KassUB 2chem19.1 306

From Theatrum Paracelsicum
Author: Jobst von Sangershausen
Recipient: Simon VI. Graf zur Lippe
Date: 1611 November 23
Place: Retzen
Pages: 10
Language: German
Editor: Edited by Julian Paulus
Source: Kassel, UB, 2° Ms. chem. 19[1, f. 306—311 (alt f. 293—298)
Quote as: https://www.theatrum-paracelsicum.com/index.php?curid=530
Names: Johann Philipp Engering; Ravers; Gluwerd
Places: Retzen; Lemgo


[f. 306r] Hochwolgeborner Graff, ew[er] g[räflich] g[naden] sindt meine pflichtschuldige vnd getreue dienste, außerstes vermögens stetts bevor. Gnädiger her,

Ew[er] g[räflich] g[naden] haben in gnaden leichtlich zuermeßen aus was hoch andringender nott jch vnumbgäncklich bewogen, ahn dieselbe vnderthänig zu suppliciren, dahero mir kein zweiffel, es werden ew[er] g[räflich] g[naden] mich deßen in vngnaden nicht verdencken, sondern solches in allen gnaden zum besten (worumb ich dan vnderthenig pitten tuhe) vffnehmen vnd verstehen. Vnd wißen sich demnach ew[er] g[räflich] g[naden] gnädich wol zuerrinnern, was maßen jch nicht allein, fur weinig tagen, leider, in höhestem vnvormüthen erfahren mußen, wie mir so wol zu ew[er] g[räflich] g[naden] als jhrer jungen herschaftt meinen auch gnädigen hern bishero gnädich verstätteter zutritt, verpotten, als auch vom wichenen donnertag den 21 dieses monats, der gnadungs brief, von ew[er] g[räflich] g[naden] mir, vnd den meinigen vff dies haus vnd gutt Retzen, in gnaden ertheilt, durch vier reitende dienere, von mir abgefordert worden, deßen mich allerseits im weinigsten nitt besorget hette, bevorab, in meines [f. 306v] gewißens vnschuld, dadurch ich fest gesichert vnd gewiß bin, daß jch durch keine vnthatten, die, zetthero ew[er] g[räflich] g[naden] in vnderthenigkeitt erspurete güte, vnd gnädigen willen, einiger maßen verwürckt, jn dem ich mich zu Gott im himmel, vnd mein christlich gewißen, bezeuge, das ich die zeitt meiner bedienung, ew[er] g[räflich] g[naden] mitt getreuen hertzen gemeinet, wie noch, auch mein verhalten, vnd leben dahin angestellet, das e[uer] g[räflich] g[naden] in gnaden ohnschwer abzunehmen, fugestanden, gestalt jch nicht meine zeit zu gesagtem vortheil, wie jch itzo vom meinen widerwerttigen in vnwarheit bezichtiget werde, hinzubringen, bedacht gewesen, sondern viel mehr mich vnd mein weib, vnd kindtere, zu derselben getrauen, vnderthanen also dar zu stellen, daß jch vnd sie, sämptlich, den von e[uer] g[räflich] g[naden] mir gnädig verheißener vatterlichen gnad, vnd beharlichen affection, alzeitt vnderthenig entpfhinden muhten, jn maßen dan auch zu e[uer] g[räflich] g[naden] das vnterthenige vertrauen habe, sie mich aller vnaufrichtikeitt bei sich selbst in gnaden entschuldiget nehmen werden. Daß jch aber im widerigen, durch vnchristliche verleumdungen, bey e[uer] g[räflich] g[naden] durch andere, vnd sonderlich M. Engeringen , anruchtig gemacht [f. 307r] worden, solchem mus ich mitt hertzleid zusehen, vnd bleibe vnfelbahr gesichert, es werde der lohn zu seiner zeitt erfolgen, vnd daß niemandt von jhnen vnterdeßen ja in alle ewigkeitt daßelbe erhalten, vnd wahrmachen sollen, sondern jch meine vnschuld wider dieselbe vnd menniglichen, also zuverthetigen habe, daß e[uer] g[räflich] g[naden] ein gnedig gefallen darab dragen können. Es hett zwar besagter Engering erstverwichenen 20. hujus, da jhme vor e[uer] g[räflich] g[naden] deputirten hern commissarien, den am 19. auf e[uer] g[räflich] g[naden] gemache an mir verübtem freuel, vnd muttwilen, vnd mir dadurch zugefügte schmach zu justificiren aufgelegen, anstatt solcher schuldigen handlung, weil jhme dieselbe viel zu schwer gefallen, eine supplication an e[uer] g[räflich] g[naden] eingefertiget, exhibirt, vnd sich dadurch vnderstanden, seine falsche bezichtigung, durch vnverschamtes, vnd ohnnachdenckliches conjecturiren, zubehaubten, jn dem er accumulando injurias (die jch mich dahero zugleich schmertzlich zu gemuht zihe, vnd durch Gottes hulff ehrlich vindiciren wil) darin boshafftig anzugeben sich nit gescheuet, als hette e[uer] g[räflich] g[naden] jch genötiget, obberurten begnadungs brief, mir zu geben, vnd zeitt hero darauf vergangen, dies gutt Retzen [f. 307v] an mich zu bringen, vnd sonst auf andere wegen e[uer] f[ürstlich] guts zu genißen, wie jch auch derselben geringer dan mich selbsten geachtet, vnd daß jch vmb die chymische kunst nichts wiße, sondern nur bloßn hoffnung vnd harren gebehrete, sol thma aber, durch Gottes hulffe, solch laster sprechen, vnd zu meinem vndt meines weibs, vndt kindern, veracht vnd vnglimpf ausgeschuttete schmehungen, zu verificiren nimmermehr gerahten, viel weiniger durch seine phantastische einbildung behaubtten, an erwogen die mise bezichtigung, als soltt e[uer] g[räflich] g[naden] von mir genötiget sein, mitt diesem gut Retzen in gnaden mich zu verehren, durch blosses angeben, wie ich zu dem vnd den Ravers hiebevor ausgegeben, vnd meine kunst, bey e[uer] g[räflich] g[naden] zeithero getrieben, sich nicht erweisen laßet, vnd widerspreche ich dem selben mitt hertz vnd munde, vnderthenig bittend, e[uer] g[räflich] g[naden] als ein liebhaber der warheitt, sich in gnaden selbst errinnern wollen, wie vnfuglich mir diese dolosa machinatio zugemßen wird weilen dieselbe in gnaden wol wissen, daß ich vmb gnädige verehrung dieses guttes, nihemahls supplicirt, auch mehr fur M. Engeringen, vmb begifftigung, als fur mich selbsten, angehalten, sondern habe jederzeitt, wie noch, auff e[uer] f[ürstlich] g[naden] gneidges hertz mich verlaßen, wie dan ehr [f. 308r] selbst der injurient, in dieser supplication sich zu wider furbringet, als solte ich geredet haben, was e[uer] g[räflich] g[naden] mir an guthaten erwiesen, solches wehre mir wegen meines vfwartens in gnaden geschehen, vnd erkennet vber das Gott im himmel, das ich solche vnzeitige bosliche anschläge in meine hertzen nihemals gehabtt, vnd da e[uer] g[räflich] g[naden] mich in der bezichtigung haben solte, wie mir M. Engeringen fälschlich andichtet, so resolvire jch mich gegen e[uer] g[räflich] g[naden], wie jch mich gegen ihn jungst ercleret habe, hirmit offentlich, das jch dies gutt oder sonsten das allergeringst auf dieser welt von e[uer] g[räflich] g[naden] nicht begehre, wolte auch dafur mitt den meinigen ehr dorftig vnd in armut als in solchem vergifftetem gewißen leben. Eben wenig kan ich vberzeuget werden, daß e[uer] g[räflich] g[naden] jch geringer dan mich selbst gehalten, dan jch je Gott lob aus der natur gottlich vnd weltlichen rechten, so viel erlernet, was jch von der obrikeit halten vnd wofur jch einen furnehmen graffen des heyligen reichs ehren soll, derowegen schmehenden supplicantis kindischen mutmaßers als züge jch mir zu sinnen, wie jch mehr als ein mensch wehre, mich nich weinig verwundere, wie auch, daß derselbe solchen vfgeraften [f. 308v] wahn, dadurch zu bescheinen vermeinet, das e[uer] g[räflich] g[naden] vf dies haus vnd gutt Retzen, jhr gräfflich hand vnd sigel mir gegeben, jch aber hingegen nur wörtliche verheißung gethan, dajh, doch wißend sien solte, quod ille sit actus gratiae, hic debiti, vnd das mein adeliche verpflichtung vim juramenti habe, welches jch in ehren vnterthenig nachzusetzen wißen werde. Daß mir nun auch hiebey meine vnwißenheitt in alchymia also furgeworffen wird, das jch dadurch e[uer] g[räflich] g[naden] schaden, vnd meinen vortheil zu suchen abgerichtet, ist gleiches falschen angebens, vnd sol auf mich in alle ewigkeitt nicht gebracht werden, vnd ist solcher bosheit anzeig, durch des diffumanten vnerfindlicheß supputieren keines weges abzunehmen, dan ob wohl wahr, das jch von zeiten zu zeiten, vnterthenige vertröstung gethan, es wurde die bishero angelachte arbeitt, dermahln zu verhoffter wircklikeitt gedeien, darauf aber die thadt also noch nicht erfolget, so bin jch doch deshalb keiner betriglickeitt, dafur mich Gott bishero behutet, vnd fordt bewaren wird, zu beschuldigen, weiln jch Gott lob, von ehrlichen bekanttem, adelichen geschlagt vnd eltern gebohren, daneben [f. 309r] fursten vnd hern bis in mein jtziges alter vfrigtig gedienet, vnd vber das wie obgemelt meine niderlaßung vnd haushalten, auch meinen feinden selbst, da sie Gott vnd redlikeit fur augen halten, zu bekennen nötiget, das jch pro aeruscatore vnd bedriglichen menschen, wie jch leider in bedrubnis itzo erfahren mus, nicht anzusehen bin, auch meine weißenschafft dadurch nitt zu verve würden, da eben stund vnd zeit ihrer operation nicht zu wießen vnd gibt solches keine effectus fortuitos, sondern eben woll per se regulares, wie jch dan hiebej zu Gott das vnwandelbare vertauen setze, ehr wurde mir hirin seine almacht bald sehen laßen, so von vielen fur eine narheidt, leider, gescholten wird. Vnd haben sonsten e[uer] g[räflich] g[naden] meiner zusag vnd des gantzen verlauffs dieser sache warauf solches beruhet, sich gnedich zu errinnern, wie das jch nicht hinderlistig oder persuasorié gehandeltt, sondern e[uer] g[räflich] g[naden] rem ipsam eröffnet, dieselbe ex naturalium rerum fundamentis bewogen worden, das werck also einzurichten. Ob jch nuhn diesfahls fraudulentae circumventionis zu bezigtigen, solches stelle e[uer] g[räflich] g[naden] grafflichen wißenschafft vnd dijudication vnderthenig anheimb, vnd wil zu Gott vnd [f. 309v] derselben mich vnverzagt versehen, e[uer] g[räflich] g[naden] werden mich in meiner wißendlichen vnschult dermaßen beschweren zu laßen nicht zu geben wie jch den nunmehr nicht allein von offtberurttem Magister [Engering] vnd deßen gehülffen zum eussersten bedrubt vnd schmahlich angegriffen werde, sondern mir auch dahero als wehre jch in schandt vnd vnehr von e[uer] g[räflich] g[naden] gelauffen, viel hohn vnd spodt so wol von meinen eigenen dienern, so am abgewichenen donnerstag privato ausu mein pfherd von e[uer] g[naden] stal genommen vnd jn den bruch gefuhrett, sich des ausstands seines bei mir verdienden lohnes, den sich auf vier oder funf thaller mag ertragen, selber haben bezahlet zu machen, als frembte, so wol alhie, als binnen e[uer] g[naden] stadt Lemgow, darin am 22. hujus N. Gluwerd (deßen natur vnd dugend e[uer] g[räflich] g[naden] woll bekand) meinem jungen einen pistol vom pfherd aus der holfften an offener freier landstraßen gerißen vnd abgenommen, vber all mein hoffen vnd verdienst zugefuget wird, zu geschweigen, was fur vngepurhlich nachredt von meinen misgunstigen gestrenget zu sein, jch hören vnd vernehmen muß.

[f. 310r] Zu welchem end dan vnd damitt jch e[uer] g[naden] bishero erspuretes rechtliebendes gemuhtt also auch gegen mir, wie mich dan keines andern versehen kan oder wil, vnderthenig vermercken muge, als gelangett zu e[uer] g[räflich] g[naden] mein vndertheniges pitten, dieselbe wollen jhr gnediges gemütt, ehe vnd bevor, vber mich erwiesen, das e[uer] g[naden] jch mitt treuen nicht gemeinet, oder meine zusage falsch vnd nichtig, von mir nicht entfrembden, sondern mein gnediger her sein, vnd pleiben, vnd weilen Gott lob, splendor meae nativitatis, facti infanica mich sichert, vnd sonsten ante condemnationem legitimam meiner würde rechtswegen nicht zuendtzetzen bin, mich in vorigem stande bej e[uer] g[räflich] g[naden] bis dahin gnedich vorlaßen, demnegst auch in gnaden mir verstatten, von vielgerurtem Magistro [Engering] mir falschlich aufgedichtet schmachreden vor e[uer] g[räflich] g[naden] schon deputirten commissarien, oder ehren löblichen freyn stuekgerichte rechtlich zu vindiciren, werde ich in diesem vnd sonsten wegen am verlittenen 19 dieses mir angelachts mutwillens, meine befugnis e[uer] g[naden] also darstellen, das die- [f. 310v] selbe hierin wolgnedig begnugig sein, vnd pleiben sollen.

Versehe mich dahero deßen, vnd aller gnedigen affection, vnd pleibe ew[er] g[räflich] g[naden] hinwider bei tag vnd nacht jn stetter bereidschafft, vnderthenig zu dienen, hertz vnd gemutwillig ew[er] g[räflich] g[naden] dem almechtigem gerechtem Gott, zu lanckwirigem greffligen wohlstende, vnd mich deroselben zu voriger gnad vnd gnedig rechtlichen hulff, vnterthenich trulichst befehlend.

Dat[um] Retzen am 23 novemb[ris] a[nn]o 1611.

E[uer] g[räflich] g[naden] vndertheniger getreuer diener

J[obst] v[on] S[angershausen] Kalen

[f. 311v] [Anschrift:] Dem hochwolgebornen hern, hern Simon graffen vnd edlen hern zur Lippe &c., rom. key. may. reichshofraht, cammerhern vnd dieses niderlädnsichen westphälischen cräyßes obersten &c. meinen gendigen hern.