Histories/Moriz Bermann (1854), Der Atzmann

From Theatrum Paracelsicum
Moriz Bermann (1854), ‘Der Atzmann’,
in: Der Salon, vol. 3, 1854, p. 302–309, 338–347, 357–370
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Quote as: https://www.theatrum-paracelsicum.com/index.php?curid=3150

Der Atzmann
Von
Moriz Bermann

[p. 308] Im November des Jahres 1527 kehrte Paracelsus nach Basel zurück. Er wohnte in dem Hause, wo sich später (1579) Thurneiser aufhielt. In diesem Jahre [p. 309] kam auch Johann Oporin als Famulus zu ihm. Oporin lernte von ihm Medicin und hoffte auch die Geheimnisse der Goldmacherei zu erfahren, was ihm aber nicht gelang. Nichtsdestoweniger diente er seinem Lehrer treu, sagte ihm aber manches Üble nach, so z. B. daß Paracelsus, wenn er mit seinen Schülern botanisiren ging und ihnen eine Pflanze nicht zu nennen wußte, habe er stets zur Ausrede gebracht, daß sie in der Medicin nicht angewendet werde.

[p. 340] Auch Oporin versichert, daß Paracelsus in Basel fleißig Chemie getrieben habe, spricht aber nicht vom Goldmachen. Er äußert blos, daß Paracelsus wenn ihm Abends das Geld gemangelt, Morgens dessen in Überfluß gehabt habe. Dies geschah aber schwerlich anders, als durch Ausleihen von guten Freunden. Übrigens trugen ihm doch seine Curen auch Geld, denn er präparirte Alles selbst, seine Mercurialarzeneien, seine tinctura physicorum ein Universalmittel, von dem er selbst sagt, die Dosis sei sehr klein, aber die Wirkung mächtig, ferner sein Laudanum (Pillen aus Mohnsaftextract) u. s. w. Das Laudanum trug er beständig im Knopfe seines Schwertes bei sich. Wenn er Nachts berauscht nach Hause kam, zog er dasselbe und hieb da mit im Zimmer nach den Geistern herum. Hierauf weckte er den Oporin [p. 341] und dictirte ihm mit ungewöhnlich rascher Inspiration, so daß der Famulus glaubte der Teufel sei dabei im Spiele gewesen. Der arme Leichtgläubige wurde noch mehr beschämt! Paracelsus lehrte einst, die Beschaffenheit des menschlichen Körpers könne nur ex urina alcali und zwar, wenn ein Mensch sich durch drei Tage des Essens und Trinkens enthalten hatte, richtig erkannt werden. Oporin that es, brachte nach dreitägigem strengen Fasten seinem Meister das Glas und begehrte dessen Urtheil. Paracelsus lachte ihn über diesen Unsinn und blinden Gehorsam tüchtig aus, dann warf er das Glas, ohne den Inhalt anzusehen, an die Wand.


[p. 343] Um diese Zeit war es, wo Oporin seinen Meister verließ. Schon vorher hatte der Famulus die Hoffnung aufgegeben von Paracelsus die Bereitung der Pillen zu erfahren, die letzte vermeintliche Gottlosigkeit brachte den Entschluß zur Reife. Er ging zurück nach Basel. Diese Thorheit kostete ihm beinahe das Leben. Seine Xantippe empfing ihn mit einer tüchtigen Tracht Schläge. Kurz darauf nahm er als Purganz präcipitirten Mercur ein, bekam aber in der Nacht heftigen Streit mit seinem Weibe, so daß er zu seinem Vater lief. Unterwegs trank er viel Wasser und setzte sich an der Hausthüre von seines Vaters Wohnung nieder, denn er wollte denselben nicht aufwecken. Hier erkältete er sich aber so stark, daß ihm der Kopf hoch aufschwoll und er halb todt nach Hause getragen wurde. Die Ärzte gaben ihn hoffnungslos verloren. Zum Glücke eriunerte er sich, daß ihm Paracelsus beim Abschiede eine Quantität des Laudanum verehrt hatte. Mühsam kroch er aus dem Bette zu seiner Reisetasche, verschluckte drei Pillen und fiel in einen tiefen Schlaf. Als seine Xantippe nach Hause kam, fand sie, statt, wie sie gehofft, den Mann todt zu treffen, denselben frisch und gesund und keine Spur mehr von der Geschwulst. Die Basler behaupteten der höllische Freund seines Meisters habe ihn curirt. Oporins Eheweib starb bald hernach in Luzern, wohin sie gereist war, um ihre Güter zu besehen. Statt der erwarteten Erbschaft erlitt aber der Witwer große Verluste. Später verschaffte ihm Grynäus eine Lehrstelle. Da es nicht der Zweck dieses Aufsatzes ist über Oporin mehr als nöthig zu sagen, so sei nur mehr hier erwähnt, daß unter seinen Zuhörern sich der nachmals so berühmte Feldherr Kaisers Carl V. und Maximilians II. der bekannte Lazarus Schwendi befand.