Histories and Tales of Paracelsus/1854/Anonymous, Culturhistorisches

From Theatrum Paracelsicum

Source: Neue Salzburger Zeitung, n° 182 (August 11, 1854); n° 183 (August 12, 1854); n° 184 (August 14, 1854) (ANNO.at; Google Books)

[n° 182] Culturhistorisches.
Ein Blick aus der Vogelperspektive auf die derzeitige Münchener Schaubühne, und allfälliger Stoff zu einem vaterländischen Drama.
[1]

Zu allen Zeiten haben die Residenz- und Groß-Städter das Vorrecht genossen, mit allem, was zum Munde eingeht, was Aug und Ohr ergötzt, die Sinne reizt, und was mitunter auch Gemüth und Geist erhebt, reichlich versorgt zu werden. „Panem et circenses“ — war von jeher die Losung, und bleibt es, der dort nur, und warum, immer conglomerirte und admassirten Nationalitäten. Oder gäbe es nicht Verhältnisse und Epochen, in welchen der Großstädter auch dem Lande, dem Bauer, tributär wäre? Hätten wir nicht eben einen dergleichen Wechselfall durchgelebt? Die luxuriöse Anhäufung der städtischen Bevölkerung ist eine unausbleibliche Folge des Centralisations-Systems, das den Staat wieder um so mehr zu lästigen und kostspieligen Anordnungen verpflichtet, je unproduktiver und hilfloser ein großer Theil dieser Einwohnerschaft (das Proletariat) ist.

Es ist das eben so beliebte und begünstigte als seiner Natur nach oft verfängliche und kostspielige Centralisations-System, welches da vom Gebär- und Findelhaus bis zum Kirchhof — alle Schichten der Bevölkerung beherrscht, und hienach für den Haushalt und Erwerb, für Erziehung, für Arbeit und Werkstätten, für Fakultäten in Kunst und Wissenschaft, wie für Pfleg- und Heilanstalten und die Gerichtshöfe zu sorgen hat.

Es ist weiter nur eine selbstverständliche Konsequenz, all' dem entsprechend die Konkurrenz und Mittel zu sichern; im großen Umriß, wir im Detail, materiell, kommerziell, spirituell; polizeilich, prophylaktisch[2], während wir nüchterne und schüchterne Landratten das leere Nachsehen haben. Im Dasein der großstädtischen Bevölkerungen hat heute das Genuß- und Güterleben das Uebergewicht gewonnen. Die zeitweiligen Industrieausstellungen sind daher Ueberreiz im Verkehr und Handel, ein nothwendiges Attribut dieser Lebensweise. An unserer Nase, an unsern immer schweigsamer werdenden Flecken und Städtchen vorüber, fördert der Dampf wie im Fluge die lauten und bunten Geschwader, und die schweren Frachten eines unermeßlichen Imports der Fremden; ist uns doch dessen Anblick zu Nutz und Frommen für drei Silbergroschen gegönnt. Diese monströsen wandernden Bazar's in Stoffen und Formen gleich unerschöpflich vom Köstlichsten bis zum Gemeinsten, vom prunkenden Diadem bis zur bescheidenen Schlafmütze, vom Goldbrokat bis zum „tuffe de poils de chevre“, sie sind auch orientalischen Herkommens. Nur da locken Gewinn und Ehre, nur da finden fürder Arbeit und Industrie, die Spekulation und Ostentation den freiesten Spielraum, mittels der Ausstellung zur Schau geboten ; ausgestellt wird heute alles, (einst nicht so) auch das Innerste des Hauses, auch das Innerste des Familien- und Heimatlebens; wenn nicht allenthalben in Glaspalästen, so doch hinter Schaufenstern und Glasglocken. Wir sind unabweislich dem Weltleben verfallen, es ist centripetal und centrifugal zugleich. An Täuschungen fehlt es auch nicht. Kaum hatte die industrielle und schaulustige Welt in der Weltstadt London ihre Schöpfungen und sich selbst bewundert, und hienach die Nationalitäten taxirt; so gingen neue Wunder in Sydenham auf. Fast gleichzeitig hängt der Himmel an der Isar voll Geigen, und schon wird von der Seine her im Westen, und von der Wien im Osten zu gleichem Spektakel geblasen; — wird man im Norden an der Spree zurückbleiben wollen? So scheint trotz einer andern orientalischen Frage, der blutigen! die europäische Menschheit kaum zur Besinnung zu kommen.

Verweilen wir einen Augenblick bei der teutschen Kunst-Metropole, eben dort auf dem dürren Gefilde der kalt und rasch vorüber eilenden Isar. Der Monat Julius im 1854sten Jahre des Heils ist erlebt. Die beseligenden Tage der Verheißung sind angebrochen. Die eisernen Pforten des Glaspalastes sind aufgethan ; die Industrie, die Welt-Ausstellung ist eröffnet, auch die Kunstausstellung, auch der Glückshafen, auch die Concerte einheimischer und fahrender Virtuosen; auch die Reiterei des Hrn. Renz, auch die elektrischen Soireen des Hrn. und der Mad. Robin aus Paris — sind es. Und merkwürdig genug, eine Ironie des Zufalls, inmitten dieses Wirrsals und der rauschenden Freude erhebt sich ernst sprechend und würdig das Standbild Westenrieders. Es ist ein ehrenvolles Denkmal und ein erhebender Akt der Nationaldankbarkeit. War er doch weiland bei dem neologen und koketten Thun und Treiben des ihm selbst blutsverwandten Philisterthums der guten Stadt München derselben unvermeidlich ein freundlicher Mahner und Warner, und scheint auf den satyrischen Lippen des Sehers die Frage zu schweben, ob den seine humoristischen Träume: „München im Jahre 1950“ schon jetzt in Erfüllung gehen sollten? — Nach Allem dem, wie stand und steht es mit der Münchener Schaubühne, so wird man fragen? Die öffentlichen Blätter, und die jederzeit ziel, und maßgebende Allgemeine, und die geistreiche Neue Münchner in zunächst sind es, deren übereinstimmende glorieuse Nachrichten darüber, über die Gast- und Mustervorstellungen auf der Münchenerbühne, über das vollständige Gelingen einer spekulativen Centralisation der sonst so spröden Geister der dramatischen Kunst aus allen Theilen deutscher Erde uns in der That überraschten.

Schien doch das Unternehmen in mehrfacher Beziehung gewagt, gewagt im Hinblick auf die Theaterkasse, auf das Kommen der ausgezeichneten Mimen, und ob des klingenden Zuspruchs des Publikums, inmitten so vieler anderweitiger An- und Abziehungspunkte, der Brottheuerung, — und der eingetretenen Glühhitze. Noch mehr bedenklich schien aber die Lösung der Aufgabe im Betracht des Verständnisses zu dem Ernst, der Tiefe und Höhe der ausgewählten Dramen und Tragödien, und selbst des attisch gewürzten Lustspiels — all dieser Errungenschaften aus einer ungleich besonnenern Zeit, aus dem wohlhäbigen, klarverständigen und freimüthigern achtzehnten Jahrhundert. Mit der Musik, mit der Oper läßt sich das Experiment zeitweilig immerhin mit Erfolg wiederholen.

[n° 183] Wenn aber nun ungeachtet jener Verhältnisse, und ungeachtet der erhöhten Eintrittspreise das Haus dennoch stets voll, ja überfüllt war; sollte das nicht auf einen stätigen Fortschritt der seitherigen Generationen in Tugend und Weisheit, an Intelligenz und gutem Geschmack schließen lassen, und das zu einer so wirren Zeit, als deren Signatur man die Blasirtheit der Männer und die Emancipation der Frauen bezeichnen will, und darum uns die Moralisten und Gesetzmacher überhaupt einer gar schmählichen Zerfahrenheit im Denken und Schaffen, und des das Geistesleben überwuchernden Gürtelebens anklagen? Worin läge nun da die Kunst, alte, wenn auch gute Waare wieder an Mann zu bringen? Was uns das vielbelobte klassische Jahrhundert, was uns Lessing, Göthe, Schiller etc. geboten, — in der That, das Verständniß dessen, es erheischt die volle, ruhige Besinnung zum Lesen, und noch mehr zum Hören und Reflektiren. Als Beispiel diene „Nathan der Weise“ von Lessing. Dieser zerbröckelte, gleichsam atomistische Dialog, dieses immerwiederkehrende Wort- und Schachspiel, diese Thesen und Antithesen, worin sich der Dichter so sehr gefällt, und womit er uns das ätherische Oel von Geist und Gemüth nur tropfenweise spendet ; dabei aber wohl auch manche begeisternde und überwältigende Scene vorführt; lägen hierin nicht eben so viele Schwierigkeiten, peinliche sowohl für die Schauspieler als für das aufhorchende Publikum? Zudem ist der Kern des Dramas nur ein Ideal, ein in Persönlichkeiten und Begebenheiten zusammengeklittertes, ein moralischer und theologischer Excursus, der da lehrt, daß man bei humanem und ehrlichem Verhalten, in jeder Religion, und hiebei ist dem Christenthum in der That nicht geschmeichelt, Gott gefällig sein könne.

Dieser Dialektik und dramatischen Dynamik, voll Scharf- und Widersinn zu folgen, — dazu hätte heute das volle Haus ebensoviel und noch mehr Verstand und Empfänglichkeit, als das vor einem halben Jahrhundert? Nimmer mehr! — Kaum drei Viertheile der Zuschauer verstehen den Text der Dichtung; nicht deren Höhe und Tiefe und ihren Schmuck. Und dennoch diese gespannte, ausharrende Theilnahme, diese Erschütterungen und hinwieder die drastische Erheiterung?

Ei freilich, Minna von Barnhelm, ein Lustspiel aus der Feder derselben Celebrität, da ist bei aller Feinheit und Gewandheit in Wort und Handlung doch Greifbares und Dankbares; da läßt es sich erklären, daß es vor 90 Jahren, als das Lustspiel erschien, den Leipzigern zwölfmal hintereinander vorgeführt werden mußte. Oder, was ist es denn sonst? Die kluge kunsterfahrne Intendanz hat es errathen. — Die Neuheit der Unternehmung an sich, der sich täglich erneuernde Fremdenzug, der Ruf und Nimbus der auftretenden Persönlichkeiten der Herren und Damen, der im Wechsel der Darstellung liegende Reiz, die frisch herausgeputzten Kostüme und der glänzende und charaktergetreue Bühnen-Apparat, woran es eine sach- und fachkundige Intendanz nie ermangeln läßt; — schließlich die Eitelkeit des gesammten fashionablen Publikums, um sagen zu können, „wir haben es auch gesehen“ — das ist es. Kurz, das Gelingen des kühnen Wurfs ist zuvörderst nur das Resultat von äußern Ergebnissen, Affekten und Influenzen im Bezug auf die Masse des immer wechselnden schaulustigen Publikums. Der Elite desselben, der geist- und kunstverwandten, der hoch, und durchgebildeten, wird dadurch nicht zu nahe getreten.

Die Macht-Totaleindrücke hervorzubringen und ihre Gewalt momentan zu steigern; das ist jedenfalls in der Berechnung der sicherste Exponent und wirksamste Hebel bei derartigen Produktionen.

Indem wir nun noch einmal den Cyclus der unter all’ diesen Motiven und Verhältnissen an uns vorübergeführten Musterdarstellungen der höhern dramatischen Muse überblicken, tritt uns ihr nicht unähnlich und ihrer nicht unwürdig, eine in der heimischen Sage wunderbar und vielbesprochene Erscheinung aus der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts auf vaterländischem Boden entgegen.

Es ist Theophrastus Paracelsus von Hohenheim, wie er sich selbst nannte, „der freien Künste und der Arznei Doktor,“ von adelicher Herkunft, geboren zu Maria Einsiedeln in der Schweiz im Jahre 1493, gestorben im J. 1541 zu Salzburg. Kaum 48 Jahre erlebt und wie ist der Mann zu einem so wunderbaren Ruf in ganz Teutschland gekommen, und wie ist er der Träger eines Namens geworden, der einst in Hellas schönsten Tagen neben Plato und Aristoteles glänzte?!— Goethe im Faust möchte daran erinnern; näher gekannt hat er den ebenso hochgerühmten als abergläubig verrufenen Doktor und sein Leben nicht. Gar seltsame, ja schauerliche Dinge weiß das Volk von diesem jungen Theophrastus zu erzählen. Er habe den Stein der Weisen gefunden, aber auch anderes edles Gestein erforscht; habe aus unedlen Metallen Gold, aus balsamischen Kräutern rasch heilende Pflaster und Tränklein, doch auch bald langsam, bald schnell tödtendes Gift aus Mineralien, aus Pflanzen und scheußlichem Gewürm zu bereiten verstanden. Der Menschen Sinnen und Trachten sei ihm offenbar, ihr Wohl und Weh ein gleichgültig Spiel der Laune, ihr Muthwille und Undank öfter der Anlaß sich zu rächen gewesen. Mit einem seiner Kunstgenossen, mit dem Stadt-Apotheker von Salzburg habe er in der bittersten Feindschaft gelebt, und schon auf dem Krankenbett schmachtend, habe er einen Kopf an die Wand gezeichnet und darauf geschossen; da sei der Apotheker in seinem entlegenen Hause plötzlichen Todes verschieden. Die Elemente, Feuer und Wasser, sogar der Blitz hätten dem Doktor gehorcht; aber über Land reitend habe er die Kirchhöfe sorgfältig vermieden, und nie der heiligen Messe beigewohnt. Wann dort der Priester das Heiligste gewandelt, wann dießfalls das geweihte Glöcklein über Berg und Thal erklungen, habe ein satanisch grausiges Verzucken des Doktors sonst schönes Antlitz entstellt. Dennoch würde er nicht so früh, ja niemals gestorben sein, hätte sich nicht sein einfältiger Diener in den Phiolen vergriffen, und mit der den Menschen unheilvollen Goldtinktur zugleich das Lebenselixir in die Salzache geschüttet; goldgelb und blutroth sei sie alsobald geflossen. So die Sage, und mehr.

[n° 184] Aber die wahre Geschichte jenes merkwürdigen Zeitraums, die vielen zum Theil gedruckten Schriften, das Testament und der inventarische Nachlaß etc. des Doktor Theophrastus lassen ihn uns in einer ganz andern Gestalt erscheinen.

Ueber seiner Wiege wie über seinem Grabe hin herrschte jene gewaltige Gährung der Geister, woraus die Reformation und mit ihr ein anderes Prinzip der Herrschaft und gesellschaftlichen Ordnung hervorgegangen.

Wie auch da die Elemente und Gewalten an einander gerathen und sich gegenseitig gemessen: politisch, religieus, volksthümlich, — ritterlich: das zu schildern wäre Sache des Dramatikers.

Als bekannt und erkannt wollen wir hier voraussetzen, aus welchen Ursachen, unter welchen Umständen diese Gährung, dieser Umschwung zum Ausbruch gekommen, und unter welchen blutigen Kämpfen, auch insbesondere vor und in den Alpen, die Katastrophe sich verlaufen hat. Längst, und eben von der Schweiz her hatte es da zu glimmen begonnen.

In dieser Epoche lebte und wirkte auch Dr. Theophrast. Der natürliche oder Adoptiv-Vater unsers Helden nannte sich Wilhelm Bombast von Hohenheim, der Arzneikunde Licentiat, von Einsiedeln war er noch Villach in Kärnthen gezogen, wo er im Jahre 1534 verstorben. Villach war einer der rührigsten Stappelplätze des levantinischen Handels mit dem Norden, mit Venedig, mit Salzburg, mit Augsburg, Nürnberg, Thüringen, im lebendigsten Verkehr; war der Sitz reicher Berg- und Hüttengewerke. In gleichbegünstigter Lage, und als Residenz eines der mächtigsten Kirchenfürsten Teutschlands stand Salzburg noch höher.

Dahin halte das Geschick den jungen Theophrast gefördert, nachdem er, wie schon sein Vater, auf der hohen Schule zu Basel, und wohl mühsamer als heutzutage, den Doktor, grad erworben.

Der Fürsterzbischof Mathäus Lang, einem patricischen Geschlecht Augsburgs entsproßen, gelehrt, staatsklug im Geist seiner Zeit, länger des Kaisers Kanzler, zugleich Kardinal, regierte damals durch zwanzig verhängniß- und ereignißvolle Jahre (1519—1540) das Erzstift Salzburg. Nachdem er mit Hilfe der benachbarten Fürsten und geworbener Söldner die Bürger, und Bauernaufstände des Landes niedergekämpft und blutig gesühnt hatte, scheute er sich nicht, gelehrte Männer und selbst Vertraute Luthers und Melanchthons nach Salzburg zu berufen, und für seine Sache zu gewinnen. So ward der gelehrte Staupiz Abt zu St. Peter. Unter Auspizien der Art war in Theophrast der feurige Jüngling zum Manne gereift, er konnte nicht unbemerkt, nicht unthätig bleiben. Hatte er doch auch, wie es seine Schriften nachweisen, aus dem klassischen Alterthum geschöpft, hatte sich nach Theophrast und Galenus für die Heilkunde gebildet, halte sich dem Studium der Philosophie, der Physik, der Geologie, der Mineralogie, der Chemie, der Mechanik etc. ergeben, war Wundarzt und Pharmaceut, wie hätte er, der tief- und hochstrebende Forscher, sich da auch theologischer Lucubrationen, wie der Alchimie und des Rufes eines Wunderdoktors erwehren sollen? Begriff doch das Jahrhundert den Werth der Gelehrsamkeit, alles Wissens und Kennens, nur im Bombast einer mysteriösen Gesammt-Thätigkeit aller jener Disciplinen? Aber — und auch daran konnte es nicht fehlen, Neid und Selbstsucht waren ihm entgegengetreten, erbitterte Feinde, die nicht nur des jungen Doktors wissenschaftliche Kenntnisse, sondern sogar den Erfolg seiner Heilungsmethode

in Frage stellten. Er ward verhöhnt, verläumdet und verfolgt. Das Volk, wie immer, nahm Partei. In so mancher Hinsicht allerdings ohne innere Befriedigung, ja trostlos war so das Leben und Wirken und Kämpfen, das Glauben, Hoffen und — Lieben, wie es scheint, für den zarten Körperbau des Theophrastus Paracelsus, aufreibend.

Theophrastus Paracelsus war unvermählt. Er fühlte in Folge seines aufreibenden Lebens seine nahe Auflösung, und diktirte eines Tages in dem entlegenen einsamen kleinen „Stübel“, auf seinem „Reisebettlein“ sitzend, in Gegenwart einiger kunstverwandter Freunde, dem herbeigerufenen kaiserlichen Notar sein Testament vom 21. Sept. 1541. Diese Kundschaft und Geschäftsordnung ist es, welche den Scheidenden als einen frommen Ehrenmann, als einen Gott ergebenen, edelmüthig und die Menschen liebenden Mitbürger darthut. Theophrastus hatte nicht Reichthümer gesammelt, war aber im Besitz manchen Kleinods, einiger Baarschaft, mehreren Geschmeides von Gold und Silber, und von sehr werthgeschätzten Arzneien. Sein Leib sollte der geweihten Erde übergeben, ein dreimaliger Gottesdienst abgehalten, und einige kleine Vermächtnisse abgerechnet, sein gesammter Nachlaß den Armen zugewendet werden.[3]

In der That hat die dankbare Nachwelt die Gebeine des gefeierten Todten auf dem Kirchhofe zu St. Sebastian wieder erhoben, und sie in der Vorhalle der Kirche selbst, in einem würdigen Monument von Marmor niedergelegt.[4] Erst in der „aufgeklärten“ Zeit suchte man über den Dr. Theophrastus, ohne auf seine Schriften zu achten, und ohne in seine Zeit und Umgebung einzugehen, wieder die Ansicht geltend zu machen, daß er nicht viel mehr, als ein Alchimist und Charlatan etc. gewesen.

Uns kann aber das nicht beirren, um schließlich nicht die bescheidene Frage zu stellen, ob der eben so hochgestellte als bestverläumdete Wundermann nicht ein reichhaltiger und lohnender Stoff für die Bühne, für ein geistreiches anziehendes, vaterländisches Drama wäre? Der Schauplatz desselben, die Umgebung und das Innere der alterthümlichen, durch Wissenschaft, Kunst und Wohlstand hervorragenden Residenzstadt Salzburg mit so mannigfacher Scenerie und historisch-romantischem Beiwerk?! Wie, wenn es der munificenten Theater-Intendanz von München, jenem Schauplatz so nahe, genehm wäre, besagten Stoff als Bühnenstück zu einer Preisaufgabe zu machen? Auch geschichtlich und örtlich orientirt müßten die intelligenten Bewerber allerdings sein.

  1. *) Der Redaktion soeben aus Baiern zugesendet, und zwar von einem der anerkanntesten deutschen Kulturhistoriker, dem wir hiemit unsern herzlichen Dank für diese willkommene Mittheilung aussprechen. D[ie] R[edaction].
  2. **) In der Universal-Panacée der Stadt München, in den „neuesten Nachrichten“ wird sogar ein hinlänglicher Vorrath von „Klettwurzelöhl,“ um das frühere „Grauwerden und Ausfallen der Haare (der echten Münchner-Dandys?) „zu verhüten,“ angezeigt. [See, for example, [Münchener] Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik, n° 279 (October 6, 1854), p. 3597: advertisment for Klettenwurz-Haar-Oel]
  3. *) „Er hatte nach Willen Gott des Allmächtigen seine Tage beschlossen.“ So der Notar.
  4. **) Dasselbe entweihend, hatte eine unbefugte Hand daraus den Schedel entnommen, und ihn dem Phrenologen, Dr. Gall zugesendet.