Kurze Auslegung der zehn Gebote Gottes
Printing History, Manuscripts. Two manuscripts in Berlin and Rostock.
Editions. First edited by Goldammer in 1973 in Paracelsus, Sämtliche Werke, II/Suppl.: 167–203.
Relationship between different versions. The Berlin manuscript has a dedication letter to Joachim, Markgraf von Brandenburg (1505–1571) by Lambert Wacker, dated Berlin 7 May 1569 and asking for support to bring this text into print. Wacker reports this text to be taken from an autograph of Paracelsus (“aus des autoris eigen handschrift”). The Rostock manuscript has a dedication by Wacker to Johann Albrecht, Herzog von Mecklenburg (1525–1576), dated Prague 5 April 1570 and asking essentially the same. According to Kühlmann and Telle, who edited Wacker’s dedication in Corpus Paracelsisticum, there is no positive or negative indication whether the Berlin and Rostock manuscripts are autograph copies by Wacker or not.
Structure, genre/form, perspective, style. The text consists of a dedication written and signed by Lambert Wacker (see above), a preface on Paracelsus not signed by Wacker and written either by him or by the author of the following text. The dedication is written in the first person, directly addressing the recipient. The preface is partly written in the third person, partly in the first person. The main text is designated as “Liber primus expositionum”, although there is no second book. The Ten Commandments are treated in five chapters.
Relationship to other texts. The dedication opens with a citation of Sebastian Franck’s well-known sentences on Paracelsus (without Franck’s name). It further cites excerpts from “Velentinus Rhetius” and the (Pseudo?)-Paracelsian De iustitia (§ 1.9).
Authenticity, authorship. Weimann seriously doubts the authenticity of this “Short Commentary on the Ten Commandments” that has nothing in common with the authentic Paracelsian “Commentary on the Ten Commandments” and that is found in none of the known manuscript collections of Paracelsian theological works. The Kurze Auslegung is considered spurious by Kühlmann and Telle.
Time of writing. Probably written in the 1560s.
Manuscripts:
- Berlin, Staatsbibliothek: Ms. germ. quart. 50; 64 fols.
- Rostock, Universitätsbibliothek: Mss. theol. 76
First printed: not printed before Goldammer (1973).
Essential bibliography: Sudhoff, Paracelsus-Handschriften, 791 n° 82; CP 3: 175–218 n° 101
Further bibliographical references:
Kurt Goldammer, “Paracelsus, Osiander and Theological Paracelsism in the Middle of the 16th Century. Some remarks concerning a Paracelsian pseudepigraphon on the Ten Commandments,” in Allen G. Debus, ed., Science, Medicine and Society in the Renaissance: Essays to honor Walter Pagel (London, 1972), 2 vols., 1: 105–120.
Karl-Heinz Weimann, “Einleitendes zur Text- und Überlieferungsgeschichte”, in Religiöse und sozialphilosophische Schriften in Kurfassungen, Paracelsus, Sämtliche Werke, II/Supplement (1973): XIX–XXVII.
Gilly, “Theophrastia Sancta” (1994), 425.
Gilly, “Theophrastia Sancta” (1998), 151.
Gilly, “Vom ägyptischen Hermes zum Trismegistus Germanus” (2010), 78.
Text: | Pseudo-Paracelsus: Kurze Auslegung der zehn Gebote Gottes |
Editor: | Edited by Kurt Goldammer |
Source: | Berlin, Staatsbibliothek: Ms. germ. quart. 50 |
Reprinted from: | Paracelsus, Sämtliche Werke, ed. Kurt Goldammer, II/Suppl.: 167–203 |
[f. 1r]
[f. 2r] Dem durchleuchtigsten, hochgebornen fürsten und herrn,
herrn Joachim, markgrafen zu Brandenburg, des heiligen römischen reichs erzkemmerer und churfürst, zu Stettin, Pommern, der Cassuben, Wenden und in Schlesien, zu Crossen herzog, burggrafe zu Nürenberg und fürst zu Rugen, meinem gnedigsten churfürsten und herrn.
Durchleuchtigster, hochgeborner, gnedigster churfürst und herr!
Diese kurze auslegung der zehen [f. 2v] gebott gottes Theophrasti Paracelsi hab ich aus des autoris eigen handschrift, wiewoll die bös zu lesen, nachdem viel seiner bücher von ihm selbst in sonderlichem fleis vorbitschirt und nun lange jahr bis uf kegenwertige zeit vermauert gewesen, nicht ohne geringe muhe abgeschrieben; dieselbigen euer churfürstlichen gnaden unterteniglichen dediciren wollen, vornemlichen weil euer churfürstliche gnaden in religionsachen dermaßen gottlob fundirt, daß sie leichtlich das lauter vom unlauter konnen unterscheiden; auch er (der autor) dem roten adler in seinem prognostico viel wunder- [f. 3r] barliche und doch zu seiner zeit gluckseilige ding tun vaticiniren. es gibt es auch die teglich erfahrung, daß er bis anher noch nicht viel unwarhaftiges geweisagt. der andere seine bucher gelesen und der welt ihren lauf ein wenig aufgemerkt, — dann mach man daraus, was man wolle, so ist mundus stultorum cavea errorumque taberna. ob einer schon woll sapientior ist denn der ander, so ist doch kein sapiens auf erden zu finden.
Was aber in dieser nachgeschriebenen praefation euer churfürstlichen gnaden noch des lesers begern nicht gnugsam ausfurlich von dem autore, so die[f. 3v]selben gemacht, wird dargetan, wird er, ob gott will, in dem buchlein 'De iustitia' (so von dem Theophrasto auch geschrieben, wie ich vermerk) mit mehrem erkleren. hoffe dis mein armes levidense werde mir bei euer churfürstlichen gnaden und einem ieden meßig verstendigen kein nachteil geberen; mich in untertenigsten gehorsam euer churfürstlichen gnaden befehlen.
[f. 4r]
Es schreiben etliche in ihren chronicis, daß anno 1529 ein seltzam wunderlicher mann mit namen Theophrastus von Hohenheim gen Nurenberg kommen, der fast alle doctores und Scribenten in medicinis verlachet. den Avicennam soll er verbrant haben zu Basel in offentlicher universitet; mit seinen recepten, iudiciis und medicin wider alle medicos gewesen sein.
Dieser Theophrastus, nachdem er gesehen, daß auf dieser unartigen, bösen, verkerten welt kein kunst mehr in ihrem [f. 4v] rechten grund gestanden (wie es dann leider die Wahrheit an ihm selbst), hat er mehr denn dreihundert und sechzig bucher geschrieben. erstlich aber weil er vermerkt, daß die verlorne arzten die edle kunst der medicin gar zu eim pflug misbrauchen und den eckstein derselben auf Galenum, Hipocratem und ander ihrer facultet verwandten und Scribenten mehr denn auf die experienz der natur legten (dadurch mancher patient, dem sonst oft mit einem geringen simplici geholfen wer worden, mit ihren zusammengeklaubten recepten, weil sie sonst nichts [f. 5r] gewust, ganz und gar von ihnen umb leib und leben ante suum naturalem terminum vollent gebracht und getödet worden), hat er mit rechtmeßigem eifer sich wider solche mörder gesetzt, gelert und geschrieben, das liecht der medicin hell, klar und lauter an tag bracht. also daß er Theophrastus und nicht κακοφράστος, wie ihn die latrosophisten und seine misgönner ausgeschrien, ja billig ein monarcha et princeps medicorum genent wird; ich dorfte auch woll sagen: theologorum rex et iurisconsultorum caput. also hat er gar in allem [f. 5v] dem ziel nahener geschossen denn bisher keiner.
Von den medicis redt er also: omnes magistri et doctores, qui non ex naturae schola generantur, deceptores sunt. quibus si quid successerit, sine ipsorum scientia et intellectu fortuito fit, ac si caecus nummum inveniat. item medicus his quatuor columnis fultus esse debet: philosophia, astronomia, chymia et virtute. nun wil ich von unsern medicis, ob sie solche leut seindt oder nicht, wie Theophrastus affiner abmalet, auf dis mal nichts weitleuftigers handeln, nam ratio Theophrasti dicta probat verumque [f. 6r] tuetur: et foelix cui natura est medicus. es mus Galenus und Hypocras, volunt nolunt, bekennen, daß unser Theophrastus in ihrer facultet palmam obtinirt habe.
Es schreibet der Valentinus Rhetius von diesem Theophrasto Paracelso also: apud Germanos nunc vir adolescens existit, cui par orbis non fert; quod, credo, aut mira influentia in eo sit natalis, aut immensa spiritus dei gratia, aut magna existentia daemonum. nam hactenus nemo mortalium ausus fuit ea dicere, quae ille flocci pendit, doctiorem me legisse memini, daß nun in unserm Theophrasto mira [f. 6v] influentia natalis et spiritus dei gratia gewesen sei, ist kein zweifei. nam nemo nascitur absque dono singulari a deo vel thesauro, licet hic thesaurus non venit ad haeredes. nam illud est in arbitrio dei. deus dat, cui vult et quantum vult ex misericordia.
Nun haben wir des im alten und neuen testament viel exempel, daß gott sein geheimnus nicht all auf ein mal den menschenkindern offenbaret, sondern stets nach der zeit, nach seiner götlichen weisheit guts und böses uns armen creaturen, die wir nach seinem bild [f. 7r] geschaffen, aus grundloser barmherzigkeit eroffnet. die gottheit hat selbst geredt, das gesetz so zwifachtig mit dem finger gottes in zwifachte tafeln geschrieben. item hat gesandt leut, denen er das gebis seines heilsamen worts in das maul gelegt, seine geheimnus seinem volk zu offenbaren und zu vorkundigen. dann sonst hat kein mensch aus seiner vernunft das gesetz oder die gebott gottes verstehen konnen noch mögen, wann got der herr nicht den geist seines götlichen Verstands über etliche seine boden und diener kommen lassen, [f. 7v] den andern solchs zu lehren und zu predigen. und solchs ist alles zu unterschiedlichen zeiten geschehen, und wird geschehen, weil die welt stehet. ob der teufel schon wider einen apostel Christi hundert, ja mehr denn etlich tausent pseudoprophetas und ketzereien erweckt, donner und blitz dakegen ausgeust, halten sich doch die gleubigen zu dem wort des herrn in einfeltigkeit ihres geistes, und gehorchen der stim des rechten hirtens und des, der ihn gesandt hat.
Es ist leider mit unsern meistgeleuterten [f. 8r] theologen dahin geraten, daß sie auch mehr auf ihre vernunft, studieren, commentisiren und predigen sich verlassen dann auf den rechten erztheologen, welcher ist spiritus sanctus. daher dann so viel zwiespaltung und ketzereiung unter ihnen aufstehen; ein iglicher doctor einer iglichen universitet wil unsers herrn gottes kanzler und kanzelei sein; ist die ambitio so gros, daß weder davon zu reden noch zu schreiben ist, und seindt doch die meisten doctores literae und nicht spiritus. [f. 8v] es ist nicht daran gelegen, daß man das geleuterte mit viel commentisiren verunreinige, viel bucher schreibet, die Schriften ein ieder nach seinem kopf zwackent, allegiren. es heist, den verstand der Schriften recht furen, und es aus dem text nemen und nicht hineintragen. sonst versundiget man sich an der schrift und ist des teufels affenspiel. darumb apud Ieremiam geschrieben stehet: sihe, ich will an die propheten, spricht der herr, die ihr eigen wort fuhren und sprechen. er hats gesagt: sihe, ich will an die, die falsche treume weissagen [f. 9r], spricht der herr, und predigen dieselben und verfuren mein volk mit ihren lugen und losen teidingen, so ich sie doch nicht gesandt und ihnen nicht befohlen hab, und sie diesem volk nichts nutz sein, spricht der herr.
Was hilfts, daß sie der logica und rhetorica seindt woll unterrieben, daß sie zwanzig jar auf universiteten gelesen. het das buch selber kunt, so het man ihr nicht bedürft. wissen dreizehn sprachen, mehr denn in pandectis stehen, so schiffen sie doch nur auf dem weiten meer, wissen nicht, in welchen port sie den anker werfen [f. 9v] oder in was litus sie zulenden sollen. das macht, daß sie der heilige geist nicht regirt. setzen also die seiligkeit in ihrem studiren, in ihrer blinden vernunft, drin sie doch nicht ist, sondern in dem heiligen geist. da mus sie von predigern und zuhörern erfunden werden. der mus uns darzu berichten. man helt oft colloquia, conciliabula. kommen gemeniglich zusammen die gelartsten professores, auch die, so nu lange jar her mit ihren famosis libellis einander wie die zanbrecher ausgeholhipt. stecken voller has und neid kegen einander propter ambitionem et arrogantiam. [f. 10r] do ist kein eintregtigkeit der herzen oder gemuter! durchforschen einander in bosheit und reden einander betrieglichen. wann sie nun einander mit den lugenzungen wol gedroschen, lassen sie solche scommata offentlich in druck ausgehen, daß iedermann ihre hochwitzigkeit und Unverstand der heiligen schrift, und was man do gehandelt, innen werde.
Ich mein, bei solchen theologen sei der heilige geist gewest, — ja, mein lieber Hans Pauer, Nickels Pfrim, hinter dem ofen hat er dieweil birn gebraten! warumb habt ihr sein iudicium auch nicht horen wollen? kompt [f. 10v] etwan ein armes dorfpfefflin (der mehr geist hat denn sie voller kunststucken), wolt seinen rat und gutbedunken auch gerne anzeigen, so heists: sta foris, pausa! nos poma natamus. wir seindts! wir müssen dem fursten, der landschaft ein reformation, kirchenordnung, ceremonien stellen und vorsehreiben. das kunt ihr nicht, ihr arme bacolarien. etliche machen sich zu erzvaganten, laufen von einer pfarr auf die andern, aus einem land ins ander, torquiren sich selbst in ihrer logischen garrulitet tag und nacht. niemandt ist, der sie vocirt hat. [f. 11r] etliche werden hofnarren, wollen frauen und jungfrauen den weg gen himel weisen. schnatern die gans den gensen. aber was soll ich viel sagen? eunuchi gehörn in die frauenzimmer! drumb wird es heißen: currebant et non mittebam illos.
Es ist nicht mehr, gottlob, so geferlich, sich vor dem irdischen lucifer mit seinem römischen stuel (davon er in diesen drei und zwanzig jaren, von dem 65. an bis auf das 88. zu rechnen, gleich wie der himlische lucifer mit allen seinen gesellen gesturzt wird werden) zu besorgen (gott geb), er practicire so heimliche, duckische ratschlege mit auslendischen potentaten, [f. 11v] wie er wolle. dann der teufel, so ihn auf den cathedra pestilentiae gesetzt, weis woll, daß er fallen mus. drumb erweckt er unter euch hier in Deutschland andere lucifer, und ist zu vormuten, er werde einen emporheben. wird eben einen rechten schein wie der zu Rom im anfang fur der welt furen.
Aber ich bin kein prophet, auch keines propheten sohn. es lest sich aber fast so ansehen nach vieler vertreffentlicher leut propheceiung und astrologischen prognosticon. es bezeugen alle historien, alle warhaftige weissagung der [f. 12 a] astronomen, der himel, sonn und mond, die vogel in den lüften, die fisch im wasser, die tier im wald und die tier im meer, ja das meer selbst zeiget an, und es müssens alle menschen bekennen, daß seither, daß gott die welt geschaffen hat, nicht so viel unglucks gewesen ist, als teglich ie lenger ie mehr vor augen gesehen, gehört und gespurt wird. ein ieder tut, was er will. es stehet kein stand, kein kunst mehr in ihrem rechten grund noch ordnung, keine iustitia, weder treu noch ehr ist zu finden. drumb [f. 12v] nimbt michs kein wunder, daß itziger zeit der mehrer teil hoch oberkeiten μυομαχίας et aliena bella suchet, welche Alexander nicht anders denn murium bella und Christus selbst rumores et tumultus bellorum, non bella monarchiarum nennet.
Aber davon gnug. das mus ich dennoch sagen, daß einem potentaten eben so woll als der geringste bauer seine pacta und verbundnus soll halten und nicht violiren. denn es ist leicht, rem publicam zu moviren, sed sistere in tranquillo solius est dei. es sind mutwillige kriege, die da sind contra praeceptum Scipionis: [f. 13r] nunquam esse dimicandum, nisi aut cum necessitas sit, aut summa opportunitas. du solt es gedenken, daß dich magia mit einer blumen gezeichnet. wirst nicht lang mehr bluen, ob du gleich schön jung bist. aber man findet itzund etzliche lauristen, die konnen aus ihren Bartholo et Baldo alle aufgerichte brief und siegill, stedt und mauren umbstoßen, und ihren herren so fein persuediren, daß er zu allem, was er furneme, gut, recht und fug habe. was sie aber fur einen fall tun werden! ist die axt schon an den baum gelegt. [f. 13v] es wird euch ein ander codex furgelegt werden. und wird nimmer heißen, wie einmal einer gesagt: gib mir geldes gnug, ich will dir die sache gleich ein mauer, ein gewelb aus dem grund heraus fuhren.
Davon soll weiter im büchlein 'De iustitia', so unser Theophrastus geschrieben, gehandelt werden. wollen itzund wieder auf unsern Paracelsum kommen, damit wir bei unserm praeceptorem propter reverentiam, so wir ihm schuldig, nicht wie andere in praeiudicum ingratitudinis kommen mögen. dann wir solchs mit nichten bedacht. dieser [f. 14r] Theophrastus von Hohenheim hat sich durch die facultet der medicin fast durch alle welt müssen herdurch beißen. und ist ihm niemandt feind gewesen denn iedermann. wie dann der tugend und kunst der fürste des irtumbs den geist des neids gerne zuschickt, ihnen fleißig auf den dinst zu warten und die warheit unterzudrucken, damit ihm an seinem reich kein abbruch geschehen möge und das menschliche geschlecht nur mit leib und seel in die helle gefurt werde.
Alsbald nun dieser Theophrastus die medicin zu leutern sich [f. 14v] unterstanden, hat der junker Neidhart den andern medicis ihre gemueter vorblendt, daß sie kein aufmerken auf ihn als auf einen bruder, so es treulichen mit ihnen gemeint, hetten. darumb sie ihn sampt seiner kunst veracht, verspottet, ihn einen schwermer, zauberer und nigromanticum geheißen. ja er ists auch gewesen billig! aber nicht nach ihrer glosen! ein rechter magus, der die magnalia dei verstanden, davon ganze [f. 15r] bucher geschrieben, davon ihren hypocriten und praeceptoribus und ihnen niemals zuvor getreumet. haben ihm furgeworfen, er werde nicht von konigen, fursten und herren bestelt wie sie. welchs nicht sein schuld. er hats auch nie begert, auch nicht tag und nacht darnach gerent wie sie. es ist auch in aulis nit seltzam, quod saepe auro et purpura bipedes vestiuntur aselli.
Wer etwas rechtschaffens kann aus dem grund, den weis gott, [f. 15v] und die leut finden ihn doch woll. es heist: alterius non est, qui suus esse potest. als er aber die Undankbarkeit seiner discipulen und der welt vormarkt, und gesehen, daß der geist des neids die menschenkinder gefurt in vorzuckung, auch die zeit noch nicht gewesen, daß der verstand in ihnen hett mögen wirken, hat er seine libros (ja, billich liberos, so er ex suo ingenio geboren) untergedruckt, vorpitschirt, hin und wieder vorsteckt und vermauert, wie er dann noch wenig am tage. dann die zeit noch nicht gewesen, daß die [f. 16r] welt von seinen scriptis remoto livore hat judiciren konnen noch mögen. wie er denn in einem seiner bucher selber spricht, daß noch ante diem iudicii der welt irtumb und unsinnigkeit, drin sie itzt steckt bis über die ohren, so hell und klar ein ieder soll inn werden und verstehen, als wer es ihm an der stim geschrieben, daß er selbst schamrot stehn werde. und alsdann, spricht er, beger ich, zu judiciren meine scripta.
Die vornembsten medici aller nation klauben itziger zeit [f. 16v] schon alles zusammen, was sie von theophrastischen buchern bekommen konnen und mögen. bekennen, daß er ihr grundherr sei. mussen die lehen von ihm empfangen, den sie zuvor verachtet und verspottet haben. nam sero sapiunt Phriges.
Wolt gott, es wer die zeit vorhanden, daß auch ein Theophrastus unsern theologen die wort Christi, daran sie bisher die kepf zerstoßen, unterschiedlich nach dem geist und nicht nach der vernunft auslegete. ich habe aber sorge, es wurde bei ihnen kaum [f. 17r] gelten werden, er zeigte dann testimonia, wo er gestudirt, promovirt, ordinirt. sonst wird man ihm das examen vorlegen und eisern kugelen auf ihn schmiden werden. sed dominus providebit testimonium Johannis, quod erat Spiritus Sanctus.
Ich habe aber in dieser vorkerten welt erfaren, daß der allergelartesten, beide geistliche und weltliche leut, iudicia oft falsch sein. sonderlich wenn sie dem liecht der natur, das ist ihrer vernunft, zu viel verhengt haben, dann sich es oft begibt, daß auch die menner [f. 17v] gottes, die gott mit dem heiligen geist sonderlich fur andere begabt, der welt gebrauch nach von den allergelartesten verachtet, verspottet und verlacht werden.
Des mus ich ein exempel erzelen. ich hab einen vortrefflichen, gelarten und erfarnen theologen gekant, dessen predigten ich oftmals gehört und fast zwei jahr mit ihm conversirt habe. wolte got, er lebte noch! diesem gaben die andern schuld, als solte er unter den protestireten, kurz nach [f. 18r] überentwartung der Augspurgischen Confession, anno 30 zu Augspurg Carolo Quinto übergeben, gehunken und den mantel auf beiden achseln getragen haben, daß man ihm so feind war, daß man auch seinen namen, ich geschweig seiner pucher und lehr, nit wolt hören, gedenken. ist aber noch niemals ordentlicherweise convincirt oder überwunden worden; sonder allein mit schmachschriften und lugenhaftiger poeterei, nicht allein von den gelartesten, [f. 18v] sondern auch fast von einem iglichen bachanten fur einen scurram und ketzer ist ausgeschrien worden. welchs er alles verachtet, seiner vocation und kirchenampt fleißig auswartende, unangesehen wie sie ihn vor ein apostaten und abtrunnigen ausruften. dieser hat diese schrift aus gnaden des heiligen geistes klarer und heller gefuert dann der andern seiner Widersacher keiner. das bezeugen seine predigten und [f. 19 a] schriften, so noch vorhanden, zum teil aber noch nicht an tag kommen. es issen die welt auch nicht wert, welche nur allein im liecht der natur bleibet, kreucht auf die erden wie andere quadrupedes. und nemen die filii huius seculi in gottes sachen nichts höhers zu, dann was sie aus menschlicher vernunft spinnen und begreifen.
Darumb wer Christo nachfolgen will, sein kind sein, daß er sein vatter sei, mus die welt hassen, ihr feind sein, ja sich selbst feint sein, [f. 19v] mit sich selbst streiten und kempfen, nicht im liecht der natur verharren, sondern daraus kommen und die natur überwinden, daß die welt hinwiederumb ihn hasse und feinde, er sich in keinem wege einiges ergernus draus schöpfe, alsdann ist er fix und hat die proba überstanden. dann dieweil er sein fleisch mit all sein begirden nit gekreuziget, mag er in der zal der kinder Christi nicht gerechnet werden, sondern mus ewiglich in der finsternus bleiben, mag nimmer an das liecht [f. 20r] der warheit kommen, ob er gleich noch so gelart und aller 72 sprachen ein meister were. ursach ist dises: daß ihn der heilige geist nicht geregirt hat. darumb ist der weg zur seiligkeit gar enge gespannen und seindt der glaubigen wenig auf erden. nam dominus dat, cui vult.
Do hat uns gott geben anfenglich zwei gebott. das eine, daß wir sollen gleuben in einen gott; das ander, daß wir bei gott nicht schweren sollen. das erste gebott ist, daß wir aus gott in gott gleuben sollen. das ist: göttlich glauben von inwendigen in gott. [f. 22v] das ander gebott ist, daß wir sollen in gott glauben aus dem leibe. das ist: menschlich gleuben.
Diese zwei gebott sollen also verstanden werden. anfenglich laut das erste gebott, zu glauben in einen gott aus gott. dann glauben in einen gott mus aus gott glaubet werden und beschehen; das ist: aus dem gott, der im menschen ist. in dem derselbige gott ist, also stehet der glaub göttlich aus dem. nach dem ersten gebott sollen wir allein gleuben in gott. dann dieser gott ist in einem gleubigen. auf das laut dieses erste gebott, daß wir sollen aus unserm gott, den wir in uns haben, glauben in gott. [f. 23r] in diesem solchen glauben wird das erste gebott erfullet. darnach ist das ander, daß sich von dem ersten nicht scheidet. laut also, daß wir nicht sollen schweren bei gott. das laut allein auf den leib. wird durch den leib erfullet, on antreffen des gottes im leib. der leib kann nicht glauben, dann er ist irdisch; alein der glaub, daß ein gott ist, das ist das, das vom himel kompt. er mus nicht schweren. wann glauben ligt in gott des menschen, aber schweren ligt im leib des menschen und nicht in gott des menschen.
Und lassen sich doch nicht von einander scheiden diese zwei gebott. sondern sie bleiben bei einander. wann der glauben kompt aus gott [f. 23v] des menschen und der misglaube aus dem leib des menschen. derhalben so ist es ein ding, aber zwei gebott. auf das ist zu merken, daß das eine den geist, das ander den leib antrifft, welchen beiden die seel unterworfen ist. aber gott der will gleich so woll im glauben aus dem gott des menschen geehrt werden, als im leib des menschen; im leib als woll als aus dem inwendigen; und will sie nicht von einander geschieden haben, sondern beide in den ersten zweien gebotten begriffen.
In diesen zweien gebotten werden verstanden zwei gebott. eins, daß der leib nicht glauben kann noch mag. also du solt gleuben in [f. 24r] einen gott, — das ist geredt auf den geist, der inwendig ist. und ist nicht auf den leib und auf sein vergenglich specie geredt. das ander: du solt nicht schweren bei gott, — ist geredt auf den leib und nicht auf den geist. und daß also der glauben gehet aus dem inwendigen und nicht aus dem auswendigen, derhalben kompt er aus dem heiligen geist. das ist dann der gott des menschen. und kompt nicht aus dem liecht der natur. auch so ist der glaube in der seele und nicht im leib. wann der glaub ist ewig. derhalben mus er ein ewig bleiben haben. das dann der leib nicht ist. wann der glaub ist allein in dem, das intregt, und [f. 24v] ist in dem, das in ihm bleibt. das ist allein das inwendig im menschen, die seel. darin ist der glaub und sonst in nichten. wann er besitzt ein undötliche statt, das der leib nicht ist; wann er stirbt. der glaub hat aber kein ende, und die seel desgleichen.
Darumb bleiben die zwei bei einander. wann sie gehorent in gutem und bösen zusammen, zum leben und zum tod. desgleichen der leib im andern gebott: du sollt nicht schweren. bleiben auch mit einander, der schwur und der leib. wann schweren geschicht nicht aus dem glauben, allein aus dem leibe. derhalben mus er im leib verharren und darin stehen. schweren fur sich [f. 25r] selbst gehet aus den sinnen des naturlichen liechtes. so nun einer schweret bei gott, so schweret er nicht aus dem glauben, sondern er schweret aus der natur und aus ihrem liecht. dann aus dem glauben gehet kein fluch. aber die natur gebiert die fluche und die schwur. darumb gott will, daß durch den leib, das ist aus dem liecht der natur, wider ihn nicht gehandelt werde. und nicht allein in inwendigen, sondern in dem auch, was die natur gibt. darumb schweren in der natur licht und aus ihr geboren wird.
Also folget nach: das ein gebott auf den geist geredt ist und im glauben, daß es gleub [f. 25v] aus gott in gott; das ist, daß er glaub aus dem heiligen geist in gott. das ander: aus dem leib, seiner natur, und aus dem liecht der natur wider gott nicht handele. in dem sollen wir aus der natur kommen. wann bei diesem schwur wird das alles verstanden, was der leib handelt aus seiner vernunft on glauben. wann das alles das, das die vernunft begreift des naturlichen liechtes, das ist alles wider das ander gebott gottes. wann da ist kein grund zum glauben. sunder es ist ein fluch und ein schwur wider gott im andern gebott. auf das wider die vernunft der natur hat gott [f. 26r] das ander gebott geben, daß durch die natur nicht soll glaubt werden. also laut das eine auf den geist, das ander auf die natur.
Auf das ist nun zu wissen, daß furhin aus dem liecht der natur ein zurbrechung geschicht wider gott, indem die natur aus ihrer vernunft und conscienz dritt, die in der natur wider dieselbig ist, also wann einer wider sein naturlich gewissen tut. wann es seindt ihr zwei: eins das gewissen des glaubens, und gehet aus dem geist; das ander das gewissen der natur, und gehet aus dem liecht der natur. und ie durch dieselben gewissen will gott fur ein gott [f. 26v] erkant werden: aus dem gewissen des glaubens als ein einiger gott der seelen; aus dem gewissen der natur als ein schepfer der natur, der sie zu brechen, zu machen und zu geweldigen hat. auf das weis der ungleubige, daß schweren wider die natur ist, aus der natur und nicht aus dem gewissen des glaubens, und ist wider gott. das weis der unglaubige in dem, daß er wider den schweret, der ihm den leib und die natur geben hat; nicht nach der seien, sondern nach naturlichem verstand.
Also will gott in beiden conscientien nicht geletzt werden. und will, daß er im glauben [f. 27r] ein gott erkant werde der seelen und in der natur ein schöpfer, der ihr zu nehmen und zu geben hat, und kein ander nicht. wann was die conscienz der natur ausweist, das betrifft den ungleubigen an. und ist dem unglaubigen gebotten, also daß er nicht glaube nach seiner vernunft, sondern nach dem gott, der in ihm ist. dann keiner mag die seiligkeit ergrunden, allein durch den glauben. darumb welcher im liecht der natur lebt, die seel darin sie zugenommen, der lebt übel und wider das ander gebott. also will gott im andern gebott, daß ihn die natur nicht schelte, [f. 27v] nicht verachte, nicht ein andern erken als allein ihn, der ein gott des glaubens ist. und das der ist, der im ersten gebott stehet, der ist auch der im andern.
Uf diese zwei gebott betrifft das ein die seiligkeit, das ander die verdamnus. also gleubst in einen gott, so bistu seilig. glaubst aber du in deiner vernunft, so bistu verdampt. auf das gebeut gott die seiligkeit. das ist: er gebeut dir, in einen gott zu glauben, und verbeut dir, der natur zu glauben. derhalben in dem, das er dir gebeut, darin ist endlichen die seiligkeit. und in dem, das er dir verbeut, darin ist endlich [f. 28r] die verdamnus. in dem wird verstanden, daß die seiligkeit nicht aus der vernunft des menschen erfunden wird, sondern allein aus dem heiligen geist, der ihn dazu berichtet. aber aus der vernunft der natur soll der mensch den schöpfer erkennen, und gedenken, nichts wider ihn zu tun. und soll aus dem liecht der natur kommen, nicht darin zu verharren; sonder den glauben, das ist das erste gebott, anzunehmen; und nicht in die natur willigen; und das erste nicht ausstoßen; sondern aus der naturlichen vernunft den glauben suchen. aus ursachen: [f. 28v] was er hat aus der natur, das ist von gott, der die natur gibt und geben hat. aber er soll ihr nicht verhengen in dem, daß er durch seine vernunft wull seilig werden, das ist durch sein leiblich werk, sin und vernunft. dann das alles ist wider gott, er soll aber ihn, denselbigen gott, ehren als den schöpfer, und nicht von der seiligkeit wegen. wann die seiligkeit will allein im glauben stehen und darinnen verhaften.
Also lauten die zwei gebott nur allein von der seiligkeit und von der verdamnus: nach dem gebott des glaubens, und nach dem verbott in der natur kein seiligkeit zu suchen, — und [f. 29r] daß wir solchs wissen. der glaub gehet aus dem geist und trifft den geist an. die werk gehen aus dem leib und gehen das gebott an. die sollen falsch sein. also wann die werk des leibes aus der vernunft des leibes geschen, so seindt sie falsch und wider gott im andern gebott. wann sie aber aus dem glauben gehen, so seindt sie gerecht. und in diesen zweien gebotten ist der aller grund, daß die werk aus dem glauben flißen, damit der geist und der leib ein ding seindt und sich nicht teilen. und was dem [f. 29v] geist zugehört, das dem leib anhang. derhalben gebeut gott, allein dem inwendigen zu glauben in gott; und gebeut dem liecht der natur, wider den geist nicht zu tun. wann so das liecht wider den geist tut, so ist das ander gebott gebrochen.
Also ist dem geist gebotten, recht zu glauben in einen gott, und dem leib gebotten, wider ihn zu schweren, das ist: wider ihn zu sein. also trifft das eine gebott den geist an, das ander den leib. das erste ist die seiligkeit, das ander die verdamnus. darumb ist das eine gebotten, das ander verbotten. [f. 30r] dann sie mugen nicht bei einander stehen, darumb daß das eine gebotten, das ander verbotten ist; das ist, daß drin die seiligkeit stehet und daß drin die verdamnus stehet. das eine bei dem erkennt wird: du solt gleuben in einen gott. das ander bei dem: du solt nicht schweren bei gott. das ist: du solt den leib wider den geist nicht gebrauchen. dann alles das widerstehet zur seiligkeit und besitzt dann seine vernunft. darumb schweret er falsch.
Da gibt gott zwei gebott; begreifen beide ehrung an. das ein ist die ehr in gott, die ander in vater und mutter, von denen wir hie sind. das ein ist ein ehrung im herzen, die ander am leib. und zu gleicher weise wie gott uns gebeut im vierden gebott, zu ehren unser vatter und mutter in leiblichen dingen und ihnen dienen, also sollen wir auch den ewigen vatter [f. 31r] im herzen unsers glaubens ehren nach inhaltung des andern gebotts. da die ehrung gottes begriffen wird unter dem titel des heiligen namens, und im vierden vatter und mutter unter dem titel der ehrung.
Sabat ist gott und bedeut gott in seinem feier. wie Christus gott bedeut in der salbung, und Jesus gott bedeut in der menschheit, also bedeut sabbat gott in der feir. derhalben sabbat zu heiligen ist nichts anders dann gott ehren in seinem feier und in seiner ruhe. und er heist uns in seiner feier ihn ehren, [f. 31v] das ist heiligen; und nicht in andern sabbaten. aus ursach, daß er das redet zu den gleubigen, so die ersten zwei gebott halten, daß sie darnach sollen den feier von ihm warten und in sein ruhe begeren. und meldet weiter kein punct mehr an seiner gottheit; allein den feier, den gebeut er uns, daß wir denselbigen heiligen, ehren. und das soll geschehen im geist, also daß der geist das tue und nicht die leiblichen werk. wan er befihlet die leiblichen werk kegen vatter und mutter in der ehrung, und nit in ihn [f. 32r] zu geschehen. dann das dritte gebott laut auf den geist des menschen. denn sabbat ist kein leiblich ding. drumb so soll er von leiblichen nit geredt werden, sondern von seinesgleichen, die da ewig sind. das ist der geist. aus desgleichen sollen wir vatter und mutter ehren, allein in leiblichen dinsten und gehorsamkeit. wann im geist mögen sie kein dinst empfinden. auch so sind sie nicht gott, daß sie sollen im geist geehret werden, allein im leib. also gehört gott die ewige ehr zu, und den eitern die leib- [f. 32v] lich ehr.
Also ist der mensch schuldig zwue ehren: kegen seinen eitern und kegen gott (und eine kegen vatter und mutter), diese zwue ehrung in gott sabbat und in die eitern sollen also verstanden werden: daß wir vatter und mütter sollen lieben, ehren, dienen, gehorsamkeit erzeigen über alle tödliche menschen aus; also daß wir auf erden nichts sollen haben unter allen tödlichen dann vatter und mütter über alls aus. denselbigen nach, zu gleicher weise wie uns nach dem leib unter den tödlichen vatter und mütter sollen am [f. 33r] liebsten, also gott sabbat soll uns über alles, das do ewig ist, am liebsten sein. nichts mehr, nichts großers lieben, ehren, halten, betrachten, dann allein gott aus allen menschen kreften, macht und gewalt, von herzen, von grund! also sollen wir auch vatter und mutter von herzen ehren und ihnen alle gehorsamkeit beweisen aus grundlicher leiblicher lieb, wie gott aus der seele und aus allen kreften des geistes.
Also ist das vierde gebott ein exempel des dritten, und das dritte ein exempel [f. 33v] des vierden: daß alle mal, wie nach dem leib der natur vatter und mutter sollen geehret werden, also im geist gott; und wie im geist gott, also im leib vatter und mutter. und was im geist kegen gott geschicht, das soll aus allen kreften geschehen des geistes. also was kegen vatter und mutter geschicht, soll auch aus allen kreften der natur geschehen. also allein uf die zwue ehrung sein die zwei gebott geben, damit wir erkennent, wer rechter vatter sei von ewigkeit, und denselbigen lieben; desgleichen [f. 34r] auch, welcher unser leiblicher vatter sei von tödlichen. denen zweien sollen wir ehr anbiten, itlichen als unsern vatter.
Wiewoll nun sabbat ein tag genent wird, so ist der tag da nit zu vorstehen. dann einer ist wie der ander. sind alle gleich. wiewoll er gott nachgenennet ist, der dann der sabbat ist. das ist diese ursache, daß am selben tage gott von aller arbeit geruet hat und seine werk alle vollbracht. und hat auf den tag geruhet. das ruhen weret bis in die ewigkeit. derhalben [f. 34v] es nicht gebotten ist, daß wir einen tag daraus machen, nach welchem tag nur Werktag gehen. der sabbat soll also sein, daß kein werktag nach ihm kommet, sonder ein ewig ruhe sein. darumb er uns geben ist mit dem tag sabbat. denn er gibt kein ruhe nicht, allein commemorationem der ruhe. derhalben mehr auf ihn nicht zu achten ist dann als auf einen dergleichen tag. er ist auch nur ein gesetzter tag, ongefehr auf den tag kommen. dann es ist noch nie im wissen gewest, [f. 35r] auf welchen tag die ruhe angefangen hat oder auf welchen tag die werk aus gewesen sind, ob es freitag oder dinstag gewesen ist oder ein ander in der nahent. ist er denn von anfang des Adams (als er uns denn nach Adam gegeben ist worden), so ist er doch nur ein tag, der weder sauer noch süßes kann. dann was der geist in der commemorirung betracht, dem ist er alle tag unterworfen, und nicht dem siebenden.
Aber den sabbat solt ihr also erkennen, der in diesem dritten gebott [f. 35v] gemelt wird: gott ist der sabbat, und nicht der tag. der tag gilt nichts dann allein die commemoration. darin kein falsches ist. gott ist die feier, die ruhe. wann er arbeitt nichts weiter. sonst mus alles, das da ist, arbeiten; allein gott nit. er ist der lauter feir. wir sind arbeiter, und sollen nicht gedenken, daß wir uns auf erden ein feiertag machen. dann umb uns ist kein feier nicht, nur arbeit, bis wir kommen zu gott. so sind wir darnach im feiertag. und dieweil wir auf erden sind, ist kein feiertag [f. 36r] zu machen. nach unserm tod sollen feiren in gott; und unser geist auf erden in gott feiren, und nicht der leib. dann feiren ist die arbeit zu der seiligkeit. drumb der leib in kein weg gnugsam ist, zu feiren den sabbat, sondern nur zu schmehen den sabbat denn zu ehren. unser leib ist nicht zu feiern. der leib feiert nit den feiertag, allein der geist. darumb wir alle tage sollen werken und arbeiten im weingarten und anderswo, bis wir kommen durch [f. 36v] unsern tod in den sabbat, das ist: in gott. auf denselbigen sabbat hat gott geredt, und gebotten, denselbigen zu heiligen (wann er ist heilig, und der sontag nicht); und unser eitern, von denen wir hie sindt, gleich wie der sabbat, nach dem leib wie gott in dem geist.
Und durch die zwei gebott will gott, daß unser eitern auf erden an seiner statt sollen geehrt werden, und sonst niemandts; allein die, so uns geboren haben. denn er will die ehr auch nicht anders haben dann allein von deswegen, daß er gott der [f. 37r] rechte vatter ist, und daß wir ihn als einen vatter erkennen, und daß wir seine kinder sind, das bedeut er uns bei unsern vettern und muttern. wie sie hier irdisch sind, also ist er ihrer und ihrer kinder vatter, von denen wir alhier sind. und ist der grund dieser zweier gebott nit anders dann allein daß der sabbat ist der himlische vatter, der uns alle geschaffen hat. den sollen wir als unsern vatter heiligen, wan er ist heilig; und unser vatter und mutter auf erden ehren aus all unsern kreften und tugenden: im geist gott den [f. 37v] vatter, im leib unser leiblichen vatter und mutter. und nichts wird da begriffen zu der seiligkeit, dann das eine gebott, das ist: der sabbat, zu heiligen. das ander betrifft die seiligkeit nit an, sonder allein die liebe in der natur aus dem gebott gottes und nicht von wegen der seiligkeit. dann es gehört nichts leibliches zu der seiligkeit, als dann leiblich vatter und mutter ehren anzeigt.
Do gibt gott zwei gebott. eins ist: du solt niemandts toten. das ander ist: du solt nicht falsch zeugnis geben. durch das erste gebott gibt er zu vorstehen die seel, in dem daß er gebeut, wir sollen nicht toden. das ist auf die seel geredt. dieselbig soll niemandt toten. und in diesem gebott begreift gott kein leib, allein die seel. dann am ersten ist zu wissen, daß gott allein redt von dem ewigen tod und nicht von dem leiblichen tod. dann der leiblich tod ist nichts. allein der ewige tod der ists alles. auch [f. 38v] redt gott nicht auf den leib, also daß er denselbigen beschirm; allein von der seel. aus ursach: er redt allein auf das ewig und nicht auf das vergenglich.
Das ist das ein gebott, daß wir niemandt in der seele sollent toten, das ist: in die ewig verdamnus fuhren. das ist uns verbotten. darnach gebeut er noch eins. das ist: wir sollen nicht falsch zeugnis geben. das gebott gehort zu dem: wir sollen nicht toten. dann aus der falsch zeugnis kompt das töten der seelen. auf das verbeut gott den weg, dadurch der tod kompt. und verbeut das auch, daß wir [f. 39r] niemandt töten sollen. und das ander gebott von der falsch gezeugnis ist also, daß wir nicht sollen mit der warheit die lugen bestetigen. dann welchem bestaten nachfolgt der tod. und das in dem weg: das leben der seel kompt aus gott und begeret zu gott. auf das folget: die warheit ist der weg im glauben, durch welchen wir zu gott kommen. nun ist nichts da dann die lugen, das uns von dem gerechten weg mach abwendig machen. also daß wir der lugen mehr denn der warheit glauben.
Nun mögen die lugen nicht so leicht beschehen [f. 39v] zu der Verführung, es sei dann die kundschaft darbei also, daß die lugen ein warheit sei. auf diese kundschaft gehet dieses gebott: du solt nicht falsch kundschaft geben. das ist: du solt die lugen nicht bestaten mit der warheit. und ist auf das geredt: die seel wird durch den glauben in gott lebendig behalten. dieweil sie nun durch den glauben lebendig behalten wird in gott, so mus sie durch den glauben wiederumb getödet werden. das beschicht in dem wege: so der mensch glaubet anders dann in gott, alsdann ist er getödet in der seele. dann welcher anders dann in gott [f. 40r] glaubet, der ist getödet. solcher misglauben beschicht in dem, daß ein ander gott gehalten wird, zu welchem mehr zucht und ehre erzeigt wird dann dem rechten gott. alsdann ist der misglauben da. was nun diesen bestat wird mit der warheit, das ist ein falsch zeugnis. dann die warheit wird umbkert und zu einer lugen vorglichen. das ist die kundschaft, die gott verbeut, daß sie nicht soll beschehen.
Also sind die zwei gebott, toten und falsch kundschaft geben, eins wesens. das ein aus dem andern entspringt, und gehören zusammen unter einen verstand. und [f. 40v] laut das erste auf die seel, das ander auf den leib. in die seel von wegen des todes. also ist das der tod: wann die seel verfuhret wird von gott, so tödt sie, und mag nicht wehren. von dem tod des leibes geret: dann gott hat den leib nie geachtet. also ist allein die seel verbotten zu toten. denn in ihr ist keine vorgebung mehr noch erlösung. das im leib also nicht ist. wann man einen im leib mordet, noch ist barmherzigkeit mit ihm von gott. aber wenn ihm die seel getödet ist, das ist tot. und laut der grund [f. 41r] auf das gebott 'du solt nicht toten' in dem weg: nicht daß du allein das gebott brichest und daß du allein in die helle kommest, von wegen daß du es gebrochen hast. sondern die mit sampt dir, die du getodet hast in der seel. das ist am leib nicht. wann im leib getodet wird, das schadet dem morder nit an seiner seele. aber welcher nach diesen gebotten tödet, — ist der ewig tod. schadt ihn beiden: dem, der da tödt, und der getödt wird. sind beide tot.
Diese zwei gebott sind woll zu vorkundigen und mit fleis zu betrachten, [f. 41v] denn sie brueren den irdischen lucifer; welcher die seien tödt, wie der teufel Lucifarer die engel im himel getödet hat, so mit ihm verstoßen geworden sind. und so sie im grund bedacht werden, so ist der Ursprung dieses gebott allein vom himlischen Lucifer, itzt teufel genant, entsprungen; welcher einen irdischen lucifer auf die erden gesetzt hat, gleich zu regiren in der erden wie er im himel geregirt hat; welchem er den glauben zuzeucht und ihn zu einem gott erkoren hat, [f. 42r] und das volk in ihm gleubhaftig gemacht; also daß der glaub, so in gott gehöret nach dem ersten gebott, in den menschen gehalten und gezogen wird durch den selbigen menschen. der Lucifer bestat sein sach, glauben und göttliche ehr durch die kundschaft, das ist: die falsch gezeugnis, daß die lugen und der weg des ewigen tods soll durch den namen Christi bestatet werden, in dem wege daß sie die warheit gottes zu einer lügen machen, und lehrent, daß sie aus ihrem weg komt. auf das redt gott und verbeut die falsch gezeugnis, also daß die warheit nicht mit [f. 42v] der lugen soll glosirt werden, sonder warhaftig an ihr selber bleiben.
Also lautent die zwei gebott genzlichen allein auf den irdischen lucifer, welcher die seel tödet mit seiner lehr, mit seiner Unterweisung, mit seinem glauben, und bringt sich und sie in den ewigen tod, aus dem sie nimmermehr zu dem leben kommen. das sein falsch zeugnis, die er aus dem kundschaft gibt über die lugen des teufels. derhalben er der irdisch lucifer ist. dann der glaub, so in diesem gesetz ist, und das vertrauen und die hoffnung ist die vornembst, [f. 43r] aus welcher der ewig tod kompt. also lauten die zwei gebott wider den lucifer der erden. dot nicht mit falsch zeugnis, aus welchem der vorkert glaube kompt, in welchen der ewig tod geben wird. und ist nicht vom leib geredt. dann der leib, was er sundiget, das hat die barmherzigkeit gottes durch sein sterben und leiden all hinweg genommen.
Gedenk nu, daß gott auf den leib nicht solch gebott geben habe, allein auf die seel. denn der leib wird von wurmen gefressen und ist fur nichten. derhalben gebeut ihm gott nichts. die menscheit, [f. 43v] die gott an sich genommen hat, ist gnugsam fur den leib in seinen sunden. gott der gedenkt ihr nicht (er wird allein zu guten setzen), aber die, so die seel verderbt haben und nicht den leib. der leib ist schon hin. es muß allein die rechnung derselben da sein und nicht des leibs. derhalben ist gott mensch worden. das gericht, das ist: welcher im glauben abgottisch ist gewesen, ist unter der hoffnung des irdischen lucifers, — da muß die rechnung gehalten werden, vom wenigsten wieder bis zu dem meisten; und nicht von tanzen oder lauten, [f. 44r] nicht von spiel oder gesellschaft. wann die hat gott an uns all erlöst, daß kein rechnung über des leibs werk gehen wird. allein was in der falsch zeugnis geredt ist worden, so dem Lucifer anhenget, das mus vorantwortt werden. wann die seel mus da in der rechnung stehen. wann es trifft den glauben an, und denselbigen und das jungst gericht. und nicht von wegen das der leib getrunken oder gessen hat; sondern was die seel gessen oder trunken hat, das mus gekent werden. und was aus dem bösen [f. 44v] glauben gangen ist, das wird erzelt werden, und nicht, was aus der natur fur sich selbst bewegt hat. dann allein was wider die conscienz gehandelt wird, dasselbig mus herfur. dan es kompt aus dem falschen glauben.
Das ist der stuel der pestilenz; und der lucifer, der drauf sitzt, der sitzt auf dem stuel der pestilenz. seilig ist der, der nicht drauf sitzt und in die fursten der welt nicht glaubt. aus ursachen, daß sie all toten mit ihrer falschen zeugnus, so sie wider gott geben, ihm sein red [f. 45r] umbkerent wider all sein gebott und wider aller seelen seiligkeit, den leib so ganz zu der seien seiligkeit und die seel in die ewige verdamnus. die pestilenz entspringt aus dem teufel und bleibt in ewigkeit ungeheilet. wann der irdisch lucifer diese zwei gebott fur sich neme und bedechte, was töden wer, was die falsch zeugnis wer, — er bleibt auf dem pestilenzstuel nicht. aber ihm ist wie dem himlischen Lucifer. der wolt von hoffart nit aufhören, von den stucken. darumb ihn die hoffart vertilgt hat. nit hoffart an ihm selber, sonder [f. 45v] daß er von ihr nit kent noch weis. dann die hoffart gibt ihnen, daß sie ihnen selber die zeugnis geben auf ihr lugen, daß sie die sind, die zu binden und zu ledigen haben und die sund zu vorgeben an gottes statt, die allein gott geschehen sind. und verkeren die warheit des euangelii, daß die mus ihr lugen bestaten, und soll nicht anders vorstanden werden. desgleichen mit ander felschlich am tage gelegt. dadurch der tod kumpt, den gott verbotten hat.
Das ist die falsch zeugnus, die gott verbeut, daß eins in warheit umbkompt und den [f. 46r] ewigen tod damit bestat zu sein das ewig leben. diesen tod will er nicht. diese falsche zeugnus will er nit! nit den tod des leibes, nicht die zeugnus von wegen des menschen. daran ligt nichts. Christus hat die alle vorglichen. allein von dem ewigen tod und von der falsch zeugnus zu dem ewigen tod: aber als wenig als gott den himlischen Lucifer im himel gelassen hat, also wenig verhenkt er auf sein stand in der welt. und ist der grund dieser zwei gebotten, daß keiner sol falsch zeugnis geben wider den rechten glauben und daß man nicht soll die seel töten.
Du solt nicht stelen. du solt nichts frembdes begeren.
Da gibt uns gott zwei gebott. das erst betrifft die werk an. das ist das, so mit der tat vollbracht wird. das ander betrifft das herz an. das ist, daß allein im herzen betracht und begert wird, aber nicht mit dem werk vollbracht. das erste hies: du solt nicht stelen. das ander: du solt nicht, das dir nicht zugehört, begeren, oder das eins andern ist. stelen ist von einem andern in dem geschieden, daß es beschicht mit dem werk und woll beschehen mus. begeren ist, [f. 47r] das nicht möge vollbracht werden und doch begert wird, aber nicht vollendt mag werden. und ist der grund dieser zwei gebott, daß gott nicht allein mit den henden will, daß der mensch rein sei, sonder auch im herzen gleich als woll als mit den henden. darumb gibt er zwei gebott: das ein auf den leib, das ist 'stelen', das mit dem leib gehandelt wird; darnach 'nit begeren', dahin der leib nicht kompt, allein im herzen vollbracht wird.
Auf das erste ist zu wissen: 'du solt nicht stelen', das ist: du solt niemandts betrieben, umb das sein bringen, wieder durch dein handwerk, wieder durch dein kaufmanschaft, wieder durch [f. 47v] dein Wirtschaft, wieder durch dein ampt, wieder durch dein reichtumb oder armut, wieder mit rauben, wieder mit morden, wieder mit kunst, wieder mit gewalt, wieder mit recht, noch mit nichts, das da ist auf ein andern erdacht, dir gelt in dein nutz zu geben, in sein warhaftigen willen. das ist alles stelen, und hat den namen mörderei: wan morden ist von stelens wegen; Wucherei: wann welcher zuviel die leut übermist, das ist ein Wucherei mit handwerken, kunsten, kaufmanschaft und alle hendel. abgotterei ist das dritte: dann was durch abgotterei gewonnen [f. 48r] wird, das ist bescheißerei. in diesen gemelten stucken wird das gebott gottes 'du solt nicht stelen' verstanden.
Auf das ander (du solt nicht begeren, das dir nicht zugehöret oder das eines andern ist) solt ihr also verstehen: du solt in deinem herzen nichts frembdes begeren. das ist, daß du begerest, das du nicht tun magst, das dir nicht wird. und wiewoll es dir nicht wird, noch soltu es nicht begeren. aus Ursachen, daß gott im herzen will dein reinigkeit haben, und nicht allein im leib. was der leib tut, das nimpt der leib hinweg. was du aber im herzen tust, das ist fix und bleibet fix. [f. 48v] darumb soltu mehr acht haben, das herz nicht zu beflecken, als die hende. wann leibliche werk, was sie sunden, das hat Christus mit seinem tod uns alles abgenommen. allein was im herzen liecht, do der glaub liegen soll, das soll rein sein. auf das gebeut gott, daß du im leib solt rein sein; nicht, daß du dadurch verdampt wirdst, sondern aus leiblicher lieb. also im herzen soltu rein sein, nit begeren. dann es ist der inwendig dibstal, der verdringt den glauben, in dem die seiligkeit ist. auf das mehr zu halten ist, dann auf die hend. dann die hend faulen, die seel aber faulet nicht.
[f. 49r] Und ist auch woll zu merken von diesen zweien gebotten ein solchs, daß ein rein herz woll stelen mag ahn schaden des glaubens, das ist: der seiligkeit. das ist, wenn das begeren im herzen den glauben nicht verstoßen hat. dann ein christ mag woll stelen, und ein guter christ billig. dann der leib handelt nun das stelen, und die naturliche sinn, und nicht der geist. aber so der geist stark ist, so verhengt er der natur und ihren willen nit. so aber die natur übertrift, noch schadt es dem geist nicht. der mag allemall wol rein sein im glauben, wiewoll er ohne furcht ist. aber im herzen begeren, [f. 49v] das gehet aus dem geist und bleibt inwendig. das befleckt den geist. als wann einer eines andern tochter begeret zu seinem lust und üppigkeit (wann die ehr bedarf das begeren nicht). und wiewoll sie ihm nicht wird, so ist er des gebotts brüchtig. dann es gehet von herzen. die werk, so in solchem vollbracht werden, nimpt der leib hin. was aber aus dem herzen gangen ist, das nimpt der leib nicht hin.
Derhalben sind zweierlei dieb: einer ist aus dem geist, der ander aus der natur. der aus dem geist ist der inwendig dieb in der seel. der in der natur ist der auswendig, [f. 50r] der das von seines leibes wegen tut, wie ihn die natur anreizt und sein sin verfurt. diese zwei unterscheid sollen woll bedacht werden: was aus der natur gehandelt wird, und was aus dem geist gehandelt wird. ein solchs ist auch zu wissen: was zu der natur dint, das ist ein dieb der natur; was zum geist dienet, das ist ein inwendiger dieb. also ausfurlich: was aus dem geist gehet, das dienet im geist, das ist verborgen im herzen; und was aus der natur gehet, das wird durch die natur verbracht, also mögen zwei dieb in einer haut woll stecken, das ist im geist und [f. 50v] im leib: das der geist tregt, das das die natur verhengt und das das die natur begeret, als wann einer eines andern guts begeret über sein notturft, das got aus dem geist und got nicht aus der natur. dann die natur erkent, daß keiner soll über seine notturft eim andern übernehmen. als das inwendig begeren des geistes treibt die natur zu dem stelen. also seindt zwene diebe in einer haut. oder zwei gebott werden gebrochen; das gebott in der natur: du solt nicht stelen; und das im glauben, das ist: du solt nicht frembdes begeren. also was die natur gebrochen, das felt mit ihr hinweg. und gedenkt [f. 51r] nicht, daß die natur vergleichen soll oder gnug tun.
Darumb allein schau, was die zehen gebott brechung sei im glauben! dieselbige wende ab und rechtfertige im glauben. und nicht leg deine gedanken in die unmuglichkeit der natur. wann Christus ist von wegen der natur gestorben. und seither seim tod feilet kein straf auf die naturliche sunde; allein was im glauben abgat. darumb in den zweien gebotten woll zu betrachten ist: was werk die natur von ihr selbst tut, in ihr selbst nicht sund ist. aber das [f. 51v] was von inwendigen heraus kompt, dasselbig soll bedacht werden von wegen der seiligkeit, und nicht das werk der natur.
Wie nun gott anzeigt 'du solt nicht stelen', ist darumb verboten, daß er will, daß die natur in ihrem liecht ihn als einen gott erkennen und auch unter sein gebott stehend, als wol als der geist in ihr. aber aus demselbigen brechen fur sich selbst aus der natur, folget kein rechnung hernach. allein das ander gebott von dem begeren, das von herzen gehet heraus, do der glaub sein soll, dieselbig ist zu betrachten. [f. 52r] dann die seele mus dasselbige verantworten. das ist aber im alten testament nicht also gewesen. do ist der leib und der geist ein ding gewesen, und haben gleiche burde getragen in dem, was einer wider die gebott gottes im geist und im leib gehandelt hat. aber Christus hat uns den leib ausgetan und uns im selbigen erlöst, allein daß wir in ihm gleuben und im glauben leben, der also ein kleinen puncten hat, der weniger in der zeit nicht sein möchte. und hat all unser gnugtuung abgetan [f. 52v] und abgelöst. allein gangen wir im glauben!
Und ein solchs von diesen gebotten verstanden wird: das in der natur stelen mit den henden und dergleichen durch den leib wider den menschen allein; wider gott desgleichen auch ein geistlicher dibstal in diesen zweien gebotten verstanden wird, als daß keiner nicht soll frembde ding begeren. das ist in zwei wegen: von leiblichen und von geistlichen. also was einer begert, das zu der natur dienet, das ist leiblich begeren und bricht sich auch im geist. das ander ist geistlich und ist, wenn einer begert frembde [f. 53r] ding in geistlicher gestalt. als einer begert eines andern ding: als ein naturliche anzeigen. ein ander kompt und begert, ein opfer an gottes statt zu nehmen: das ist nun ein geistlich begeren. dann es beschicht in geistlichem furgeben.
Also in zweien wegen werden die zehen gebott gebrochen: in weltlichem begeren und in geistlichem begeren. und also sind zwei stelen auch: ein leiblichs und ein geistlichs. also die, so da nun leiblichen stelen, das sind leibliche dieb; und die gott stelen, das sind götliche diebe, in ehren und [f. 53v] in gut. als wenn sich einer an gottes statt setzt, der stilt gott sein gewalt im geist und legt ihn ihm zu. der begert, das ihm nicht wird, das ist das gröste brechen in diesen gebotten. wann solchs gehört keinem menschen zu. dan keiner soll begeren, das ihm nicht zugehört. unter den gebotten ist das ein gewaltiges brechen, das sich dem grösten vergleicht. und ist also: du solt nicht begeren besser zu sein denn ein ander. du solt dich nicht heiliger, seiliger machen dann dein negster ist. wann das ist wider das gebott gottes. aus ursachen: du begerest ein frembde ehr, die dir nicht geben wird [f. 54r] und begerest ein frembd ding, das dir nicht zugehört. dann alle menschen haben einen orden. und wann du dich aus dem orden machest, so bistu bruchtig in diesem gebott. dann du begerest, mehr zu sein dann dein negster. das ist wider die lehr gottes. wann der weg zu der seiligkeit ist nicht also in dem frembdes begeren, sondern in begeren der ganzen gemein, das ist: im glauben und nicht im eußerlichen erzeigen. man soll zum wenigsten geduldig und nicht fur einen andern mehr christen menschen zu sein. denn also ward der Luci- [f. 54v] fer vorfurt, daß er wolte mehr begeren, dann er war neben andern. und also tun auch die irdischen lucifer, die sich lassen besser achten denn ander ihre nechsten menschen. wann wer sich anders erzeigt denn ihn Christus gelernet hat, der begert mehr dan ihm zugehort. dann aus dem folget, daß er frembder ding begert, die ihm nicht werden mügen.
Auf diese zwei gebott wird endlich beschlossen, daß niemandt soll stelen, weder mit werken, noch mit dem begeren, er sei reich oder arm. aus Ursachen, daß der leib den geist nicht betriege und ihn nicht verfuhre. damit daß der geist rein bleibe, [f. 55r] sollen solche stuck der natur aus dem glauben geregirt werden, der mehr ist denn die natur. damit daß nicht ein laster der natur, des leibes ein verderber sei des geistes, festiglich im geist bleiben! auf das solt ihr wissen, daß weder reich noch arm solch ding lassen soll. aus ursachen: der reich bedarf sie nicht; der arme soll arbeiten. darin ist die arznei auf die armut. so er aber nicht arbeiten mag, so soll vom reichen die liebe in ihm vorbracht werden und erfult, und durch ihn soll er ernert werden als von seinem negsten. und also soll der arme [f. 55v] ersettiget werden. so ihn aber der reiche verlest und die arbeit auch, noch soll er nicht stelen. wiewoll in der not alle ding gemein sind, aber noch soll er nicht stelen. wann stelen ist eine verzweifelung an gott, der uns alle neren soll. in diese verzweifelung soll er nicht fallen. und soll allein in gott hoffen und in ihm nicht vorzweiflen. derselbige wird ihn woll speisen. wann nur ein brot auf erden wer, er wird von demselbigen ersettiget werden aus der gnaden gottes.
Und der große punct in der natur und im geist ist in dem zu betrachten, daß gott [f. 56r] stelen verbotten von wegen der verzweifelung. darein keiner fallen soll, sondern allein in gott vertrauen. der verlest ihn dann nicht. und welcher in demselben vertrauen stehet, der isset alle tage bei gott. auf die armen redt Christus: seilig sind die armen im geist. das sind die, welche im leib von den reichen verlassen werden und im geist von Christo nicht weichen. dann auf die hoffnung speiset dich gott alle tage. allein vertraue ihm darumb und verzweifele nicht. dann in solcher Ursachen hastu ein billigs recht, ihn zu bitten umb dein notturft, das kein [f. 56v] reicher nicht hat. so wirstu Lazaro vergleicht, dem armen menschen, der im schos Abrahae ruhet, und alle arme im geist mit ihm. und die reichen werden verglichen dem reichen, der in der helle sas, welcher einen einigen tropfen wasser nicht vormugt. von wegen dieser freude, die Lazarus in schos Abrahae gehabt hat und noch, soll ein ieder hungerich nicht vorzagen in dem, das ihm die menschen nicht geben. gott ist der, der ihn setzen wird zu Abrahae in den schos, und die reichen in den abgrund der hellen. und ob du fur hunger sturbest, so gedenke, daß dich dein reichtumb nicht helfen möchte. du mochtest auch sterben und [f. 57r] viel eines hertern, bösern, eilendern todes dann in armut. wann gott trost die armen in solcher kraft, daß sie den lindesten tod haben und darnach die seilige ruhe in dem schos Abrahae.
Drumb soll niemandt stelen, weder aus hunger noch aus anderer geldsnot, sondern gewaltigen trost und hoffnung in gott setzen. der wird uns unsere schuld wol zalen. er wird uns woll speisen nach seinem göttlichen willen. mussen wir dann in armut sterben, so ist das der vorteil des linden todes und die gewisse seiligkeit. dieselbige zu erlangen, soll kein armer verzweifeln. gott verlest ihn nicht [f. 57v]. dann es ist bei ihm das leben, bei ihm die ewige freud.
Du solt nicht ehe brechen und solt keines andern gemal begeren.
Da gibt gott zwei gebott. eins in die werke; das ist: du solt nicht ehe brechen. das ander in den geist; das ist: du solt keines andern gemal begeren. diese zwei gebott sind nur ein gebott. allein daß sie sich scheiden in dem: das ein den menschen selbst antrifft im leibe, das ander im geist. und lautet also: du solt dein ehe nicht brechen.
Am ersten ist [f. 58r] zu wissen, was die ehe sei, die nicht soll gebrochen werden. und ist die: dis ist von zweien Zusammenkommen in die ehe, daß sie beide allein einander kennen, und nicht mehr; also daß sie aller mannen halben ein jungfrau sei, allein ihres gebenen manns nicht; desgleichen er allen frauen unbekant sei, allein seinem weibe nit. also will gott, daß rein und lauter sein in den worten, und nicht gebrochen werde. auf das zu wissen ist: welche jungfrau ihr jungfrauschaft verfeuert, die ist ein ehebrecherin. denn sie ist des gemals eheweib, dem sie verordnet ist von gott. [f. 58v] und wiewoll sie nicht bei einander seindt und vielleicht einander nicht kennen, noch ist es ein ehe; und soll zu demselbigen rein und lauter kommen, nicht gebrochen. also desgleichen der mann, der sein jungfrauschaft verloren hat, der ist ein ehebrecher, oder der sein witwenstand nicht helt. wann ursachen: er schwecht ein andern sein ehe oder nimpt sie gar davon. also ist zu beiden seiten der ehebruch. desgleichen welche frau in der ehe sich weiter umbsicht, die bricht die ehe nicht ihrem manne, sondern ihr selbst. desgleichen von mannen auch solchs zu wissen ist. solchs beschicht nun mit dem werk. und ist gebotten [f. 59r] von gott auf naturliche liebe, daß wir unserm nechsten nicht schwechen, weder frauen noch mann.
Und also will gott im leibe, das ist im liecht der natur, gleich so woll einen gehorsamen menschen haben, also im geist, und gleich so woll rein und sauber. wiewoll der leib nichts bußen bedarf, sondern allein das der geist tut und aus ihm beschicht. demselbigen hat gott gebotten, daß er die sachen, das ist den ehebruch, in sein herz nicht fas zu tun noch darin verwilliget. und seindt ein gebott beide. aber das eine ist leiblich im werk, das ander im geist. und welcher im geist eines andern [f. 59v] gemal begert, der ist ein ehebrecher im geist, aber nicht im werk. dann 'du solt keines andern gemal begeren' laut alleine uf das, das im herzen begeret wird und mit dem werk nicht vollbracht. anders scheidet nichts die zwei gebott, denn allein daß eins mit dem werk, das ander im begeren ahn die werk. ist beides ein will, ein sin. das ander, 'du solt nicht begeren', wird gestraft. die werk, 'du solt nicht ehebrechen', wird nie gestraft. denn was der leib tut, das stirbet mit ihm abe. was aber der will getan hat, das stirbet nicht ab, der geist tue denn das hinweg, dieweil das in seim gewalt stat. dann die zwei gebott machen zwo sund: [f. 60r] eine im negsten, die ander in gott. die werk in negsten verdammen nicht. aber die gedanken und will wider gott, die verdammen.
Auf diese zwei gebott ist zu wissen, daß ein itzlicher mensch soll, so er kompt auf seine tag, in der ehe leben und ehlich werk gebrauchen. und wann solchs nicht beschicht, so beschicht der ehebruch gleich also mit dem werk. also was sich unterstehet, die jungfrauschaft zu behalten und reinigkeit in die jungfrauschaft legt, das ist ein ehebruch. denn gott will deiner jungfrauschaft nicht, sondern die frucht von dir. denn er hat seine eigene mutter nicht [f. 60v] übersehen. sie hat ihn mussen geberen. also desgleichen soll ein igliche jungfrau, darumb sie uf der welt ist, ihren mann nemen, jungfrauschaft desselbigen fordern, und nicht wenden. aus ursachen, daß die jungfrauschaft todet in den ewigen tod, also welche ihre jungfrauschaft behalten, die vormeinen dadurch umb gott zu vordienen den himel. und was durch den leib beschicht, das ist kein verdienst nicht. ist alles vorgebens und wider gott.
Darumb ein itzliche jungfrauschaft ohne frucht der ewige tod ist und die luciferische gleisnerei, die sich derselben jungfrauschaft schetzen besser, denn die nach [f. 61r] den geboten gottes leben in der ehe, — dieselbige praesumption und sich selbst achtung und erhaltung ist der weg zu der hellen. denn kein mensch soll sich aus der ordnung scheiden, durch welchen gott den weg gen himel geordnet hat und die ehe gebotten. dann ein baum, der jung ist, gibt kein frucht. so er aber kompt auf sein tag, so bluet er, so gibt er frucht. das ist ein guter baum. also die menschen sollen zu ihren tagen ohne frucht nicht bleiben; nicht gedenken, daß sie ohne frucht gott woll gefallen. wann es ist nur ein gleisnerei, dadurch die bauch zu stopfen beweget worden, und haben doch verfluchte willen in ihnen wider das ander [f. 61v] gebott: 'du solt nicht begeren', das gebott mugens nicht halten, und brechens teglich. noch wollen sie werk sparen und wollen im herzen, im geist gott sein gebott nicht halten, gleich als sehe er ihre herzen nicht, und gleich als richtet er über die werk und nicht über die herzen.
Ich sage euch, er richtet über euere herzen und nicht über eure werk. drumb seid ihr die verfluchten antichristen, daß ihr so ganz wider gott seid in allen seinen gebotten, daß ihr so gar allein in euer leiblich werk lieget, do weder verdinst noch seiligkeit innen ist. allein der geist ist der rechte. den verdampt ihr alle tage, und die werk macht ihr seilig, [f. 62r] ihr verfluchten munchen und nonnen. der teufel hat euch erdacht und nicht gott. dann all euer ordnung sind aus dem teufel und mit lügen bestatet. der ewige tod wird euch übergiften mit euren vermaledeiten werken.
Nun von der ehe zu vorstehen, so merk, daß ein iglicher mensch soll ein ehemensch geheißen werden, gleich ein itzlicher baum ein baum geheißen wird, in der jugent als woll als im alter. also mit der ehe gleich als woll: dieweil sie jung sind, eheleute sind als im alter. und wie ein baum auf sein alter frucht gibet, also soll auch die ehe tun. denn gott hat kein [f. 62v] seiligkeit gesetzt umb die werk, das ist: wann es nicht geschicht und von wegen des himels unterlassen wird. er hat die seiligkeit allein im glauben gesetzt, der in der ehe am sterkisten mag sein und am volkommensten und am reunsten. denn auf den punct als zu merken: daß man und weib und die gelieder nichts am glauben verderben. darumb sollen diese zu nichts erspart werden. was frucht von ihnen geboren mag werden, das soll beschehen. denn der himel lest sich nicht mit dem leibe auftun. darumb soll der ehliche stand fur sich gehen und nicht verhindert werden. dann das ander ist alles ein gleisnerei [f. 63r] und ein offentlich zeichen der abgotterei und die brechung an allen gebotten gottes. das sie wider alle gebott tun und aus dem teufel sind.
Auf dem grund dieser gebott ist zu wissen, daß das der große ehebruch ist, daß einer oder eine ein offentlich werk nicht tun will, von wegen der reinigkeit zu behalten, welchs im herzen nicht mag gehalten werden. der ander ehebruch ist kleiner. und ist also, daß einer oder eine nit in der gebotenen ehe sitzen, sondern sonst ihren lust Vorbringen aus freiem mut, und geberen doch frucht. aus ursachen ist er kleiner, daß mit den werken ausgehet, [f. 63v] und sind zum glauben alle stund bereit. die andern han der reinigkeit nicht. Ursachen: sie haben den glauben nicht zu gott, allein in ihren werken. in den werden sie verfuhret. der dritte ehebruch ist ein gemein ehe brechen. ist auch kleiner denn der ehebruch in der reinigkeit. wann das brechen nimpt der leib hin. allein daß der geist rein sei, und rein zu werden geschickt sei! darumb hurer und die offnen sunder werden furtreten in das reich des himels als gleisner. denn verflucht sind alle, die das unterstehen durch ihr gleisnerei kegen gott, got [f. 64r] zu noten, sie nach ihren werken zu belohnen.
Darumb auf die gebott zu merken ist. welcher in der ehe lebt, der lebt nach den zehen gebotten gottes. welcher aber nicht ehlich ist, der ist ein ehebrecher. und nicht übel wer das geredt, das ich spreche, daß allein der ein ehebrecher wer, welcher in die ehe nicht wolte und fleuchet die, es wer durch reinigkeit seines leibs oder sonst mit huren furen und umblaufen; und sprech, daß die nicht ehebrecher weren, die aus der giengen. dann es sind etliche Ursachen, die woll zu beiden. dieselb ich euch in dem andern auch der zehen gebott gottes anzeigen will mit mehrem [f. 64v] verstand, wie denn die euangelisten ausweisen in solchen puncten.
Hie endt sich das erste buch der auslegung der zehen gebott gottes durch Theophrastum Hohenheimum doctorem.