondern auch in andern zum Theil für unheilbar gehaltenen Krankheiten außer Zweifel, während die Aerzte feiner Zeit die daran Leidenden im steten Gebrauch ihrer Holztränke dahinsterben ließen. Die unkräftigen u. eckelhaften Abkochungen u. Syrupe mußten seinen Tinkturen, Essenzen u. wirksamen Extracten weichen. Denn er lehrte zuerst die zweckmässigere Bereitung der Extracte, der verschiedenen geistigen Tincturen z. B. des Nieswurzes, der Aloe oder des proprietatis, der zusammengesetzten Essige, u. s. w. Er führte ein den Gebrauch der Eisentincturen, des Eisensafrans; der verschiedenen Schwefelpräparate, des versüßten Vitriolgeistes, der verdünnten Schwefelsäure in langwierigen Hautkrankheiten, mit Vorsicht sogar innerlich in Krankheiten deß Magens. Er wagte es zuerst, die zu seiner Zeit für Gifte erklärten Mineralstoffe in kräftige Heilmittel umzuwandeln. Er wandte daher die Spießglanzpräparate, das sogenannte Aetzwasser, den Kupfervitriol, ja sogar den Arsenik, aber leztere doch nur äußerlich mit Honig, Fetten u. dgl. entweder als Salbe oder aufgelößt an. Er sagt ausdrücklich von leztrem: „Inwendig ist er nit zu gebrauchen, in kein weg, allein auswendig.“

 Alles dieses mußte nothwendig auf die Einrichtung der Apotheken einen bedeutenden, wohlthätigen Einfluß äußern. Denn diese waren zu jener Zeit, blos eine Niederlage von Wurzeln, Kräutern, von Syrupen, Latwergen, eingemachten, kan-

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dirten, überzuckerten u. andern dergl. Waaren, so daß sie fast das Ansehen von Conditoreyen gewannen. Sie genoßen sogar des ausschließlichen Rechts, Confekt zu bereiten u. zu verkaufen, weshalb ihnen denn auch die Bedingung wurde, Eines Hochedlen Raths jährlich eingedenk zu seyn. Daher denn die liebe Neujahrsgeschenke wohl ihren Ursprung genommen haben mögen. Außer einigen gebrannten Wässern u. Gewürz-Tinkturen war in diesen Apotheken nichts vorhanden, wozu die Darstellung auf chemischen Wege erforderlich gewesen wäre.

 So waren sie beschaffen, die Apotheken seines Zeitalters. Was Wunder daher, daß man P. anfangs, als er Arzneimittel zu bereiten verlangte, die den damaligen Apothekern fremd u. unbekannt waren, einer Versündigung gegen das zehnte Gebot beschuldigte: „du solt nichts fremdes begehren.“ Die auffallenden, Aufsehen erregenden, Curen von P. hatten indeß der Anwendung chemischer Mittel Eingang verschafft, Mithin die Bereitung derselben nothwendig gemacht. Es ist also einleuchtend, daß der verbesserte Zustand der Pharmacie diesem wichtigen Umstande zunächst zuzuschreiben ist. Wir haben ihm demnach zu verdanken, daß der Stand des Apothekers von der niedrigsten Stufe eines Kräuter- u. Confecthändlers zur wissenschaftlichen Würde erhoben worden ist.

 Indem wir in dieser Skizze das Regen eines Geistes, der sich aus tiefer Finsterniß emporarbeitete, verfolgt u. uns überragt haben, daß eben so nützlich feint Thätigkeit, als groß sein Einfluß war auf den gegenwärtigen verbesserten Zustand der Medicin u. Pharmacie, zu welchem er unleugbar den Grund gelegt, werden wir ihm wohl in seiner Verklärung mit unserm Schiller zurufen dürfen:

Dem Verdienste seine Krone!

Bibliography

Scherer, Alexander Nicolaus: ‘Theophrastus Paracelsus’, in: Allgemeine Nordische Annalen der Chemie, 6 (1821), pp. 244-296.
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Scherer, Alexander Nicolaus: Theophrastus Paracelsus, St. Petersburg: , 1821, 54 pp.
Offprint from the 'Allgemeine Nordische Annalen der Chemie'.