Scherer 1821 Theophrastus
Alexander Nicolaus Scherer,
Theophrastus Paracelsus 1821 |
Text
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Theophrastus Paracelsus
Gewürdigt
in der zur Feyer des Geburtsfestes Sr. Majestät des Kaisers Alexander des Ersten, Selbstherrschers aller Reußen etc. etc. etc. am 12 December 1820. gehaltenen Hauptversammlung der pharmaceutischen Gesellschaft zu St. Petersburg von dem Direktor derselben
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Die Pharmacie befindet sich in unserm Zeitalter, ohne grade uns des Fehlers der Ueberschätzung der Gegenwart schuldig zu Wachen, auf einem hohen Standpunkte in wissenschaftlicher Hinsicht. Es ist ein wohlthätiges Strebest überall wahrnehmbar. Aber auch eben so unverkennbar ist der wohlthätige Einfluß des Wissenschaftlichen auf den ausübenden Theil derselben. Nicht mehr dem Hergebrachten, dem Handwerksmäßigen unterliegt der Apotheker gegenwärtig. Die Würde auch dieses Standes wird allgemein anerkannt. Die Apotheken heutiges Tages sind keine Kramladen nicht, sie sind zu jenen heiligen Stätten erhoben worden, in denen für das Wohl der Menschheit, für das Edelste, was dem Menschen hier zu Theil wird, für die Erhaltung u. Wiederherstellung der Gesundheit gewirkt wird. Wie ist aber diese Erhebung möglich geworden? — Wem haben wir sie wohl vorzüglich zu danken? das sind wohl gewiß Fragen, die sich Jedem hierbey von selbst aufdrängen. Sie zu beantworten sey mir heute verstattet. |
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In diesem Falle befinden wir uns auch mit Theophrastus Paracelsus, deßen Leben u. Wirksamkeit uns gegenwärtig beschäftigen u. uns selbst aus der finstern Vorwelt einen unsrer Erinnerung u. Beherzigung höchst würdigen Gegenstand vorführen soll. Die Lebensgeschichte dieses Mannes ist eine der räthselhaftesten. Die Verhältnisse, in welche er durch seine ausgezeichneten Talente, so wie durch die Art der Aeußerung derselben sich zu seinen Zeitgenossen versetzte, erschweren eine befriedigende Darstellung des wahren Zusammenhanges aller seiner Schicksale. Viele seiner Zeitgenossen ertheilen ihm das ausgezeichneteste Lob, viele derselben behandeln ihn mit der unbegrenztesten Verachtung. Das ist aber das Loos alles Großen, das der Mensch hervorbringt; theils wird es verkannt, eben von denen, welchen es Nutzen gewährte, theils bestrebt man sich, den Werth deßel- |
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Der Mensch bleibt immer Mensch, was auch die Weisen sagen, in jedem Alter wird des Staubes schwacher Sohn den Stempel einer Thorheit tragen! Theophrastus Paracelsus, oder wie er sich selbst zu nennen pflegte, Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus Bombast von Hohenheim war 1493 zu Ein, siedeln, einem zwei Meilen von Zürch entlegenen Flecken, geboren. Schon in Hinsicht seines Namens sehen wir uns genöthigt, auf das Gehäßige, was man über Alles, das ihn betrifft, zu verbreiten gesucht hat, hinzuweisen. Den Namen findet man schon lächerlich. Wahrscheinlich, weil die Gegenwart uns für diese Art Namen entfremdet hat. Selbst ein Hufeland legt hierauf in s. Makrobiotik den Nachdruck der Lächerlichkeit, indem er alle diese Vornahmen mit großer für den Zweck, für welchen er schrieb, unnöthigen Genauigkeit aushebt. Wem ist es unbekannt, daß man in der Namengebung von jeher sonderbaren Eigenheiten folgte. In jener Zeit war es ja nicht ungewöhnlich, deutsche Namen bald mit gleichbedeutenden griechischen Worten zu verwechseln, oder ihnen wenigstens eine lateinische Endung zu geben. So wandelten die Vorfahren unsers bekannten Chladni, die sich aus Ungarn in Wittenberg niederließen, ihren Namen in Chladenius um. So entstanden Melanchthon aus Schwarzerde, Placotomus aus Bretschneider, Agricola aus Bauer, Tragus aus Bock, Bucretius aus Rindfleisch, Cornarus aus Hagebutte, Dryander aus Eichmann. Herrscht denn nicht dieselbe Sitte noch unter uns? Wem ist es denn unbekannt, daß unter unsern Zeitgenossen sich ein Schulz: Friedrich Laun, ein Hayne: |
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Bombast von Hohenheim hieß ein berühmtes adeliges Geschlecht, deßen Existenz durch Angaben der Schriftsteller seiner Zeit außer Zweifel gesetzt worden ist. Paracelsus stammt also als Abkömmling der Bombaste aus einem adeligen Hause. Dies wird von einem Schriftsteller seiner Zeit, Erastus, in Anspruch genommen. Dieser behauptet grade weg, es habe ein solches Geschlecht in der dortigen Gegend gar nicht existirt, P. sey aus der Hefe des Pöbels hervorgewachsen. Aber hier spricht offenbar die Leidenschaft; denn Erast war der abgesagteste Feind von P. Für seine Abkunft spricht Alles, was nur einer historischen Critik unterworfen werden kann; entscheidet das Zeugniß des Magistrats zu Villach in Kärnthen, woselbst sich sein Vater aufhielt. Sonderbar ist es daher wohl, daß selbst der verehrungswürdige Haller, um seine adliche Abkunft zweifelhaft zu machen, die Behauptung aufstellt: er habe eigentlich Höchener gehießen. Das schreiben Spielmann u. andre grade zu nach. Er stützt sich hierbey auf das Zeugniß eines Amtmannes im Canton Appenzell. Widersprächen auch selbst dieser Angabe nicht allein die unzweideuti- |
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Der Vater des Paracelsus hieß Wilhelm Bombast von Hohenheim u. war, wie es höchst wahrscheinlich ist, mit dem nachmaligen Großmeister des Johanniter-Ordens George Bombast von Hohenheim, nahe verwandt. Auch dieser Umstand ist auf eine sonderbare Weife von seinen Biographen verdreht werden. War er auch nicht der Hefe des Pöbels entsprungen, so sollte er doch wenigstens der Sohn eines Bastards seyn. Man findet nämlich von ihnen angegeben: Wilhelm sey der unächte Sohn eines Teutschmeisters, ja, nach andern gar eines Fürsten oder wenigstens eines Mannes vom ersten Adel gewesen, Daß dies aber nur leere Erdichtungen find, bedarf nach dem vorhin Erwähnten keines ausführlichen Beweises. Da in der ersten Erziehung u. in dem Unterrichte, den man in der Jugend genossen, die wahren Quellen zu entdeckten sind, woraus sich die Stimmung des Charakters, die Richtung der Talente und die Neigungen des Geistes erklären lassen, so würde es wohl zur vollkommenen Beurtheilung un- __________
1) S. The lives of alchemystical philosophers. London, 1815. S. 50.
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Nach einigen soll er seine Jugendjahre verlebt haben, wie die Scholastici vagantes der Zeit zu thun pflegten, d. h. er soll im Lande umhergezogen seyn, die Nativität aus den Sternen u. aus den Linien der Hand gestellt, die Todten citirt Haben. Fahrender Schüler mag er gewesen seyn, das war einmal Sitte der damaligen Zeit — auch Luther war in seiner Jugend fahrender Schüler gewesen. Aber ob er damit auch das eben angeführte Geschäft verband, ist wenigstens nicht so erwiesen, daß nicht daran gezweifelt werden dürfte. Kaum erwähnt zu werden verdient die Fabel, die Erast aufstellt: er habe als Knabe nur die Gänse zu hüten gehabt. Bekannt ist es aber, daß sein Vater 32 Jahre hindurch als praktischer Arzt zu Villach in Kärnthen sich aufgehalten hat, daß er als solcher allgemein geachtet u. hochgeschäzt worden ist. Es ist also jenen Nachrichten gewiß mehr Glauben beyzumeßen, nach denen er in der früheren Zeit meist des Unterrichts seines Vaters genoßen. Der Vater soll, darüber stimmen alle Nachrichten überein, eine Bibliothek beseßen haben — zu damaliger Zeit eine große Seltenheit. In dieser hat P. wahrscheinlich Liebhaberey zur Lecture gewonnen u. den Grund zur Bekanntschaft mit den Schriften der Alchemisten gelegt. Nach eben jenen Nachrichten ist es mehr denn blos wahrscheinlich, daß er besondern Unterricht in jenen Wißenschaften, welche damals als die wichtigsten erkannt wurden, in der Alchemie, Astrologie, Magie u. dergl. von verschiedenen Kloster-Geistlichen u. unter diesen vorzüglich v. Tritheim, dem bekannten Abt von Sponheim u. von Sigismund Fugger erhalten habe. Schon |
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Unwahrscheinlich ist es wohl, daß er einen zusammenhängenden Schulunterricht erhalten, so wie auch daß er einen vollständigen Universitätscursus absolvirt u. nach gewöhnlicher Weise den Doktorgrad erhalten habe, ob es gleich nicht geleugnet werden kann, daß er sich einige Zeit auf mehreren Universitäten, vielleicht später, mit dem gewöhnlichen Gange des Unterrichts bekannt gemacht, mithin den akademischen Unterricht benuzt habe. Er selbst versichert wenigstens, auf deutschen, französischen u. italiänischen Universitäten gewesen zu sein. Er erwähnt sogar des Eidschwurs, den er bey seiner Promotion hat ablegen müssen. Im dichten Dunkel ist übrigens alles gehüllt, was jene Periode seines Lebens, in welcher die Bildung desselben in reiferen Jahren fiel, betrifft. Er selbst, so wenig, wie seine Biographen, geben bestimmt an, wo, wann u. wie lange er studirt. Wenigstens läßt sich in dieser Hinsicht nichts Entschiedenes auffinden; in seinem Curriculo vitae werden daher in gewöhnlicher Form immer wesentliche Lücken bleiben. So viel kann man indeß mit Sicherheit annehmen, daß er diese Laufbahn nicht auf eine gewöhnliche, sondern sehr genialische Weise verfolgt haben müsse; denn die praktische Seite, welche sie dadurch gewann, daß er schon frühe als Wundarzt verschiedene Feldzüge mitmachte, daß er bey Fugger als Laborant selbst Hand anlegen mußte, giebt darüber einen bedeutenten Aufschluß, wie er keiner Lehre unbedingt zu folgen gewöhnt, wie er in der Erfahrung allein wahre Belehrung zu suchen veranlasst worden seyn müsse. Es erklärt sich daraus, wie wenig ihm die Lage der Medicin u. Philosophie seiner Zeit, so wie das Treiben seines Zeitalters überhaupt genügend erschienen seyn müsse, und von welchem Eifer er müsse beseelt gewesen seyn, |
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2) Fünfte Defension, von Entschlahung der falschen Gesellschaft und Aerzte.
3) Paramirum Lib. IV. De origine morborum matricis.
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4) Labyrinthus medicorum Anderes Capitel.
5) Von des Arztes Tugend; der dritte Grund der Arznei.
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6) Von den Bergkrankheiten. Anderes Buch.
7) Vorrede zur großen Wundarznei.
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Es erklärt sich aus allem Angeführten, daß P. dem die damalige Weisheit der Aerzte ein Greuel war, eigentlich wohl gar keinen regelmäßigen Gang in seinen Studien nach dem gewöhnlichen Zuschnitte habe verfolgen können. Dem innem Drange, nach Erweiterung seiner Kenntniße durch die Erfahrung folgend — schien ihm nichts anders übrig zu bleiben, als sehr frühe schon in seinem 20sten Jahre auf Reisen zu gehen, oder, wie er sich selbst darüber ausdrückt: „im Buche der Natur zu blättern.“ Seinen vorhin angeführten Nachrichten zufolge sind vorzüglich außer Deutschland wohl Spanien, Portugal, Preußen, Polen, Siebenbürgen, Italien diejenigen Länder gewesen, die er durchwanderte. Diesen Reisen, auf denen er alles ihm sich Darbietende benuzte, verdankt er wohl unstrei- |
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Es ist aber auch über diesen Abschnitt seines Lebens so wenig Gewisses bekannt, daß es nicht einmal möglich ist, völlig außer Zweifel zu sehen, welche Länder er durchwandert. Er selbst erwähnt derselben nur beyläufig. Alles was sich aus seinen eignen Nachrichten ergiebt, verräth deutlich genug, daß er mit vielen Widerwärtigkeiten zu kämpfen hatte, daß er die mühevollesten Wege nicht gescheut, die niedrigsten Hütten besucht, daß er sowohl von dem Umgange u. dem Unterrichte der Aerzte, wie von den Künsten der alten Weiber, der Scharfrichter, Zigeuner u. Schwarzkünstler Vortheile zu ziehen gesucht habe. Nach seiner Rückkunft, ungefähr im 33 Jahre seines Alters wurde er wegen seiner vielfältigen glücklichen Euren, selbst der damals für unheilbar erklärten Krankheiten, z. B. der Wassersucht u. des Podagra etc. der Gegenstand der Bewunderung, zugleich aber auch des Neides der Aerzte. Achtzehn Fürsten, die wir er sagt, durch die Galenischen Aerzte verdorben waren, hat |
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Indessen trugen diese u. ähnliche Kuren dazu bey, daß sein Ruf ungemein zunahm. Die Art, wie er sich über die Behandlungsart der Krankheiten äußerte; die Einfachheit seines Verfahrens, da er sich der chemischen Zusammensetzungen statt des ungeheuren Troßes von galenischen Mitteln, die damals im Gebrauch waren, bediente; der Reiz der Neuheit — alles wirkte zusammen, allgemein die Aufmerksamkeit auf ihn rege zu machen. Auch heilte er viele Arme unentgeldlich, von denen sich die übrigen Aerzte bezahlen ließen. So ward ihm denn 1526 der Ruf als Stadtarzt u. Professor der Medicin auf der Universität Basel zu Theil und wie man sagt, auf besondere Empfehlung des bekannten Oecolampadius. Er lehrte täglich zwei Stunden mit dem grösten Fleiße u. zwar in deutscher Sprache, welches in den damaligen Zeiten auf Akademieen ganz ungewöhnlich war. Seine Vorlesungen waren keine Commentare über den Galen, Hippokrates oder Avicenna, worauf sich einzig die Aerzte u. Professoren der Medicin jener Zeit beschränkten. Er trug den theoretischen wie den praktischen Theil der Kunst auf eine ganz neue Art vor, mit Hinweisung auf seine Kuren u. seine Mittel. Die Lebhaftigkeit seines Vortrags erwarb ihm eben so viel Beyfall, als ihm sein ausgezeichnetes Gedächtniß dabey sehr zu Statten kam, denn er konnte ganze Stellen aus Avicenna wörtlich herrecitiren. Eine große Zahl von Zuhörer aus der Umgegend, selbst aus der Entfernung drängte sich nach Basel. Veranlassung genug, um den Neid seiner Collegen dahin zu bestimmen, alle Mittel anzuwenden, seine Thätigkeit zu beschränken, gegen ihn unter dem Schein des Rechtens aufzutreten, um ihn des Rechts, |
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Zwar rechtfertigte er sich gegen Alles beim Magistrate, was aus der niedrigen Quelle der Anfeindung u. Verfolgung seiner Widersacher stoß. Die Erbitterung gegen sich steigerte er aber noch mehr dadurch, daß er in seinen, Hörsaale die Werke, welche die Summe alles damaligen ärztlichen Wissens enthielten, des Ebn Sina u. Galen, so wie später Luther die päpstliche Bulle, öffentlich verbrannte (ein engl. Schriftsteller will wißen, daß dies in a brass pan with sulphur and nitre geschehen sey), sich dabei im Eifer manche Aeußerungen auf Kosten seiner Vorgänger, die er übersehen zu können glaubte, zu Schulden kommen ließ; — derselbe engl. Schriftsteller führt unter andern an, er habe zu einer Vorlesung die sämmtl. Aerzte eingeladen, den bedeckten Tisch entblößt, um ihnen an dem Erfolge ihrer ausleerenden Methode — den Exkrementen, die sich daselbst befanden, — die Unstatthaftigkeit derselben zu demonstriren, worauf sie alle davon gelaufen wären; — daß er in der Qualität eines Stadtarztes die Apotheken-Untersuchung einführte, die Vorsteher dieser damals sieh über Conditoreyen u. Wurzel- u. Kräuterhandel kaum erhebenden Kramladen in Hinsicht ihrer Kunstfähigkeit selbst prüfte, ihre Vorräthe genau in Augenschein nahm u. vorzüglich nachforschte, in wie fern sie mit den Aerzten Verträge in Hinsicht des Ablaßes der Arzneien geschlossen hatten. Auster den Verdrießlichkeiten mit den Aerzten zog er sich noch den Haß der Apotheker zu. Man suchte also Gelegenheit, gegen ihn nachdrücklicher auftreten zu können. Die Kur, welche er an Frobenius verrichtete, welche selbst Eras- |
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Er fleug nun an, aufs Neue zu wandern, wohin der Verein günstiger Umstände ihn zu rufen schient So brachte er 12 Jahre an verschiedenen Orten in Straßburg, Colmar, Nürnberg, St. Gallen, im Pfeffersbade, in Augsburg, in Villach, Mindelheim zu u. beschloß sein Leben zu Salzburg im Wirthshause zum weißen Roß am 23 Spt. 1541 im 48 Jahre seines Alters. Auf sein Begehren ward er im Hospital zu St. Stephan daselbst begraben. Sein Testament verfertigte er im Beisein eines Kaiserl. Notarius u. mehrerer Bürger in Salzburg als Zeugen. Seine Verlassenschaft aus Kostbarkeiten von Gold u. Silber u. dergl. bestehend, vermachte er einigen Bürgern in Salzburg u. seinen Verwandten, im Fall sie noch lebten, alles übrige aber sollte nach Berichtigung seiner Schulden unter die Arme vertheilt werden. Einigt lassen ihn im Lazareth selbst sterben, um ihn als |
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8) Straßburg u. Salzburg ist dem Herrn Engländer — bekanntlich gute Geographen — wieder einerley, wahrscheinlich weil die Namen beyder Orte gleiche Endung haben.
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Wenn wir nun das Leben des P. einer aufmerksamen Betrachtung würdigen, so ist selbst bei den auffallenden Eigenheiten, welche man an ihm erblickt, bey der rohen Außenseite seines Wandels, bei der nicht selten in Leidenschaft ausartenden Härte gegen sein Zeitalter u. alles, was seiner Ueberzeugung zuwider war, bei seinem häufigen Umherziehen unter dem gemeinsten Volke, dennoch ein reiner Sinn für das Höchste der Kunst, eine innige Liebe zu ihr u. ein beherztes, treu meinendes Bestreben sichtbar, die Wahrheit zu ergründen. Seine freiwillige Entsagung aller äußern u. zeitlichen Vortheile, alles Gepränges, seine große Uneigennützigkeit zeigt uns ein frommes, in sich zufriedenes Gemüth, welches dem, was es für das Bessere erkannt hat, sich ergebend, ruhig auf die Eitelkeiten des Lebens Verzicht leistet. „Habe kein Ächt meines Elends, du Leser, schreibt der Verfolgte 9), laß mich mein Uebel selbst tragen. Ich habe zwei Gebrechen an mir, meine Armuth u. meine Frommheit. Die Armuth ward mir vorgeworfen durch einen Bürgermeister, der etwa die Doktoren nur in seidenen Kleidern 10) gesehen Hatte, nicht in zerrissenen Lumpen an der Sonne braten. Jezt wurde die Sentenz gefällt, daß ich kein Doktor sey. Der Frommheit werde ich von Pfaffen gerichtet, dieweil ich kein __________
9) In der Vorrede zum Buche von der Pest.
10) In Zinkgrefen’s deutscher Nation klug-ausgesprochener Weisheit (Amsterd. am 1655) befindet sich folgende hierauf sich
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Wir gehen nun zu der Würdigung der Verdienste des P. über. In dieser Hinsicht giebt es einen sonderbaren Widerspruch zu lösen. Sowohl in der Geschichte der Medicin, wie in der Geschichte der Chemie u. Pharmacie wird von ihm, als einem Reformator, eine neue Periode begonnen u. doch wird er von sonst achtbaren Geschichtsforschern 11): „Fanatiker, Fantast, wilder Trunkenbold, fahrender Theosoph, Schwärmer erster Größe, Vagebunden, Landläufer, Charlatan, gelehrter Renomist“ etc. genannt. Soll die Würdigung eines Mannes, deßen Wandel u. literarischer Treiben wir nur durch einen Rückblick in die graue Ferne gewahr werden, unpartheyisch, soll sie befriedigend für den Kenner des menschlichen Herzens, wie für den Verehrer des Wissenschaftlichen ausfallen, so wird es wohl höchst nothwendig seyn, auf sein Zeitalter, seine Umgebungen, seine Bildung, kurz auf Alles, was auf ihn Einfluß haben konnte, zugleich Rücksicht zu nehmen. Welcher Zeit gehörte P. an? Leider jener, in welcher die Menschheit, den Fesseln des Geisteszwanges unterliegend, auf Irrwege jeglicher Art gerathen war. Der päpstliche Stuhl, die __________
beziehende Anekdote. Er sey nämlich zum Kaiser in seiner Krankheit gefordert worden. Als er nun dahingegangen, hätten ihn die Hofdiener nicht in seinen täglichen Kleidern, weil die etwas schlecht gewesen wären, vor den Kaiser lassen wollen, sondern ihm einen köstlichen Rock oder Talar angezogen, und so vor den Kaiser geführt. Der Kaiser redete lange nichts; Theophrastus auch nichts. Endlich als der Kaiser klagte, er wisse nicht, was sie ihm da für einen Arzt zugewiesen hätten, er spräche nichts zu ihm, er thäte nichts bei ihm, habe jener geantwortet: Er hätte gemeint, der Rock würde es thun müssen.
11) Wie z. B. Sprengel, Gmelin u. a.
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Die erste Entwickelung seines Geistes verdankt P. vorzüglich Klostergeistlichen; besonderen Antheil scheint der Bischof Tritheim daran genommen zu haben — ein Mann, der sich alle mögliche Mühe gab, in Deutschland die Kabbala u. zugleich alle Zweige dieser Schwärmerey mehr in Umlauf zu bringen; dem dies auch gelungen war; der selbst für einen Schwarzkünstler gehalten wurde; der in grossem Ansehen stand selbst hohen Häuptern, unter andern dem Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg Unterricht in der Astrologie u. dgl. ertheilte. |
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Ist es demnach wohl zu verwundern, daß die verwaltende Richtung seines Geistes die allgemeine seines Zeitalters seyn mußte, wäre es wohl nicht zu erwarten gewesen, daß er ein eben so befangener Schwärmer hätte werden müssen, als seine Zeitgenossen, wenn nicht das frühe in ihm erwachte Verlangen, nach Erweiterung seiner Kenntnisse, ihn angetrieben hätte, sich aus dem ihn immer mehr beengenden Kreise seiner Umgebung herauszudrängen, in die Schule der Beobachtung u. Erfahrung zu wandern, d. h. auf Reisen zu gehen. Dies vorausgeschickt, so vorbereitet laßen Sie uns nun zur Beleuchtung deßen übergehen, was in Hinsicht seines Characters u. seines Wirkens gemeiniglich geurtheilt worden ist. Man beschuldigt ihn der Rohheit, Grobheit, Leidenschaftlichkeit u. Streitsucht. Freylich übte er keinesweges die Künste her Feinheit u. Gewandheit. Er sprach die Wahrheit unumwunden. Lichtenberg bemerkt aber schon: das Wahrsagen bringe mehr Vortheil, als die Wahrheit sagen. „Die wenigsten Menschen können, wie bekannt, die Wahrheit vertragen, so wenig wie das schwache Auge des Kindes den Sonnenstrahl. Das kommt wohl daher, weil jeder Mensch in seinem Alter u. Stande bereits mit seiner Erziehung fertig zu seyn glaubt. Aber die Wahrheit will nichts anders als bilden u. zwar auf dem schlichten u. graden Wege ohne Honigworte. Ueberdies fürchten die Menschen fast nichts so sehr, als die Critik, die jeder lieber allein treiben möchte u. meinen, man falle ihnen ins Handwerk, wenn man ein wenig die Geißel aufhebt. Wie könnte auch die Wahrheit gefallen, da ihr Spiegel nur zu getreu ist, u. jedes Zerrbild, gerade alles so wieder giebt, wie es in der Wirklichkeit dasteht! So ein Wespennest ist das Innere des Menschen, daß alle seine Ideen u. Empfindungen im Auf- |
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Selbst Luther sagt in dieser Hinsicht von seinen Zeitgenossen in seinem Briefe an den Pabst Leo X: „Zu unsern Seiten sind unsre Ohren so gar zart u. weich werden, durch die Menge der schädlichen Schmeichler, daß, sobald nichts in allen Dingen wird getobt werden, sie schreyen, man sey beißig u. dieweil wir uns sonst der Wahrheit nicht erwehren mögen, entschlagen wir uns doch derselben durch erdichtete Ursache der Beißigkeit, der Ungeduld, der Unbescheidenheit: Was soll aber das Salz, wenn es nicht scharf beißet? Was soll die Schneide am Schwerd, wenn sie nicht scharf ist, zu schneiden?“ — Als Beweis führt man seine Schriften an, das fortdauernde Polemischen in denselben, das, daß er in denselben gleichsam Allen Hohn sprach. Zu einer Hauptstelle dafür dient besonders folgende u. mehrere der ähnliche:
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12) Pockels im Hannöv. Mag. 1807, 1297.
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Man vergeße aber nicht, daß die Aerzte seiner Zeit durch bloßes Nachbeten des Galen u. Avicenna sich auf einen höchst bedauernswürdigen Standpunkt versetzt hatten, daß sie angesteckt von allen Fehlern ihres Zeitalters die Kunst ihrer Würde beraubt hatten; man vergeße nicht, daß er das Wahre vom Falschen wohl zu unterscheiden wußte, indem er von Hippokrates mit großer Hochachtung sprach; daß er von den Aerzten seiner Zeit aufs heftigste verfolgt u. auf das höchste gereizt worden war. Die Verfolgungen, die über ihn ergiengen, erstreckten sich sogar so weit, daß man häufig den Druck seiner Schriften zu verhindern suchte. Nur äußerst wenige derselben sind daher zu seinen Lebzeiten erschienen. Es ist also begreiflich, mit welchen Schwierigkeiten es verbunden seyn müsse, über die Aechtheit des in denselben Enthaltenen ein entscheidendes Urtheil zu fällen, da der größte Theil derselben erst nach seinem Tode erschienen sind. Wie viel ist da nicht bona u. mala voluntate hineingeschoben worden. Wissen wir doch, wie es überhaupt in solchen Fällen zu gehen pflegt. Huser, welcher sie zuerst gesammelt __________
13) Diese Sprache findet man nicht allein grob, sondern sie dient auch als Haupt-Argument gegen das Verdienstliche seines Treibens. Man bedenke aber, so sprach er vor dreihundert Jahren. Ich habe im Ausgange des philosophischen Jahrhunderts (1795) auf einer berühmten Universität einen Professor der Philosophie in einem öffentlichen Collegio sagen gehört: „Kant ich will dir ein Dorn, Kantianer ich will euch ein Stachel seyn, auf daß niemand von euch bleibe, der an die Wand pisse!“.— Dergleichen Auswüchse u. Verirrungen erhitzter Phantasie giebt es wohl immer! —
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Auch hakte P. die Gewohnheit, manches zu diktiren, vielleicht von Manchem wohl gar nur den Entwurf, dessen Ausführung er seinen Schülern überliess. Die Zahl dieser Schriften war ungemein groß. Sie wurden auch sehr geachtet. Es sagt von denselben Alexander Perseus sogar: „Es sey seines Gleichen nie geberen, u. werde nimmer der rechte Grund genugsamlich erfunden werden, seine allerklügsten Sentenzen u. Declamationen zu verstehen.“ Der grosse Baco rühmt vorzüglich sein Bestreben auf dem Wege der Erfahrung die Wahrheit zu erforschen. Die Achtung, mit welcher seine Schriften aufgenommen wurden, beweist auch die Danksagung der Stände des Erzherzogthums Kärnthen, mit 14 Siegeln bekräftigt, wegen Zueignung einiger Schriften: „Wir sagen euch deßhalb, u. sonderlich wegen der grossen Mühe u. Fleisses, welche zur Verhütung schwerer Krankheiten vieler Menschen u. Erlangung ihrer Gesundheit zu grossem Nutz u. Stätten kommen möge, u. besonders wegen der Verehrung, die ihr der gemeinen Landschaft hierin bewiesen, gar freundlich u. fleißig Dank.“ Was freylich den Styl seiner Schriften angeht, so ist dieser von dem Vorwurf der Rohheit, Verworrenheit u. Weitschweifigkeit keinesweges freizusprechen, wiewohl öfters eine kräftige u. natürliche Herzlichkeit jene Mängel in reichlichem Maaße ersezt. Vieles trägt hiezu auch die Uncultur der deutschen Sprache selbst zu jenen Zeiten bei; daher bei dem Abstande mehrerer Jahrhunderte uns manches anstößig seyn muß, was es den Zeitgenossen des Schriftstellers nicht war. Eben so liegt auch in der Neuheit der darzustellenden Ideen ein Grund, aus welchem die Härte der Schreibart sich erklären läßt. Er sagt darüber selbst: „Möchte der Styl etwas schwer scheinen, __________
14) Vorrede zu den Büchern de generatione naturalium.
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Eine derbe Sprache führte P. Derb im Ausdrucke waren aber alle die kräftigen Männer, die jenes Jahrhundert verherrlichen. Eine derbe Sprache führte auch Luther, wer wird ihn deshalb der Grobheit zeihen? Eine derbe Sprache führten nicht selten verdiente Gelehrte selbst in spätern Zeiten 15). Und was möchte nach 300 Jahren von unsrer verfeinerten Sprache der Naturphilosophischen Aerzte für ein Urtheil gefällt werden, die in feinen Worten den gröbsten Unsinn hüllen? Exempli gratia, wenn man von ihnen folgende Weisheit hört: „Ursprünglich sind Instinct u. Vernunft nicht von einander verschieden. Vernunft ist nur der Instinct im menschlichen Leibe; Gott aber ist die Vernunft in der Welt. Eine menschliche Vernunft, welche wieder Instinct wird, tritt in die physische oder göttliche Welt zurück, woher sie gekommen u. diese Welt ist ihr Leib.“
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15) Man vgl. die mit Heftigkeit u. der äußersten Derbheit geführten Streitigkeiten von Ludolf u. Mangold, Pott u. Justi u. so vieler andern.
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Das Verständniß der Paracelsischen Schriften wird dadurch noch sehr erschwert, daß er theils bekannten Worten einen ungewöhnlichen Sinn beilegt, theils neue auf eine besondre Art componirt; so heißt bei ihm das Wesen eines Dings Astrum, die Kraft eines Dinges Essatum, die Grundanfänge derselben Ares, Hech, Ileus, Ileadus. Sind Liese neuen Worte aber weniger dunkel als die potentialitas, haecceitas, esseitas u. dgl. der damaligen oder die Spontanäität, Ding an sich, Nicht-Ich u. dgl. m. der neuesten Philosophie? Wenn gleich die Formlosigkeit der Darstellung unläugbar ein Hinderniß zur Verständlichkeit dieser Schriften darbietet, so ist dieses doch gering gegen den Inhalt u. Die Materie des Dargestellten selbst. Bey so vielen großen Gedanken u. herrlichen Ideen, welche deutlich dargestellt find, möchte man sich über das, wovon das Verständniß schwerer ist, mit Socrates beruhigen, der von einem Werke Heraklits gesagt haben soll: „wo ich’s verstanden habe, ist es sehr vortrefflich, ich vermuthe, es wird so seyn, wo ichs nicht verstandest habe“. Ueberhaupt kann man das System des P. als einen vollkommenen u. starken Gegensatz der damaligen Medicin u. Philosophie, ja des ganzen Zeitalters ansehen u. in dieser Vergleichung seine wahre Gestalt am besten erkennen. Die Philosophie seiner Zeit war durch das seelenlose Nachbeten der Aristotelischen Formeln gänzlich in die Region der Begriffe u. Definitionen, in Seichtheit herabgezogen. Die Medicin befand sich auf einem noch tiefern Standpunkt. Man beschränkte sich einzig auf das Commentiren der Galenischen oder Hippokratischen Lehrsätze. P. Streben ging |
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16) Vorrede in das Buch Paragranum.
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Die philosophischen Grundsätze des Theophrastus erhellen aus Folgendem:
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17) Vorrede in Labyrinthum medicorum.
18) Vom Grund der Weisheit; anderer Tractat.
19) Vorrede in Philosophiam sagacem.
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20) Von den Podagrischen Krankheiten. Erstes Buch.
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Alle Gelehrsamkeit, die blos ein erlerntes, unlebendiges Wissen ohne Wahrheit des Sinnes u. Ergebung des Gemüths zur Schau tragt, war ihm gänzlich zuwider:
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21) Von Fundament der Weisheit. Dritter Tractat.
22) Vorrede in die Bücher morborum invisibilium.
23) Liber Philosophiae de inventione Artium.
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Er hielt es für ungeschickt, das Ansehen des Alters oder andere Verhältnisse im gleiche des Wissenschaftlichen geltend zu Machen; der Meister, wollte er, müsse sich freuen vom Schüler übertroffen zu werden:
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24) Philosophia sagax. L. II.
25) Vorrede in den andern Tractat der Wundarznei.
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In Beziehung auf die Medicin selbst besteht ein besonderes Verdienst unsers P. darin, daß er sie gleichsam in eine höhere Region des Geistes versezte, u. sie dadurch, daß er von ihrer bürgerlichen Lage im Staate gänzlich abstrahirte, mit einem reineren Gehalt begabte.
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26) Der erste Grund der Arznei, welcher ist Philosophia.
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Die Medicin, nach der Idee des P., hatte überhaupt einen höhern Ursprung:
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27) Vorrede zum Spitalbuch.
28) Vorrede in das andere Buch der großen Wundarznei.
29) De Peste in addition. L. I.
30) Vorrede zum dritten Buche der großen Wundarznei.
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Die Medicin beruhte nach seiner Vorstellungsart auf vier Säulen, der Philosophie, Astronomie, Alchemie u. der Tugend. (S. hierüber das ganze Paragranum u. die Vorrede zu demselben.)
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31) Labyrinthus medicorum. Erstes Capitel.
32) De Peste L. I.
33) Fragmente zur großen Wundarznei.
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Ein Alchemist ist dem P. derjenige, welcher das, was aus der Natur dem Menschen zu Nuz wachst, dahin bringt, wohin es von der Natur verordnet wird. In diesem Sinne beschreibt er die Alchemie als die dritte Säule der Medicin:
Von der vierten Säule od. proprietas des Arztes sagten „Ob ich nicht mit Recht verlange die Redlichkeit eines Arztes u. sie einen Grund, eine Säule der Arznei seyn lasse? |
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Er war ein entschiedener Gegner der Meinungen der arabischen u. griechischen Aerzte.
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34) Von den Franzosen. Das erste Buch von Imposturen.
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Bei dieser Abneigung gegen die griechischen Aerzte zeugen doch seine vortrefflichen Commentarien zu einigen Aphorismen des Hippocrates, wie werth ihm diese erfahrungsreichen Sprüche gewesen seyen. Seine Bemerkungen zum ersten Aphorism mögen zum Beweise hiervon dienen:
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35) Vorrede der Bücher Berthoneä.
36) Commentaria in Aphorismos Hippocratis.
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Er war ein entschiedener Gegner der Humoral-Pathologie, u. zeigt überhaupt auch in Hinsicht mancher practischen Grundsätze, die mit dieser Vorstellungsart zusammenhangen, u. welche in den neuern Zeiten häufig zur Sprache gekommen sind, ein sehr richtiges u. eindringendes Urtheil, z. B. in Rücksicht des Mißbrauchs der evacuirenden Methode.
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Sehr richtig bemerkt er über die Curmethode der Wassersucht:
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37) Gründlicher Unterricht von Aderlassen.
38) Commentarium in Aphorism. XXIII.
39) Vom Aderlassen, anderer Tractat.
40) Vom Purgieren u. Aderlassen.
41) Vom Schröpfen.
42) De Elleboro.
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Man giebt P. tiefe Unwissenheit schuld, weil er seine Vorlesungen zu Basel in deutscher u. nicht, wie es damals gewöhnlich war, in lateinischer Sprache gehalten habe. Freylich war dies damals, wie ein Geschichtsforscher bemerkt, so verhaßt, __________
43) De pestilitate Tract. 1.
44) Philosophia occulta.
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P. folgte dem Andrange seines Bestrebens nach Wahrheit, wenn er sich vorzüglich der deutschen Sprache bediente, indem er wohl in dieser Hinsicht der Meynung gewesen seyn mag, daß die deutsche die Sprache der Wahrheit sey, wie dies schon Kaiser Carl V. gemeint haben mag, der gesagt haben soll: „mit Feinden müße man deutsch sprechen“. Man legt ferner P. zur Last, er sey ein ungesitteter Landstreicher gewesen. Was kann aus dem beständigen Umhertreiben anders als Sittenlosigkeit, Unfähigkeit zur regelmäßigen Beschäftigung u. dgl. erfolgen, pflegt man anzuführen. Aber was blieb ihm in seinen Verhältnißen anders übrig? Wäre er Nicht früh grade dadurch aus seiner beschränkten Bildungssphäre herausgetreten, hätte er nicht ein einseitiger Schwärmer werden müßen, zu dem ihn die Klostergeistlichen bildeten? Sind deshalb Humboldt, Chladni u. v. a. Landstreicher, weil sie den größten Theil ihres Lebens auf Reisen zubringen u. durch diese der Menschheit mehr Nützen, als wenn sie Noch so folgsam dem Leisten des Conventionellen, dem leider auch der Gelehrte in feinen Dienstverhältnissen nicht zu entgehen pflegt, huldigten! Schützt nicht noch das Reisen die Gelehrten für die sonst unvermeidliche Einseitigkeit. Es ist daher wohl ein falscher Wahn, daß man hie u. da zu glauben scheint, der Gelehrte genieße ja deshalb seine Schul- u. Universitäts-Bildung, damit er hernach bis an sein Lebensende diene, d. h. das Eingesammelte wieder |
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In späterer Zeit war durch Verstimmung des Gemüthes auch P. durch sein Schicksal unfähig geworden, sich wieder an einem Orte zu fixiren. Doch hören wir auch hierüber ihn selbst:
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Feinde hatte P. sich selbst durch das Gute, das er zu wirken sich bemühte, zugezogen. Die meisten Calumnien gegen P. rühren von seinem Schüler, dem berühmten Buchdrucker Oporin her. Ihm hatte P. sehr große Wohlthaten erwiesen — Oporin griff ihn am heftigsten an, verbreitete Nachrichten von seinem Wandel, die am nachtheiligsten auf seinen Ruf wirkten. Eine Art des Undanks, die übrigens unter dem Monde nicht zu den Seltenheiten gehört. Er wirft ihm besonders das Laster der Trunkenheit vor. Nun ist et in der That nicht zu leugnen, daß viele seiner Schriften mit einer so glühenden Heftigkeit geschrieben sind, daß man diesem Vorwurfe leicht Glauben beymessen könnte. Diese Neigung zum Trinken aber, wenn sie ihn wirklich beherrscht haben sollte, kann leicht durch seine viele u. beschwerliche Reisen, seinen häufigen Aufenthalt in Wirthshäusern hervorgebracht u. begünstigt worden seyn. Auch tadelt Oporin seine Verschwendung, worüber sich P. folgendermaßen erklärt: __________
45) Vierte Defension.
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Oporin bereute aber seine Verläumdung u. bezeugte P. nach seinem Tode eine große Verehrung. Der Mensch kreist ja immer in Extremen! P. ist selbst mit seinen Schülern unzufrieden; er erklärt sich darüber, indem er sagt: „Hütet euch vor den Auditoribus, die ich in Basel verlassen habe, die mir haben den Urin aufgewärmt, die Federn vom Rock gelesen, mir gedient u. gelächelt, die wie die Hündlein um mich geschlichen u. mir angehangen sind. Das sind Erzschelme. Hütet euch vor ihrem Gift. — Ein jeglicher hat meine Lese nach seinem Kopf gesattelt. Einer führt mir’s in einem Mißbrauch zu seinem Seckel, ein andrer ziehts in seinen Hoffart, ein andrer glossirt’s u. emendirt’s, u. im Fürlegen für mich waren’s erstunkene Lügen.“ Man hat auch oft feine Großsprechereien sehr lächerlich finden wollen. Allein bei der großen Ehrlichkeit, in der er immer sich zeigt, erscheinen auch diese in einem günstigeren Lichte. Er sagt selbst, was er von sich hielt, treuherzig u. ohne Verstellung. Andere, wenn sie auch dasselbe von sich glauben, heucheln Demuth u. Bescheidenheit, sind aber eben so ruhmsüchtig, ohne so ehrlich zu seyn. Dazu kömmt, daß vieles nur so erscheint durch die begleitenden Umstände u. durch den Abstand, in dem er sich häufig in Vergleich seiner Umgebungen finden mußte. Man wirft ihm vor, daß er sich nach Art der Grossprecher u. Char- __________
46) De mysteriis vermium.
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Endlich hat man ihm auch sein ungestümes, zorniges Wesen, überhaupt seine Unverträglichkeit zum Vorwurf gemacht, wogegen er sich selbst vertheidigt:
Nun aber merket weiter auf, wie ich mich gegen das entschuldige, daß ich rauhe Antwort gebe. Die andern Aerzte können wenig der Künste, behelfen sich mit freundlichen, lieblichen, |
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Sein Hauptverdienst bleibt uns noch aufzustellen Die Pharmacie hat ihm eine große Revolution zu verdanken. Für einen bloßen Adepten hat man ihn wohl erklären wollen — aber das geschah nur aus Unverstand. Er war fern vom Goldmachen; denn er begriff unter dem, was man Alchemie zu nennen pflegte, nur unsre Chemie. Er zeigte, welchen großen Werth sie für die Arzneikunde habe, indem sie die Bereifung der wirksamsten Arzneimittel möglich mache, einen Werth, den dir Aerzte seiner Zeit verkannten. Er überzeugte sie, wenigstens den bessern Theil derselben, durch die auffallend schnelle u. glückliche Wirkungen seiner chemisch bereiteten Mittel, von dem Werthe derselben, auf das überzeugendste, Als Albert Basa, Leibarzt des Königs von Polen, aus Italien zurückkam u. auch P. in Basel besuchte, nahm ihn dieser mit zu einem Kranken, dessen Kräfte, nach dem Urtheile Basa’s, völlig niedergeschlagen u. dem er daher das Leben absprach. P. aber lud den Kranken, um die Macht seiner Kunst zu zeigen, zu sich auf den folgenden Tag zu Tische, gab ihm darauf Tropfen von seinem Laudanum u. der Kranke fand sich wirklich am folgenden Tage bey P. ein. __________
47) Sechste Defension.
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Alles dieses mußte nothwendig auf die Einrichtung der Apotheken einen bedeutenden, wohlthätigen Einfluß äußern. Denn diese waren zu jener Zeit, blos eine Niederlage von Wurzeln, Kräutern, von Syrupen, Latwergen, eingemachten, kan- |
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So waren sie beschaffen, die Apotheken seines Zeitalters. Was Wunder daher, daß man P. anfangs, als er Arzneimittel zu bereiten verlangte, die den damaligen Apothekern fremd u. unbekannt waren, einer Versündigung gegen das zehnte Gebot beschuldigte: „du solt nichts fremdes begehren.“ Die auffallenden, Aufsehen erregenden, Curen von P. hatten indeß der Anwendung chemischer Mittel Eingang verschafft, Mithin die Bereitung derselben nothwendig gemacht. Es ist also einleuchtend, daß der verbesserte Zustand der Pharmacie diesem wichtigen Umstande zunächst zuzuschreiben ist. Wir haben ihm demnach zu verdanken, daß der Stand des Apothekers von der niedrigsten Stufe eines Kräuter- u. Confecthändlers zur wissenschaftlichen Würde erhoben worden ist. Indem wir in dieser Skizze das Regen eines Geistes, der sich aus tiefer Finsterniß emporarbeitete, verfolgt u. uns überragt haben, daß eben so nützlich feint Thätigkeit, als groß sein Einfluß war auf den gegenwärtigen verbesserten Zustand der Medicin u. Pharmacie, zu welchem er unleugbar den Grund gelegt, werden wir ihm wohl in seiner Verklärung mit unserm Schiller zurufen dürfen: Dem Verdienste seine Krone! |
Bibliography
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Offprint from the 'Allgemeine Nordische Annalen der Chemie'.