Hidden/PM1936-001-PTX Sudhoff - Paracelsus, ein Lebensbild

From Theatrum Paracelsicum
Karl Sudhoff

Paracelsus. Ein deutsches Lebensbild aus den Tagen der Renaissance (1936)

[p. 7] Ut cum Theophrasto nata primum Medicina perfectaque videatur.Petrus Ramus (1568)

Der Name dieses großen deutschen Arztes, der im Ausgange des Mittelalters lebte und wirkte, ist uns heute durch eine naturnähere Auffassung der Medizin, die sich an ihn zu knüpfen sucht, wieder vertrauter geworden. Nicht wenig mag dazu die dichterische Gestaltung dieses Lebens im Romane Kolbenheyers beigetragen haben.

Seit über fünfzig Jahren habe ich mich mit dem Werken und Wirken dieses großen, urdeutschen Mannes beschäftigt, der die Bindungen der Naturwissenschaften des Mittelalters an antike Vorstellungen löste und seine ärztliche Tätigkeit und sein Wissen allein aus dem Selbst-Forschen ableitete. Noch harrt die große Aufgabe einer Biographie Hohenheims, die ich nahezu vollendet habe, des Abschlusses. Ich freue mich aber, daß es mir möglich ist, von dem Wanderleben jenes großen Menschen in diesem kleinen Bändchen einen kurzen Abriß geben zu können, der auch weiteren Kreisen zugänglich sein wird. Ich habe mich bewußt freigemacht bei meiner Arbeit von allem romantischen Beiwerk, von Ausdeutungen und Vermutungen. Nur was urkundlich belegt ist, soll hier zur Darstellung gebracht sein. Durch die Wiedergabe zahlreicher Dokumente habe ich versucht, den Leser auch gefühlsmäßig in die Luft des Mittelalters, der Alchimistenküchen, Zunfthäuser und Amtsstuben einzuführen. Vieles des oft wirren mittelalterlichen Stiles wird darin, zumal dem unkundigen Leser, noch [p. 8] fremd bleiben, obwohl ich mich bemüht habe, in Rechtschreibung und Textform der zitierten Originalstellen eine Fassung zu finden, die, ohne den Reiz des Mittelalterlichen abzustreifen, es auch dem weniger kundigen Leser ermöglicht, diese Stellen zu verstehen. Lateinische Stücke sind, sofern sich keine ältere Übersetzung fand, von mir in sinngemäßer Weise verdeutscht neben den Urtext gestellt worden.

Das vielgestaltige, ruhelose Leben des Paracelsus liegt vor dem Forscher noch nicht als lückenloser Ablauf. Es ist seine Aufgabe, aus den erhaltenen, oft spärlichen Dokumenten den Lebensgang zu rekonstruieren. Manchmal gelingt dies nicht restlos, und so wird auch der Leser auf Lücken und Sprünge stoßen, die der gewissenhafte Biograph stehenlassen muß, die auszufüllen er der schöpferischen Kraft eines Dichters oder dem Weiterdringen der Forschungsarbeit einstweilen überlassen muß.

Leipzig, den 3. August 1936

Karl Sudhoff

Aufstieg

Jugend und Lehrzeit

[p. 11] Theophrastus Paracelsus ist ein Arzt aus der Wende zwischen Mittelalter und Neuzeit: in manchem Mystischen noch Kind des Mittelalters, ganz neuzeitlich in seinem scharf deutschen Empfinden und im Aufbau seines naturforschenden Denkens ausschließlich auf der Beobachtung und eigenen Erfahrung. Das Licht der Welt erblickte er im letzten Drittel des Jahres 1493 zu Einsiedeln im Kanton Schwytz. Er war der Sohn eines Arztes, Wilhelm von Hohenheim mit Namen, und einer Schweizerin aus der Familie der Ochsner, die zum Benediktinerstift Maria Einsiedeln in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis stand. Das Bräutigamsbild des Vaters mit der Nelke zeigt das Wappen der Bombaste von Hohenheim in 3 Kugeln im Schrägbalken und das Wappen der Ochsner an entsprechender Stelle an der anderen Kopfseite. Der eigentliche Geburtstag des Theophrastus sieht nicht fest. Daß es der 10. November gewesen sei, ist keineswegs sicher begründet, wenn man´s auch immer wieder behauptet liest. Ich dachte auf dem Wege über den zweiten Vornamen „Philipp“ zum richtigen Geburtstag zu kommen: Der Philippstag wird nach russischem Ritus auf den 14. November gefeiert, was ja für Hohenheims Geburtstag recht gut passen würde. Es bedeutet aber für Einsiedeln einen unrichtigen Tag. Dort käme nur der 6. Juni als Philippstag in Frage, der aber nicht der Geburtstag unseres Theophrastus sein kann. Denn fest steht der Todestag Hohenheims als 24. September 1541, ferner, daß er bei seinem Abscheiden das 48. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Es bleibt also vorläufig bei der Bestimmung, daß er im letzten Drittel des Jahres 1493 geboren wurde. Der ärztliche Vater Wilhelm [p. 12] entstammte dem schwäbischen Adelsgeschlechte der Bombaste von Hohenheim, das schon im Anfang des 12. Jahrhunderts in Dokumenten aufzublitzen beginnt. Ein Egilolfus de Hohenheim macht schon 1110 eine Schenkung an das Kloster Hirsau. Anno 1203 trifft man auf einen Eberhardus de Hoggenheim. Am 4. August 1270 begegnet uns der erste Bombast von Hohenheim, ein Konradus de Hohenheim dictus Bombast und seine Gattin Trutlindis, die eine Landschenkung an das Kloster Herrenalb machen, die derselbe Konrad und seine Söhne Konrad und Johann am 3. Jenner 1272 bestätigen. Eine Urkunde vom 6. Oktober 1295 legt alte Beziehungen der Familie zu Eßlingen fest: Ein Friedrich von Hohenheim, Schultheiß in Eßlingen, und ein Verwandter Hugo, genannt von Hohenheim, verkaufen an Kloster Kirchheim Güter, die im Oberamt Schorndorf gelegen sind. Er und seine Söhne sind schon mit dem Besitz des Schlosses Hohenheim belehnt gewesen, das durch Verpfändung auch wohl einmal in andere Hände gerät, aber durch Neubelehnung dann wieder in ihren Besitz gelangt und der Familie erneut verbleibt. Schon 1462 begegnet uns Herr Jörg Bombast als „Kommenthur“ des Deutschen Ordens zu Rohrdorf. Als Georg von Hohenheim wird er auch als Komtur des St. Johannsordens genannt; mit drei Knechten reitet er im Dienst des Grafen Eberhard von Württemberg. 1481 wird Wilhelm Bombast von Riet als „pauper“ in das AIbum studiosorum in Tübingen eingeschrieben. In Akten des Grafen Reischach auf Schloß Riet im Tale des Strudelbachs fand ich als letzten der ganzen Reihe einen Franz Bombast von Hohenheim, der nach Briefen von 1551—1562 seinen Sitz zu Riet hatte auf einem „Edelmannsgut, das er samt seinen Voreltern ob hundert Jahren innegehabt“. So ist also Bombast von Riet das gleiche wie Bombast von Hohenheim. Franz Bombast hat seinen Anspruch auf Schloß Riet an einem Brandenburger verkauft, der ständig mit der Kaufzinszahlung im Rückstande blieb. Franz war verheiratet, aber kinderlos, der Name seiner Gattin ist mir unbekannt. Er selbst [p. 13] ist für seine letzte Lebenszeit nach Pforzheim ins Badische gezogen. Er scheint der letzte seines Stammes gewesen zu sein. Ob Wilhelm Bombast von Riet, der in die Matrikel der Universität Tübingen eingeschrieben wurde, Theophrast von Hohenheims Vater gewesen ist, steht nicht ganz fest, hat aber einige Wahrscheinlichkeit für sich. Auch die Einsiedeler Mutter hatte sicher starken Einfluß auf den blonden Sohn, ihren „Golder“, den der Vater darum Aureolus hieß. Das Kleeblatt der drei an der Sielbrücke dauerte nur ein knappes Jahrzehnt; dann zerriß es der Tod, die Mutter ließ Vater und Sohn allein.

Die beiden zogen 1502 von der Sielbrücke weg nach Villach ins sonnige Drautal, wohin der Vater ältere Beziehungen gehabt zu haben scheint und wo der Vater viele Jahrzehnte das städtische Arztamt in Treuen versah. Schon in der Einsiedeler Zeit hatte der Vater den Sohn in die Pflanzenwelt der Alpen eingeführt, die dort in Busch und Wald und auf den Wiesen üppig blühte. In Villach wurde der Sohn von Klerikern des Lavanttales in die „derzeitige Wissenschaft des Latein usw.“ eingeführt. Sohn und Vater waren in der dortigen Benediktinerabtei vom Kloster Einsiedeln her bestens empfohlen. Sie brachten gute Beziehungen mit und wurden mit offenen Armen ausgenommen. Eine spätere Erinnerung, die 1536 in der „Großen Wundarznei“ wieder lebendig wurde, setzt dem Vater und diesem Jugendunterrichte ein schönes Denkmal: „erstlich Wilhelmus von Hohenheim mein Vater, der mich nie verlassen hat, [ferner] Bischof Erhart und seine Vorfahren von Lavanttal, viel Äbte von Sponheim“. Alle diese Namen nennt Theophrast in der „Großen Wundarznei“ (Bd. X, S. 352 meiner Ausgabe) als seine Lehrer in der adepta philosophia.

Bei dieser Gelegenheit kann auch ein alter biographischer Irrtum ausgelöscht werden, der sich an diese Stelle knüpft, der alte Irrtum, der immer wiederholt wird, daß Trithemius, der Abt von Sponheim im Nahegau, Hohenheims Lehrer gewesen sei. Aber der hier genannte Abt von Sponheim ist [p. 14] der Klosterabt von St. Paul im Lavanttale. Noch heute stehen über dem Portale des Benediktinerstiftes St. Paul im Lavanttale die Namen Engelberts, Grafen von Sponheim und Lavant, und seiner Gattin Magdalene als Stifter dieses Klosters im Jahre 1091. Das Geschlecht der Grafen von Sponheim ist eines der ältesten des Deutschen Reiches, seine Stammburg steht im Nahegau und geht bis in Karolingerzeiten zurück. Der Kärntner Zweig ist besonders zu Ehren gekommen und bis zum Herzogsamt von Kärnten aufgestiegen.

Sponheimer waren 1122—1269 bzw. 1276 Herzöge von Kärnten. Im 15. Jahrhundert ist dieser Zweig erloschen. Obendrein war Bruno, der Sohn des mächtigen Grafen Bernhard von Sponheim, der zweite Abt des Klosters St. Paul im 12. Jahrhundert (1117—1140) gewesen. Dieser Bruno von Sponheim ist es also, den Hohenheim mit seinem „Abt von Sponheim“ meint, nicht der kleine Wortemacher von Trittenheim an der Mosel, der eine Zeitlang in Sponheim an der Nahe Abt war, bis ihn die Brüder verjagten.

Der angebliche Aufenthalt Hohenheims im Schottenkloster zu Würzburg 1512 oder 1514 ist als gegenstandslos aus der Jugend Hohenheims zu streichen. Um so enger sind seine Jugendbeziehungen zum Kloster St. Paul im Lavanttale, wo er, wie wir schon hörten, seine gelehrte Bildung, vor allem seine Lateinkenntnisse, erhalten hat, ehe er von Villach nach Süden aufbrach, um in Ferrara Medizin zu studieren. In Ferrara errang er auch den Doktorhut unter Leoniceno und Manardi, an den ihn noch in Augsburg Dr. Wolfgang Thalhauser erinnert (Bd. X, S. 12—14).

Vorher als Student der Artes war Hohenheim vermutlich in Wien. Schreibt er doch in der „Großen Wundarznei“ in der Vorrede zu dem ersten Traktat:

„Hab also die Hohen Schulen erfaren lange Jar bei den Teutschen, bei den Italischen, bei den Frankreichischen und den Grund der Arznei gesucht ...“ Au seine Studienzeit schloß sich direkt seine Wanderzeit an, wie er selbst sagt (Große Wund- [p. 15] arznei, S. 19): „... mich nit allein derselbigen Lehren ergeben wollen, sondern weiter gewandert gen Granaten, gen Lizabon durch Hispanien, durch Engeland, durch die Mark, durch Preußen, durch Littauen, durch Poland.. Er war also von Südfrankreich über die Pyrenäen gestiegen nach Barcelona, von dem er gelegentlich spricht. Sein Weg ging längs der Mittelmeerküste nach Granada und über Sevilla durch Portugal nach Lissabon, dann ist er zurück nach Spanien, wo er San Jago di Compostella („St. Jakob zum finsteren Stern“) erwähnt. Er hat wohl auch Salamanca berührt und spricht von Léon, von Kastilien, ist vermutlich über Saragossa nach Frankreich zurückgekehrt und nach England übergesetzt; er spricht auch von Scotia [Schottland] und Hibernia [Irland]. Über Dänemark zog er nach Stockholm hinauf und ist vielleicht auch nach Upsala gelangt. Jedenfalls ist er über Preußen, Litauen und Polen auch nach Ungarn gekommen, von wo wir aus Preßburg sichere Kunde haben. Dann ist er hinunter nach Rumänien über die Walachei und Siebenbürgen, über Kroatien („Krobaten“) nach der Windischen Mark gewandert. Viel weiß er auch sonst von anderen Ländern zu erzählen. Durch ganz Italien ist er gestreift bis hinunter nach Sizilien, war auf Rhodos, Samos, Kandia [Kreta] und hat Alexandrien und Konstantinopel besucht. Bestimmt ist er nach Zengg an der Küste von Kroatien, von dem er spricht (Bd. X, S. 178), und auch in die Quecksilberbergwerke von Idria in Krain gekommen, um über Pettau nach Villach zum Vater zurückzukehren.

Außer der schnell beiseite geschobenen Schulmedizin seiner Tage suchte er Belehrung allenthalben, „nicht allein bei den Doctoren, sondern auch bei den Scherern, Badern, gelehrten Aerzten, Weibern, Schwarzkünstlern, so sich des pflegen, bei den Klöstern, bei Edlen und Unedlen, bei den Gescheiten und Einfältigen, hab aber so ganz grüntlich nicht mögen erfahren, gewiß zu sein, es sei in was Krankheit es wöll, hab dem viel nachgedacht, daß die Arznei ein ungewisse Kunst sei, die nicht [p. 16] gebürlich sei zu gebrauchen, nicht billig mit Glück treffen, einen gesund machen, zehn dagegen verderben, das mir Ursach geben hat, es sei ein Betrügniß von Geistern, den Menschen also zu verfüren und gering zu machen ...“ (Bd. X, S. 20). Seinen Forschungs- und Erfahrungsweg schildert er mit eindringlichen Worten und alle Wandlungen seines Suchens und Findens, wie folgt: „... hab abermals von Ihr gelassen, in andere Händel gefallen, jedoch aber wiederum in diese Kunst gedrungen, doch funden den Spruch Christi, die Gesunden dürfen keines Arztes, allein die Kranken...“ (ebenda).

Er verlangt keinen Glücksfall, sondern in Nöten eine bewährte, nothafte Kunst, allen Kranken nützlich und hilfreich zu ihrer Gesundheit, und glaubt sie schließlich gefunden zu haben, wenn er auch erkannt hat, „daß ihrer keiner diese Kunst im Grund nie gewußt, noch erfahren, noch verstanden habe, daß sie meist lehrten, was sie selber nicht wußten...“

Doch mit dieser Erkenntnis war er am Ende seines Weges und war seiner Sache gewiß geworden. Er geht nun daran, seine langen Erfahrungen mit der Eröffnung eigener Praxis zu schließen. Es kommt zu einer Niederlassung in Salzburg, die nur eine Episode bleiben sollte, nicht durch seine Schuld.

Das Intermezzo in Salzburg

Nach kurzem Ausruhen und ergiebiger Aussprache mit seinem Vater in Villach, machte sich der Rastlose nach Norden auf den Weg und ließ sich in Salzburg nieder, wo wir ihn schriftstellernd schon im August 1524 treffen. Am Marientag der Himmelfahrt (15. August) bringt er seine Gedanken über die Heilige Jungfrau, die Gottesgebärerin, zur Niederschrift. Sie ist ihm der unbefleckte Geburtsweg in diese Erdenwelt, würdig der zeugenden Empfängnis aus dem Heiligen Geiste. Auch für ihre Mutter Anna wird die Dazwischenkunft eines männlichen Schwängerers von der Hand gewiesen, „von Joachim nit“. Annas Tochter Maria war und blieb göttlich wie Christus selbst.

[p. 17] Ein zufällig erhaltenes Aktenstück lehrt uns kennen, wo der junge Doktor in Salzburg gewohnt hat. Seine Wohnung hakte er „in Wolfgang Büchlers Behausung in der Kumpfmühle“. Dort erfolgte nämlich Bestandsaufnahme seiner zurückgelassenen Fährnis durch den Hofgerichtsschreiber Michael Seznagel am 27. April 1526. Hohenheim hatte noch im Mai 1525 Salzburg wieder verlassen, nachdem er wegen seiner volksfreundlichen Gesinnung in den Verdacht, mit den aufrührerischen Bauern mehr als nur im Herzen sympathisiert zu haben, geraten war. Er ist sogar verhaftet worden, aber im Verhör hatte er sich als unverdächtig erwiesen. Der Aufenthalt in Salzburg, der damit zum Intermezzo zusammenschrumpft, war ihm jedoch verleidet, und er machte sich nach Westen wieder auf den Weg mit tunlichst leichtem Gepäck. Seine Gewänder hatte ein guter Bekannter, Christoph Rieß, wohnhaft am Brotmarkt an sich genommen. Sie stehen in Seznagels Bestandsaufnahme mit verzeichnet, darunter sind zwei Kamelhaargewänder aufgeführt, die er zurückgelassen hakte; Marderpelzbesatz scheint Hohenheim besonders geliebt zu haben. Auch den Wandschmuck seines Zimmers hatte er zurückgelassen, darunter des „Doktors Bildnis“, worunter ich das Bräutigamsbildnis des Vaters vermuten möchte, das mehrfach für sein eigenes Bildnis gehalten worden ist. Es wird heute noch im Museum zu Salzburg verwahrt. Salben und ein „Vogelrohr“ — vermutlich ein Blasrohr — werden aufgeführt, auch Zirkel und Kompaß.

In Salzburg waren unterdes die Bauern siegreich eingezogen, — ein kurzer Triumph!

Donauaufwärts zum Rhein

Hohenheim dürfte über München zur Donau gestrebt haben. Wir finden ihn in Ingolstadt wieder, wo damals das Mitglied der Medizinischen Fakultät Dr. Petrus de Burckardis au chronischer Bronchitis mit Erstickungsanfällen litt. Bei [p. 18] Hohenheim findet sich später im Anschluß an Erlebnisse in Litauen die Erinnerung an ihn (Bd.VII, S.430) „der Burckardis erstickt in Asmate ...“ Jedenfalls ist Burkhardus am 30. März 1526 seinem Leiden erlegen. Vielleicht war Hohenheim unterdessen schon weiter gewandert. Daß er längere Zeit in Ingolstadt sich aufgehalten hatte, scheint aus der erworbenen Ortskenntnis hervorzugehen. So weiß er, daß Ingolstadt seine Kranken in das auswärts wenig bekannte Fließtal schickte. Von einer Kur Hohenheims in Ingolstadt berichtet ausführlich Joh. Rist, Holsatus, im „Philosophischen Phönix“, Danzig (1682, S. 75—80):

„Hohenheim war bei einem Ratsherrn abgestiegen, der zugleich Gastwirt war; er traf dort dessen von Geburt an gelähmte Tochter, die ihm ihr Leid klagte. Hohenheim empfahl ihr, eine Messerspitze seines 'Azoth des roten Löwen' in einem Löffel Wein nach der Mahlzeit zu nehmen und darauf kurz zu schwitzen. Das Ergebnis dieser Behandlung war, daß am Abend das 23jährige Mädchen in das Zimmer der Eltern trat, sich vor Theophrastus niederwarf, obgleich sie vorher noch niemals einen Schritt gegangen war.“

Von Ingolstadt ging der Weg donauaufwärts über Neuburg. Vielleicht knüpften sich damals schon die Beziehungen zu dem alchemiekundigen Angestellten der dortigen Bayernherzöge, zu dem wackeren Hans Kilian, der wohl dort schon seinen Wohnsitz hatte oder doch dort in der Nähe.

Das erste Paramirum

Doch ehe wir Hohenheim weiter begleiten, in die Heimat seines Geschlechtes ins Schwäbische, müssen wir uns mit seinem ältesten medizinischen Schriftwerk besassen, das in meinen ersten Paracelsusbänden beisammen steht. Als die wichtigste Schrift aus dieser Zeit hat das älteste „volumen Paramirum“ zu gelten, eine Ausarbeitung zur Paracelsischen kosmologischen Krankheitsätiologie, die David Achelis 1928 kommentiert [p. 19] herausgab als „Buch von Krankheit und gesundem Leben“. Es ist das Buch von den fünf Entien, dem Ens astrale, dem Miteinander, dem Ens veneni, dem Gegenüber, dem Selbst im Ens naturale, dem Du im Ens spirituale. Diesen vier Entien im Gesunden tritt ein fünftes entgegen, das den Eintritt einer störenden Krankheit voraussetzt, die nach ärztlichem Eingreifen im Ens deale verlangt, nach dem Ens dei, das die Heilung herbeiführt, wenn auch nicht im Sinne einer Theologie, denn der paracelsische Arzt ist kein Priester, der binden und lösen kann, sondern ein Diener der Natur, ihr Knecht, der nur vollzieht, was sie gewollt hat, indem er „arzneiet“.

Freilich gibt es auch eine Gruppe von Ärzten, die „Fideles“, die durch den Glauben gesund machen, wie Christus und seine Jünger. Aber der Arzt muß seine Grenzen erkennen, weil er Wunder nicht tun kann und durch die Beschränkung nur den tiefen Sinn seines Berufes gewinnen kann auf vier Wegen außerhalb des Weges der Fideles. Der erste Weg geht durch die Aufprägung der Natur auf den Menschen: Kälte wird durch Wärme bekämpft, Trockenes durch Feuchtes, Völle durch Ausleerung, Nüchternheit durch Auffüllen. Die Elemente bringen „unter einem anderen Himmel“ zur Heilung. Zweitens werden Teile der Welt zur Umwelt und Nahrung gemacht, die sonst keine Nahrung sind, außerhalb des Bereiches der Alchemisten, Brech- und Abführmittel so gut wie Fiebermittel. Drittens wirkt der Arzt als Erzieher, prägt einen Menschen durch Beispiel um, durch Wort und Willen, also eine Heilung durch Wegnahme der Verzweiflung und neue Zielsetzung. Viertens wird dem Kranken eine bestimmt gerichtete Form des Geistes gegenübergestellt, ein durch Kunst bewirktes Arzneimittel, ein chemisch bereiteter Pflanzenstoff. Die Medizin rundet so die Naturwissenschaft ab, ohne die Theologie dabei zu benutzen, die streng von der Medizin geschieden bleibt: auch ohne sie gibt es im Heilungsweg eine „Religion der Arznei“.

Ob irgend etwas von dem frühen Schriftwerke Hohenheims, das sich im ersten oder zweiten Bande meiner Ausgabe findet, [p. 20] in den Zeiten des ersten Salzburger Aufenthaltes, oder sogar schon vorher, konzipiert oder gar ausgearbeitet wurde, wie zu vermuten steht, läßt sich mit Bestimmtheit nicht behaupten. So gut die Traktate vom Ursprung, Ursachen, Zeichen und Kur einzelner Krankheiten in die allerfrühesten Zeiten Hohenheimscher Geistesarbeit gehören, mögen auch manche seiner pharmakologischen Ausarbeitungen dazu zu rechnen sein, die er einfach unter die Rubrik „von natürlichen Dingen“ zählte. Alles das ist schon zur Zeit des ersten Paramirum in seinem Geiste lebendig gewesen. Chemisch-alchemistische Präparation mag auch nicht darin gefehlt haben. Besser aber will ich dies ganze Schriftwerk erst ins Jahr 1526 verweisen und dort erst besprechen, also in der Wander- und Lehrzeit am Oberrhein und im Schwarzwald, wo mit aller größter Wahrscheinlichkeit die Ausarbeitungen über die natürlichen Bäder ihre Entstehung fanden; denn dort stürmten solche Anregungen förmlich auf ihn ein, denen er als Mann der Naturbeobachtung und -erfahrung willig Raum gab.

Wie hier im mittleren Donaubecken die Universität Ingolstadt als Anregungszentrum in der Mitte lag, so dort in Lehrkörper und Studentesscharen die Universitäten Tübingen und Freiburg und frühe schon, jenseits des Rheinknies, die Universität Basel. Neben Ingolstadt wirkte als Anregung der schon genannte alchemiekundige Hans Kilian bei Neuburg an der Donau mit seinem Wittelsbacher Fürstenschlosse, wo bald Paracelsushandschriften in großer Zahl gesammelt und bewahrt wurden für eine kommende Zeit der Paracelsuskunde „ohn den Leib“, d. h. nach seinem Tode, als erst alles Wirkung wurde.

Am Oberrhein

Einen Einblick in das übermütige innere Leben der großen Schülerschar in der oberen Rheinebene vermitteln uns zwei Schriftstücke, die wie moderne Reklamezettel wirken. Der [p. 21] Leser findet sie im Apparate meines dritten Bandes S. 562 bis 566. Der erste lautet wie folgt:

„Valentinus vom Ries, von dem Theophrasto und seinen Schriften. Zum Leser. Philippus Theophrastus von Hohenheim, zu Einsideln im Schweizerland geboren, ist von den Atheniensibus der große Paracelsus genannt worden, da er hat 230 bücher in der Philosophei geschriben, 40 bücher in der artzenei, 12 de republica, 7 in Mathematica oder Astronomei, 66 von verborgnen und heimlichen Künsten. Mehr hat er drei opera in ein buch gesetzt, welches er Theophrastiam genennt: Das erst heißt Archidoxa, in dem er lehret, das rein vom unreinen zu scheiden: das ander Parasarchum, in welchem er de summo bono in aeternitate tractirt: das dritt Carboantes, in dem er die transmutationes in forma et esse beschreibet. Der Gellius Zemeus, hat von disem Teutschen Theophrasto philosopho, zum Passephallo Ceveo mit den Worten geschriben: Im Teutschland ist jetzt ein junger mann, des gleichen in der ganzen Welt nicht gefunden wird, der so fürtrefflich und köstlich in der Philosophei, Artznei, Astronomei, und vom gemeinen nutz und dem rechten geschrieben hat, das ich nicht anders glaub, er habs entweder aus einer wunderbarlichen angebornen influenz, oder aus unaussprechlicher Gnad des heiligen Geists, oder aber aus der bösen Geister Eingebung. dan was er nur für gering und schlecht haltet, das ist keinem menschen wol möglich zu erfaren und zu ergründen, ich kan mich nicht erinnern, das ich eines gelertern Schriften gelesen hett, derhalben lieber Leser, nimm dises Theophrasti Schriften in gutem und für Heb auf und scheue dich nicht, die selbigen höher zu achten dan der Alten, ob sie schon neu zu sein vermeint werden. Vale.

Ein anderes nennt als Verfasser einen Valentins, der „viel mit Weidenkohlen erduldet“ hat, also einen fleißigen Alchemisten, der seinen Prologus einfach deutsch schreibt, während ich den Valentinus vom Ries aus dem Latein in der Übersetzung des Toxites mitgeteilt habe. Die mancherlei Namen, die in beiden Schriftstücken Vorkommen, sind heute nicht mehr zu enträtseln, waren aber in der Schar der Schüler wohl geläufig und wurden beim Vorlesen der Schriftstücke sicher mit Hallo begrüßt.

[p. 22] Bei seinen Wanderungen im Schwäbischen ist Hohenheim auch nach Rottweil gelangt, wo er eine Äbtissin kuriert, die an Herpes Zoster (Zinzilla) erkrankt war (Bd. V, S. 276).

Einen festen Punkt in dieser oberrheinischen Wanderzeit 1526 finden wir in Straßburg, wo sich im Bürgerbuch dieser Stadt auf der letzten Kolumne dieses Jahres folgende Eintragung findet:

„Item Thophrastus von Hohenheim der Artzney Doctor hat das Bürgerrecht kaufft und dient zur Lutzernen Actum Mittwoch nach Andreae Apostolie.“

Der Andreastag (30. November) fiel 1526 auf einen Freitag, mithin geschah die Eintragung Hohenheims ins Straßburger Bürgerbuch am 5. Dezember 1526.

Die Zunft der Luzerne war die der Kornhändler, Müller, Stärkefabrikanten, zu der seit alter Zeit auch die Chirurgen gehörten. Auch andere bekannte Arzte, wie Dr. Johann Wiedemann, fanden als Straßburger Stadtärzte darin Aufnahme.

In diese oberrheinische Zeit fällt wohl auch die Behandlung des ruhrkranken Markgrafen Philipp I. von Baden, deren Honorarergebnis Hohenheim so sehr in Harnisch brachte. Er berichtet darüber im Vorläuferschrifttum zum Paragranum, auf das wir als Ganzes erst später beim Schrifttum aus dem Jahre 1530 zu sprechen kommen werden. Er schreibt da:

„... Wie sie (seine Gegner unter den Ärzten) im Herzen waren, solche ihres Gleichen gefunden und zu behilf genommen die Undankbarkeit und die bezwungene Bezahlung, so nur wider alles Zusagen und Verdienen geben ward und empfahen müssen durch Markgraf Philippen von Baden (Bd. VIII, S. 34).

... sondern meine Besoldung entzogen, mich meines Lidlohns [Honorars] beraubt und die Ehr und meine Arbeit gestohlen, ihnen zugeschrieben, und die Arbeit so ich mir fürgenomen hab zu schreiben, sich selbst unterstanden, vermeint sie haben mein Inventiones all aus mir gesogen.

[p. 23] Denn was sie geschrieben haben und was ich schreib, das urteilen neben einander, so werden ihr finden, daß sie es von mir gelernet haben, aber zu frühe ausgeflogen ...“

Was die Badener Akten in München ergeben, ist nicht entscheidend. Es behandelt die Sterbenskrankheit des Markgrafen, der mit 64 Jahren am 17. Mai 1533 gestorben ist. Er war schon in hohen Fünfzigern, als er 1527 zur Regierung gelangte. Wir müssen uns hier mit Hohenheims eigener Darstellung über diesen Krankheitsfall und die dabei zutage gekommenen unangenehmen Nebenerscheinungen für unseren Helden begnügen.

Ich füge zum Schluß eine Metallverwandlungs-Geschichte an, die der uns schon bekannte J. Rist, Holsatus, an der schon bekannten Stelle im Phönix brachte, die sich „in einer fürnehmen Stadt im württemberger Lande“ zugetragen haben sollte, mithin wohl in der uns jetzt beschäftigenden Zeit, wofür es auch passen würde, daß Hohenheim „viele von seinen Leuten bei sich hatte, weshalb sein Hofmeister allenthalben viel auszahlen“ mußte und schließlich eine leere Kasse hatte. Er ließ dies dem Theophrastus melden, worauf ihm dieser die Anweisung zukommen ließ, einen Zentner Blei zu kaufen, das er einschmelzen ließ. Dazu schickte ihm Hohenheim „ein kleines Papierlein“, darinnen „blutrotes Pulverlein“ war, mit dem Befehl, daß er dasselbe zu dem geschmolzenen Blei in den Tiegel schütten und wohl umrühren solle. Das in Formen gegossene Blei sah „leibhaftig aus wie das schönste und klarste Gold, wofür ihm der Münzmeister des Ortes etliche tausend Gulden bezahlt hat!“

Ist es auch nicht von allzu großem kulturgeschichtlichem Zeitwerte, so zeigt es doch, wie mau sich Hohenheims pekuniäre Bedrängnisse und ihre Behebung im 17. Jahrhundert zurecht gelegt hat.

Basel

Froben und Erasmus

[p. 24] Das wichtigste und zukunftsträchtigste Ereignis in den letzten Monaten oberrheinischer Ergebnisfülle war die Berufung zum Buchhändler Johannes Froben, die ihm auch das Bekanntwerden mit dem führenden Manne des Baseler Rinascimento (der Renaissance) vermittelte, mit Desiderius Erasmus. Buchhändler Froben litt seit längerer Zeit an den Folgen eines Schlaganfalles, die sich namentlich in einem Beine bzw. Fuße schmerzhaft festgesetzt hatten. Den Baseler Kollegen bereitete ihre Beseitigung unüberwindliche Schwierigkeiten; dem erfahrenen Therapeuten gelang ihre Behebung innerhalb kurzer Zeit, und Froben konnte wieder zweimal nach Frankfurt auf die Buchhändlermesse reiten. Er erlag aber schon zu Ende des Sommers 1527 einem erneuten apoplektischen Insult, wie das so der Lauf der Hirnapoplexien mit sich bringt. Für Hohenheims therapeutischen Ruf in Basel bedeutete dieser alltägliche Zwischenfall geradezu eine Katastrophe. Man hatte ihn vorher vermutlich im Kreise seiner Anhänger zu laut gepriesen. Etwas von diesem Trumpf spiegelt sich in dem Briefe des Erasmus wieder, der auch von Hohenheim wegen seines Leidens ein ärztliches Gutachten erbeten hatte.

Die briefliche Begutachtung des Zustandes des Erasmus hat der Leser in meiner Ausgabe B. III, S. 379; den Antwortbrief des Erasmus möge er au dieser Stelle kennenlernen:

Rei medicae peritissimo Doctori Theophrasto Eremitae, Erasmus Roterdamus[1] S(alutem).

Non est absurdum, medico, per quem Deus nobis suppeditat salutem corporis, animae perpetuam optare salutem. Demiror, unde me tam penitus noris, semel dumtaxat visum. Aenigmata tua non ex arte medica, quam nunquam didici, sed ex misero [p. 25] sensu verissima esse agnosco. In regione hepatis iam olim sensi dolores, nec divinare potui, qui esset mali fons. Renum pinguedines ante complures annos in lotio conspexi. Tertium quid sit, non satis intelligo, tamen videtur esse probabile mihi, id molestare[2], ut[3] dixti[4]. Hisce diebus aliquod nec medicari[5] vacat, nec aegrotare, nec mori, tot studiorum laboribus obruor. Si quid tamen est, quod citra solutionem corporis mihi possit lenire malum, rogo ut communices. Quod si distraheris, paucissimis verbis ea, quae plus quam laconice notasti, fusius explices, aliaque praescribas remedia, quae dum vacabit queam sumere. Non possum polliceri praemium arti tuae studioque par, certe gratum animum polliceor. Frobenium ab inferis revocasti, hoc est dimidium mei, si me quoque restitueris, in singulis utrumque restitues. Utinam sit ea fortuna, quae te Basileae remoretur. Haec ex tempore scripta vereor ut possis legere. Bene vale.

Erasmus Roterodamus, suapte manu.

Deutsch:

An den in der Heilkunde erfahrensten Doctor Theophrastus aus Einsiedeln, sendet Erasmus aus Rotterdam seinen Gruß.

Vielleicht ist es nicht sinnlos, dem Arzte, durch den Gott uns Körperheilung schickt, dauerhaftes Heil der Seele zu wünschen. Ich wundere mich, wie Du mich so bis in die Tiefe kennst, da Du mich doch nur einmal gesehen hast. Deine Rätselworte kann ich nicht aus der Heilwissenschaft, die ich niemals gelernt habe, sondern nur aus meinem simplen Gefühl als tiefe Wahrheit erkennen. In der Lebergegend habe ich schon seit langem Schmerzen gefühlt und nicht ahnen können, was die Quelle dieser Schmerzen sei. Die Nierenstörungen habe ich schon vor Jahren im Harn erkennen können. Was das Dritte ist, kann ich nicht ganz verstehen, doch scheint es mir glaublich, daß so was [p. 26] Beschwerden machen kann. In den gegenwärtigen Tagen habe ich nicht Zeit zu einer Kur, nicht einmal zum Kranksein oder zum Sterben, so tief sitze ich in meinen Studien drin. Doch wenn Du etwas hast, was mir mein Leiden lindern könnte außer der körperlichen Auflösung, bitte ich, es mir mitzuteilen. Ist dies nicht tunlich, bitte ich Dich, daß Du das, was Du allzukurz nur angedeutet hast, in aller Kürze klar legst und Arznei verschreibst, die ich, sobald ich Zeit finde, gebrauchen will. Ich kann Dir keine Entlohnung versprechen, die Deiner Kunst gleich käme, dankbare Gesinnung aber verspreche ich Dir. Den Frobenius hast Du aus der Hölle wieder heraufgeholt, das ist die Hälfte meiner selbst. Wenn Du auch mich wieder in die Reihe bringst, wirst du uns beide miteinander wieder herstellen. Möge das Geschick Dich hier in Basel festhalten. Dies in der Eile Hingeworfene hätte ich gerne, daß Du´s lesen kannst. Lebe wohl.

Erasmus aus Rotterdam, eigenhändig.

Froben scheint sich nach diesem Brief vor Hohenheims ärztlichem Eingreifen in ziemlich desolatem Zustande befunden zu haben, wovon Erasmus genau Bescheid wußte, da er bei ihm im Hause wohnte, im Hause „zum Sessel“. Die Grundlage der Hohenheimischen Therapie ist, daß der Körper des Erasmus der üblichen Laxantien nicht bedarf, und zwar in allen in Frage kommenden Regionen nicht. Der Harngrieß und die anderen Konkrementbildungen im Nierenbecken, Harnleiter und in der Blase sind die Ursachen der „tartarischen“ Erkrankung dieser Teile. Die Entdeckung und Aufhellung dieser Krankheitsgruppe, besonders auch in ihren Koagulationserscheinungen, die in chemischer Weise durch Ausscheidung und Fällung zustande kommen, bilden eine der wichtigsten pathologischen Erkenntnisse Hohenheims. Dies hat schon damals zu Vorstellungen wie unsere „gichtige Diathese“ geführt.

Hochschullehrer und Arzt

Bereits aus dem Schluß dieses Antwortbriefes von Erasmus an Hohenheim geht hervor, daß der Rat der Stadt in Anbetracht der erfolgreichen Behandlung Frobens und auf die [p. 27] Fürsprache des Erasmus hin erwog, den berühmten Arzt ganz nach Basel zu ziehen. Bald schon sollte sich der von Erasmus ausgesprochene Wunsch erfüllen. Der Rat der Stadt Basel stellte Hohenheim als Stadtarzt an mit der Pflicht, Vorlesungen an der Universität zu halten.

In seiner „Intimatio“, einem Anschlag am Schwarzen Brett der Universität, verkündet er seinen Hörern sein Lehrproqramm:

Theophrastus

Bombast ex Hohenheim Heremita, utriusque medicinae Doctor, ac professor, Medicae artis studiosis, S. D. [Salutem dicit]. Quum sola omnium disciplinarum Medicina, tanquam divinum quoddam munus, tum sacrorum tum prophanorum scriptorum suffragio necessitatis titulo laudetur, atque paucissimi doctorum eam foeliciter hodie tractent, visum erat illam ad pristinam suae autoritatis laudem revocare, et quam quidam a faece barbarorum, nos ab erroribus gravissimis purgabimus. Non veterum addicti praeceptis, sed iis duntaxat, quae partim indicatione rei naturae partim nostro Marte invenimus, et longo rerum usu atque experientia conprobavimus. Quis enim nescit plurimos doctorum hac tempestate vel summo aegrorum discrimine, foedissime lapsos. quum nimis anxie Hippocratis, Galieni et Avicennae aliorumque dictis adhaeserint, perinde ac ex tripode Apollinis haec, veluti oracula, manaverint, a quibus ne digitum latum discedere liceret. His enim autoribus splendidissimi quidem doctores, si diis placet, non autem medici nascuntur. Non titulus, non eloquentia, non linguarum peritia, nec multorum librorum lectio, etsi haec non parum exornent, in medico desideranda, sed summa rerum ac mysteriorum cognitio, quae una facile aliorum omnium vices agit. Rhetoris quidem est disserte posse loqui ac persuadere, atque iudicem in suam sententiam trahere: Medici autem affectuum genera, causas ac συμπτώματα novisse, et iis insuper sua sagacitate et industria pharmaca applicare, atque pro cuiuslibet ingenio ac ratione vel cunctis mederi. Ceterum, ut paucis modum docendi depingam imprimis igitur, quod ad me attinet, Ego amplo dominorum Basiliensium stipendio invitatus, duabus quotidie horis tum [p. 28] activae tum inspectivae Medicinae, et Physices et Chirurgiae libros, quorum et ipse autor, summa diligentia, magnoque auditorum fructu, publice interpretor: illos tamen non aliorum more, ex Hippocrate aut Galieno aut quibuslibet emendicatus, sed quos summa rerum doctrice experientia atque labore assecutus sum. Proinde si quid probaturus experimenta ac ratio autorum loco mihi suffragantur. Quare optimi lectores, si quem huius Apollineae artis mysteria oblectant, amor desideriumque tenent, cupitque brevi admodum temporis spacio, quicquid huius disciplinae est, perdiscere, ad nos evestigio Basileam se conferat, et longe alia atque maiora quam paucis describere possim, comperiet. Sed ut nostrum institutum clarius studiosis innotescat, nos in complexionum ac humorum ratione veteres nequaquam imitari, qui sane omnes aegritudines illis falso acceptas ferunt, unde nullis aut certe paucissimis doctorum, hodie morbos, causas, ac decretorios dies exacte novisse contingit. Postremo haec veluti per transennam demonstrata sufficiant. Vobisque tamen de his non, nisi audito prius Theophrasto temere iudicandum permitto. Valete et hunc nostrum instaurandi medicinam conatum boni consulite.

Datae Basileae Nonis Iunij Anno M. D. XXVII.

Deutsch:

Theophrastus Bombast von Hohenheim aus Einsiedeln, beider Medizin Doktor und Professor grüßt die Studierenden der Medizin. Da ganz allein die Medizin als einzige aller Disziplinen, gleichsam wie ein Gottesgeschenk, nach dem Urteil der heiligen und profanen Schriftsteller als eine Notwendigkeit ausgezeichnet wird und nur wenige der Doktoren sie heute mit Glück ausüben, erschien es geboten, sie in ihren ursprünglichen lobenswerten Zustand zurückzuführen und neben den Reinigungsversuchen von den Hefen der Barbaren, womit einige sich befassen, wollen wir sie von den schwersten Irrtümern reinigen, nicht den Regeln der Alten zugetan, sondern ausschließlich denjenigen, welche wir aus der Natur der Dinge und eigenen Erwägungen gewonnen und in langer Übung und Erfahrung bewährt gefunden haben. Wer weiß es denn nicht, daß die meisten Ärzte heutiger Zeit zum größten Schaden der Kranken in übelster Weise daneben gegriffen haben, da sie allzu sklavisch [p. 29] am Worte des Hippokrates, Galenos und Avicenna und anderer geklebt haben, als ob diese wie Orakel aus dem Dreifuß des Apoll herausklängen, von deren Wortlaut man auch nicht um Fingers Breite abweichen dürfte. Wenns Gott gefällt, kann man auf diesem Wege wohl zu blendenden Doktortiteln gelangen, wird aber niemals ein wahrer Arzt. Nicht Titel und Beredsamkeit, nicht Sprachenkenntnisse nicht die Lektüre zahlreicher Bücher, wenn sie auch eine schöne Zierde sein mögen, sind Erfordernisse eines Arztes, sondern die tiefste Kenntnis der Naturdinge und Naturgeheimnisse, welche einzig und allein alles andere aufwiegen. Aufgabe eines Rhetors ist es, beredt zu sprechen und zu überzeugen und den Richter zu seiner Ansicht zu überreden: Aufgabe des Arztes ist es, die verschiedenen Krankheitsformen zu kennen, ihre Ursachen und Symptome zu durchschauen und obendrein mit Scharfsinn und Beharrlichkeit ihnen Arzneientitel zu verordnen und nach Umständen und Besonderheiten tunlichst allen Heilhilfe zu bringen. Um in meine eigene Lehrmethode ein wenig einzuführen, werde ich, durch ausgiebige Honorierung der Herren von Basel, dazu in den Stand gesetzt, täglich in zwei Stunden praktischer und theoretischer Heilkunde sowohl der inneren Medizin wie der Chirurgie Lehrbücher, deren Verfasser ich selbst bin, mit höchstem Fleiß und hohem Nutzen der Hörer öffentlich zu erklären. Diese Lehrbücher sind nicht etwa aus Hippokrates und Galenos oder irgendwelchen anderen Lehrbüchern zusammengebettelt, sondern vermitteln das, was mich die höchste Lehrerin Erfahrung und eigene Arbeit gelehrt haben. Demnach dienen mir als Beweishelfer Erfahrung und eigene Erwägung statt Berufung auf Autoritäten. Also, bester Leser, wenn Jemandem die Geheimnisse dieser Apollinischen Kunst locken und Liebe und Verlangen ihn beherrschen und er wünscht in recht kurzer Zeit zu lernen, was zu dieser Disziplin gehört, möge er sich sofort zu uns nach Basel auf den Weg machen und Größeres und noch weit Anderes, als was ich so in Kürze sagen kann, hier erfahren. Um den Schleier etwas zu lüften, kann ich ihm sagen, daß von Komplexionen und Kardinalsäften im Stile der Alten bei mir nicht die Rede sein wird, aus denen fälschlich alle Krankheiten hergeleitet werden, woraus den Ärzten heute Krankheiten, Krankheitsursachen, kritische Tage usw. erklärt [p. 30] werden. Dies gleichsam an einer Fangleine Klargelegte möge genügen. Urteilen dürft Ihr erst nachdem ihr den Theophrastus gehört habt. Lebt wohl und nehmt unsern Erneuerungsversuch der Heilkunde günstig auf.

Basel, am 5. Juni 1527.

Damit war er auf dem Wege zur Bekanntgabe der neuen Medizin, den er noch mit einer symbolischen Handlung beschritt: mit der Verbrennung der „Summa der Bücher“ im Johannisfeuer auf dem Baseler Marktplatz, am 24. Juni 1527. Dieses „Feuerwerk“ ist ihm von seinen Basler Kollegen, denen gegenüber er sowieso einern schweren Stand hatte, sehr übelgenommen worden. Aber was ist die „Summa der Bücher“? Man hat ganz allgemein den Kanon des Avicenna darin finden wollen. Aber ein solch dicker „Wälzer“ hätte jedes Feuer erstickt, auch ein Johannisfeuer auf dem Marktplatze. Und wie hätte Hohenheim den mächtigen Folianten zum Feuer bringen sollen? Auf der Schiebkarre heranfahren? Man muß es sich vorstellen, um es sofort als „unmöglich“ zu verwerfen. Er selbst sagte:

„daß ir mir so groß verargen, daß ich den Küchen Auctorem dermaßen verbrannt hab; so er in die Küchen gehört, gehört er auch in das Feuer.“ (Bd. VIII, S. 325).

Nun gibt's schon aus Inkunabelzeit gedruckt von Mesue, das ist der „Küchenautor“, und seinem Antidotar eine „Summa medicinalis“ des Thomas de Garbo, der 1370 verstorben ist. Und eben zu unserer Zeit erschienen eine „Summula Iacobi de Partibus per alphabetum .., ex ipsius Mesue libris excerpta“, die um 1524 und 1529 im Druck herauskam. Desgleichen war auch Jacques Despars „Summula morborum ac remediorum“ eben 1527 zu Lyon erschienen. Ein solch dünnes Buch, das einer der Schüler unter dem Arm trug, entriß wohl Hohenheim dem Jüngling beim Vorbeiwandern am lodernden Johannisfeuer, und schon flog es in die Glut, von Hohenheims Arm geschleudert.

[p. 31] Das wird die „Summa der Bücher“ gewesen sein, nicht der unhandliche schwere Foliant, der auch nicht hätte brennen wollen, der Avicennische Kanon. Ein Wort Hohenheims gab diesem harmlosen Auto da fé erst die volle Bedeutung: „Ich habe die Summe der Bücher in Sankt Johannis feuer geworfen, auf daß alles Unglück mit dem Rauch in die Lust gang, und also ist gereinigt worden die Monarchei.“ (Bd. VIII, S. 58.)

*

Aufschluß über die Schwierigkeiten seiner Stellung als vom Rate der Stadt berufener Stadtarzt und zugleich vom Rate ernannter Lehrer der Medizin vermittelt uns eine Eingabe Hohenheims, die sich heute noch unter Nr. 73 D 17 im Archiv Basel Stadt befindet. Sie ist undatiert, aber zweifellos im Sommer 1527 beim Rate eingelaufen:

„Edlen strengen frommen festen fursichtigen ersamen, wysen gnedigen und gunstigen myn herren, demnach ich durch uwer streng ersam wisheit zu eim phisicum und ordinarium bestelt und verordnet worden byn under anderm mir furkompt, wie das die doctores und ander arzet, so hie zu Basel sich erhalten, hinderwert min in clöstern und uf den gassen mins stands halb, den ich dan von uwer streng ersam wisheit empfangen, schenden, lestern und schmehen, dadurch dan mir min pratick und der kranken nuzbarkeit merklich entzogen wirt, sich ouch berümen, sy sigen di facultet und decanen und deshalb ich onduchtig oder onbillich solchen stand versehe, und der ouch mir durch uwer streng ersam wisheit als eim onbekanten gegeben worden sige, des dann mich nit ein kleines beschwert, sonder mir vil lieber (wa dem also sin solt, so dan nit ist) das ich uwer streng ersam wisheit deshalb onbegnügt glassen und in der gstalt nit angnomen, damit ich solich irs schenden und usrichtens (so mir von inen begegnet) uberhept, vertragen und uberbliben were.

Dwyl aber ich die ienigen, so durch sie verderbt und us onwissenheit halben gewichen sind, mit der hilf Gott des allmechtigen widerumb ufgericht hab, vermeint ich des er und nit [p. 32] schwach und schmuzens erlangt zu haben. Und dwil ich doch von uwer streng ersam wisheit als verordneter ordinarius und phisicus befielt, bin ich ongezwifelter hofnung mir solle nit mer zügsagt sin dan geleist werden mög, also das ir min obern herren, decanen und facultet (und nit die ienigen) sigen, uf das ich billich mög als ein ordinarius promovirn in doctores.

So aber solcher gwalt bi andern arzeten, wie gemelt ist, hie were, bekennte ich der ursach verfürt sin, fursten und stett verlassen, wa mins furnemens halben (wie angezeigt) nit statt und vollen beschehen mocht, so ist au uwer streng ersam wisheit min ganz demütig underdienstlich bitt, die welle mir mins stands friheit anzuzeigen und denen so darwider reden ir zugehören ouch eröffnen.

Witter gnedig und gunstig min herren erfordert ouch die notdurft, in kunftigem villicht mir und minen kranken zu großem Nachteil und schaden dienen und erwachsen möcht, die apotecken betreffend, nemlich das die nach ordnung, so oft die notturft erheischen, durch verstendig gevisitirt wurden, damit, was zu schaden entspringen und erwachsen möcht, hindan gnomen und gesetzt wurde, sodan ouch in eidespflicht genomen unduchtiger recepten einem stattarzet fürtragen, ob die ienen furkemem, durch welche mancher zu Nachteil kompt, die zu cassiern befolen wurd.

Sodan ouch kein appotecker mit den doctorn in einicher theilung oder schenkung verwant und gemeinschaft zu haben.

Ouch das sy examinirt würden, ob sy irs ampts gnug erfaren und geschickt weren, damit durch ir onwissenheit keinen kranken irs libs halben schaden gebern und entstan möchti. Und das ouch solichs durch sie die apoteker selbs usgericht und nit durch kinder, so der geschrift und materialia noch onerfarn und keinen verstand haben, wurde, sich ouch einer zimlichen und gepürlichen tax erhalten, uf das menglichs onbeschwert pliben mög, und das solichs wie gemelt durch verstendige erkennt werden. Solichs alles hab ich uwer ersam wißheit nit verborgen sonders im besten, güter und getrüwer meinung, damit richen oder [p. 33] armen parthiescher wis halber kein ubels entstan möge, hiemit uch mit allen gnaden bewisen und erzeigen. Das beger umb die selb uwer streng ersam wisheit ich mins stands und pflichts halben mit nuz und er gegen ieglichem insonderheit mit underteniger dienstbarkeit gutem willen flißig gegen Gott und der Welt zugedienen mich hiemit u. s. e. wisheit befelhende u. s. e. wisheit underteniger

Theophrastus von Hohenheim beider arznien doctor.“ In einer anderen früheren Form der Ausarbeitung ist das gleiche Schriftstück auch bei Huser 1605 im chirurgischen Bande der Folioausgabe S. 878 überliefert, wir gehen aber darauf nicht näher ein, da es für die Charakterisierung Hohenheims kaum etwas Neues bringt außer der Angabe, daß Hohenheim vorher in Tübingen und Freiburg geweilt hat und daß ihm von dort her und andersher zahlreiche Schüler nach Basel nachgezogen sind. Das scheint sich auch aus dem Steigen der Frequenz in der Matrikel zu ergeben, die 1527 einen Zugang von 31 Hörern ergibt, nachdem dieser 1525 auf 15, 1526 auf fünf gesunken war und nach Hohenheims Weggang 1528 gar auf einen wieder heruntergegangen ist. Doch findet man bei gewissenhafter Nachschau, daß 1526 die Pest in Basel regierte und 1527 wieder erlosch. Die Mehrzahl der mit Hohenheim nach Basel Gekommenen mag auch nicht in der Matrikel Aufnahme gesucht und gefunden haben.

Beachtung verdienen auch die Worte des Huserschen Entwurfes „dieweil und ich in E. G. Collegio gelesen und noch teglichs zu thun willig und bereit wäre“. Er hatte also im Universitätsgebäude am „Rheinsprung“, dem später sogenannten „unteren Collegium“, seine Vorlesungen gehalten, worin sich ein Lektorium für die Mediziner befand.[6] Die Eingabe in beiden Redaktionen besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil beschwert sich Hohenheim über die Hindernisse, [p. 34] welche ihm die Mitglieder der Fakultät, also die Gesamtheit der übrigen Baseler Ärzte, „Doctores und Medici“, in den Weg legen. Die Doctores und die übrigen nichtpromovierten Ärzte verleumden ihn hinterrücks, im geheimen und öffentlich, in den Klöstern und auf den Gassen aus Anlaß des ihm vom Magistrat verliehenen Amtes als „Physikus und Ordinarius“. Er solle zu der ihm gegebenen Stellung als ausübender Arzt, Stadtphysikus und Universitätslehrer nicht befähigt sein, vielmehr wäre die Fakultät berechtigt, vorher über seine Befähigung als Arzt durch ein Kolloquium mit ihm zu entscheiden.

Neben seiner ärztlichen Tätigkeit wird besonders auch seine Lehrtätigkeit, zu der er doch verpflichtet war, sehr energisch angegriffen, weil sie wohl noch größeren Anstoß erregte. Das Original der Eingabe stellt mehr die Praxis in den Vordergrund, der Entwurf bei Huser betont mehr die Dozententätigkeit und dabei drängt sich die Annahme auf, daß der Dekan die Vorlesungen Hohenheims geradezu inhibiert oder geschlossen habe. Zu einer zeitweisen Suspendierung seiner Vorlesungen ist es in irgendeiner Weise gekommen, womit die Fakultät ihre Befugnisse offenbar überschritt.

Sollte er aber solche Störungen und Behinderungen, solche Schmähungen und Anfeindungen wehrlos erdulden müßen, so erklärt er, dann wäre es ihm viel lieber, er hätte diese ganze Zwitterstellung nie übernommen. Und doch habe er ja so manchen von den anderen Ärzten „verderbten“ Kranken wieder Genesung verschafft, damit also zugleich seine ärztliche Befähigung zur Genüge bewiesen und dafür Ehre und Ruhm, nicht Schmach und Beschmutzung verdient.

Der Rat der Stadt habe ihn berufen und ernannt, er sei also seine Vorgesetzte Behörde, seine Dekane und seine Fakultät. Als vom Rate berufenem Ordinarius müsse ihm auch das Recht der Doktorpromotion bei seinen Schülern zustehen. Hätten aber die anderen Arzte, bzw. die Fakultät das Recht, über seine Befähigung erst noch eine Entscheidung zu fällen, so habe man ihn mit falschen Vorspiegelungen aus früherer [p. 35] Stellung „bei Fürsten und Städten“ weggelockt. Da man ihn von gegnerischer Seite seine richtige Stellung nicht einräumen wolle, so sei es am Magistrat, ihm freie Bahn zu schaffen und die Gegner in die gebührenden Schranken zu verweisen.

Doch wie lagen denn nun tatsächlich in Basel die Rechtsverhältnisse für die Ärzte?

Der erste Professor und Ordinarius der Medizin in Basel war seit der Universitätsgründung 1460 Dr. Werner Wölflin aus Rottenburg am Neckar. Viele Jahre war er der einzige angestellte Lehrer der Medizin. Im Jahre 1477 wurde die Funktion des Stadtarztes dem Dr. Johann Widmann aus Melchingen übertragen, während Wölflin, mit dem der Magistrat als Stadtarzt nicht recht zufrieden gewesen zu sein scheint, die ordentliche Professur der Medizin behielt. Zum Lehren an der Universität war Dr. Johann Widmann ausdrücklich nicht verpflichtet, sondern dies seinem freien Willen überlassen, wie jedem anderen Basler Arzt. Ordinarius der Medizin zu Basel war seit 1513 Oswaldus Beecus und seit 1520, also zu Hohenheims Zeit, war er Dekan der Fakultät.

Im Jahre 1507 wurde die Neuordnung der Gehaltsdotationen vollzogen und der Magistrat verpflichtete sich, einen zweiten Lehrer der Arzneikunde anzustellen und aus der Stadtkasse zu besolden. Diese neue Lehrstelle wurde aus Ersparnisrücksichten mit der Stadtarztstelle verbunden. Von nun war also der Stadtarzt zum Lehramt verpflichtet.

Durch die gegen ihn geltend gemachten Freiheiten der Universität ließ sich Hohenheim nicht weiter imponieren, spottete ihrer geradezu in einer Kolmarer Syphilisschrift vom Juni 1528, wo er (Bd. VI, S. 310) von der „Facultas medica“ spricht „wie sie nach päpstlichen Freiheiten geweicht [geweiht] ist.“

Wir wissen nicht, wie Hohenheims Streit mit der Fakultät geendet hat, zweifeln aber nicht daran, daß der Magistrat schützend an seine Seite getreten ist.

[p. 36] Im zweiten Teil seiner Eingabe behandelt der Stadtarzt die Mißstände im Apothekerwesen, die gerade in Basel schon vorher für den Rat ein Gegenstand der Sorge und Vorsorge gewesen waren. Schon im 14. Jahrhundert und zu Anfang des 15. (im Jahre 1404) war das Apothekerwesen noch in einer neuen Apothekerordnung geregelt worden. Darin wurde ausdrücklich betont, daß die Apotheker „alle arznye gut und frische geben, daß sie nüt verdorben sye und auch nüt andreß geben, denn das ine der Arzöt schribet. Weler [welcher] auch ein Apotheker ist, der sol kein Arzöt sin.“ Schärfer noch legt der große Therapeut Theophrastus den Finger in die Wunde. Er sucht zu erreichen, daß zwischen Ärzten und Apothekern alle Gemeinschaft abzutun sei, und verlangt die Examinierung der Apotheker, ob sie die nötigen Kenntnisse und die Sacherfahrung besitzen und ob von ihnen selbst die Herstellung der Arzneien besorgt werde, nicht von halbkindischen und unerfahren jungen Leuten. Auch noch 1430 hatte Meister Dither, der Arzt, wegen der Apotheken Vorstellungen gemacht, und doch hat noch 1527 Hohenheim, wie wir sehen, seine Stimme erheben müssen und strenge Einhaltung der Arzneitaxe und fleißige Revision der Apotheken, um jeden Mißstand im Interesse des Publikums vorzubeugen, gefordert, wie er es denn mit seinen Aufsichtspflichten als Stadtarzt sehr genau nahm. Alle diese Fragen wird der Magistrat nach den Wünschen seines Stadtarztes tunlichst geregelt haben.

Manes Galeni

Er mußte aber bald schon wieder die Hilfe des Rats in Anspruch nehmen, diesmal in eigener Sache, wie eine weitere Eingabe erkennen läßt.

An den Türen des Domes, der Kirchen zu St. Martin und St. Peter und an der neuen Burse in der kleinen Stadt war eines Sonntags in der Frühe ein Schmähgedicht auf Hohenheim angeschlagen worden, und das gibt dem Beleidigten [p. 37] Anlaß, unter Beifügung des Corpus delicti an den Magistrat folgende geharnischte Eingabe zu richten:

„Strengen edlen festen ersamen fürsichtigen wysen günstigen gnedigen min herren. In onlidlicher mug tratzung[7] und mercklichem trang gepürt dem lidenden sin oberkheit, die im guts zethundt pflichtig und schuldig ist, umb schirm rhat und hilff anzeruffen und mir als euwerm st. e. w. angenommen stattartzet not, euch nun gnedig Herren anzezeigen, daß einer uff sontag nechstverschinen[8] wider mich nochteilige schmach- und schandtverß under einem erdichten nammen an die thumbkirchen, zu S. Martin, zu S. Peter und an die nüwen bürß frug vor tag angeschlagen, welcher zedeln so angeschlagen mir darnach einer zu Handen und ze verlesen worden, den ich E. s. e. w. hie by ligendt wie er angeschlagen zustellen, zu besichtigen verhören und beraten, daß mir solche schmachvers nachteilig ze liden noch ze dulden nit muglich sind; dann derglichen und andere mer schmachwort und schand mir manigmal von solchen ettlichen minen auditoribus, die sich under ougen gegen mir fruntlich und zu ruck findtlich (als ich nun mercken mag) erzeigen, zugelegt haben, welches ich alles umb fridens willen bißhar onverantwurt stillschwigendt hin hab lassen gan. Dwyl nun aber dieser künstler sich beflissen under einem erdichten und nit under sinem eignen nammen hat bedörffen soliche schmachverß wider mich anzeschlagen und angeschlagen, hab ich uff söllichs us guter kundtschafft und erfarenheit sovil befunden, daß man zu gutem theil byleuffig us disen solichen Worten (so er mir zu schmach brucht in sinen versen, welche Wort ich teglichen mit minem mund ussprich und interpretiern) vermercken khan, daß der uß minen teglichen geflissnen auditoribus und uffmerckern einer ist, dan nich vorlangst gespürt, daß ich etliche auditores habe, die andere doctores der artzny wider mich ze schriben und ze schmächen anreihend, anstifftend [p. 38] und antastend. Darumb strengen edlen vesten ersamen fürsichtigen wisen gnedigen min herren ist dis nun endtlich forderung und beger E. s. E. w. welle uß solchen vorerzalten Ursachen (dwyl us denselben sich wol erscheint, daß semliche schmachvers einer uß minen auditoribus gemacht hat) alle mine auditores für euch beruffen und inen die schmachvers fürhalten und dadurch erfaren, welcher under inen der sige, so söliche geschriben, angeschlagen und uff mich gelegt habe, und demnach mit demselbigen der maßen wie sich gepürt handlen. Dann so ir min gnedig herren mir darvor nit sin wurden, und ich witer geursacht E. s. e. w. anzeruffen oder villicht us hitzigem gemüt etwas anfienge ungeschickts und hinfürter mer getratzet solte werden, were mir mit keinem fugen von den euwern ze liden noch muglich zu gedulden. Solichs ich E. s. e. w. hiemit anzeigt haben will, welcher ich mich mit underthenigkeit gehorsamcklichen bevilch.

E. S. E. W.gehorsamer undertheniger Theophrastus von Hohenheim der artzny doctor stattartzt.
Manes Galeni adversus Theophrastum, sed potius Cacophrastum

Audi qui nostrae laedis praeconia famae,

Et tibi sum rhetor, sum modo mentis inops,

Et dicor nullas tenuisse Machaonis artes,

Si tenui, expertas abstinuisse manus.

Quis feret haec? viles quod nunquam novimus herbas

Allia nec cepas. Novimus helleborum;

Helleborum cuius capiti male gramina sano

Mitto, simul totas imprecor Anticyras.

Quid tua sint, fateor, spagyrica sompnia, Vappa,

Nescio, quid sit Ares, quidve sit Yliadus,

Quidve sit Essatum et sacrum inviolabile

Taphneus, Et tuus Archaeus, conditor omnigenus.

Tot nec tanta tulit portentosa Africa monstra,

[p. 39] Et mecum rabida prelia voce geris?

Si iuvat infestis mecum concurrere telis,

Cur Vendelino turpia terga dabas?

Dispeream si tu Hippocrati portare matellam

Dignus es, aut porcos pascere, Vappa, meos.

Quid te furtivis iactas cornicula pennis?

Sed tua habet falsas gloria parva moras,

Quid legeres? stupido deerant aliena palato

Verba et furtivum destituebat opus.

Quid faceres demens, palam intus et in cute notus,

Consilium laqueo nectere colla fuit.

Sed vivamus, ait, nostrum mutemus asylum,

Impostura nocet, sed nova techna subit,

Jamque novas Macro cur non faciemus Athenas?

Nondum auditorium rustica turba sapit.

Plura vetant Stygiae me tecum dicere leges,

Decoquat haec interim, lector amice vale!

Ex inferis.

(Stadtarchiv Basel Stadt St 73 D 18.)

Deutsch:

Die Manen des Galenus gegen Theophrastus oder besser Cacophrastus

Höre, der Du unsern Ruhm verlästerst,

Dir bin ich nur ein Schwätzer, ein geistiger Krüppel.

Ich soll keinen Schimmer gehabt haben von der Kunst des Machaon,

Wenn ich ihn hatte, hätte ich davon keinen Gebrauch gemacht:

Wer kann so etwas ertragen.

Vielleicht kannte ich nicht die Bauernkräuter Lauch und Zwiebeln,

Dafür kannte ich die Nieswurz[9],

Die ich Deinem kranken Kopf zur Heilung schicke

und zugleich ganz Anticyra um Hilfe bitte.

Ich gestehe, daß ich Deine spagyrischen Träume nicht kenne, Du Lappes,

[p. 40] Ich weiß nicht, was Dein „Ares“, Dein „Yliadus“ ist Oder das „Essatum“ und der heilige, unverletzbare „Taphneus“ und Dein „Archäus“, der Begründer aller Naturkräfte.

Nicht das wunderreiche Afrika, kannte solche Monstrositäten,

Und mit mir willst Du stolze Wortkämpfe ausfechten?!

Warum bist Du denn vor dem Wendelinus so schimpflich ausgekniffen ?

Verrecken will ich, wenn Du würdig bist, dem Hippokrates das Nachtgeschirr nachzutragen,

Oder meine Schweine zu hüten, Du Lappes.

Was schmückst Du Dohle Dich mit gestohlenen Federn!

Deine Ruhmredigkeit hat kurze Beine.

Was willst Du denn in Deinen Vorlesungen sagen,

Du lebst ja nur von gestohlenem Geistesgut!

Am besten ist für Dich ein Strick, an dem Du Dich aufhängen kannst,

Nachdem man Deine Windbeuteleien erkannt hat.

Doch, laß uns leben, sagst Du, und unsern Rednersitz ändern, Betrug schadet, aber eine neue Kunst hilft uns durch.

Machen wir dem Macer ein neues Athen (Ruhmeshaus), Der Hörsaal kennt solche Bauernweisheit noch nicht.

Mehr Dir zu sagen, verbietet mir die Disziplin hier am Todenfluß (am Styx).

Einstweilen möge er dies verdauen! Leser lebe wohl!

Aus der Unterwelt.

Also diese an einigen für die Baseler gelehrte Welt besuchten Punkten der Stadt angeschlagenen Schmach- und Spottverse waren Hohenheim hinterbracht worden. In seiner Empörung wendet sich der so öffentlich Angegriffene an den Magistrat, damit dieser die Sache untersuche, denn so etwas ruhig hinzunehmen, sei nicht möglich, jedenfalls sei er dazu absolut nicht geneigt.

Schon mehrfach seien derartige Schmach- und Schandworte von etlichen seiner Hörer ihm angehängt worden, welche ihm Freundlichkeit ins Gesicht heuchelten und ihm hinterrücks Schaden zuzufügen strebten.

Um des lieben Friedens willen habe er solches bisher stillschweigend hingehen lassen. Da aber nun dieser Künstler, durch [p. 41] ein Pseudonym gedeckt, öffentlich mit solchen Schmähversen hervortrete, habe er Erkundigungen eingezogen und erkannt, wie ja auch aus dem Poem mit seinen spottweise angeführten, von ihm selbst täglich in seinen Vorlesungen gebrauchten und erläuterten terminis technicis zu ersehen sei, daß unter seinen Zuhörern sich angestiftete Aufpasser der anderen Baseler Arzte befänden, die von diesen „sauberen Kollegen“ veranlaßt würden, schriftlich und mündlich Schmähungen gegen ihn auszustreuen. Auch das eingesandte Schmähgedicht stamme offenbar aus der gleichen unsauberen Quelle.

Man sieht, wie die unversöhnlichen Gegner aus der facultas medica Intrigen spinnen gegen den verhaßten Neuerer, und ihm, dem zu ihrem Arger so manche gute Kur gelang, das Leben sauer zu machen suchten. Nähere Einzelheiten über diese Clique von Pesquillanten sind uns nicht zugekommen. Vielleicht ist hier eine Stelle in einer Kolmarer Syphilisschrift aufklärend (Bd. VI, S. 469):

„... so ich gedenk, das so schnell solcher Lecker drei auf der Bahn zu bescheissen gericht waren und mir als ihrem praeceptori absagten, was möchten dann die tun, so auch ires Gleichen sind, es seie von Mönchen, Juden oder Huntschlahern, die sich meiner Schriften werden behelfen, zu mehrerem Irrsal werden gericht sein. Wie kann ich aber solchen Leckern wehren, oder wie kann ich sie erkennen, oder wie kann ich sündern von den Frumen die, so mir knechtsweis gedient haben oder schülerweise, der Dritt über die Beiden, so die übel geraten sind, möcht einer sechs mal verzweifeln an den wenigen, es geriet keiner nicht ... denn wen ich mir gedenke, das mich die vorbemelten Lecker, die ich erzogen und erneret hab darin, gespeist und getrenkt, vorgearbeitet und in sie gegossen wie den Wein ins Faß, und das so ich mit schweren Sorgen erfahren hab angezeigt und ohn Scrupel gelehrt, so aus den Dreien also von Stund an der Galenus ward und wider mich zu schelten und zu schenden angericht, die von mir als ihrem Professori kein Schenden nie gelernt hatten und die mich hundertfach gelästert haben, als [p. 42] wär Galenus da. Dürften sie die Art Galeni an sich nehmen, da weit fehl ist, was wolt da von solchen Leckern und ihres gleichen unangegriffen bleiben? Auf das bitt ich Euch Arzet alle, getreu und untreu, welche da wollen aus meiner praktik sich erhalten und ein Zuflucht darin setzen ein Abgang ihrer Künste darin zu erstatten, vor den Federn nit zu stiegen, das ist, ohn Schulrecht nichts anzunemen, der Uebung und des Brauchs voll sein; denn was nuzet eine gute Kunst dem, der ihr Uebung und Brauch nicht hat? Zu dem Allem ist not, täglichen acht zu haben, was überall Euch begegnet und die Experimenten für sich selbs erfahren...“ (Bd. VI, S. 459 bis 460).

Daraus möchte man doch schließen, daß der Magistrat auf Hohenheims Wunsch seine Hörer habe vernehmen lassen und es sich schließlich herausgestellt hat, daß der dringende Verdacht der Autorschaft der „Manes Galeni“ au dreien der Hörer hängengeblieben sei. Das „als wär Galenus da“ läßt kaum eine andere Erklärung zu; er spielt damit offensichtlich aus die Episode dieses Schmähgedichtes an.

Es sind damit auch manche der vorhergehenden Anspielungen in diesem „10. Buch von Blattern, Lähme, Beulen, Löchern und Zittrachten der Franzosen“ in Kolmar auf den gleichen Nenner gebracht, von der Stelle ab (S. 457 a. a. O.) „des so mancher mit dreien Experimenten zweien oder vieren zu Ferrar oder Paris doktor ward“. „Welche von mir haben gelernt oder weiter lernen werden, durch den Mund [im Lehrvortrag!] oder durch die Schriften, will ich zu Beschluß geben denselbigen, daß sie noch Jar und Tag müssen haben, bis sie gewiß werden, die Zimmeraxt zu brauchen, aber ihrer sind vil die über Solches, ehe ich gar den Mund zubeschleuß, mehr können dann ich und also ohn versucht und ohn Erfahrenheit über mich und wider mich schreiben und stiegen u. s. w. denn wenn ich gedenk an Drei aus meinen Schülern, die an allen ihren Schriften und sonst verzweifelt waren“ (Bd. VI, S. 458—461); — wir kennen sie schon aus dem vorher Angeführten, — „darum so [p. 43] erwart ich von niemand kein Dank“, fährt er bitter werdend fort.

Doch einige Kleinigkeiten sind zur Erklärung des Schmähgedichtes noch nötig, z. B. zu dem Vers „Cur Vendelino turpia terga dabas?“, wozu der Versschreiber an den Rand gesetzt hat: „Vendelinus major Theophrasto“. Wer war denn dieser Vendelinus?, offenbar eine damals renommierte Ärztepersönlichkeit!, und zwar zweifellos der in Straßburg wohlbekannte Vendelinus Hock aus Brackenau im Württembergischen. Er ließ 1502 zu Venedig ein Buch über die Mentagra herausgeben, das aus Torella und Älmenar ganze Seiten abgeschrieben hat, ebenso aus Peter Pinctor und aus Schellig. Besonders lustig ist ein Plagiat aus Pinctor, das fast unglaublich klingt. Pinctor hatte mit einem Gebet für den Heiligen Vater geschlossen, daß er von dieser Krankheit glücklich abkomme, und Vendelin betet dies Gebet wortgetreu für seinen Landesvater nach, dem er sein Elaborat gewidmet hat, für Ulrich von Württemberg! Dieser erzdumme Zusammenstoppler, wie ihn der biedere J. K. Proksch nennt, ist also der „große“ Gegner Hohenheims. Er hatte sich damals gerade einen Namen gemacht, durch eine anatomische Demonstration in Straßburg „Ein kontrafect anatomy der inneren glyderen des Menschen durch Vendelinum Hock von Brackenau, zu Straßburg declariert und eygentlich in beywesen vieler Scherer Wundarzt gründlich durchsucht ... 1517“. Ob eine solche Schaustellung vielleicht nochmals 1526 gleichfalls in Straßburg stattfand und damals das Renkontre mit Hohenheim sich ereignete, ist eine völlig vage Vermutung.

Das mehrfach angewandte Schimpfwort „Vappa“ ist mit „Taugenichts“ noch sehr schonend übersetzt. Hohenheim hat sich über die Schmutzflut, die sich mit dem „Manes Galeni“ über ihn ergoß, später höhnisch hinweggesetzt, wie man 1530 aus dem Paragranum ersehen kann, auf das wir noch in einem späteren Abschnitt zu sprechen kommen, dort sagt er:

[p. 44] „Wie sich Basileae [zu Basel] begeben hat, daß ich in solchen billichen eine neue Theorik und Philosophei und andres angefangen hab einzuführen, nemlich den Yliadum, Archeum und was dann aus den Essaten verstanden mag werden, mit halb oder weniger Declarirung entblöst sind die, so sich selbst so wizig und hochverständig platonisch und indisch eingedrungen, einer vermeint, sich selbst darin herfürzubrechen und sich selbst Theophrastum nennen und mich Cacophrastum ... einer hielt mich für taub, dem andern war ich ein Nigromantist und was sie mehr mochten aus dem magischen erdenken, mich zu verlezen, antasten, allein aus der Ursachen, daß sie vermeinten, sie hätten alle meine inventiones erfahren und wollen ihnen selbst Ehr einlegen und mir mein Taufnamen Theophrastum nehmen, denselben ihnen zulegen und aus mir Cacophrastum machen; dazu ursacht sie der Dieb und Schalk, der ihnen Hintern Ohren saß ...“ (Bd. VIII, S. 57). „O euers armen Galeni seel, wer er untötlich blieben in der Arznei, so wären seine Manes nit in den Abgrund der Hellen vergraben worden, daraus er mir geschrieben hat, des Datum in der Höllen stand. Ich hätt nicht vermeint, daß der Fürst der Ärzten dem Teufel in Ars sollt gefahren sein, nämlich seine Discipul fahren im nach oder am wenigsten seiner Mutter in Fudloch. Sollt das ein Fürst der Arznei sein und die Arznei auf ihn stehen, so müssens die größten Schelmen in der Arznei sein, so unter der Sonnen leben; sie beweisens auch wohl, daß sie ihm treulich nachfolgen.“

An Derbheit hat diese Antwort dem Wunsche nichts übriggelassen.

Doch ich will nun meine Leser auch noch in das Schriftstück der Baseler Akten einführen, aus dem sich der sichere Beleg für seine Ferrareser Doktorpromotion ergibt, die sa lange zurückliegt.

Bei einer Baseler Gerichtsverhandlung vom 21. Mai 1527 betreffend einen Rechtsstreit zwischen einem seiner Straßburger Patienten und einem dortigen Apotheker nimmt „Herr [p. 45] Doktor Theophrastus von Hohenheim“ seine Aussage im Zeitstil einfach auf seinen Doktoreid: „bei dem Eyd, den er an sin Doktorat der löblichen hohen schul zu Ferraria gethan“. Das Baseler Gericht hatte also für dieses Ferrareser Doktorat Hohenheims genügend Beweise in Händen. Leider sind die Ferrareser Doktorakten zwischen 1515 und 1525 sehr lückenhaft, so daß sich dort die Beweise nicht noch verstärken ließen. Historisch sind sie auch durch das Baseler Schultheißengerichtsprotokoll entbehrlich. Alle derartigen Ergänzungen sind für die reinliche historische Rehabilitierung des Vielverlästerten willkommen und wertvoll, wenn es auch für jeden Unvoreingenommenen und Wohlgesinnten schon seit langem keiner Bestätigung für die Doktorschaft Hohenheims mehr bedurfte.

Auch der Abschluß seines Baseler Aufenthaltes bestand in einer Gerichtsverhandlung. Er hatte den Domherrn Kornelius von Liechtenfels verklagt auf eine versprochene Summe von hundert Gulden, aber das Gericht entschied auf das übliche Honorar von weniger Gulden. Entrüstet poltert er, „am Gericht urteilt man darüber, als wär es Schuhmachen, da einer muß sein Leib und Leben wagen“ (Bd. VI, S. 180). Wegen „böser Zettel“, die er fliegen ließ, sollte er ins Gefängnis gesetzt werden, so wurde ihm zugetragen. Er wich aber nachts ins Elsaß nach Ruffach und Kolmar, wo er schon bekannt war.

Oporinus

Doch unser Bericht über die Baseler Zeit Hohenheims wäre zum mindesten unvollständig, wenn wir nicht auf den Brief des Oporinus an den Bergischen Leibarzt Johann Weyer, der ihm Aufnahme in seine berühmte Schrift „De praestigiis daemonum“ gewährte, kurz eingingen. Oporinus war in Basel Hohenheims Famulus und hatte während dieser Zeit in engster Gemeinschaft mit ihm gelebt, er wandte später der Medizin den Rücken und wurde in der Universitätsstadt ein [p. 46] namhafter Drucker. Wir fügen diesen Brief hier trotz mancher Läppischkeiten in deutscher Übersetzung ein.

Weyer schickt ihm einige empfehlende Worte voraus, die wir nicht unterdrücken wollen:

„Hören wir doch die ehrlichen Tugenden und das ehrliche Lob an, welche Oporinus, der mit ihm gelebt hat und umgegangen ist, erzählt in einem Brief vom 26. November 1555, von Basel an Wierum geschrieben.

Der Brief lautet also:

Was Theophrastum Paracelsum betrifft (denn er ist jetzt lange tot), so würde ich nicht gerne dem Geiste seines Todes (wie man zu sagen pflegt) widersprechen. Als er noch lebte, habe ich ihn so sehr kennen gelernt, daß ich mit derartigen Menschen zu leben, wie ich mit ihm gelebt habe, nicht leicht begehren würde. Denn abgesehen von seinen wunderlichen und glücklichen Heilungen in jeder Art von Krankheiten, habe ich an ihm weder irgendwelche Gottseligkeit noch irgendwelche Gelehrtheit bemerkt, und ich pflege mich sehr zu wundern, nachdem ich so manches erscheinen sehe, das von ihm geschrieben und der Nachwelt hinterlassen zu sein behauptet wird, welches ich ihm kaum im Traum zuschreiben würde; so sehr war er Tag und Nacht, während ich fast zwei Jahre bei ihm verkehrte und wohnte, dem Trunk und der Prasserei ergeben, daß man ihn kaum eine Stunde oder zwei nüchtern fand; besonders nachdem er von Basel fortgereist war und im Elsaß unter den Edeln, Bauern und Bäuerinnen, wie ein zweiter Äskulap gefeiert worden war. Und dessen ungeachtet, wenn er am betrunkensten war und nach Hause gekommen, mir etwas von seiner Philosophie zu diktieren pflegte, so schien sie so ordentlich zusammenzuhängen, daß sie von einem nüchternen Menschen nicht hätte verbessert werden können. Ich war beflissen sie ins Lateinische zu übersetzen, und es gibt auch einige von diesen Büchern, die, teils von mir und teils von andern ins Lateinische übersetzt worden sind. Die ganze Nacht, so lange ich bei ihm wohnte, hat [p. 47] er sich nie ausgezogen, was ich seiner Trunkenheit zuschrieb; und sehr oft kam er gegen Mitternacht, stets betrunken, nach Hause, um zu schlafen; so wie er angezogen war, sein Schwert bei sich, das er von einem Folterknecht oder Henker geschenkt bekommen zu haben behauptete, warf er sich aufs Bett, und dann und wann, mitten in der Nacht, wenn er kaum geschlafen hatte, stand er auf mit seinem gezogenen Schwert, wie ein Rasender, schmiß es zu Boden gegen die Wand, so daß ich manchmal glaubte, er würde mir den Kops abhauen und davor Angst hatte. Viele Tage würde ich brauchen, würde ich alles schildern, was ich bei ihm durchgemacht habe. Immer hatte er seinen Kohlenwinkel, mit ständigem Feuer, bald sein Alcali, bald sein Oleum sublimati, bald den König praecipitati, bald sein Arsenisches Oel oder Crocus martis oder seinen wunderlichen Opoldeltoch, und ich weiß nicht was für Gebräu kochend. Denn er hätte mir einmal mit seiner Kocherei fast den lebendigen Geist erstickt, als er mir befahl, daß ich mir den Geist seines Alembiks anschauen sollte, meine Nase etwas zu nah daran gehalten — das Glas, das oben auf dem Alembik lag, war ein wenig weggenommen —, so daß ich durch den Rauch und Dampf, die in meinen Mund und meine Nasenlöcher schlugen, durch den virulenten Qualm fast erstickt und gewürgt wäre; so daß ich ohnmächtig wurde und durch Besprengen mit kaltem Wasser wieder zu mir kam. Zwischendurch gab er vor, viel Wunderbares prophezeien zu können, und sonderbare Arcana und Mysterien zu kennen; so daß ich im Geheimen nicht leicht bei ihm an etwas heranzukommen, noch jemals etwas anzurühren wagte, da ich mich immer vor ihm fürchtete. Er brachte viel Geld durch, so viel, daß er manchmal weder Heller noch Pfennig behielt, soviel ich wußte, und Tags darauf zeigte er mir wiederum seinen Geldbeutel voll Geld, sodaß ich mich nicht selten wunderte, wodurch er wieder so viel bekommen hätte. Fast jeden Monat ließ er sich einen neuen Rock machen, und den anderen Rock, den er anhatte, verschenkte er dem Ersten, der ihm begegnete, er war aber so sehr bekleckert, daß [p. 48] ich nie mehr einen von ihm begehrte, und wenn er ihn mir auch selber geschenkt hätte, ich hätte ihn nicht tragen wollen. Im Kurieren und Heilen von Geschwüren verrichtete er fast Wunder, wo wenig Hoffnung zu sein schien, keine Art von Speisen oder Getränken beim Heilen verbietend, sondern mit seinen Patienten Tag und Nacht nach Herzenslust zechend, sodaß er sie (wie er zu sagen pflegte) mit vollem Bauche heilte. Das Pulver von Praecipitat mit „Theriak“ oder „Methridatum“ oder mit Kirschensaft zu Pillen gemacht, gebrauchte er für Purgierungen in allen Arten von Krankheiten. Mit seinem „Laudanum“ — so nannte er Pillen in der Form von Mäusedreck, welche er in ungleicher Anzahl nur in der äußersten Not der Krankheiten, wie zum heiligen Anker (wie man sagt) seine Zuflucht nehmend, eingab, sich so brüstete, daß er sich auch nicht entblödete zu behaupten, daß er allein, nur durch den Gebrauch von diesen, Tote zum Leben zurückbringen könne, und das hat er dann und wann als ich bei ihm war, tatsächlich bewiesen, daß sie, tot zu sein schienen, plötzlich wieder zu sich kamen. Aber ich habe ihn nie beten sehen oder hören, noch fragte er nach irgend einer geistlichen Übung, noch nach der evangelischen Lehre, welche zu der Zeit bei uns verehrt und geübt zu werden anfing und von unserm Prediger sehr sorgfältig und fleißig betrieben, welche er nicht nur verachtete, aber auch drohte, daß er noch einmal Luther und dem Papst, ebenso wie nun Galen und Hippokrates, den Kopf zurecht setzen werde, und daß niemand, der bisher über die heiligen Schriften geschrieben habe, sowohl die Alteren wie die Jüngeren, den rechten Kern der Schriften noch nie getroffen hätten, sondern nur die äußere Schale, sodaß sie nur die Schatten träfen und erklärten. Und ich weiß nicht, was er noch für andere Nichtigkeiten vorbrachte, die ich mich schäme zu erzählen. Dies habe ich alles kurz erzählt, und so wie es mir in die Feder kam; so hat es mir beliebt, es Euch zu schreiben. Zu einer anderen Zeit, wenn ich Muße haben werde, werde ich Euch mehr schreiben. Es zog ihn gar nichts zu Frauen, sodaß ich glaube, daß er überhaupt [p. 49] nie eine erkannt hat. Im Anfang war er sehr mäßig, sodaß er bis zu seinem fünfundzwanzigsten Jahre keinen Wein trank; aber später hat er so zu trinken gelernt, daß er ganze Tische voll von Bauern zum Trinken herausforderte und auch im Trinken und Saufen gewann, ab und zu seinen Finger in den Hals steckend und so einem Schwein gleichend.“

Vielleicht hat Operinus die Stelle gar nicht gekannt, in der sein großer Herr so ehrenvoll über ihn in Nürnberg geschrieben hat. Es ist damals auch in alle Welt gegangen; in den „drei Büchern von der französischen Krankheit“ (1529/30), gedruckt zu Nürnberg durch Friedrich Peypus:

„Auch in sonderheit in allem Vertrauen gebraucht meinen getreuen Johannem Oporinum“; jedenfalls hat Oporinus selbst seinem Meister die Treue nicht derart gehalten. Er hat es später auch redlich eingestanden, daß er nicht gefühlt habe, was Hohenheim für eine große Persönlichkeit gewesen ist. „Für den Kammerdiener gibt es keine großen Männer“, sagt ein alter Diplomatenspruch.

Höhenwege

Rast in Kolmar

Der Meteor von Ensisheim

[p. 53] Mag sein, daß Hohenheim seinen Ritt nach Kolmar in Ensisheim unterbrach und dort den großen Meteorstein forschend beschaute, der am 7. November 1492 gefallen war und heute noch in einem bescheidenen Rest im Amtszimmer dort verwahrt wird. Hohenheim sah ihn noch in seiner vollen Größe und schreibt darüber in den Meteoren (Bd. XIII, S. 223): „Der groß Stein zu Ensheim im Sundgau auf 1 Centner schwer, der ist aus der Materia der Steinstrahlen geworden, also das do zusammen kommen seind ob den hundert Konjunktiones der Strahl vnd da sich coaguliert so schnell, als der ein zerlassen Silber ausschütt und gesteht, also ist diese Materi erhart worden und als ein Korpus gefallen, das auch sein Anzeigen ist mit seinen Buklen und Formen, das er in allem Sud gestanden ist und Aufblähen und im selbigen erkaltet mit der Schnell und gefallen, wie dann vom Strahl angezeigt ist. Denn im Element Feuer sind alle Ding zerlassen, Stein, Metallen und was da ist, ist alles siedend heiß. So aus der selbigen Region etwas kommt in die kelti, so ist es eilends erhärt und fällt. Aber dieweil es seudt und im Feur ist, dieweil ist es lüftisch und fallt nicht; aber [so es] daraus kommen und alsdann coaguliert, so muß es fallen.“

So hatte er sich die Sache zurechtgelegt, keineswegs mit unsern heutigen Vorstellungen übereinstimmend.

Es ist ja auch keineswegs sicher, daß Hohenheim diese gedankenreiche Meteorsteinschau in Ensisheim gerade auf dieser Fluchttour nach Kolmar, wo er bestimmt schon am 4. März anlangte, vornahm.

Wahrheit trägt Haß ein

[p. 54] Das erste Lebenszeichen von ihm aus Kolmar sind zwei lateinische Briefe an seinen Freund Bonifacius Amerbach, ein erneutes Zeichen für diese nahen Beziehungen, wie weiland jene Zeilen, die vor Jahren Georg W. A. Kahlbaum aus der Amerbachschen Briefmasse herausgehoben hat und die wir uns für diese Zeit der Hohenheimbriefe aus Kolmar aufgehoben haben, die uns auch wieder nach Neuenburg am Rhein leiten. Der Brief stammte vom 8. März 1527 und geht von Basilius Amerbach an den Bruder Bonifacius, der zu jener Zeit seine Flitterwochen zu Neuenburg am Rhein mit der Tochter Martha des dortigen Bürgermeisters Leonhard Fuchs verlebte, mit der er am 25. Februar zur Ehe geschritten war. Also, wie sich der Bruder in den Flitterwochen die Zeit vertreibt, kann er sich nicht denken: wir sehen damit in eine Zeit geringer Wertschätzung der Frau. Der einzige Hoffnungsstrahl für den besorgten Bruder ist die Nachricht, daß sich Hohenheim zu dieser Zeit in Neuenburg befindet mit dem als Schwatzgenossen (congerro) ihm sicher die Zeit kurz werde. Hohenheim stand also bei beiden Brüdern im besten Gedächtnis.

Aber Ende Februar und im März 1528 schreibt Hohenheim aus Kolmar als erster an Bonifacius, ein neues Zeugnis für die seelische Verbundenheit beider. Hohenheim hatte ja damals plaudernd bei dem jungen Paare in Neuenburg am Rhein etwa um die gleiche Jahreszeit ein Jahr vorher gesessen. Was aber schreibt er jetzt an Bonifaz nach Basel?

Insigni legum doctori Peritissimoque d. doctori Bonifacio Amorbachio Lectori Basilee Ordinario suo colendissimo.

Salve Juris Patrone decusque gimnasii, Que Adversa Basilea (olim mea) erga me sustulit, prorsus ignoro, Tanta in me procella maris, nec me tutum fuisse nec esse credidi, scivi. Eum flatum dimisi, Certiora quesivi Modica solemnia Haec apud Colmariam, ubi optimus Nihil minus tuus ego. Jam Laetare apud Nunburgum presentem me faciam, antea non potui, ob egrorum Copiam, Rescribo (si prodesse possum) sanitati tue; [p. 55] Litera tua apud me Ambra; Basilio meo poculum vini Administra nomine meo, Defende Theophrastum si coram te appareant adversi uti noris, Phrusius De Colmaria optime valet sumque optimus familie et apud totam Civitatem. Rescribe sufficit iota manus tue Vale decus Academiae. Es Colmaria, 6. ante Invocavit anno 28.

Theophrastus Hohenhemiensis. Doctor tuus totus.

Deutsch:

Sei gegrüßt, Beschirmer des Rechts und Zierde der Universität! Welche Maßregeln das feindliche, früher mein Basel, gegen mich ergriffen hat, ist mir noch völlig unbekannt. So groß war der Meeressturm gegen mich, daß ich [dort] nicht sicher war, noch bin, wie ich glaubte, ja wußte. Diesem Sturm entfloh ich, Sicherheit suchte ich, leidlich ruhige Tage. Dies fand ich in Kolmar, wo ich um nichts weniger bestens der Deine bin. Erst auf Laetare werde ich mich in Neuenburg einstellen, früher kann ich nicht aus Überhäufung mit Kranken. Ich werde wieder schreiben vonwegen Deiner Gesundheit, wenn ich von Nutzen sein kann. Dein Brief ist für mich Ambra [Hochgenuß]. Meinem Basilius trinke einen Becher Weins zu in meinem Namen. Verteidige den Theophrastus, wenn die Widersacher vor Dir erscheinen, wie Du kannst. Phrusius von Kolmar befindet sich aufs beste, und ich bin aufs beste aufgenommen in seiner Familie und in der ganzen Stadt. Schreibe wieder; es genügt ein Buchstabe Deiner Hand. Lebe wohl, Du Zierde der Akademie. Aus Kolmar, den 6. Wochentag [Freitag] vor Invocavit [den 28. Februar] 1528.

Dr. Theophrastus von Hohenheim, ganz der Deine.

Der Sinn des Briefes ist im wesentlichen ohne weiteres klar. Stürmische Tage waren dem Abschied von Basel vorhergegangen. Eine Stelle aus dem „Paramirum alterum“ braucht das gleiche Bild: „und wie wol ich zu Basel nicht mit kleinem Fleiß ein solches angefangen (namlich ein gemeine Theorik beider Arzneien meiner erfahrenheit aufzurollen), guter Hoffnung gesein, Frucht damit zu erobern: Rauch und näß sind die Wind (so sich anhebt die Wahrheit), zu vertreiben den Professoren; hab ich doch je und je erhofft, wer die Seele [p. 56] liebe, der liebe auch den Leib; der die Seele verschont, der verschont auch den Leib, darinnen ich vermeint hab, nit kleinem Nutz zu schassen. Bei solche Meinunge aber ward es mir gespalten, die war mir ein rauher Wind.“ (Bd. IX, S. 121.) Von Nunburgum, Neuenburg am rechten Rheinufer, haben wir oben schon gesprochen. Dort beim Schwiegervater weilte Bonifaz und seine Familie nicht selten. Vermutlich wünschte ein Verwandter Hohenheims Rat, und auf Lätare, also in drei Wochen, hofft er dort eintreffen zu können. Vielleicht ist dann auch Bonifaz dort drüben überm Rhein.

Phrusius de Colmaria ist ein bekannter Mann in dieser Zeit durch seinen seit 1518 vielfach aufgelegten „Spiegel der Arznei“. Beziehungen zu den Amerbachs habe ich nicht nachweisen können; der Tenor seiner Erwähnung in dem Brief legt das Bestehen einer engeren Vertrautheit nahe. Für Fries (Phryes) und Hohenheim bildete ein Bindeglied die deutsche Gesinnung, ihre Vorliebe für die deutsche Muttersprache, wofür ich bei Fries folgende Stelle aus dem „Spiegel“ anführe: „Auch bedünkt mich Teutsche Zung nit minder würdig, daß alle Ding darin beschrieben werden, denn Griechisch, Hebreisch, Latinisch, Italiänisch, Hispanisch, Französisch, in welchen man doch gar bei alle Ding vertolmetschet findet. Sollt unser Sprach minder sein? Nein, ja wohl viel mehr, Ursach daß sie ein ursprüngliche Sprach ist, nit zusammen gebettlet von Griechisch, Lateinisch, den Hunnen und Gothen, als Französisch, auch mehr reguliert.“ Für Hohenheim, der als erster aus einer deutschen Hochschulkanzel in deutscher Sprache vortrug, der immer wieder betont, „daß ich deutsch bin“ (Bd. VIII, S. 201) oder „ich bin teutsch“ (Bd. II, S. 5), „ich danke Gott, daß ich ein deutscher Mann bin“, ist kein weiteres Wort vonnöten.

Die kurze Harmonie zwischen den beiden Männern ging in die Brüche als Hohenheim sich gegen Mißbräuche in der herkömmlichen astrologischen Prognostik wandte, in der „Praktika gemacht auf Europen“ im Nachwort „An die Astronomos“ [p. 57] (Bd.VII, S. 465 ff.). Fries greift sogar boshaft weiter: „wie ihnen auch vormals beschehen, do sye sich ausgaben ein neue Kunst der Artzney zu lernen, verachten Hipocratem, Galenum und andere Alten. Man mag nun leichtlichen merken, zu welchem ich schreib.“ Hohenheim merkt es und spielt mehrfach auf Fries´ Schrift „über den jüngsten Tag“ an: „und so ihr irrung zu den Aberglaubigen Künsten verworfen wird und der rechten nachgangen, so schämten sie sich nicht zu sagen, es ist Necromantia“ (Bd. IX, S. 116). Doch auch für Fries´ „Spiegel der Arznei“ zeigt Hohenheim nur geringe Wertschätzung. Er schreibt einmal: „So ist auch do ein Aufklauben der verdorbenen elenden Büchern in der Arznei, der sie hin und her aufklaubt, weiß Gott, gar mit keinem Verstand und gibt ihnen doch ein Spiegel zum kauf. Es ist wohl zu erbarmen, daß kein Frucht kommen will aus der Lehr, darin er schwebt.“ (Bd. XIII, S. 3). Ja, schon in der Widmungsschrift an den Kolmaer Stettmeister Hieronymus Boner heißt es im 7. Buch „mit großem Jubilieren, da die höchst Kunst ist, ein Spiegel zu machen und das Klingeln in Apoteken“ (Bd. VI, S. 418). Das Buch war also schnell durchschaut.

Daß Hohenheim im Hause des Phrusius Aufnahme gefunden haben soll, ist äußerst unwahrscheinlich, wenn ihm auch Friesens Angehörige freundlich entgegenkamen, wie die ganze Bürgerschaft. Beachtenswert ist es, daß die Schriftzüge des Briefes erkennen lasten, wie sicher Hohenheim die lateinische Schreibweise der Zeit beherrscht. Er war sogar gewohnt, sich Notizen zum Hausgebrauch in Latein zu machen.

Doch schon nach fünf Tagen ging ein zweiter ausführlicherer Brief an den befreundeten Basler Juristen Bonifacius Amerbach, den wir jetzt kennenlernen wollen:

Clarissimo legum doctori domino Bonifacio Amerbachio Basilee professori suo optimo.

S(alutem). Que ad te nuper brevius scripsi, Bonifaci Chariss. ea nunc fusius accipe. Quecunque mihi Basilea una cum his qui ipsam incolunt tam creditoribus quam aliis pollicita est, [p. 58] partim adhuc propius inquirenda mihi reliquuntur, partim vero in universum negata sunt, idque tam nephariis contumeliis ac tanto contemptu, pati aliquamdiu vel non obviare aliquando omnino non conveniat. Nam esto sane, dixerim fortasse aliquid licentius in Magistratum atque alios, quid tum postea, quando et id ipsum; quidquid id est quod dixi re ipsa sic esse possum ostendere, nisi quod id demum verissimum esse comperio, veritatem, parere odium. Quo factum est ut in me Magistratus odio, ira, atque invidia permotus, ubi dimidiatam tantum horam amplius mansissem capiendum me atque pro libidine tractandum statuerit. Id quod dici non potest, quantum me animo torqueat, Tametsi in praesenti aquiescere sino, quamquam id ipsis calumnie in me struxisse nondum sufficiat Nam pergere eos calumniis in me in dies magis ac magis audio, quod quidem nunc iam pati oportet, Verum autem suum tempus suumque locum, quo et haec et alia mihi restant exequenda, Praeterea Opporinus tuos tibi libros trade cum summa gratiarum actione, item recepta ac descriptiones de quibus scribis, his paucis bene vale. Ex Columbaria ante Reminiscere feria 4. Anno 28.

Theophrastus Bombast ex Hohenheim Dr. tuus ex animo.

Deutsch:

„Ich grüße Dich. Was ich Dir neulich nur ganz kurz geschrieben, teuerster Bonifacius, das empfange jetzt ausführlicher. Alles was mir Basel, samt denen, die es bewohnen, sowohl Gläubigern als anderen versprochen hat, bleibt mir teils noch genauer zu erforschen, teils aber ist es mir rundweg abgeleugnet worden, und zwar mit so niederträchtigen Schmähungen und solcher Mißachtung, daß es auch nur eine Zeit lang zu ertragen, oder dem nicht entgegenzutreten, durchaus nicht geziemen würde. Denn es mag ja sein, ich habe vielleicht einiges zu frei gegen den Magistrat und andere ausgesprochen; was ist´s denn weiter?! Sobald ich eben dies, was ich auch immer gesagt habe, als auf Tatsachen beruhend beweisen kann; nur daß ich dann zuletzt als höchste Wahrheit erkennen muß: Wahrheit trägt Haß ein. Dadurch ist´s gekommen, daß der Magistrat, von Haß, Zorn und Mißgunst getrieben, wider mich beschloß, man solle mich (wenn ich nur eine halbe Stunde länger geblieben [p. 59] wäre) festnehmen und nach Herzenslust mit mir verfahren. Sagen läßt es sich nicht, wie sehr mich das im Herzen quält. Trotzdem lasse ich es gegenwärtig ruhen, obwohl ihnen selbst noch nicht genügt, was sie an Verleumdungen auf mich gehäuft; denn ich höre, daß sie täglich noch immer mehr mit ihren Verleumdungen gegen mich fortfahren. Doch das muß nun schon ertragen werden. Die Wahrheit hat aber ihre Zeit und ihren Ort, wo dies und anderes mir auszutragen bleibt. Übrigens soll Oporinus Dir Deine Bücher überbringen mit größtem Danke, ebenso die Rezepte und Descriptionen, von welchen Du schreibst. Mit diesem Wenigen lebe wohl.

Aus Colmar am 4. Wochentage (Mittwoch) vor Reminiscere (4. März) im Jahr (15)28.

Theophrastus Bombast von Hohenheim Doktor.

Von Herzen der Deine.

Auch hierzu ist nicht viel zu sagen. Oporinus ist noch nicht seinem Meister nachgereist, sondern noch in Basel. Das sogenannte „lateinische Alter Hohenheims“, war also für einfache lateinische Briefe voll entbehrlich, wenn ihm auch die Übersetzerarbeit bei Hohenheims Schriften überlassen blieb. Es sieht so aus, als wenn die äußeren Beziehungen so langsam gelöst würden zwischen den früheren Freunden, wie denn der ganze Ton dieses zweiten Briefes schon etwas kühler und förmlicher geworden scheint. Der Briefwechsel, der kaum begonnen hatte, neigt seinem Ende zu. Auch geht von Kolmar kein weiterer Brief an Bonifacius. Soll auch für das Terenz-Diktum „veritas odium parit“ ein weiterer Geltungsbereich gewonnen werden, indem es auch für Bonifaz und Theophrast Geltung gewinnt? Eine starke Abkühlung beginnt jedenfalls Platz zu greifen. Hohenheim ist wieder ganz auf sich angewiesen. Mit der Lehrtätigkeit ist es für immer für ihn vorbei. Auch eine bleibende Statt hat er nicht mehr, und in Basel wird er definitiv totgeschwiegen. Der Zeitpunkt, an welchem auch Oporinus den Meister verließ, ist nicht bekannt, er dürfte wohl noch in die Kolmarer Zeit fallen, deren Ende auch nicht feststeht. Die durch die Stadtgewaltigen von Kolmar festgelegte Rückkehr der [p. 60] Stadt zum Katholizismus dürfte den Arzt Theophrastus wenig berührt haben; er ist ja der alten Kirche bis an sein Lebensende treu geblieben und erstrebte nur eine Reformation des Papsttums. Daß der in keinem der Drucke von Weyers „De praestigiis daemonum“ (gedruckt bei Oporinus) zu findende Brief, den ich oben nach einer Rückübersetzung aus dem Holländischen mitgeteilt habe, in seinem Wortlaut nicht ganz einwandfrei ist, muß zugegeben werden. Toxites sagt in der Vorrede zu seiner Veröffentlichung des Testamentum Theophrasti (Bl. A2v ff): „Ich will aus mein guten Freund Johannem Oporinum keine Unwahrheit sagen, das aber kann ich zu melden nit underlassen und reds mit Wahrheit, daß er mir bekennt, er habe kein Glück zu Theophrasto gehabt, er habe ihm auch gesagt, daß er, Operinus, kein Medicus bleibe, sondern ein andere Profession an sich nehmen würde. Item daß er dazumal nie verstanden, daß Theophrastus so ein gelehrter Mann gewesen, wie er hernach erfarn, und haben ihn zwei Stück übel gereut, erstlich daß er die Bücher, so er von Theophrasto gehabt, als seine ganzen praeparationes und ander Ding andern Leuten verliehen hett. Zum andern, daß er die Epistolam von Theophrasto an Doctorem Wierum geschriben, darumb hätte Andreas Jociscus[10] mit seiner stolzen Oration wol mögen ein wenig gemach thun. Schreibt von Theophrasto, als wenn er seinen Diszipulis oftermals die Kreuter nit künden nennen oder erklären, so er doch von kreutern ein sonder groß Buch, auch von denselbigen und allen andern natürlichen Dingen so herrlich geschrieben, dergleichen nie an Tag kummen, welches er Signaturam rerum genannt hat, wie man sie natürlich mög erkennen. Es heißt: 'Ne sutor ultra crepidam'. Er recitiert auch andere Ding in seiner Oration, die sich weit anders halten, wie ich ihm dann von solchen Dingen in seinem Leben zu Straßburg genugsam unter Augen gesagt.

[p. 61] Es wird viel von Theophrasto ausgeben, das nit ist, warum solt mau denn dazu still schweigen? Ettlich geben für, Theophrastus habe viel Leut verderbt, wenig gesund gemacht. Ander sagen, daß, die so seine Kuren gebraucht, alle bald hernach gestorben und keiner über 7 Jahre gelebt hat, welches öffentliche Calumniae [Verleumdungen] sind und das Widerspiel genugsam dargetan mag werden.“ Dafür werden dann vier flagrante Beispiele vorgebracht.

Auch in den Onomastica II (Bibl. Paracelsus Nr. 154) kommt Toxites nochmals auf Oporinus zu sprechen und schreibt S. 451 über dessen Brief: „Oporinum paenituit Epistolae, quam ad D. Wierum de Theophrasto scripsit, dixitque eodem tempore mihi, ab ipso fuisse emendicatam epistolam(!!) neque eam scriptam fuisse, si scivisset, ita in vulgus proditurum. Quamquam praestat eum scripsisse, plura enim in eo sunt, quae ad laudem Theophrasti pertinent quam ad vituperium, et quae ibi vituperat, longe aliter etiam intelligenda sunt, quam vel Oporinus vel alii interpretati sunt.

Deutsch:

Oporinus bereute die Epistel, die er über Theophrastus an Dr, Weyer geschrieben hatte, und sagte mir gleichzeitig, daß der Brief von ihm erbettelt worden sei, und er hätte ihn gewiß nicht geschrieben, wenn er gewußt hätte, daß er in dieser Weise werde an die Öffentlichkeit gebracht werden. Trotzdem ist es gut, daß er geschrieben worden ist, da sich mehr darin findet, was dem Theophrastus zum Lobe gereiche als zum Tadel, und was ihm zum Tadel gesagt sei, ist anders aufzufassen, als Oporinus und andere es ausgelegt haben.

Ob Hohenheim mit den beiden Stadtgewaltigen, denen er als Frucht seiner medica solemnia zwei Werke widmete, „die 7 Bücher von allen offenen Schaden“ dem Stattmeister Konrad Wickram am 8. Juni und „von Blattern, Lähmen, Beulen, Löchern der Franzosen 10 Bücher“ dem Obersten Meister der Stadt Kolmar Hieronymus Boner am 11. Juni, in nähere [p. 62] gesellschaftliche Beziehungen getreten ist, scheint mir nicht angenommen werden zu müssen oder auch nur zu dürfen. Beide haben gerade in diesem Jahre mit dem Bischof von Basel ein Abkommen getroffen über Schutz und Schirm der katholischen Priesterschaft, die Hohenheim wie alle konfessionellen Fragen wenig berührten, wie ich das schon gesagt habe.

Der Zecher

Da habe ich auf dem Stadtarchiv von Kolmar einen Brief gefunden, der für Hohenheims Persönlichkeit nicht ganz unwichtig ist. Ich möchte ihn als Abschluß auf Hohenheims Kolmarer Zeit hier einfügen, er fällt in seine letzten Kolmarer Wochen und lautet samt Adresse wie folgt:

Summae integritatis animi dexterimo Joani Hummel apud Argentuariam de libellis domino suo et amico nulli secundo. [An Joh. Hummel, den Mann von lauterster Gesinnung in Kolmar, meinem Herrn, der an Freundschaft keinem nachsteht.]

Was ich Euch liebs und guts vermag, sonders gunstiger Herr und freunt, Theophrastus ille appollineae artis incorparabilis indagator ex Venetia Rubeuolarum advolavit, cum socero meo hospitatur, prefixit sibi terminum in terram fluentem lac et mell, hoc est in brevi Argentuariam venturum [Theophrast, jener unvergleichliche Erforscher der Apollinischen Kunst, ist aus Ruffach eingetroffen und wohnt bei meinem Schwager und hat sich die Zeit bestimmt, in dies Land, wo Milch und Honig fließt, zu kommen], versieht sich, omnes boni combibones ac symposiastes [alle Kneipgenossen und Symposiarchen] werden ime entgegen kommen, utrisque ulnis [mit beiden Armen] ain vollen Cyphum [Humpen] küssen, daß die Zung vom Rachen nicht anbrennt werde. Thut wollen subtractum clavem haerentem a claudicante cum promicantibus annulis [den heimlichen Haken, der an dem Humpeler mit schimmernden Ringen hängt] mörken mich wol purgieren, ist aber dermaßen anbachen, das weder Reubarbarum, Scammonja, [p. 63] colloquint oder Camederos [Rhabarber, Purgierrinde, Koloquinthen und Gamander] helffen will, das ist Saltus ab Equis ad asinos [der Sprung von Pferden auf die Esel]. Er wurd uch [euch] den Abschid contra Luxen Scherlin mitbringen. Velim dominis meis a plebeis Magistratibus Salutes diceres quam maximas. Idem fac viritim Cyphum per manus ebibant nomine Theoprasti ac meo. Vale melioribus utere fatis. Haec tumultuaria penna XVI. die Septembris pro Chr. quingentesimo XXVIII [Ich möchte meine Herrn des Magistrats aus der Kleinbürgerschaft aufs herzlichste begrüßen und daß sie in Theophrasts und meinem Namen die Humpen Mann für Mann in die Hand nehme. Laßt es euch recht gut gehen, das schreibe ich mit eiliger Feder am 16. September 1528].

Bartholomeus Slech.

Man hatte diesen Brief für ein Autogramm Hohenheims in Kolmar gehalten. In der linken Ecke des Blattes ist ein Siegelrest zu sehen mit den Anfangsbuchstaben B. S. Dieser übermütige Brief eines Kolmarers an den Stadtgenossen Johannes Hummel zur Rückkehr des Theophrastus aus Ruffach, mit dem er sich einen feuchtfröhlichen Abend verspricht, zeigt uns, wie gut sich Theophrastus dort eingelebt hatte (in den Monaten nach Ende Februar 1528). Er hatte sich offenbar längere Zeit in Ruffach aus Praxisgründen aufgehalten, und die Combibones optimi freuen sich seiner Rückkunft. „Argentuaria“ ist eine damals auch durch Fries von Kolmar als üblich bezeugte Namensgebung für Colmaria. Mir gibt der Brief Veranlassung auf dieses weinfröhliche Zusammensitzen mit den „Gesellen“ einmal zu reden zu kommen, von dem Hohenheim im Jahre nachher in Nürnberg im Vorwort zu dem auch sonst an Konfidenzen nicht armen „Spitalbuch“ schreibt: „Das ist aber trefflich eine Kunst, wider mich zu schicken eure Erfahrenheit, gegen mich zu stellen euer Taten und Gesundmachen der Krankheiten über mich schicken. Mit anderem werdet ihr mir nichts angewinnen; dann es bezeugt der Rhein und die Donau und die guten Gesellen, daß Kleidung Haus und Hof sowohl etwan Einer unter Euch hat, [p. 64] mir oft ein Monat nicht gekleckt hat, was macht ihr dann daraus, daß ich nicht mein Hauptgut [Kapital] behalten, das ist meine Kunst? Es ist nicht eines Arztes Lob, so er sein Gut vertrinkt oder sein Haus im Guß hingeht, daß er hierauf verdorben sei. Ich hab mein Hauptgut behalten, das Geld vertummelt, und ob´s ein Grafschaft wäre, noch ist meinem Hauptgut nichts abgangen. Also schauet ihr zu, das ihr mit dem rechten Hauptgut mit mir stechen, sonst wird es umsonst sein; dann aus dem Grund der Arznei solls geschehen von mir gegen euch“ (Bd. VII, S. 375).

Zur ganzen Frage verweise ich zunächst auf den Brief an die Züricher Studenten vom November 1527: „ornatissimo studiosorum Tigurinorum coetui“, worin er zunächst vom „suavissimus ille vester convictus“ spricht „quo nuper apud vos fruitus sum, cuius etiam adhuc cum summa gratiarum actione recorder, sic animum meum ... oblectaverat ... ut adeo gaudium illud apprime citra comitem tristitiam transactum absolutum arbritrarer“. [An den namhaften Zürcher Studenten-Trupp ..., das süße Zusammenleben mit Euch, das ich kürzlich bei Euch genoß, dessen ich mich mit warmem Danke erinnere, hat meine Seele derart ergötzt, daß ich mich von allem Traurigen befreit glaubte. Fröhlich bin ich hingeritten und während ich bei Euch meinem Genius nachgebe und die Seele löse, beste Kneipgenossen.]

Man fühlt es dem arbeitsamen Manne nach, wie ihm nach dem angestrengten Sommersemester, dem er noch weitere Kollegmonate angeschlossen hatte — die halben Herbstferien hindurch —, die fröhliche Ruhe mit der Jugend ein Genuß war; er war ja noch ein junger Professor, der eben erst in die Dreißig eingetreten war. Hilaris profectus dum sie apud vos genio indolgeo adque animum laxo ... combibones optimi ...“ (Bd. IV, S. 75/76).

Ja, er hatte eine fröhliche Weinzunge! Kann man die ihm zum Verbrechen anrechnen? Er ist sich dieser fröhlichen Eigenschaft, die thu zu einem guten Gesellschafter machte, voll bewußt.

[p. 65] Sie war dem Sohne des fröhlichen Schwabenlandes eingeboren, wenn er sie auch in und bei Einsiedeln in seiner Dürftigkeit nicht hatte erproben können. Er spricht denn auch nicht selten vom Weine und seinen Qualitäten, die ja auch ärztlich nicht ohne Belang sind. Wo hat er sie denn gepflegt? Sicher im Schwabenlande bei den Geschlechts- und Standesgenossen! Er lobt ja auch gelegentlich den Neckarwein, z. B. in seinem letzten Buche von den tartarischen Krankheiten an den Eferdinger Pfarrherrn Johann von Brandt im XV. Kapitel, wo er Band XI, S. 95 schreibt: „Der Kelheimer Wein macht viel tartarische Arbeit. Der nun den selbigen hinwegtut, setzt ein Neckarwein an die Statt, der ist sicher vor der Krankheit“. Bald nachher rühmt er im gleichen Kapitel als tartarusfreie Gegend besonders das Veltlin, wobei dem Veltliner Wein gewiß ein wichtiges Verdienst zukam. Was den ebengenannten Kelheimer Wein angeht, so ist damit die Gegend und der Ort an der Donau gemeint, bekannt durch die von König Ludwig I. von Bayern 1863 errichtete Befreiungshalle auf dem Michaelsberge, der Erinnerung an die Schlacht bei Leipzig geweiht. Drei Kilometer unterhalb Kelheim liegt ein Ort namens Kelheimer Winzer, der den Weinbau in der Kelheimer Gegend in seinem Namen festgehalten hat. Von der geringen Güte dieses Weins spricht Hohenheim auch einmal bei der Bereitung von Wundtränken (Bd. X, S. 98), bei der man unschmackhafte Weine vermeiden müsse: „Verstand auch, das dasselbige darum so ungeschmach wird, das Krimmen erweckt und ander Jammer, sonderlich Kelhamer, Züricher und etlich Seewein von Pregatz [Bregenz], die gar zu nichten gut sind“. Angeblich seit Kaiser Probus Zeiten (276—282) breitete sich der Weinbau, von Regensburg und Eining ausgehend, an den Südhängen des Nordufers der Donau aus. Die Bajovaren hatten ihn von den Kelten übernommen und 694 berichtet Bischof Aribo, daß, als der heilige Emmeram an den Hof des Herzogs Theodo I. nach Regensburg kam, die am linken Donauufer sich hinziehenden Höhen völlig mit Weinbergen [p. 66] besetzt waren. Im 14. und 15. Jahrhundert erreichte der Weinbau des Bayerweins in der Kelheimer Gegend seinen Höhepunkt; der Kelheimer, Kelhamer, Kelhambener war damals weit und breit geschätzt. Auf Fürsten- und Klostertafeln fehlte er selten, selbst bis ins Kloster St. Peter nach Salzburg mit seiner weltbekannten Weinschänke gelangte er. Die Kellereien hatten ihre eignen Weinberge bei Kelheim an der Donau; es gab dort große herzogliche Weinlehen. Auch die Stadt Kelheim hatte ihre eignen Weinberge und führte von 1410 ab einen Rebenzweig mit 2 Trauben in ihrem Wappen. Wein war damals in aller Welt das tägliche Getränk, nicht Bier. Doch schon im 16. Jahrhundert ging der Weinbau dort zurück und erlosch ganz mit dem Dreißigjährigen Kriege. Anspruchsvolleren Zungen, wie auch der Hohenheims, hatte der Trunk wohl nicht entsprochen, er preist den Elsässer Wein: „das Elsaß des Weines halben, dieweil ime in Stärke und Schöne nichts abgeht“ (Bd. II, S. 279). Und auch wenn er vom Weine des Rheines spricht, meint er wohl den Wein vom Hange der Vogesen, da er nicht weit rheinab gekommen zu sein scheint. Auch den Rheinsalm nennt er lobend (Bd. II, S. 278): „Den Rhein von seiner Salmen wegen“. Mein Schüler Dr. med. Hans Balzli singt in seiner „Gastrosofia Stuttgart 1931“ in hohen Tönen das Lob des Elsässer Weins S. 25/26: „was uns zu teil ward, macht es mir schwer, auch nur einige seiner würdigen Worte zu finden. Der herrliche Wein... hat an uns verdient, daß ich seinen Namen hierhersetzte: es war ein 1929 Riesling aus dem Clos Saint-Hune (Hunaweier). Dieser Wein war ein Gedicht, eine Sinfonie, ein Traum. Aus der eben geöffneten Flasche strömte uns ein wahrhaft unbeschreiblicher Duft in die Nüstern ... das war eine Blume fast ohnegleichen, eine wahre Zungen- und Gaumenweide! ... die bekannten oberelsässischen Edelgewächse — macht euch auf Freunde, und besucht die berühmten Weinorte Hunaweier, Reichenweier und St. Pilt! — haben einen wohlbegründeten Anspruch auf einen Vorzugsplatz im Gotha der [p. 67] Weine Frankreichs“. Als Paracelsusforscher habe ich diesen Aufruf nicht wörtlich befolgt, aber im Hotel zu Schlettstatt die besten Hunaweierer von 1929 geprobt und recht ordentlich gefunden, trotzdem mir ein leichter Schnupfen den völligen Genuß ihres Duftes minderte. Solchen Elsässer Weinen mögen auch die Kolmarer Zechgenossen, von deren Weinseligkeit wir ausgegangen sind, zugesprochen haben. Auf den Ritten zwischen Kolmar und Straßburg mag Hohenheim die gepriesenen Weinorte Balzlis besucht und ihre Weine getrunken haben, was auch zu seiner Einschätzung der Weine des Elsaß beigetragen haben mag. Daß er im nahen Schlettstadt Station gemacht hätte, ist allerdings nicht überliefert. Mir aber ist die gute, alte Humanistenstadt im freundlichen Gedächtnis geblieben, besonders auch ihr liebenswürdiger Stadtarchivar. In den Nürnberger „drei Büchern von der französischen Krankheit“ von 1529, mit denen er sich schon im Elsaß befaßt hatte, schreibt er (Bd.VII, S. 123) bei der Empfehlung eines starken Weines als Arznei-Vehikel „der beste ist Traminer oder alter Elsässer“, dessen er sich wohl noch gern erinnerte.

„Ellend“

An sich kann Hohenheim natürlich ebensogut schon auf der Tour von Straßburg nach Nürnberg in Eßlingen, an das ihn alte Familienbeziehungen knüpften, gerastet haben, wie auf der Reise von Ulm nach Stuttgart im vorhergehenden oder vorvorhergehenden Jahre. Aber einen leichten, doch ziemlich deutlichen Anhalt gibt ein eigenes Wort des Reisenden. Hohenheim schreibt in einer „Kurz Vorred“ aus Amberg 1530: „Mein Ellend, das zu Eßlingen anfing, bestetten (bestätigten) die Nürnberger.“ Was ihm dort in der alten Reichsstadt am Neckar, von Rebenbergen umsäumt, Besonderes zugestoßen ist, läßt sich nicht vermuten; vielleicht meint dies Wort auch gar nicht mehr, als daß er sich dort auf dem Ritt seiner neuen Heimatlosigkeit bewußt wurde. „Ellend“ ist ja vor allem „die [p. 68] Fremde“. In Basel, Straßburg und Kolmar hakte er sich „wie zu Hause“ gefühlt, seines ganzen neuen Wanderelends ist er sich erst in der Unrast dieser alten Städte bewußt geworden, trotzdem er gerade in Eßlingen alte familiäre Erinnerungen besaß, die dort heute noch wachgehalten werden. Auch ein paar Malereien an einem alten Kaufhaus, das als Eßlinger Paracelsushaus gilt und noch heute so bezeichnet wird, sind vorhanden.

Das schmucke, reichbemalte Paracelsushaus, heute ein Kaufhaus (das Bauchsche), trägt die Inschrift: „Paracelsus wohnte hier 1531.“ So sicher falsch diese Jahreszahl, so ungewiß ist es, daß Hohenheim jemals darin gewohnt hat. Aktenmäßig ist Eßlingen vollkommen stumm über Theophrastus. Die Ratsprotokolle der Stadt beginnen erst im August 1539, als Hohenheim Eßlingen lauge schon verlassen hatte. Für den Nachweis des Eßlinger Aufenthaltes konnte der Herausgeber Huser aber obendrein eine eigne Handschrift Hohenheims als Textvorlage benutzen.

Nicht ganz so zuverlässig herkunftsgemäß fundiert ist eine Stelle aus einem „Franzosenbuch“, die von Nördlingen spricht. Doch kann auch dies Stück unbedenklich für echt genommen werden, wenn auch leider seine Fassung etwas schwankend im Sinne ist: „Sie, dieselbigen Arzt haben meine Stärke (vermutlich in der Syphiliskur) zu Nördlingen gemerkt dem getreuen Rat.“ Es steht eigentlich „Nortlingen“ da, was aber unbedenklich für die alte Reichsstadt nahe dem Ries, ummauert und mit Tortürmen aus dem 16. Jahrhundert, am Flüßchen Eger gelegen, genommen werden kann.

In Nürnberg begrüßt uns ein Wort Sebastian Francks von Word (Donauwörth 1499—1543) in seiner „Chronika, Zeitbuch und Geschichtsbibel“, der ersten allgemeinen Weltbeschreibung, in der es im Straßburger Erstdruck von 1531 auf Blatt 253 heißt: „D. Theophrastus von Hohenheim, ein Phisikus und Astronomus. Anno MDxx1x [1529] ist gemelter Doctor gen Nürnberg kummen. Ein seltzam wunderlich [p. 69] Mann, der fast alle Doctores und Scribenten in Medicinis verlacht. Den Avicennam soll er verprent haben zu Basel in offenlicher Universität, und allein schier wider alle Medicos ist, mit seinen Recepten Judiciis Medicin und vil Widersinns mit vilen helt. Des Practiken schier wider all ist, gleichsam ein ander Lucianus.“ Franck weilte damals in Nürnberg und ist mit Hohenheim bekannt geworden, der offenbar einen starken Eindruck auf ihn machte.

Wie Theophrastus selbst mit einer gewissen Fröhlichkeit diese Nürnberger Zeit empfand, werden wir von ihm selbst beim Abschied in einem Brief an einen befreundeten Arzt zu hören bekommen. Nürnberg war hauptsächlich der Schriftstellerei über die Syphilis gewidmet, mit der er ja schon in Kolmar begonnen hatte, vielleicht zum Teil schon in Basel. Allenthalben war ja „continuus labor“ seine Leitmotiv. Auch für die Drucklegung schien sich Nürnberg gut anzulassen. Zuerst gab er auf 7 Quartblättern ohne Datum ein Büchlein über und gegen Guajakholzkur, noch 1529 erschienen, heraus. Sodann erschienen mit Widmung an den einflußreichen Nürnberger Ratsschreiber Lazarus Spengler, seinen „in sondern günstigen Herrn“ die „Drei Bücher von der französischen Krankheit“, also der Syphilis, voller scharfer Polemik gegen die Mißgriffe der derzeitigen Ärzteschaft und deren Remedur mit der Wiederaufbringung der kurmäßig Verdorbenen. Während die Widmung auf den 23. November 1529 datiert war, findet sich am Ende des Werkes bereits die Jahreszahl 1530. Beides war bei Friedrich Peypus (Beifuß) gedruckt. Dabei ist ein gewisser Unsicherheitsfaktor nicht zu übersehen, der durch folgende Angabe Chr. G. von Murrs: „Von der Französischen Krankheit, das erst Buch, gedruckt zu Nürnberg durch Jobs Guttknecht 1529, 4°“, in diese einfache Sachlage hineinkommt. War vielleicht Guttknecht der Weiterdruck verboten worden, und Peypus hatte kurzen Prozeß gemacht, das Ganze schnell fertiggestellt und auf den Markt geworfen?

[p. 70] Hohenheim machte sich unterdessen an die Ausarbeitung einer weiteren großen Luesschrift in acht Büchern „Von Ursprung und Herkommen der Franzosen, sampt der Rezepte Heilung“ (Bd. VII, S. 183—366), sein mächtiges Schlußwort über die Syphilis, und begann die Ausarbeitung des sogenannten „Spital-Buchs“, das allen Ärzten gewidmet ist. Es ist voll tiefer Gedanken und bringt schon zu Anfang das gewaltige Wort: „Der höchste Grund der Arznei [d. h. der Heilkunst] ist die Liebe.“ Und gegen Ende nimmt er energische Stellung gegen die, die ihn nur als Chirurgen gelten lassen wollen:

„Ich soll nach Eurem Urteil ein Chirurgus sein und kein Physikus, womit wollet ihr das urteilen, dieweil ich doch offenbarlich achtzehn Fürsten, durch Euch verlassen, in Physika [innerer Medizin] aufbracht hab (ohne Rum [Ruhm] zu schreiben)! Dieweil ich auch im Niderland, in der Romanei, in Neapolis, in Venedigen, Denemarkischen und Niderlendischen Kriegen so treffenliche Summe der Febrischen aufbracht und ob den vierzigerlei Leibkrankheiten, so in denselbigen funden worden, in gesundheit aufgericht. Soll auf Solches kein Leibarzet sein, der Euch die Lügen der Scribenten underkehrt, der Euch die Irrsal und Misbrauch anzeigt, deren End begert zu sehen, den Ihr fliehent und mein Erfahrenheit, die ich aus Littau, Holland, Ungarn, Dalmatien, Kroaten, Rhodis, Italien, Frankreich, Hispanien, Portugal, Engelland, Denmark und allen deutschen Landen mit großem Fleiß überkommen hab, soll ein Hohn und Spott seind So hab ich mehr den Kranken erschossen [genützt] in Euer Pflicht, dann Ihr selbst.“ Das mag gleichzeitig dem in den Wanderjahren Mitgeteilten zur Ergänzung dienen.

Da er nun einmal in den Konfidenzen an den Leser drin ist, kommt er zum Schluß auch auf das lockere, verschwenderische Leben mit den Zechgenossen im Elsaß und anderwärts offenherzig zu sprechen, wie wir es zu End des Kolmarer Berichtes schon mitgeteilt haben (Bd. VII, S. 374 bis 375).

[p. 71] Sein fast heimisches Bekanntsein mit Nürnberger Eigentümlichkeiten scheint sich in der Wendung des Schwörens „Auf Eppis Arzt“ (Bd. VIII, S. 45) auszusprechen. Eppelein von Gailingen (1310—1381), der von der Nürnberger Burg im Sprung über den dort sehr breiten und tiefen Stadtgraben zu Pferde entfloh, wovon die Hufspuren auf der Mauer noch heute gezeigt werden, ließ seine Opfer auf seine Streitaxt schwören.

Über Hohenheims Heilung von neun Aussätzigen im Nürnberger Siechkobel[11] berichten Gohory und Baillif de la Rivière. In den Nürnberger Ratsakten war darüber nichts festzustellen. Aber Hohenheim macht sich (Bd. VIII, S. 44/45) über die Nürnberger Stadtärzte lustig: „Das seind die geschworenen Meister von Nürnberg und ihr seind von Gottes Gnaden vier; sie seind bestellt Narren und hüten Euch vor solchen bestellten Bescheißern; sie bescheißen die Leut mit Gewalt, dazu helfen Fürsten, Städt und Land...“

Ein köstliches Kleingemälde aus dem Leben der Nürnberger Praktiker ist ihr Verhältnis zu den Apothekern, die Unwissenheit der Doktoren der Medizin in Apothekerdingen (Bd. VIII, S. 44): „Ich hab Euch geheißen Apothekerschützen [Lehrlinge, Anfänger] und ist wahr; dann wie die Schützen fragen: 'Herr Apotheker, was ist das, wie heißt das?' Und wann er sagt, es heißt also, so saget Ihr: 'Lieber, ists wahr? Ich hab viel davon gelesen, aber bei Gott nicht erkennt.' Das Fragen zeigt an, daß Ihr Schützen seind (mit Züchten, lieber Doctor) und so der Apotheker spricht: 'ehrwürdiger Herr Doctor, kennt Ihr´s nicht?', so sprechent Ihr: 'Herr Doctor, bei Gott nein; ich kenns nicht' und 'bei Gott, das ist wahr', und seid also bestätigt, offenbar gefirnißte (bei Gott) Narren und Geuch! Ist Euch das nit ein Schand, daß der Apotheker, der ein Bachant [angehender Student], ein Büffel, ein Sudelwust und Nichts ist, soll Euch, [p. 72] Herr Doctor, lernen [lehren]? O, wie muß der Herr sein Weisheit nehmen von Claus Narren! Ist der nit ein Schütz, der ein eigen Ding nit kann, nit kennt und hats in der Hand? Urteilen´s!“

„So soll ich ein verworfen Glied sein der Arznei, ein Ketzer darin, ein Verführer!? Und die Kundschaft der verlogenen Skribenten Avicennae und Galeni etc. sollen Euch überzeugen und Euer Mörderei soll mich umbstoßen? Ich wird grünen werden, so Ihr werden des dürren Feigenbaumes Fluch tragen, dann die Axt liegt am Baum; der Himmel mag nimmer sein eigen Übel sehen, er wird sein Astronomos machen und die Erden ihr Philosophos [Naturkundigen] und das Licht der Natur seine Alchimisten. Und sie werden Euch und Eure stolze, hochtragende Frauen neben den Hundschlagern setzen. O wie ehrlich, ihr stolzen Bälg, ihr üppigen. Ein jeglich lasterlich gewonnen Gut muß mit solcher Üppigkeit verzehrt werden. Wehe Euch, so Euch der Mülstein an Hals kommt, so werden Ihr büßen die Schleckli [Schleckerein] der Hechtlin und Malvasier und die seidnen Müdlingen und Porten [Mieder und Borten] und gnad Frauen. Also zeucht der Teufel die Seinen, also will er sie han, damit man durch ihr Hoffart seh, wie ihr Künst seiend ...“ (Bd. VIII, S. 42); die üppigen Nürnberger Doktorsgattinnnen haben den Zorn des kleinen Mannes nicht wenig erregt.

Alle solch kleinen Widerwärtigkeiten aus Nürnberg hat er später in Beratzhausen aufs Papier gebracht. Als Nachklänge aus Nürnberg sollen sie in seiner Biographie nicht ganz unterdrückt werden. Sie runden das Bild seiner Eindrücke in der reichen Reichsstadt, „wo die talarischen und ringlerischen Doctor wachsen“, im Gegensatz zu denen es heißt „jetzt steigt der Arzt auf und leuchtet in der Arznei“ (Bd. VIII, S. 40), und „das ist ein Arzt, der da weiß zu helfen und zu vertreiben die Krankheiten mit Gewalt“ (S. 41), oder „Gesundmachen einen Arzt machet und das Werk kreiert den Doktor und Meister nit Kaiser- und päpstliche Heiligkeit!“

[p. 73] Seine Schriftstellerei beschäftigt sich, wie wir bereits sahen, mit der Syphilis, mit der er dort zu Ende gekommen ist, gewiß kein unwichtiges Gebiet der damaligen Heilwissenschaft, über das er sich zum Schlusse noch einmal ausspricht: „Warum lästern Ihr ... denn mich, daß ich von Franzosen schreib, sagen, ich weiß sonst nichts. Ist es ein Kleines oder also zu verachten, so einer die größt, die bösist, die weitest Krankheit beschreibt und die, von der keiner nie geschrieben hat; darumb hätt ich mich vermeint, groß Ehr erlanget zu haben, wiewohl mein Will nie gewesen ist, von Euch gelobet zu werden“ usw. (Bd. VIII, S. 42/43).

Das Jahr 1529 war unterdessen zu Ende gegangen, der Boden in Nürnberg ihm wohl etwas heiß geworden, er hatte die alte Stadt an der Pegnitz nach Süden verlassen. Ein befreundeter Arzt — es soll Doktor Magenbuch († 1546), der auch Alchemie trieb, gewesen sein — schickte ihm einen Brief, der ihn zur Rückkehr bewegen sollte, uns aber nicht aufbehalten ist, wohl aber die fröhliche Antwort Hohenheims, der zur Rückkehr keine Neigung zeigt:

Eximie doctor, non est mirum, quod medicus medicum salutat, nempe perregrinus suum peregrinum quaerit, et alii quamplures alienigenae suas erga me faciunt cognitiones, cunctis enim honestis licentia data, se ipsos salutare invicem inter cognatos et extraneos, et optime petis tum verbis cum literis, ut quam primum redeam. Caeterum in rebus meis pergere nec desino, nec tempus rapit horam, nec Venus, sed continuus labor, iam iam in his, iam iam in aliis, item ut incepi, quae scribere, placent, scribo et quae astra et quae tellus imperant, ausus sum depictis illis physicis scribere et imprimi facere, quamprimum igitur Esthiomenum dulce fiet et Anthrax aegri commodus, ad Norimbergam ut redeam posse curabo, praecipue ut personam personae ostendam et tuis erga me humanitatus fruar bonis. Licet terra me fixum non dedit (vel licet non fixis pedibus me dedit terra), nec parens immobilem Theophrastum genuit, ob quam causam patria mea paucis tribuitur et difficillime sum habendus. Vale et quibus huiusmodi tibi [p. 74] gratificari possum, paratum me habebis. Iterum vale et vatem medicum ama.

Deutsch:

Trefflicher Doktor! Es ist nicht verwunderlich, daß ein Arzt den andern grüßt, wie ein Erdenwandler den anderen Erden wandler sucht und andere mehrere andersherige mit mir Bekanntschaft machen. Allen ordentlichen Leuten ist es erlaubt sich gegenseitig zu begrüßen, unter Bekannten und Fremden und eindringlich bittest Du, daß ich baldigst wiederkehre Doch höre ich nicht auf, in meiner Arbeit fortzufahren, und die Freizeit reißt mir die Stunde nicht weg, noch eine Liebelei sondern ununterbrochen Arbeit, bald dies, bald jenes, wie ichs begonnen habe. Was ich schreiben mag, schreibe ich, was Gestirn und Erde mich heißen, schreibe ich den wohl gekennzeichneten Ärzten und lasse es drucken. Sobald der Karbunkel angenehm wird und der Blutschwären erträglich seinem Träger werde ich mich zur Rückkehr nach Nürnberg rüsten, damit ich als Mann den Männern gegenübertrete und deine Freundlichkeiten genieße, obgleich die Erde mich nicht seßhaft geschaffen hat und mein Vater mich nicht unbeweglich gezeugt hat, darum bereitet schnell mein Vaterland, und nur schwer bin ich zu halten. Lebe wohl, ich bin bereit, dir zu geben womit ich dir gefällig sein kann. Leb nochmals wohl und liebe deinen Arzt und Propheten.

Mit „Vates medicus“ hatte Magenbuch in seinem Brief ihn angeredet und Hohenheim akzeptiert diese Anrede in seinem Schlußwort.

Er fährt in seinem Ritt nach Süden fort und war schon bis in die Nähe der Donau gekommen, ehe ihn ein Brief der Nürnberger Stadtbehörde erreichte, über dessen niederschmetternden Inhalt folgende Eingabe Aufschluß gibt:

„Den Erbaren, Fürsichtigen und Weisen, Bürgermeister und Raht, der loblichen Statt Nürnberg, meinen günstigen lieben Herren. Ich werd unterrichtet, wie daß aufs verschiener Zeit, nemblich, von Leiptzig sey ein Schrifft kommen. Ihr habt nichts auff den Druck zu urteilen: warumb urteilet ihr denn [p. 75] meine Arbeit? habt deß kein Verstandt nit. Wiewol mir das Evangelium nit gethan hat. Dieweil nun aber das Evangelium vermag, die Wahrheit zu eröffnen, und die mit nichten zu verschweigen: Und ich als ein Doctor deren bekannt, und ir als Beschirmer des Evangelions, und der Wahrheit Fruchtbringer: hab ich mich aufs solchs gen Nürnberg gefügt, mein erst Buch fürgehalten erlaubt worden. Nun aber weiter — dieweil mir soll der Druck durch das Evangelium abgeschlagen werden, durchauß in allen dingen, so muß ich ohn Verantwortung bleiben, und also muß die Warheit verschwiegen bleiben, deß das Evangelium ein Ursach seyn wird. Auch der gemeine Mann wird da gehindert, den ich allererst zu fördern geneigt, und nit anzusehen dies oder jens. Haben die zu Leipzig [also von dort kam die Beschwerde] etwas gegen mir, rechtlich disputieren: Sich darf hierin niemands legen, wir Werdens wol ausmachen. Ich lester niemands. Wieviel seind offentlich welche die H. Magistrat lestern, alle Secten und Stände beyde Geistlich und Weltlich, Edel und Unedel, im Druck und in ander Weg: des Lestern ich mich nit fleiß: welchs nachgelassen wird und zugesehen, und das mein, das weder Obrigkeit, Fürsten, Herren, noch Magistrat nit berürt, nein die Betrieger der Arzney: aufs daß der gemein Mann, Reich und Arm, der Bescheisserey entledigt werde. Aus was Ursachen sie mir dies abschlagen, dieweil ich noch zu keim Lästerer erkant bin, noch uberwunden. Daß die Hohe Schule, ob mir klagt, richte sie gegen meiner Person auß, nicht zu verbieten den Druck, dann der Druck steht nit in solchen Dingen, der Disputation zu befehlen verbieten, niemands vorzuhalten. Darumb ist der Druck, darumb druckt man, auf daß die Wahrheit an tag kome, der ihn mir niederlegt, der niderlegt die Wahrheit so lang, biß ich in der Disputation überwunden werde.

Nun steht Euch der Druck nit zu urteilen noch zu verbieten, vor angesetzter beschehener Disputation. So ich aber je soll und muß die Suppen essen, bitt Euch, wöllet mein eingelegte Supplikation verlesen, und handeln nach Inhalt der [p. 76] Supplikation, dz ich vor mäniglich und mäniglich auch von mir entledigt werd, von wegen deß Evangelions, so zu Nürnberg gepredigt und verkünt wird. Ihr müßet auch gedencken, daß die, so der Warheit wider, platz haben, und die, so der Warheit anhangen, vertrieben werden.“

Mit solchem Wortlaut hatte Hohenheim sich an den Nürnberger Magistrat wenden wollen, wie ihn Huser überliefert[12], nachdem bei ihm das Verbot seines mit Erlaubnis des Magistrats in Druck gegebenen Buches über die Syphilis eingelaufen war. Er hatte wegen der Schärfe seines Tones Bedenken bekommen und entwarf nun ein neues Handschreiben an den Nürnberger Rat, das er durch Boten nach Nürnberg sendet, wie es gleichfalls bei Huser (a. a. O. S. 679 unten) sieht:

„Erbar, fürsichtig, weis, und günstig lieben Herren, mein willig geflissen Dienst sein E. F. W. zuvorn. Günstige liebe Herren, Demnach ich von Imposturis der Artzney durch E. E. F. W. Erlaubnis in Druck hab lassen ausgehen, Nachfolgend mit mehrer Notdurfft ein Buch gesezt in der Gemein, alle Kranken betreffend, doch deß fürnemens, die armen Krancken darinnen zu betrachten, auff daß dieselben am wenigsten doch mit mehrem fleiß betracht und nicht so jämmerlich verderbet würden: und dasselbig Buch durch Hectors Diener in die Canzlei lassen antworten, darinnen ich sonderlich verhofft, dieweil ich hierin anders nichts dann die armen Kranken allein betracht, und die Unerfahrenheit etlicher Arzt zu erkennen gib, wol gehandelt sein: Ist solchs durch E. F. W. nit zu drucken vergunnt und nachgelassen worden. Nun aber in meim Abwesen, langt schrifftlich an mich, wie daß solches Buch auch andere mein Schrifften, durch E. E. F. W. niedergelegt und abgeschlagen sei, nemlich durch anbringen etlicher von Leipzig, vielleicht nit ohn Scheltwort. Hierauff ist mein unterthänige Bitt an E. E. F. W. als an mein günstige [p. 77] Herren, mich dermaßen ohn Verhör Ungunst fassen, und so leichtlich glauben geben denen, die ich mit Wahrheit berührt habe. Dieweil insonderheit diese E. E. F. W. löbliche Statt Nürnberg, aus kraft deß Evangelions, die Warheit zu beschirmen, und auch die, so die Warheit öffnen, berümbt zu fürdern, lieben, statt und platz reichen und geben, wollen mich solcher Evangelischer Krafft nit entsetzen, denn je mehr die Warheit gemeldet wird, je mehr sie die Schlangen zu hindern fleißigen. Hat eine hohe Schul von Leipzig der ich mich versihe, oder die Facultet gegen mir zu handeln, gehört mein Person an darinnen weder E. E. F. W. noch andere Gericht nichts zu handeln noch urtheilen haben, aus Freiheiten der Universitäten biß in vergangene Disputation, da billichs oder unbillichs sich selbst eröffnet, als dann den unbillichsten Theil dermaßen verdammen.

So ermahn ich auch E. E. F. W., zu bedenken, soll mir solcher Druck jetzund abgeschlagen bleiben, und denselben (der doch auff E. E. F. W. Erlaubnuß angefangen ist) nit vollenden, daß das vorgangen gedruckt Buch ausgeloschen wäre und zu schwer zu verstehen, das ich jetzund mit mehrer Fruchtbarkeit erkläre: So mußt ich mich beschweren, mein fürnemen ungeendet zu bleiben durch Zulassung des ersten Drucks, das doch nun fürhin mit kleinen Schriften zu End gebracht mög werden. So die von Leipzig dasselbige nachfolgend lesen werden, acht ich, daß sie sich weiter gegen mir nit einlegen; wo aber nit, so soll mir die Warheit hierin zu verkündigen offenstehen im Druck, so es dermaßen angefangen ist. Der Mangel oder Zweifel hierinn trägt, soll offentlicher Disputation mit mir eintretten, wie ich denn auch vormals, als jetzund, urbietig gewesen.

Bin derwegen des verhoffens, E. W. F. W. werden mich auf solchen gütlichen Bericht inn meinem Werk, welches doch weder Gewalt noch Herschafft anlangt, sondern allein der armen Krancken Nutz betracht und fürdert, nit verhindern, dieweil auch das mein Schrifft allenthalben bedeutlich unterweisen, und erklären, auß was gemüt und grund ich geschrieben, das will ich umb einen Ersamen F. W. Rat diser löblichen [p. 78] Statt, gegen einen jeglichen insonderheit mit höchstem Fleiß verschulden. Hiemit günstiger schrifftlicher Antwort erwarten. Geben zu Beritzhausen I. Martii, Anno 1530.

E. W.
Theophrastus von Hohenheim, beyder Artzney Doctor.

Bei der Nürnberger Druckinhibierung ist auch noch ein Umstand einer näheren Besprechung wert. Mehrfach weist Hohenheim darauf hin, daß diese Maßnahme auf ein Einschreiten von Leipzig aus erfolgt sei; wie ihm der Rat wohl in seinem Schreiben hatte mitteilen lassen. Nun war in diesen Jahren der Dekan der Leipziger medizinischen Fakultät ein sehr namhafter Mann, der Prof. Heinrich Stromer aus Auerbach in Oberfranken, dessen Dekanatsbuch noch heute in den Fakultätsakten vorhanden ist. Stromer spielt auch in den Personen um Hutten und die Fugger, die als Guajakimporteure berühmt waren, eine beachtenswerte Rolle und hat die ganze Aktion gegen die Hohenheimschen Nürnberger Syphilisschriften aus eigener Machtvollkommenheit in die Wege geleitet. In seinem sehr genau von mir durchgearbeiteten Dekanatsbuch ist kein Spürchen von seiner Nürnberger Aktion zu finden; er hat seine Fakultät gar nicht in diese Angelegenheit hineingezogen, an der er ein ganz persönliches Sonderinteresse hatte, namentlich an der Guajakkur im Interesse der Augsburger Fugger und der Erfahrungen Ulrichs von Hutten, dessen Buch über die Guajakkur 1519 erschienen war. Hohenheim schreibt darüber (Bd.VII, S. 55). „Das erst Geschrei des Holzes hat ein unerfahrener und gar weltrühmig Mann in Deutschland bracht, der kein Aszendenten in ihm, denn sein Maul voll neues Geschrei zu tragen, dieser ist der Doctoren und Meister Schulmeister und Lehrmeister gewesen; was Guts er sie gelernt hat, hört man täglich von den Kranken.“[13] Auch Hutten hatte ja erfahren müssen, am [p. 79] eigenen Leib, wie wirkungslos auf die Dauer das Guajak für seinen Körper geblieben war. Er ist den Spätfolgen seiner Lues am 1. September 1523 auf der Uferau im Zürichsee erlegen, wenig über 35 Jahre alt.

Das Antwortschreiben auf das Druckverbot, das ihm der Nürnberger Rat nachgesandt hatte, verfaßte Hohenheim in „Berizhausen“. Es ist das Schloß Beratzhausen an der Schwarzen Laber, wo Hohenheim in kurzer Rast Rückblick auf seine Nürnberger Erlebnisse hielt und allen Ärger und Verdruß aufzeichnete. In diesen Tagen hat er endlich wieder einmal Ruhe zur schriftstellerischen Arbeit gefunden.

Das ganze dortige Wesen war für Hohenheim eine ständige Anregung zum Ausspinnen seiner religiösen bzw. theologischen Gedanken. 1567 hat Hans Bernhard von Stauff die Herrschaft Ehrenfels samt Beratzhausen an Herzog Wolfgang von Pfalz Neuburg verkauft.

Der betrügerische Kranke

Anschließend an die arbeitsreichen Tage in Beratzhausen an der Schwarzen Laber ist noch Bericht von einer Übeln Expedition nach Amberg zu geben, der aus Hohenheims eigenem Munde also lautet:

„Mein Elend das zu Eßlingen (etwa 1529) anfing, bestetteten [bestätigten] die Nürnberger: Nun in allem dem, wie ich allda betrogen ward, stellt nach mir der Steffan etc. also ging es.

In der Oberen Pfalz ligt ein Städtlin, heißt Amberg, darin ist ein Burger, heißt Bastian Kastner, derselbig nach langerlittner Krankheit in eim Bein, durch viel Händ der Artzt geloffen, hin und her alle ding versucht, jedoch je länger je böser, nichts erschießliches [Ersprießliches], soviel, daß weder ruh noch rast da war, auch unterhalb dem Kaie nit viel ganz, mit großem stanck and unflat, als ihr dann alle mögen ermessen, [p. 80] wie solch faul stinkend Oelschenkel in Esthiomenis und Cancrenischen[14] ein art an ihn[en] haben.

Dieser, dieweil ich in Regenspurg war, ließ er durch den Bernhart vel Leonhart, Münzmeister daselbst, soweit an mich reichen, daß [ich] ihn besichtiget: das beschicht, sein Reichthumb wird mir angezeigt, auch eine große Verheißung, wie dann in nöthen all Krancken gebrauchen: und aber je näher dem End, je weniger zu halten bedächtig sind. Dieses beschicht: Nun hätt gebürt auff solchs begeren, daß er mir hett den Ritt von acht Meil bezahlt: Aber da was viel Guts, wenig Erharts, wie dann der Reichen gemeiner [üblicher] Brauch ist: Und schied also wieder von ihm ab, meines Fürnemens, nichts mit einem solchen Mann zu handeln, der nit der Ehren wär, und das Gelt geben, den Ritt begerte, wie sich gebürt. Dann wo im anfang ein solcher Filtz ist, was soll sich der Artzt im endt dazu versehen? Ich wurdt überredt vom Bernhard, der mit mir von deß Ritts wegen abredt, und vermacht ein Revers mit meim geheiß, ein große summ Gelts, so er gesund würd, zugeben, an seiner statt.

Also nahm ich ihn an und Essen, Trinken etc. Aber ich blieb nit auff meiner Bahn: kam in sein Haus, da geschah mir das. Darumb ich allen Artzten rath, hüten euch vor Kranken, die sich Herberg und der Speis bey ihnen entbieten! Sie bescheißen euch all, oder Habens doch im Sinn. Nun also fuhr ich fort und hub an und heilt an ihm am ersten die Arm etc., da kam erst, etc.

Nun ligt die Kunst nit am heylen [d. h. am Zuheilen der wunden Stellen mit änßeren Mitteln], sondern sie ligt an dem Griff, daß nit aufbrech am selbigen Ort, oder an eim andern. Aber derselbig Doctor Burzli, sein Bruder genannt Hans Kastner, hat dasselbig nit geschmeckt, sondern der Heylung nachgeeylet. Und also so er die Kunst begriffen hat, und vielleicht [p. 81] genugsam, erlernet, ... wie dann solch Apostüzler die Kunst erlangen, heimlich eingebrochen, Arzney auch gestolen, und ander Lügnery [gebraucht]...“

Einiges, das in diesem Erzählungsbruchstück dunkel geblieben ist, wird im folgenden aufgehellt, worin auch auf den im Anfang genannten und weiter nicht mehr erwähnten Steffan einiges Licht fällt. Hohenheim schreibt ein andermal[15]:

„Wie es mir ergangen ist, dasselbig will ich euch erzehlen, von zwo Personen, Steffen und Kastner, die dann solches bey mir nach beschehener arbeit gespürt haben, und vor der Zeit der Belohnung ein Eintrag gemacht, nit Ehren halben, sondern daß man mir die Belohnung nit geben. Einer hats wol, der ander was blutarm, und aber beyde eins Sinns: Sie waren beyde Alchimisten, Künstler, und aber der ein hat ein Bruder seins Gebacks, ein Doctor der Kunst und Meister der Lügnerey und Bescheißerey; haben die Arcana Simplicium gesehen und, den Farben nach geurtheilet, für den Praecipitat [rotes Quecksilberoxyd] angesehen und auf das vermeindt, sie können die Kunst auch, da es kommen ist schier zum Endt mit mir,... stößig geworden und also hingeschüpst mit spott, und sie angestanden und zum Endt gearbeitet. Der ein beschiß sich selbst: dann es war nit der Praecipitat. Der ander betrog sich selbst: dann ob schon sein gantzer Leib heyl war, so war er doch inwendig nichts nutz zu dem ding ... Geben zu Amberg in meiner Einöde, am Zinstag vor Margaretae. Im 30. [12. Juli 1530]

Offenbar sind die Vornamen Stephan und Sebastian z. T. miteinander konfundiert!

In Regensburg hat Hohenheim auch die Sonnenfinsternis vom 29. März 1530 erlebt, zu der er sich Bd. VIII, S. 225 geäußert hat.

Para-Zeit

[p. 82] Sie hat schon in Nürnberg begonnen und dauerte rund zwei Jahre. In St. Gallen fand sie ihr Ende. Theophrastus befand sich wieder in einer „Para“-Zeit. Fast symbolisch fand sie ihren Anfang derart, daß Hohenheim im Titel der „von der Französischen Krankheit drey Bücher“ das Wörtchen „Para“ im Nürnberger Originaldruck fast zwecklos eingeschmuggelt hat; es ist auch in dem Kölner Nachdruck beibehalten worden, ohne Hero Fuchsen[16] großes Nachdenken zu erwecken.

Allen späteren Drucken der „Drei Bücher“ fehlt das „Para“, das sicher nicht eigentlich im Sinne von „neben“ eher von „vor“ gedacht ist. Jedenfalls soll es eine Art von Auszeichnung bedeuten. Es findet sich schon in dem frühen „Volumen Medicinae Paramirum“, dem ganz offen ein „Bündel“ von vordringlicher Bedeutung angemutet wird (Bd. I, S. 40 und S. 163 ff.), wie auch im Para-Korn in Beratzhausen, dem „Paragranum“, das auch als der „Liber quatuor Columnarum“, das Vier-Säulen-Werk, bezeichnet ist (Bd. VIII, S. 31 ff.). Den Abschluß der „Para-Zeit“ bildet das „Opus Paramirum“, die Aetiologischen Wunderlichkeiten der neuen Weltschau, die in den „unsichtbaren Krankheiten“ ihre letzte Staffel ersteigt (Bd. IX, S. 249 ff.). Para-Werk ist offen nachweisbar in Nürnberg, Beratzhausen und St. Gallen.

[p. 83] Auch das Büchlein über die Virgo Theotoka im ersten Salzburger Aufenthalt erhielt schon die Nebenbezeichnung eines „Paramirischen Werkes“.

Paragranum

Das „Paragranum“, fast das Grundwerk des Ganzen, wurde auch in Beratzhausen 1530 fertiggestellt. Es stellt die vier Säulen der Heilkunde ragend auf: Philosophie (Naturwissenschaft), Astronomie einschließlich Wetterkunde, Alchemie (chemische Arzneibereitung) und Virtus. Aus der Naturwissenschaft wird das Krankwerden verstanden, aus Himmel und Erde, aus Luft und Wasser. Auch die Therapie wird nicht nach konstruierten 'Humores' und anderen Schematismen verstanden und geregelt, selbst wenn sie von Albertus Magnus herstammen: allseitige Kenntnis der Natur ist auch für alles Ärztliche die unentbehrliche Vorbedingung, nicht gelehrte Spekulationen und Doktrinen. Auch die ganze Graduslehre — die Lehre von den 'Graden' der Arzneien — ist im Grunde Hirngespinst. Was nun die Astronomie angeht, so 'zeucht' der Leib den Himmel an sich nach großer göttlicher Ordnung. Der Mensch ist nach Himmel und Erde und aus ihnen gemacht. Sein Vater ist Himmel und Erde, Luft und Wasser. Auch der 'große Mensch' kann krank liegen, der Himmel kann Krankheit schicken, die er selber wieder nimmt ohn menschliche Arznei; sie sterben oder genesen, so ist´s der Himmel; sie sind der Arznei nicht unterworfen; ein Eingriff des Arztes ist nur schädlich. Die Wirkung des Himmels, der 'Astra' und der 'Planeten' auf unseren Körper und seine Krankheiten und deren Heilung, auf die Wirksamkeit der Heilmittel ist aber noch weit vielseitiger und gar nicht hoch genug zu beachten. Auch bei der dritten Säule, der Alchemie, die im weitesten Sinne als die Zubereiterin aller Dinge zum menschlichen Gebrauch aufgefaßt wird, nicht nur chemisch, wird eingehend die Gestirnswirkung berücksichtigt und besprochen. Und doch erklärt Hohenheim auch hier wieder, daß in allen Dingen ein Gift sei, auch in guten, deshalb sind auch „Correctiones nötig befunden worden.“ Der Schluß dieses Abschnittes geht ins allgemeinste (200) ... [p. 84] „als ich auch nit allein mit dem will beschlossen haben, sonder auch weiter für und für davon schreiben, ob mir schon die hohen Schulen nit folgen, ist mein Will nit, denn sie werden noch nieder genug werden. Ich will Euchs dermaßen erläutern und fürhalten, daß bis in die letzten Tag der Welt mein Schriften müssen bleiben und wahrhaftig und die Euern werden voller Gallen, Gift und Schlangengezücht erkannt werden und von den (201) Leuten gehasset wie die Kröten. Es ist nit mein Will, daß Ihr auf ein Jahr sollet umfallen oder umgestoßen werden, sondern ihr müsset nach langer Zeit Euer Schand selbst eröffnen und wohl durch die Reutern [Sieb] faßen. Mehr will ich richten nach meinem Tod wider Euch, denn davor und ob Ihr schon mein Leib fressent, so habt Ihr euer Dreck gefressen; der Theophrastus wird mit Euch kriegen [kämpfen] ohn den Leib.

(201) Bedenken mit höchstem Fleiß, wozu Ihr wollen lenden [hinkommen], nämlich in die Gesundheit der Kranken. So das nun Euer Fürnemen ist und alles Argument, so laßt mich auch in der Zahl sein derer, die Euch lernen; dann ich lende in die Gesundheit der Kranken, mit was Grund und Tapferkeit ist beschrieben und täglich wird ichs eröffnen. Darum aber, daß ich allein bin, daß ich neu bin, daß ich deutsch bin, verachten darum meine Schriften nit und lasset Euch nit abwendig machen.“

Besonders wichtig und bezeichnend ist auch die vierte Säule, die „Virtus“, auch als „Proprietas“ bezeichnet, den „andern den Nutz zu tragen“: Der Arzt ist von Gott. Auch wenn er tatsächlich etwas kann, soll er nicht seinen Nutz betrachten, sondern den des Kranken, Treu auf Treu. Auch die Redlichkeit eines Arztes ist eine Grundsäule, stehend auf der Wissenheit der Künste. „Gott hat den Arzt unter allen Künsten und Fakultäten der Menschheit am liebsten, so muß er endlich kein Larvenmann sein, (205) kein altes Weib, kein Henker, kein Lügner, kein Leichtfertiger, sondern ein wahrhaftiger Mann, so redlich und standhaft als die erwählten Apostel Christi; er ist nit minder bei Gott. Er soll auch eines guten Glaubens sein, ein Vollbringer der Werke Gottes. Er wird Dir sein Werk offenbar machen glaublich, sichtlich, tröstlich. Alle Künste auf Erden sind göttlich, sind [p. 85] aus Gott und nicht aus anderem Grund. Denn der heilig Geist ist der Anzünder des Lichts der Natur, darum niemand lästern mag die Astronomei, niemand die Alchimei, niemand die Medizin, niemand die Philosophei, niemand die Theologei, niemand die Poeterei, niemand die Artisterei, niemand die Musik, niemand die Geomancei, niemand die Auguria und ander all und warum? Was erfindt der Mensch von ihm seihst oder durch sich selbst? Nit um Plezl [Flicken] in ein paar Hosen zu setzen! Was erfindt der Teufel? Nichts auf Erden! garnichts, nicht als viel, daß man ein Laus auf dem Kopf möcht töten oder fahen. Was aber in uns erfunden wird durch das angezündte Licht der Natur, als dann so ist der Teufel der Wegweiser, der da alle Ding, so uns Gott gibt, understehet zu fälschen, zu Lügen zu machen und zu Betriegerei, daraus dann alle Handwerk Hinderung nehmen, die Alchimei verführt ist worden und bracht in die lügenhaftigen Zeugen und falschen Lehrer, dergleichen die Geomancei auf ein falschen Grund gesetzt, die Medizin aus ihren rechten Trappen gebracht. Und also hat der Teufel die Auguria auch verwandelt ... (209) also wissen, daß hier der Arzt ein Aufseher soll haben; denn nicht auf des Satans Grund sondern auf den Grund Gottes ist er gebauen und soll der Wahrheit unverruckt stät wandern.

(211) Der Arzt ist nit den Menschen underworfen, sondern allein Gott durch die Natur. Er muß jung sein wie der Senfbaum des Evangeliums, damit er wachsen kann mit der Art des natürlichen Lichts in ganzer und vollkommener Treu und in Treuen gelernt haben, was ihm anliegend sei, nicht aus Schein und Maulgeschwätz, in langer Zeit und Erfahrenheit. Wie alle Handwerk von Jugend auf anerzogen sind, so auch der Arzt, in dem alle Kunstreiche liegen soll. Am Arzt ist mehr gelegen, denn an anderen Fakultäten; er soll Vater der Philosophei und Astronomei sein, muß mehr wissen als das Plodern Avicennas und die Neugas [Schwindeleien] Galeni und das „Mare magnum“ Jacobi de Partibus [Jaques Despars in Paris, der 20 Jahre über den Kanon des Avicenna las, ohne zum Ende zu kommen]. Der Arzt soll stehen in des Himmels, des Wassers, der Luft und der Erden Erkantnus und aus denselbigen den Mikrokosmum, nichts Gott entziehen noch zulegen, denn alle Zeit Gnad und Barmherzigkeit erwarten (219). Alles was der Arzt tut, [p. 86] soll durch Gott getan sein, vollbracht oder gehindert. Solche Treu und Herz, Hoffnung und Vertrauen soll der Kranke gegen Gott haben, auf daß er nit in Ursach der Finsternis falle, in der der Tot kommt.

(220) Ihr seid aus der Zahl der Jungfrauen, die ihr Lampen verschütt hatten, kamen zu den anderen und wollten entlehnen. (221) Also seid Ihr Doctores, all Eure Büchsen sind verschütt Lampen und wo ein fremder Doktor kommt, so sprechen Ihr: 'Lieber, lern mich auch etwas, mein Lampen wollen nicht brennen, ich hab nicht Öle, ich hab nicht Saft und also ich und ein anderer, der Euch nit als Narren erkennt, derselbig teilt Euch mit und machen unß selbst eigne Feind mit.' So wir aber nach der Jungfrauen Parabel leben und gäben Euch nichts und ließen Euch Stadtarzt, Fürsten-Arzt und andere auf der Pulverdecken sitzen und um Euer Ampelöle etc. selbst trachten, so würden Ihr innen, was Ihr erlangen würden. Und so wir Landfahrer (die Ihr uns also heißet) nit wären, wie groß Mörd geschehen durch Euch! Wieviel der Verderbten bringen wir auf! Will Euch also hiemit mein Grund fürgehalten haben, guter Hoffnung, Ihr werden Euer Augen dermaßen auftun, und wissen, was Euer Kunst und Arznei sei, erkennen, doch am wenigsten die Auditores, daß sie euch nit zufallen, ermahnt haben.

Dixi.

Opus Paramirum

Eine fernere wichtige Paraschrift ist das „Opus Paramirum“ in 3 bis 4 Büchern, das schon vollständig in seiner Niederschrift in eine wichtige weitere Etappe von Hohenheims Wanderleben hineinfällt, die in ihren Anfangs- und Endterminen etwas unsicher begrenzbare Zeit zu St. Gallen, in die wir einen wichtigen Schlußteil ganz mit hinein nehmen, die fünf Bücher von den „unsichtbaren“ Krankheiten, die das „Para“- tum nicht so ausgesprochen im Titel tragen wie Paragranum und Paramirum, die in dem besonders herausgehobenen Zwischenspiel der eigentlichen „Para-Zeit“ behandelt sind. Wie das Paragranum in seinen frühesten Abschnitten die Eierschalen [p. 87] von Beratzhausen noch an sich hängen hat, so trägt auch das Paramirum sichere äußere Anzeichen seiner St. Galler Entstehung, in Form von Widmungen an den namhaften St. Galler Arzt und Humanisten Joachim von Watt, den Hohenheim wohl schon von Villach her kennt, wo ja „Vadian“ eine Zeitlang als Schulmann gewirkt hat.

Dies „Opus Paramirum“ beschäftigt sich mit Fragen der Krankheitsentstehung, der Aetiologie, wenn auch in anderer Weise als das erste „Volumen Paramirum“, das in weit frühere Lebenszeit Hohenheims fällt und sich auch nicht so streng auf das ätiologische Gebiet beschränkt. Das Opus Paramirum behandelt in den ersten beiden Büchern Ursprung und Herkommen aus den drei ersten „Substanzen“ Sal, Sulphur und Mercurius. Das dritte Buch handelt von den morbis ex Tartaro oriundis mit einem Vorwort vom 15. März 1531 aus St. Gallen. Ein viertes Buch handelt von den morbis ex matrice, von Frauenleiden.

Grundlegend von Bedeutung ist zunächst, „daß die Krankheit stehet im Gewicht, in der Zahl und in dem Maß beruhend im Lebendigen. Leben und der Mensch in fester Bindung geben allen Krankheiten Ursprung, Ursach und Erkenntnis, Zeichen, Wesen und Eigenschaft in den drei Substanzen mit genugsamem Zeugnis aus dem Licht der Natur in der großen Welt, bewährt durch das Feuer, durch das Examen der Natur. Im Feuer ist der Schulmeister, in der Erfahrung der Transmutierung, Fixierung, Exaltierung, Reduzierung, Perfizierung usw. werden die drei Substanzen erfunden, wie alle Arznei des Leibs sichtbar steht ohne allen Glauben, nicht aus Hörensagen. Der Mensch wird erlernt aus der großen Welt, nicht aus dem Menschen. Diese Konkordanz macht den Arzt ganz. Ein jedes Korpus steht in den drei Dingen Sulphur, mercurius und sal. Nur das Leben und sein Anhangendes wird noch hinzugetan. Diese drei Dinge sind in jedem Korpus. So Du die drei Ding sichtbar hast, greiflich und wirklich, die in jedem Dinge sind, ein Jeglichs gesondert von dem andern, so hast Du die Augen damit ein Arzt sehen soll. Er soll sie in der großen Welt wissen, also hat er sie auch im Menschen. Laß es brennen, so brennt der Sulfur, das da raucht ist Mercurius, das zu Aschen wird ist Sal. In den Dreien steht des Menschen Gesundheit, sein Krankheit und alles [p. 88] was in ihm ist. Die Scientia Separationis macht das alles sichtbar und kenntlich. All dies ist ultima materia. Prima materia ist das Schöpfungswort 'Fiat', ein Unerklärbares also. So die Drei einig sind und nicht zertrennt, so steht die Gesundheit wohl, wo sie sich zertrennen, das ist zerteilen und sündern, das eine fault, das andere brennt, das dritte zeucht ein andern Weg, da sind die Anfänge der Krankheiten, da gehet das an, das der Arzt wissen soll. Das Leben hält die drei verborgen, ziehet das Leben ab, so werden sie sichtbar und offenbar. Aber auch alle diese drei Entia machen noch keine Krankheit, es komme dann dazu das 'Astrum' neben der Fülle der Salia und andern materiae peccantes der Mercurii und Sulphuriae. Als dritter Weg kommt das Ende, das allen Dingen gesetzt ist, auch dem Menschen und seiner Jahrzeit und Zahl, wie der Leib nit ewiglich ist, sondern sterblich, zeitlich, also zergehn muß, 'anni Platonis' wie Arnoldus sagt. Ein Jeder soll dem andern soviel glauben, als er im Feuer erfahren hat, weiter nicht. Der Arzt wächst durch das Feuer, drum lerne er Alchimiam, auch Spagiria geheißen, die das Falsche vom Rechten scheidet. Die Körper zünden sich an von Astris, sonst werden sie nicht krank; die Astra machen ihr Bella intestina. Sieh den Stein an, was er für Zufäll mache, willst du sie nehmen, so tu den Stein hinweg: Das Messer laß sein Arcanum [geheimes Heilmittel] sein. Was hilft bei der Mania, als allein sein Adern aufschlahen, so genießt er. Das ist sein Arcanum: Phlebotomia. Der Arzt soll anatomias morborum wissen, so findt er da ein Concordanz, die sich zusammen vergleichen und gehören. Aus dieser Concordanz, dieser zweien Anatomien wächst der Arzt und ohne die ist er nichts. Del und Wein als ein Arcanum der Wundenheilung hat Christus im Sameritan von Jericho gelehrt. Auch mögen wir kein ander regiment und Diät setzen, denn bleiben im Gesetz der Gerechtigkeit, und in der Speis, darum wir bitten, da noch für und für alle Gesundheit in erhalten werden und bewahrt vor allen Krankheiten. So wir aber das regiment nit halten, so werden wir auch nit behalten unseren gesunden Leib. Darum ist der Arzt beschaffen und die Arznei, den Leib zu bewahren und zu heilen wie die Apostel, zu reinigen die Aussätzigen, die Lahmen gerad zu machen, die Blinden sehend usw. nicht nur wegen des Pfnüsels [Schnupfens], Hauptweh oder Zahnweh. Gott hat nie [p. 89] kein Krankheit lassen kommen, daß er nicht ihr Arznei beschaffen hätt. Die Kranken bedürfen dessen, der sie gesund macht, daß wir alles sollen heilen können, das da krank liegt, auch die angebornen Krankheiten.“

Der Liber secundus hebt damit an, wie die drei das Korpus zusammensetzen. „Jeder Same ist ein dreifacher: die drei Substanzen sind in ihm. Aus dem Salz kommt dem Diamant sein Härte, dem Blei sein Weiche, dem Alabaster sein Weiße; alle Kongelation, Koagulation ist aus dem Salz. Ein ander Sal ist in Beinen, ein anderes im Blut, ein anderes im Fleisch, ein anderes im Hirn. So mancherlei Sulphura sind, so mancherlei auch Salia. Der dritte, der Mercurius ist der Liquor. Also ist es ein Mercurius, der hat so vielerlei Gestalt und Unterscheidung, so vielerlei der Sulphura sind und der Salia. Also nun, wie der Mensch muß ein Leib haben, muß ein Kompaktion, das ist Kongelation haben, muß ein Liquorem haben und die drei sind der Mensch, das ist nur ein Korpus, darum wisset, daß ein Leib ist, aber drei Ding. So sollen auch die Krankheiten erkennt werden, daß sie ein sulphurisch Korpus haben, einen merkurialischen Liquorem und ihr Kongelation vom Salz, welche drei aus den anderen Dreien wachsen. Die Arznei, die darauf dient, muß sein ein Feuer, das da verzehre, das ist ignis essentiae und ohn das Feuer ist kein Arznei, sie muß sein ein Verzehrung und nicht allein im Sulphure, sondern auch im Liquore und Sale; denn in der Krankheit sind sie doch der Arznei mächtig unterworfen, volatilia zu werden. Also soll auch die Arznei sein, nicht achten, wo Kalts, wo Warms, sondern hinwegnehmen; das ist der Arcanen Art und Eigenschaft, in der Natur, in den wachsenden Dingen in der Welt, darum nit gradus sind, sondern Species; es soll sich spezieren, nit gradieren, alle Ding so äußerlich sind, behalten den gradum nit. Die Ding so die Fäulung hindern, hindern die Gesundheit. Es ist ein böser Schweiß, der ausgetrieben wird in der Zeit durch ungefäulte Arznei; er gehet nit zum Leben. Es sei denn Sach, daß alle alte Art absterbe und in die neue Geburt geführt werde, sonst werden keine Arznei da sein. Dies Absterben ist ein Anfang der Zerlegung des Bösen vom Guten. Also bleibt die letzte Arznei, das ist die neugeborne Arznei, ohn alle Komplexion und dergleichen, ein lediges Arcanum. Ein ietliche Krankheit steht selbdritt in ihrer [p. 90] Komposition; welches aber die andere Zwei ursacht, das steht in seinen sondern Kapituln. So der Mercurius aufsteigt und bleibt nit in seiner Staffeln, so ist jetzt ein Anfang der Discordanz. Also auch mit dem Sulphure und Sale, denn so das Sal sich erhöht und besondert sich, was ist es als allein ein fressends Ding. Wo sein Hoffart liege, da nagt sie und frißt. Aus diesem Fressen und Nagen da entstehen die Ulcerationes [Verschwärungen], Cancer [Krebs], Cancrena etc., so der Sulphur geht in sein Hoffart, so zerschmelzt er den Leib wie der Schnee an der Sonnen, und der Mercurius wird so hoch in seiner Subtilität, daß er zu hoch steigt und dadurch den jähen Tod macht aus zu vielen Subtili, die über sein Staffeln ist. So aber der Tot etlichs Teils dasitzt, so ist die Arznei ein Beistand der Natur, durch die sich die Natur wieder erholt. Also was das Sal gefressen hat, das heilt die Konsolida wieder, und was der Sulphur sich in die Dissolution ergeben hat, das restauriert der Crocus wieder, und was der Mercurius zu hoch gesubtielt hat, das ingrossiert das Aurum; also wird der Natur geholfen.

Aus den vier Elementen wachsen alle Ding. Aus der Erden das Kraut und Holz, aus dem Wasser die Metallen und Stein und ihre Mineralia, aus dem Luft der Tau der Thereniabin [aromatischer Tau], aus dem Feuer der Donner, Stral, Schnee und Regen. Dies befilch ich nun der Meteorik, so aus dem Licht der Natur gemacht ist. Also nun weiter der Mikrokosmus, so er in sein Zerteilung geführt und gebracht wird, so wird aus ihm die Terra, die so wunderbarlich ist, das sie gebiert die Frucht der Erden in schneller Zeit. Was hinein gesäet wird, das ist die Bereitung von der der Arzt wissen soll. Also auch wird aus diesem Korpus das ander Elementum Aquae. Dieweil Aqua ein Mutter ist der Mineralien, darum so conficiert der Spagirus aus ihr den Rubinen. Also gibt die Bereitung das dritt Elementum Ignis, daraus Grandines [Hagel] gezogen werden. Und das viert Elementum aereum [Luft], das ist in verschlossenem Glas fällt es ihm selbst im Tau von seinem aufsteigenden Geist. So ist also auch ein ander Transmutation nach dieser, die da alle Genera sulphurea gibt und mercurialia und Salia, wie sich dann der microcosmischen Welt gebürt zu erzeigen, darin viel gelegen sind, im Menschen zu suchen seine Gesundheit, sein aquam vitae, sein Lapidem philosophorum [Stein d. Weisen], sein arcanum, [p. 91] sein Balsamum, sein aurum potabile [Trinkgeld] und dergleichen und ist recht. Also ist der Mensch ein Arzt selbst. Drumb so sind zweierlei Arzt, die ihr Scientiam befehlen der Natur und gebrauchen allein Defensoria, dernach sind die Kuratores, das sind die, so der Natur Scientias selbst gebrauchen (Beispiel von der Wunde). also sollen ihr auch von allen anderen Krankheiten verstehen, wie die Scientia im Arzt sei und eine in der Natura Microcosmi. Die rechte Arznei gehet aus Himmeln und Erden und aus allen Elementen und ihren Kräften; das ist das Kompositum, darin der Arzt lernen soll, das ist das Recept, das sind die Simplicia, nicht in die Zahl der Stücken der Simplicien, sondern in der Komposition, das da zusammen komme der ganze äußere Mensch. So der bei einander ist, so sind beieinander alle Remedia, Medicinalia und arcana; da liegen alle Kräft. Diese Kräft mögen wiederstehen den Krankheiten, so da sind im Menschen, so da nicht da sind. Deren Arcana wirken gegen den anderen oder stehen still. Also muß der Arzt auch wissen, daß er dergleichen scheiden muß die Arznei, als ob er schiede von einander die Finsternis und das Licht.

So ist nun weiter zu wissen von dem Tot und seinem Einfallen, was derselbigen Zeit. Alle Ding haben ihre Zeit, es sei zum Guten oder zum Bösen. Alle Ding werden von Gott auf sein Termin gesetzt. In allem sind drei Wege der Zerbrechung, der ein Weg, durch den der Mercurius aufsteigt, ist Distillatio, der ander ist Sublimatio, die dritt praecipitatio, das ist Operatio naturae. Das Salz gibt allen Dingen die Form, als das Licht der Natur bewährt und in solchem Salz nach dem und es ist, nach dem ist auch der Morbus, streng, lang, kurz oder tötlich. Darumb sind alle Coagulationes aus der Erden und ist wie die Herbae sind, aus dem Wasser und ist gleich den heißen animalibus und eine aus dem Feuer ist impressionis.

Und alle praeludia sind allein Weissagung, die nur Zukünftiges sagen, ohn inklination, impression, constellation und dergleichen.

Das ist der Schleim, den die Astronomi vor den Augen haben und so es gesagt wird, so mudern [murren] sie und so ihr Irrung zu den abergläubigen Künsten geworfen wird und der rechten nachgangen, so schämen sie sich nicht zu sagen, es ist Nekromantia. Nun ist über dies alles ein unsichtbarer Leib im Menschen, [p. 92] der nit in die Substanz gesetzt ist. Das ist einen Leib hat der Mensch, der nit aus dem Limbo [Lehmkloß] kommt, darum so ist er dem Arzt nicht unterworfen, der nimmt sein Ursprung aus dem Einblasen von Gott, und wie ein iedlich Blasen und Keuchen nix ist in unseren Händen, also ist auch nix unter unseren Augen, der selbig Leib. Wir werden nit Rechnung geben um unser Leibskrankheiten, Gesundheit und dergleichen, was ihm angelegen ist, sonder um die Ding, die von Herzen gangen sind, die betreffen nur den Menschen und ist auch ein Leib, aber nit aus dem Limbo, sondern aus dem Atem Gottes. Wiewohl aber wir in unserem Fleisch werden sehen Gott unsern Heilmacher, so befint sich, daß der Leib aus dem Limbo da sein wird, der dann Fleisch ist; wer wollt aber unwissend sein von den Dingen, die in der Klarifizierung [Reinmachen] sind, welche durch den Mund Gottes beschicht, doch ein Leib wie der andere sein wird. In dem ist es, im Fleisch werden wir auferstehen, so wissen wir nur ein Fleisch, nit zwei, aber zween Leib und aber nur ein Fleisch, das selbig aus dem Limbo, das dann ist subjectum medicorum. Denn was der Natur geben wird, das geht in sein natürlich Ausgang und an sein natürlich Statt und zu einer natürlichen Wirkung, als mit dem Essen. Aber daß ich nit ein unchristlicher Arzt gesehen werde und zu sein wider Paulum, der da heißt den Frauen ihre Willen etc. zu sättigen etc., das nit geredt ist von ihm (daß billich sei oder gar rein sei), sondern zu vermeiden den Ehebruch, dazu sie möchten fallen in solchen Gebrechen, ihr bösen Herzen damit zu stillen und abwenden in ihrem Fürnehmen, das ist Ärgers zu vermeiden, also gegen den Mannen auch geschehen soll.“

Am 15. März 1531 beginnt Hohenheim mit einer kurzen Widmung an Vadian sein drittes Buch dieser Paramirischen Schrift, mit einer Stoffwechsel-Darlegung, die zum ersten Male seine grundlegend neue Lehre von der Krankheitsentstehung und dem Tartarus[17] enthält.

Tartarus, d. h. „aus dem Stercus [Kot] der im Nutriment ist, der ist viererlei, ein Sand [Kies] oder ein Stein, ein Letten, [p. 93] ein Leim aber zum Letzten ist alles ein coagulatio, das ist ultimum Esse, ultimae materiae stercoris nutrimenti, calculus, arena, bolus, viscus. Ein jegliche ultima materia der wachsenden Dinge, so sie im Leib geschieden werden, heißt Tartarus. Wenn er nicht mit dem Exkrement ausgeschieden wird, sondern im Leib bleibt, so entstehen Krankheiten dadurch, aus Unverstand bisher nicht beachtet. Auch im Trank sind Tartari nach Eigenschaft der Weine und Wässer. Durch den Spiritus Salis scheiden sich die genera Tartari. Schon das Durchlaufen durch den Mund kann zur Abscheidung des Tartarus Anlaß geben, der an den Zähnen hangen bleibt. Auch im Magenmund kann sich ein Tartarus anhängen mit Sodbrennen, ferner im Magen selbst, die durch Purgationes nicht zu beseitigen sind. Der Tartarus aus der Speise geht zum Bauch aus, der aus dem Trank durch die Blase. Auf beiden Wegen kann er sich auch anhängen. So die Hauptglieder mit Tartaro beladen werden, das übergreift besondere Krankheiten, es nimmt sich nicht aus dem gemeldten Tartarus, sondern ist ein fremder Tartarus. Ein jeglich Teil in seinem Leib ist ihm selbst sein eigner Weg und scheidet von ihm, das nit gut ist oder das es nit haben will und soll und kein Glied scheidets und kochts für das andere. Ein jedlich Glied bereitets ihm selbst und nimmt daraus seinen Lust und wirft von sich hinweg, das ihm nicht dienstlich ist durch seine Ausgänge.

Eine jegliche Gelsucht, die nit hin will gehen von ihrer rechten Arznei, die ist mit dem Tartaro gemischt, sonst wird da kein Asallia oder Gansdreck oder andres etc. helfen. So wisset auch, daß ihr dies Steins paroxysmos wohl erkennen, daß er lämbt, krümpt, macht Faulung, durchseucht den ganzen Leib ... So nun der Milz sollt sein Emunctorium haben zun Augen aus, so müssen wir auch Arznei haben, die Weinen macht. Darumb es ein großer Irrsal ist in der Arznei, daß sie vergessen haben, daß alle Emunctoria Arznei haben ... Was nit verzehrt wird, das kommt in die Konkavitäten der Gleichen und Ligamenta und anderen Hülen der Gleichen. Von diesen Dreien als von den gemeinsten und grössisten ist sonderlichen zu sagen. So im Blut, das ist in Adern, solch Excrementen vom Tartaro bleiben, so wird das Blut voller Körnlein wie Gries oder Reis oder Breikörnle sind. Also auch außerhalb der Adern oder poris solche [p. 94] Grana wachsen. Und wiewohl aber das ist, daß mehr resolutiones da werden dann Coagulationes, so gehen sie doch alle in coagulationem am Letzten, ins besonders und ihrer Zeit, so es lang Statt hat nit dem Spiritu Salis, ehe sie kommen in die Region der Nieren und Blasen, auf welches sonderlich Acht zu haben ist; dann da werden viel Oppilationes mit vielerlei chronicis morbis in Hüften, Rücken, Lenden, Gliedern, Seiten und dergleichen und sind auch der heftigsten Genera der Steinen an diesen Orten.

Denn Ursach, die Feiste generiert kein Koagulation, allein die Magere, darumb die Feiste den Tartarum wehret, das ist sein höchste Präparation, denn zu solchem fürzukommen. Nun wissent von diesem tartarischen Liquore, daß er viel Krankheiten macht, die man Gesücht heißt, Flüß und dergleichen nach der Art der Länder auch den Tropfen [Schlaganfall], den Markschwinen [Schwindsucht] und dergleichen, das alles ein tartarischer feister Liquor ist, der sich im Sciatica [Ischias], Arthetica [Gelenkarthritis] hinlendet. Das ist nun wohl zu merken, daß alle Arthetica, Sciatica, so nit podagra perfecta sind, allein tartareus Liquor ist, die in den Gleichen, Articulis, Scia, Nervis, Juncturis etc. liegent, wie ein feister Saft und paroxysmieren wie der Stein in seinen Örtern. Aus dem folgt nun, daß viel Arznei seind, die solche Stein resolvieren, zerschmelzen, zerbrechen in ein Letten, in ein Mehl, dann ursach, es ist vorhin auch also gewesen, darum so wird die ander Kongelation, so stand er nit, daß sie möge machen anders, dann daß sie da nit widerstehe, so ein Arznei dazu kompt, die solcher Resolution Gewalt hat. Es tunts aber ander Stein nit mit der Arznei, dardurch dann viel der Arzten betrogen seind worden, haben mit Krebsaugen alle Stein wollen vertreiben, judaico, milio solis etc., aber ihr Narrheit ist genugsam am Tag.“

Paramiri liber quartus de matrice

„Wir sehen zwo Anatomien in der großen Welt, in allen natürlichen Gewechsen, also auch zwo in Menschen, der Frauen und des Mannes. Dieweil wir das sehen, so haben den Anfang darauf zu gründen, das ein ander Monarchei der Frauen ist, ein ander der Mannen und nicht ein Weg in Beiden und über das Alles die besonderen Zufäll, so ein Frau über den Mann hat, zu [p. 95] erkennen aus ihrer selbst Monarchei und nicht aus der anderen und daß auch die selben Krankheiten, so über die andern gemeinen Krankheiten sind, Gemeinschaft haben und mitlaufen und eingeleibt sind allen Krankheiten, so die Frauen haben, welchs Mitlaufen ein ander Physikam gibt, das der falsche Hauf (186) der Ärzten noch nicht geschmeckt hat; wie roh und unzeitig das ist, ist zu erkennen. Darum, Du Arzt, tu das Plerr von den Augen und die verführerischen Sekten hinweg. Siehst Du nicht, mit was Irrsal Du gehandelt hast in den Kapiteln, da du für eine Krankheit sagest den Mann und die Frau? Das ist, daß du betrachten sollst den Ursprung aller Frauenkrankheit entsprungen in Frauen und nicht in Mannen. Darumb so bleib ein Mal ihr Physica von den Mannen gescheiden. Das nimm für Dich, daß das Hirn in der Frauen Frauenhirn ist und nicht Mannshirn, ihr Herz Frauenherz. Das ist ein Unterscheid, der Dir vor Augen liegen soll. Besieh äußerlich die Frauen gegen dem Mann und sieh, was Eins gegen dem Andern sei, und schau, ob Du nicht findest, daß ein Frau ein Besonders vom Mann und ein Mann ein Besonders von der Frauen. So die Frau nun ein Anders ist, so stehet sie auf einer andern Wurzen. Die Wurz ist Matrix, von ihren wegen ist sie beschaffen, muß auch all ihr Art, Kondition und dergleichen aus ihr haben. Das unterscheidet nun Frau und Mann, daß der Mann als ein Mann wächst aus männischer Art und die Frau aus fräuischer Art, das ist aus der Matrix, auf die der Mann nit gesezt ist, sonder die Frau ist darauf gesezt. So sie nun aus der Mutter ist, so wachsen auch die Glieder aus ihr und alles, was sie in ihr hat, ist aus der Matrix gehandhabt und geregiert. Daraus folget nun, daß auch all ihr Krankheiten aus ihr seind, das ist, mit der Wurzen aus ihr geboren werden. In dem scheiden sie sich von einander, daß alle Krankheiten der Frauen aus der Mutter conditioniert sind, genaturt und gewidmet, der Mann aber nicht, sondern aus männischer Art; dabei secht, wie weit Eins vom Andern stand, das Paralysis der Frauen und der Mannen. Und wiewohl das ist, daß gleiche Zeichen fallen, ist billich, daß sie sich vergleichen als Menschen aber vorbehalten, die Physica und sondere Art der Monarchei. Soll das nicht ein Unterscheid sein, so ein Frau ein Matrix leiblich heißt und ist Matrix und der Mann nicht, daß auch alle ihre Krankheiten matricis seind, denn sie mag [p. 96] nicht männische Elementen haben. Sie ist ein Frau und ist ein Matrix. Und wiewol aber die Namen der Frauenkrankheiten mit den Mannen gleich mögen vereinigt und genannt und geheißen werden, so ist es doch nicht anders, als allein sie heißen beide Menschen und sind Menschen, aber in dem Unterschied wie obstehet; daß aber darum aus dem folgt, dieweil gleiche Zeichen begegnen, beide Menschen sind, daß darum ihr Beider Art ein Art sein soll und ihr Beider Wesen ein Wesen; das folget nicht, sondern die Unterscheid muß für und für gehalten werden, daß die Frau auf der Matrix stehet und aus ihr wachst und gewachsen ist, auch daß die Matrix ihr Wurz ist. Darum so ist sie auch das Erst, das der Arzt betrachten soll in ihren Krankheiten, denn aus ihr wachsen sie und nicht aus männischen Kräften, sondern aus matricischen Kräften. Aus diesen Kräften muß Du die physicam, causas und judicia ziehen, sonst ist es alles umbsonst, was Du handelst. Und wie Du wissen sollst, daß eine Wurzen ist, aus der alle Krankheiten geboren werden in Mannen, also ist auch in Frauen eine (188). Nun siehe die Wurzen des Mannes Krankheiten und besiehe die Wurzen der Frauen Krankheiten und sitze darüber und rechne aus, wie Du bestehen wirst mit Deiner Physica und causis und judiciis. Allein es sei denn, daß Du den Frauen gebest ihr sonder Wurzen, den Mannen ihr sondere und wissest ihr Arznei, daß sie gespalten ist, den Mannen ein Teil, den Frauen den andern, sonst wirst Du kein Arzt sein.

Was soll man sagen von der Matrice, das sie unsichtbar ist und niemand sieht ihr erst materiam, denn wer kann das sehen, das vor ihm gewesen ist? Wir alle kommen aus der Matrix, nie keiner hats aber gesehen, denn sie ist gewesen vor dem Menschen. Und wiewohl der Mensch aus ihr kommt und für und für geboren, noch hats keiner gesehen.

Nun ist in der Frauen der Limbus nicht, aber der Geist. Was ist der Limbus als der Same? Also sind drei Matrices, die erst das Wasser auf dem der Geist des Herrn tragen ward, und dasselbe war die Matrix, in der Himmel und Erde beschaffen worden. Danach war Himmel und Erden und die Matrix Adam, der durch die Hand Gottes gemacht ward, und aus dem Mann ward die Frau ein Matrix aller Menschen bis an´s Ende der Welt. Was beschleußt die erst Matrix ? Das Reich Gottes umgab den Geist [p. 97] Gottes. Die Welt beschleußt das Ewige, das darum gehet. Die Frau beschleußt ihr eigen Haut, denn was in derselbigen ist, das ist Matrix. Darum ist ihr Leib nicht zu vergleichen dem Mann, wiewohl er vom Mann kommt, darum steht er ihm gleich in der Bildnus. Denn die Bildnus muß er empfahen, das ist, daß er ihm gleich sieht, aber in allen Dingen weiter gescheiden mit seinem Wesen, Eigenschaft, Natur und Proprietät; denn der Mann leidet als ein Mann, die Frau leidet als ein Frau und leiden beide als zwo Kreaturen, die Gott Heb seind. Darum beweist ers mit der zwifachen Arznei, so er gegeben hat, den Mannen die männische, den Frauen die fräuische Arznei, daraus nun der Arzt handeln soll, denn ihn hat Gott beschaffen, nicht der Mensch. Darum ist er von Treu wegen gegeben und nicht von Falsch wegen; der die Gnad hat, dem hilft er.

Dieweil nun der Limbus ist prima Materia des Menschen, so muß der Arzt wissen, was der Limbus sei; denn was der Limbus ist, das ist auch der Mensch, der nen Limbus erkennt, der weiß, was der Mensch ist. Also soll der Arzt geboren werden. Nun ist der Limbus Himmel und Erde, ober und unter Sphär, die vier Element und was in ihr ist, darum er billich den Namen hat Mikrokosmus; denn er ist die ganze Welt, daraus nun folgt, dieweil er ist dasselbige, so muß der Arzt die beiden Sphär erkennen in ihrem Element und Wesen, Eigenschaft und Natur. So er nun die erkennt, so weiß er, was dem Menschen gebrist in seinen Nöten. Denn der, den Gott geschaffen hat, muß mehr wissen, denn der, den der Mensch aufsetzt. Darum ist bei ihm das Wissen und Erkenntnus, denn sie gehet aus Gott, nicht aus dem Menschen. Matrix ist unsichtbar in ihrem Wesen. Was unsichtbar ist, das leidet nichts, darum wir von den unsichtbaren Dingen nichts reden wollen. Das aber sichtbar ist, das ist die Frau, dieselbige ist gesetzt in die 3 Substanz, Sulphur, Sal und Mercurius, wie denn alle Corpora in den standen. Nun ist deren Dreien prima materia unsichtbar aber ultima materia ist sichtbar und ist der ganze Leib der Frauen. Dieweil nun der Arzt gefelet hat, der die Matricem, so unten im Leib Hegt, für die Ganze geschrieben hat und weiter die Frau mit ihrem Wesen entschlossen und außerhalb demselbigen die Frau dem Manne vergleicht, hat vergessen, daß die Welt ein Loch hat, da durch Gottes Hand aus dem Himmel in sie greift und macht in ihr, was er will, und daß er [p. 98] also die Frau zu einer Welt gemacht hat, in der der Mensch geboren soll werden, und daß der Mann da ist an der Statt Gottes, darum so muß er den Griff auch haben, der nicht anders zu verstohn ist, als allein, wie Gott von seinem Reich in die Welt der Himmel und Erden gegriffen hat und den Limbus genommen und den Menschen gemacht hat, also auch der mit der Frauen handelt.

Dieweil nun die Frau ein Mutter ist, so gebiert sie ihr selbst solche Fluß, deren Aufbäumen ist zu vier Wochen einmal mit seinem Ausgang, damit der Mensch begabt ist, daß nichts Tots in ihm bleibe, sonder weicht von ihm und aus ihm, das dann im Meer nicht beschicht. Also ist das Menstruum ein Excrement der zulaufenden Dingen in der Matrix, darin zu sterben, welche ausgeworfen werden. Irrig hat der Arzt gesezt, der aus ihm selbst geschrieben hat, daß dies Excrement Menstruum sei eine Blüe der Frauen wie im Baume. Das ist ein feiner Arzt, der ein Stercus für ein Blüe ansieht. Der Frauen Blüe ist, so sie empfecht; in der selbigen Stund ist das Blüe da, und danach nach aller Blüe, so folgt die Frucht hernach, das ist das Kind. Die Jungfrauen blühen nach Eurem Sagen, wo ist ihr Frucht? Keine ist da, darum ist es Excrementum. Sie bleibet rein bis im Aufhören der Milch, welche Milch nicht kommt aus dem Menstruo, sonder aus den Mammillis, also darauf gewidmet und gemacht von der besten und edelsten Milch, nicht von Excrementen, die sie Menstruum heißen, dem kein Gift auf Erden gleichen mag, schädlicher und strenger, und sollte eine Speise sein des Kindes!? Kein Gift wird ein Speise, sonder bleibt ein Gift und keine Speise.

Auch in den Krankheiten, die sie treffen, sind Mann und Frau verschieden. Die Gelbsucht des Mannes und der Frau, wie sehr sie auch einander gleichen und in vielem miteinander übereinstimmen, sind doch verschiedene Species, haben auch verschiedene Kur. Wohl gibt es auch Medicamina hermaphroditica, die einer besonderen Abhandlung bedürfen; hier soll davon nicht gehandelt werden; sie müssen auch allein gebraucht werden. Wenn ein Centaurea mascula den Männern eine Krankheit heilt, so ist auch eine Centaurea foemina, die den Frauen hilft in ihrer besondern Monarchei. Doch trifft diese Spaltung nur die Arzneikräfte an, nicht aber die Speise und Nahrung, die für beide [p. 99] Geschlechter die gleiche ist, der Archeus bereitet es dem Menschen in seine entsprechende Monarchei. Wie weit voneinander die letzten Materien der Frauen und der Mannen sind, ist zu beachten, damit wir sie auch so weit in der Monarchei voneinander teilen und setzen. Wo das nicht geschieht, wird ein chronicus morbus oder mortalis bereitet und herbeigeführt.

Das Gefäß, in das das Kind empfangen und behauset wird, heißt man Matrix, wie wohl die ganze Frau die Matrix ist, die Microcosma, minor mundus. So der Leib der Frau nit gut ist, nit gesund, nicht in rechter Konkordanz, so ist auch alle Matrix verderbt, unfruchtbar, ungesund, entschickt und mit allen andern zufallenden Krankheiten beladen, die microcosma, daraus entspringt auch den Kindern, daß sie misgeraten in ihrem Gewächs, gesprenkelt, gemaset [gefleckt].

Der Baum der Erden gibt seine Frucht ohne den Samen für und für, der Baum aber der Frauen nit, allein der Sam wird in Baum gelegt, das ist durch den Mann. Darauf folgt nun, daß am Samen viel hegt, so der nichts soll, so kann ihn der Baum nicht gut machen. Darum, was den Baum antrifft oder anlangend ist, begegnet auch dem Samen. Sie müssen beide gut sein, und so sie beide gut sind, so ist nur Gutes da, das ist die Frucht. Darum so sind da andere Zufälle, so der Matrix zufallen aus der Pflanzung und Säen des Samens, welche Krankheiten nach des Mannes Art sollen ausgelegt werden und nit nach der Frauen Art. Jetzt ist aber der Frauen Matrix gespalten in ihr eigne Krankheit und in die Krankheiten, so sie aus den Mannen haben und empfahen. Die Krankheiten der Frauen, so aus dem Mann kommen, wollen haben männliche Arznei. Aus dem ist gefolgt, daß Mannen Arznei für das Grien (Harnsediment) auch den Frauen ihr Grien vertreiben sollt und hat, daß sie das ererbet hat vom Mann; darum half es. Was sie aber von ihr hat, da hilft es nicht, sondern sie muß aus ihrer Monarchei gearzneiet werden.

Das ist gut und gerecht, der da weiß, wie die Frau vom Mann empfacht in andern Leib. Ihr sollent das also verstehen: der Himmel macht ein andern Mann, in andern Menschen ein ander Frau; das vermag das Firmament, das Astrum, der Kursus. Also wissent auch, der Mann ist also zu gleicher Weis, wie obstehet, der Frauen Astrum, Firmament und Himmel ein andern [p. 100] Mensch macht, also auch der Mann ein ander Frauen, das ist ein ander Natur, Art, Wesen, Eigenschaft in den Dingen, das die mikrokosmisch Natur entwirft. Aus der Influenz, Impression wird die Frau konstelliert vom Mann, und ihre Sidera weichen von ihr und lassen des Mannes an ihrer Statt. Der ein Solches weiß, der ist recht in der Arznei auf der Bahn, aber der die Astra nicht erkennt, dem sind die Ding unglaublich; dann wer ist der Natur feind, dann er sich witziger schätzet denn die Natur, so sie doch unser aller oberste Schul ist, das ist die Arbeit, so die alten Skribenten gemacht haben von den Frauenkrankheiten, die vergebens ist.

Der Himmel, der also ist vom Mann, den betrachten nun wohl, denn Ursachen aus ihm werden viel Krankheiten, die fälschlich sind in andere Ursprung, Ursachen etc. verkehrt und beschrieben worden. Als ein Exempel: Suffocatio matricis, was ist anders dieselbige als allein aus dem Himmel des Mannes, der der Frauen Leib konstelliert hat? Das ist die erst Ursach dieser Krankheit. Nun so es werden soll, so ist der Mann krank in Caduco [Fallsucht], das ist, sein Sidus ist caducisch. Der Mann so er dermaßen konstelliert ist in seinem Himmel, daß er diese Konjunktion an ihm hat, so muß sie ausbrechen. Nun hat er zwei Korpus, das ist zwei Subjekt, sein eigen Leib und der Frauen Leib, gehet die Inklination auf ihn selbst, so ist sein Sidus, sein Willen aus; gehet es aber nicht auf ihn selbst, sondern inkliniert in die Frau, so ist es in ihr, aber nicht der rechte Caducus, wie der Mann hat, sondern der Mutter. Darum so scheiden sich die drei Caduci von einander, des Mannes ist männisch, der Frauen ist fräuisch, aber beide aus einem Himmel, dann da ist ein männisch Art; und die dritte ist des inwendigen Leibes und nimmt sein Himmel vom Mann. Damit so wissen auch, daß diese Ding erblich gohnt. Das Mägdlein so also geboren wird, das imprimiert in ihm suffocationem [Erstickung] zwifach, auf jungfräuisch [und] auf fräuisch. Jungfräuisch ist gleich syncopi mit etlichen anhangenden Zeichen caduci, suffocatio ist mehr denn Syncopis. Alle die Krankheiten, so die Mutter mehr hat, dann mit männischen Namen begriffen werden, sind aus dem Himmel des Mannes, und wiewohl sie im Leib der Frauen entspringen aus der Erden, Firmament, Luft, Wasser, wie vormalen an vielen Orten gemeldt ist, so ist doch der Himmel die erst Ursach des Mannes; (221) der [p. 101] Frauen halben ist es auch also und mehr, denn sie mag behüt werden, daß sie nit inficiert werde von dem untern Himmel, das ist vom Mann. (220) Also ist sie auch zu verderben, denn ihr sehet, daß die Leute guter Art im Glauben zu versammeln seind zu Gutem und zu Bösem durch die Prediger. Denn eines Predigers Mund ist im Himmel und ein Inklination. Dieweil er nun im Himmel ist, also ist auch ein Himmel der Mann der Frauen, aber nicht mit dem Mund, sondern in dem so zwei ein Fleisch sind, darumb der Frauen an dem Ort die gute Art zu behalten ist mit einem Mann, der guter Art ist.

(224) Viel ist gesagt worden von den unheilbaren Krankheiten, aber der Grund ist nit berürt worden, Ursachen der Art halben. Gute Art stirbt auch, so sie nit Auferstehung hat, das ist Hilfe der Arznei. Darum die Unwissenheit da ist der Ärzte, die aus Gebresten der Kunst haben geredt; das ist ihnen unheilbar, das noch heilbar gesein ist. Aus dem Grund gehet die Kunst der Komponierung welche aus der Anatomei gehet, nicht aus den Gradibus, Komplexionibus, Experimentis, sondern aus den Anatomiis. Die soll eines jedlichen Arzts Anfang und Ende sein. Die Kunst ist in ihr selbst Anzeigerin durch die Dinge; sie verbirget sich selbst nit, denn sie weiß wohl, daß Mann und Weib zusammengehören, allein aus der Anatomei. Also soll der Arzt auch wissen, daß zusammengehören die Arznei und die Krankheiten nach ihrer Art; das muß durch die Anatomei geschehen. Den großen Arcanen muß man nachstellen. Die Geist der Krankheiten gehen durch den Zentrum Matricis und nicht durch die Poros und Meatus.

Dabei wisset, so die Matrix ein Krankheit in ihr hat, so ist das Erste, daß dieselbe Krankheit ein Korpus wird, das bleibt liegen. Nachfolgens so gehet der Dunst, das ist ihr Spiritus von ihr, der nichts anders ist als ein Geschmack [Geruch], der aus einem Bisam gehet oder Rosen, der durchdringet und gehet nach; niemands greift und sicht ihn. Also sind alle Krankheiten, so aus der Mutter in den Leib gehen. Die Geist so aus der Mutter in den Leib gehn sind gefärbt. Von den vielen Krankheiten, die der Mutter zufallen, wird öfters eine nur durch die andre geheilt. Ist es möglich, daß wir krank werden durch ein Accidens, so ist auch möglich, daß wir gesund werden durch ein Accidens.

[p. 102] Die Leibgesundheit überwindet die Centrumskrankheit, und die Centrumskrankheit überwindet die Leibkrankheit der Matrix. Nach Hippokrates heilt die Virtus die Krankheit; ein Virtus vertreibt die ander. Virtus ist ein himmlische Kraft nit aus der Arznei, sondern ein unsichtbare Arznei. Die nicht auf diese Weise gesund werden, die müssen Arznei gebrauchen, die werden durch die Arcana gesund. Arcanum ist kein Virtus, sondern vis, potentia, mehr denn ein Virtus. Beide sind vielfach von den Ärzten verwechselt worden.“

Zum Schluß verspricht Hohenheim, eine jede Krankheit zu betrachten, die den Frauen mit den Männern zustoßen und „die sie allein haben ohne Gemeinschaft der Mannen, damit diese Monarchei des Microcosmi verstanden werde und erkannt, mit Auslegung und Erklärung aller Dingen und Ursachen, so die Notdurft erfordert mit der männischen, anatomischen und archimaiischen Unterrichtung mit dem Ursprung der mundanischen Unterweisung, außerhalb deren kein medicus sein mag. So doch ein Arzt nichts soll schreiben, allein es sei denn im Licht der Natur also, wie er schreibt. Gott hat den Arzt beschaffen und sein Arznei aus der Erden. Die Kranken dürfen ihres Arztes, warum? Das sagen Ihr nicht, wenn Ihrs schon sagten, so ists darum gesagt, daß man Euch Geld gebe und daß man Euch glaube, aber das Herz des Arztes ist weit von der Zunge. Darum bedenket Euch wohl, lassets nicht unverantwortet.“

Ein kurzes Fragment zum Buche „De Matrice“ auf Blatt 245—248 des IX. Bandes übergehe ich, da es nichts wesentlich Neues bringt.

St. Gallen

Vadian und Studer

Nachdem Hohenheim im März 1530 aus Beratzhausen aufgebrochen war, treffen wir ihn erst zu Anfang 1531 bestimmt in St. Gallen. Schriftstellerisch war bei ihm noch „Parazeit“, wie wir schon gesehen haben. Die erste sichere Zeitfixierung ist denn auch der widmenden Vorrede eines Buches des „Opus [p. 103] Paramirum“ zu entnehmen, dessen drittes Buch, das über die Krankheiten aus dem Tartaro handelt, vom 15. März 1531 datiert (Bd. IX, S. 121), dem Stadtarzt und Bürgermeister Joachim von Watt gewidmet ist. Vielleicht war Watt dem Hohenheim schon von Villach her bekannt, wo er kurze Zeit als Schulhalter gewirkt hatte.

Vadian[18] war 9 Jahre älter als Theophrast. Er ist am 28. Dezember 1484 geboren. Als Professor der Rhetorik in Wien wurde er dort 1516 Universitätsrektor. Er hatte sich viel mit Plinius befaßt, dessen 7. Buch er neu herausgab und zu dessen zweitem Buche er Scholien [Erklärungen] verfaßt hatte. Schwer traf Vadian der Verlust seines Züricher Freundes Huldreich Zwingli, der in der Schlacht bei Kappel am 12. Oktober 1531 gefallen war. Der Tod Zwinglis wirkte sich auch im religiösen Leben St. Gallens schädigend aus. Zog doch der Abt des Klosters St. Gallen feierlich wieder in die Stadt ein, nachdem die Stadt seine Wirksamkeit aus stadtpolitischen Gründen völlig lahmgelegt und das Kloster auch dinglich in städtischen Besitz übergeführt hatte. In St. Gallen war Hohenheim auch schon wieder stark in die ärztliche Tätigkeit hineingekommen, in der auch Vadian als Stadtarzt unermüdlich war. Lange Zeit hatte Watt den früheren Bürgermeister Studer in der Kur gehabt, der schließlich auch in Hohenheims Hände gekommen war. Hohenheim hat auch einige Zeit im Hause Studers gewohnt.

Auch in St. Gallen wird lokalhistorisch von Hohenheims ununterbrochener Schriftstellertätigkeit berichtet. Rütiner schreibt in seinem bekannten Diarium über ihn (Bl. 84):

„Laboriosissimus est, raro dormit. Nunquam se ipsum exuit, ocreis et calcaribus tres horas in lectum prostratus cubit subinde, subinde scribit.“ [„Er ist sehr fleißig, schläft [p. 104] wenig, zieht sich niemals aus, mit Stiefeln und Sporen ruht er drei Stunden auf das Bett hingeworfen, und dann schreibt er wieder.“]

Hohenheim berichtet Gleiches. So sagt er: „Daß ich mein Zeit zu St. Gallen, die ich jetzt verzehr, nicht vergeblich hin laß gan (Bd. IX, S. 39). Das Erst Buch meiner Paramirischen Werken, darin ich geflissen sein wollt, tag und nacht mit Arbeiten die Auditores rei medicae zu unterrichten (Bd. IX, S. 120).“ Beides ist ja an Joachim von Watt gerichtet. Auch der Oporinusbrief berichtet Gleiches über Hohenheims geringen Schlafbedarf, der sich mit der gleichzeitig behaupteten Trunksucht gar nicht verträgt.

Eine sonst nicht erwähnte oder bekannte biographische Episode berichtet Rütiner über Hohenheim im ersten Bande seines Diarium auf Bl. 154v.

„Theophrastus medicus iam moratur super Hohe Twiel, Pronosticatus est Huldricho introitum in suas ditiones, donatus munere.“ [„Als der Arzt Theophrast auf dem Hohentwiel weilte, hat er dem Ulrich die Wiedereinsetzung in seine Würden vorausgesagt und ist beschenkt worden.“] Die Notiz ist gegen Ende 1534 ausgezeichnet, frühestens im September dieses Jahres. Da Herzog Ulrich 1534 in Stuttgart als Landesherr von Württemberg wieder einzog, müßte die Prognosticatio an ihn von Hohenheim spätestens in der ersten Hälfte dieses Jahres erfolgt sein. Daß sie irgendwie mit Hohenheims Aufenthalt auf dem Hohentwiel zusammengehangen habe, läßt sich nicht weiter wahrscheinlich machen; denn dies feste Schloß über dem Hegau kam erst 1538 in den Besitz des Herzogs. Auf dem Haus- und Staatsarchiv zu Stuttgart war über Hohenheims Verkehr mit Herzog Ulrich nichts zu erfahren oder festzustellen.

Auch auf die Behandlung des Bürgermeisters Christian Studer durch Hohenheim kommt Rütiner einmal kurz zu sprechen (Bd. II, Bl. 25v): „Eo Tempore quo Theophrastus Paracelsus Christianum Studer curavit.“

[p. 105] Christian Studer ist eine auch in der St. Gatter Reformationsgeschichte wohlbekannte Persönlichkeit. Er wurde 1531 zum dritten Male zum Bürgermeister gewählt. Keßler schreibt in seinem Sabbata (Bd. II, S. 285 und 394): „Demnach er ettlich Monat vier das Bürgermeisteramt schwerlich Krankheit halben versehen, ist er gar zu Bett niedergelegen.“ Er ist auch im gleichen Jahre 1531 am 10. Dezember gestorben. Sicher hatte Vadian den Christian Studer zuerst ärztlich beraten, und Hohenheim war erst später zugezogen worden. Keßler spricht davon bei Erwähnung des Halleyschen Kometen (Sabbata, Bd. II, S. 288): „diesen cometen haben dutet und ausgelegt Theophrast von Hohenheim, zu der in Zeit hie zu Sant Gallen, burgermeister Christan Studer arztende.“

Die Regenwurmkur

An seine Eintragung über die Behandlung Studers fügt Rütiner eine andere paracelsische Heilungsgeschichte:

„Eo tempore quo Theophrastus Paracelsus Christianum Studer curavit, Caspari Tischmachers filium in manu laesum curaturus, os aliquot exemit, fit contractus. Citabat illum ad Undenarios sive magistros Chirurgiae; contempsit nominando eos arschkratzer deinde ad Senatum. Eo autem tempore culinam in aula fecit Hieronymo Schowinger Vicario. Per illum Bartholomaeus obtinuit ut 14 diebus distulit. Tribus consulibus tandem con questus nullus promovit.

Tandem per ordinam (Bl. 26k) Tribunos plebis Andreae Müller narrando causam iubet ille ut una noste vivos regenwurm obligat, tertia die sanatus.

Caspar Tischmacher.“

Niedergeschrieben bzw. dem Johann Rütiner mitgeteilt ist diese Heilungsgeschichte im März 1537, ereignet hat sie sich schon 1531 zu der Zeit, als Hohenheim den Bürgermeister Christian Studer behandelte.

Also der Sankt Galler Kleinbürger Kaspar Tischmacher hakte einen kranken Sohn, der an einem Knochenleiden an einer [p. 106] Hand litt. Hohenheim nimmt einen Knochen heraus. Dem Eingriff folgt in voraseptischer Zeit Schwellung und dadurch Steifigkeit der Hand, die wie Hohenheim aus Erfahrung wußte, in einigen Wochen wieder zurückgehen würde. Der ängstliche Vater zieht St. Galler Wundärzte hinzu, die ihm von eingetretener Kontraktur sprechen und ihm einreden, er müßte die Sache an die Chirurgengilde bzw. Baderzunft bringen, vor der zu erscheinen Hohenheim ablehnte. Der Vater zitiert ihn darauf als den, der die gefürchtete Kontraktur verschuldet habe, vor den Stadtrat. Hieronymus Schobinger, Statthalter der 4 Orte, bewirkt auf Bitten seines Bruders Bartholomäus, der ja mit Hohenheim gut bekannt war, daß ihm Aufschub von zwei Wochen bewilligt wurde, unterdes werde die Schwellung schon zurückgegangen sein. Doch war wohl die Frist etwas kurz bemessen, die Schwellung war noch nicht völlig behoben. Es mußte „Etwas“ geschehen, eine „große Kur“ war geboten. Er verordnet, daß lebendige Regenwürmer für eine Nacht übergebunden werden mit dem Erfolg, daß die Schwellung zurückging und am dritten Tage die Kontraktur beseitigt war. Es bleibe nun dem Urteil des Lesers überlassen, ob er annehmen will, Hohenheim habe diese Regenwürmerkur nur „pro forma“ angeordnet, um Zeit zu gewinnen, wie er es (Bd. V, S. 90) ausspricht, oder daß Hohenheim tatsächlich an volkskundliche Vorstellungen und Heilverordnungen anknüpft, die gerade für die Regenwurmkur uralt sind, wie z. B. aus Max Eberts Reallexikon der germanischen Altertumskunde Bd. III, S. 534 ersehen werden kann. Aber auch bei Hohenheim selbst sind Belege für solche Regenwurmkuren zu finden, nicht nur im 9. Kapitel des unechten Liber principiorum (Bd. XIV, S. 507), sondern auch im echten Buche von den Kontrakturen (Bd. II, S. 484), wenn sie hier auch nur als Heilmittel genannt werden.

Schobinger

[p. 107] Auch Bartholomäus Schobinger „der Reiche“ war ein in der Stadtgeschichte Sankt Gallens wohlbekannter Mann. Sein starkes Interesse für Alchemie brachte ihn wohl früh zu Hohenheim in Beziehungen, berichtete doch eben Tischmacher von seiner Erbauung einer Alchemistenküche, bei deren Erstellung Hohenheim als Sachkundiger mitwirkte. Ein Brief Schobingers aus Waldshut aus wenig späterer Zeit findet sich in der Isaak Vossischen Handschriften-Sammlung zu Leiden, er soll in seinem vollen Wortlaute sofort bekanntgegeben werden; er berichtet, daß Hohenheims Aufenthalt im Hause Christian Studers gelegentlich seiner Behandlung dieses Altbürgermeisters von St. Gallen ein volles Halbjahr gedauert habe. Im Handschriften-Katalog der Vadiana trifft man auf die Angabe, daß Hohenheim mit dem Schobinger sich auf dessen Schloß Horn über Alchemie unterhalten habe, was sich vielleicht etwas später ereignete, da davon in dem Briefe aus Waldshut keine Erwähnung geschicht. Schobinger bezeichnet sich in der Unterschrift als „avus“ zum Unterschiede von einem Enkel gleichen Namens, einem Juristen und Freunde Goldasts von Haimisfeld.

Der Brief Schobingers hat folgenden Wortlaut:

„Waldshut.

Ewer schreiben hab ich empfangen, vnd desselben frundtlich inhalt vnd Erpieten mit Freuden vernommen, insonder dz sich mein Gnädiger her der Probst, auch ihr, euch der Alchimia nit hitzigcklich ergeben. Daran tunt ir gar wol vnd recht. Dann diese kunst hat vor vil Jaren, vnd auch auf disen tag vil großer Herren vnd Reicher leuth, deren ich noch vil weiß vnd kenn, mit irem großen schaden verfuert vnd ain tail verderbt. Daß aber üwer lust zu der nützlichen vnd lustigen Kunst der Distilation durch welliche man auß ainer ieden materi die 5a Essentia, als die aller subtilist substantz vnd hochste krafft durch hitz deß feurs schaiden vnd außziehen mag, dieselbige vnd anderi [p. 108] arbeit, durch welche man den menschen in gsundhait enthaltten, oder dem kranken mit gewissen artzneien ze hilf kommen vnd gsund machen mag, dz ist die kunst, die Got seinen Geliebten (welche mer uß liebe deß nechsten, dann von ihrs aignen Nutz den Menschen zehelffen bgeren) erofnet vnd mittailt. Es hat Theophrastus, den ich gar wol kent, vnd in 27. Wochen in mines Hern schwehers sellig[19] Haus ghalten, vil buecher von solchen dingen ains tails verporgelich, und ains tails die er warlich selb nit verstanden, hinder im verlassen. Dan der Schulmaister, von welchem er sein Kunst ghebte, hat in in vilen Stuckhen betrogen, zum teil die Wahrhait verhalten vnd der mer tail, so er in gelehrt, nit genug verständig underwisen, wie es sich dann in zeit so er bi mir gewesen, offt im werckh befunden, dz er ettlich ding, die er gschriben, selb nit recht verstanden hat, vnd dises ist die vrsach, dz seine hinder im verlaßne buecher vnd kunst, wenigen ze nutz vnd hilf kommen mogen. es werden auch auch [noch?] vil buecher vnder sin nammen getruckht, die Theophrastus weder gesehen noch gemacht hat. Dan ich kenn des Theophrasti stilum wol, wie sein brauch in seinem schreiben gewesen ist.

Dz sich der Herr erbeut, wo er mir in solchen dingen dienen vnd vnderweisen konde, dz wolle er trülich vnd gern thun, dz mich werlich wol erfrewet, vnd den Herren auff dz hochst vmb solche Gutwilligkait danck sag. Wolte gen in baide solchs in glichen der êren verdienen. Dann ich bin von natur dazu erborn vnd von iugend auf biß auf dise stund dahin genaigt, dz ich zu allen ehrlichen vnd nutzlichen Kunsten für all Reichtumb gwalt vnd Wollust ain fröd vnd lust hab.

Bartholomaeus Schobingern avus.

Bartholomäus ist 85 Jahre alt geworden. Interessant ist diese seine Stellungnahme zur Alchemie, auf die ich nicht weiter [p. 109] einzugehen brauche. Zu der Äußerung über die Unterschiebung von Schriften unter Hohenheims Namen kann ich eine Stelle aus der „Wahren Chymischen Weisheit Offenbarung ...“ von J. J. Chymophilo (o. J. 1720. 8° S. 152) anfügen, als Beleg der Landläufigkeit solcher Angaben:

„So seynd des Theophrasti Bücher sehr verfälschet worden und unter seinem Nahmen viel Schriften in dem Truck ausganen, an die er nimmer gedacht hak, zu geschweigen, daß sie die Früchte seiner Arbeit und Gedanken seyn sollten ...“

Nur über das Bildnis Hohenheims, das Bartholomäus Schobinger hat malen lassen, ein paar Worte!

Es war lange als geschätzter Familienbesitz in St. Gallen bei den Schobingers, ist ihnen aber später verlorengegangen und war lange verschollen. Was in der Mitte des 19. Jahrhunderts wieder auftauchte und in meinem neunten Bande als Titelbild reproduziert ist, halte ich für eine plumpe Unterschiebung. Schon die Jahrzahl 1529 zur Rechten des Kopfes ist für St. Gallen völlig unmöglich, ebenso für den blonden Hohenheim der üppige schwarze Bart. Bärtig soll das Bild gewesen sein, also wie das Tintoretto-Bild im X. Band, das ja äußerlich auch wenig dokumentiert ist. Es wäre sehr zu wünschen, daß das wirkliche Schobingersche Paracelsusbildnis wieder auftauchte. Über das ganze Hohenheimsche Bildniswerk kann ich auf meinen Aufsatz in der Deutschen Rundschau 62. Jahrg., April 1936, S. 12—16, mit 7 Abbildungen verweisen.

Morbi invisibiles

Anschließend an die im vorigen Abschnitt ausgiebig besprochenen 4 Bücher des „Opus Paramirum“ hat Hohenheim die Schrift über die „morbi invisibiles“, die „Bücher von den unsichtbaren Krankheiten“ damals auszuarbeiten begonnen.

In der Vorrede schreibt er: „Laß Dich das nicht betrüben, daß die Dinge nicht alle an der Sonne hegen, sondern betrachte, wie [p. 110] heimlich Gott außerhalb der Sonnen ist. Bei den ewigen Dingen macht der Glaube alle Werke sichtbar, in den leiblischen 'unsichtbaren' Dingen das Licht der Natur alle Dinge sichtbar. Das erste Buch handelt von den Krankheiten, so uns der Glaube gibt. Unsere Stärke alle liegt im Glauben. Die Geiste haben keinen Leib, weder Blut noch Fleisch, dennoch haben sie die Stärke und wir werden durch unseren Glauben zu Geistern und was wir über die irdische Natur handeln, ist der Glaube, der zu einem Geiste durch uns wirkt, und sind nicht weniger dann wie die Geiste und ist gleich als spräche Christus, so ihr habet einen Glauben als ein Senfkorn und seid irdische Geiste, wie viel mehr wird es Euch werden, wenn Euer Glaube ist wie die Melonen, Durch die Stärke des Glaubens übertrifft der Mensch die Geist und überwindet sie also, daß alle Geist vor ihm still müssen stehen. Er bedarf der Werke nicht; denn der den Werken zueilt, der eilet vom Glauben und begehrt zu der Verdammnis. Gott hats nicht darum geredet, daß wirs sollen begehren zu beschehen, sondern daß wirs wissen. Der Glaube wirket in Zwei Wege, in den guten Menschen zu guten Dingen, in den bösen Menschen zu bösen Dingen.“ Es wird dann darüber gehandelt, wie der Glaube den Leib krank mache. „Durch unseren ernstlichen Glauben werden Menschen zuo tot gebetet, krumm und lahm, natürliche Krankheiten werden verkehrt in unnatürliche, und wo solche Aberglauben in eim Land sind, da mag der Arzt nicht viel Zeichen vollbringen. Manche glauben sich durch eigenen Glauben gesund, wie wir uns auch krank glauben können — ein verzweifelt Leben in unserem eigen Boch [Aufpochen] und Trotz, die uns in Verzweiflung führen. Dieser Mis- und Aberglaube ist bei den Aegyptiern besonders stark gewesen, bis Aesculapius und Machaon kamen, die befanden, daß natürliche Krankheiten waren. Der Glaube aber schnitzelt uns Heilige und macht Geistesgötzen und macht daraus auch desselben Geists Heiligen Kraft.

Hierher gehören auch die Bilderzauberer, die ein Bild an die Wand malen und einen Nagel dadurch schlagen. Daraus ist zu ersehen, wie wunderbarlich der Glaube wirkt, so´s ihm Gott verhenkt. So schmieden wir eigene Heilige im Glauben, die gleich sind, als wenn es ein Hafner gemacht hätte. Der Heiligen Zeichen sind älter als das Christentum. Aus Apollo ist Sankt Jakob [p. 111] geworden, und einer ist gleich wie der andere. Die Zeichen sollen wir aber begehren, die aus der Barmherzigkeit Gottes auf uns reichen; dieselbigen sind christlich und in Christo ausgangen. Vergessen ist worden, daß sich keiner kann gesund glauben, er sei denn durch Mißbrauch des Glaubens krank. Merket aber, daß die Gesundheit aus der Arznei fleußt und die Arznei ist aus der Barmherzigkeit geschaffen. Darum die Werke der Gesundwerdung nicht Werke des Glaubens seind, sondern Werke der Barmherzigkeit.“

Es werden dann eine Reihe von Heiligen-Krankheiten besprochen: „Sant Veltlins Siechtag“ Krankheiten offener Schäden, „Sant Küris buß“, „Sant Johanns Rach“, Aufbrechen des Fleischs durch das Korrosiv, das Ätzsalz, zu deren Heilung „Bildlein von Männlein“ Verwendung fanden; ferner von dem natürlichen Brand, der nachfolgend „Sant Antonius feuer“ (Mutterkornbrand) geheißen wurde, aber „in Verlierung natürlichen Laufs liegt die Erkanntnus allein“. Beim Veitstanz wird die Geschichte einer Frau Troffea erzählt, die, um ihrem Manne einen Possen zu spielen, wenn er ihr etwas Unwillkommenes befahl, ihm zum Trotz tanzte. Anfangs schob man solches auf den heidnischen Geist Magor, später auf St. Veit, den Glaubensgeist. „Durch solches Vorgeben entstehen mancherlei Krankheiten, auch neue wie die Syphilis“ (S. 279).

„In vielen solchen Stücken wirkt der Glaube, das sonst nicht geschähe, machen uns viel elender Krankheit und Jammer und bringen uns in unsern Krankheiten dahin, daß wir werden zu gleicher Weis als die ist im Mann, der mit allen Waffen und Gewehren wohl versorgt ist und so er sieht ein hinkends Männlein mit einer angezündten Büchsen und der groß Mann fürcht sein Geschütz, läßt sich dasselbig erschrecken. Also ist es an dem Ort auch; wir sind stark genug wider das Gestirn; wir sind auch stark genug, den Glauben recht zu brauchen.“ Als andere Werke des Glaubens werden auch die Wiedertäufer aufgeführt, die in solchem Mißbrauch eines tollen Glaubens „sich selbst dahin glauben, daß sie auf ihr fürgenommen Weis sterben und verderben; es mag auch ihr Grund und Sekten kein andern Namen haben, denn nach rechtem Verstand: Incantatio ... daß sie aus Kraft des Glaubens und nicht der Wahrheit sich selbst in das Feuer begeben. Dann ins Feuer gehen nach [p. 112] göttlichem Willen muß um ander Ursachen willen geschehen, denn von zwei- oder dreimal Taufens wegen. Diesen Paß zu erhalten, hat Gott niemands darum geheißen sterben. Der von seins Worts wegen sterben will, der muß gewaltig im heiligen Geist überfließen, derselbig stirbt seliglich.

Dieselbigen Leut, die mit dem Tanz besessen sein, hant die Vernunft so gar verloren, daß sie gleich wie die Wiedertäufer genaturt sind, ließen sich von ihres Kibs [Trotz] wegen gleich so wohl verbrennen. Es ist ein anders dann unser eigen, eigenrichtige Weis, das uns zu solcher Marter führen soll ... das sie ihnen selbst ein fallenden Siechtum anglauben. Sterben von wegen des Glaubens ist ein selig Ding; aber sterben von den Artikeln wegen ist ein Tot, der aus dem Misglauben geboren wird ... des sie sich selbst überglauben ...

Aus solchen Glaubens Gesichten sind die Traumausleger entstanden. Also treibt auch der Glaube durch solche Bildnus, Gleichen die Wünschelrute in den Händen, löscht auch Kerzen ab, treibt den Schlüssel umb, treibt die Scheer und das Sieb umb und wie dieselben Künst erfunden werden, heut gut, morgen bös, ein ja, zehn nein, einmal wa[h]r, 10mal gelogen. Also sind auch die Träum und dieselbigen Gesicht wahr und erlogen durch einander; denn ihnen ist mit ihrem Glauben gleich einem, der ein Alchemist ist; derselbig weiß nichts und sucht für und für, gerat ihm eins, so fehlen ihm zwanzig. Wenn einmal ein Wahrheit kommt, so geht es nimmen. Also geschieht auch mit den Dingen im Glauben.“

Das zweite Buch, das „von den impressionibus des verborgenen Himmels, in was Wege und Gestalt dasselbige in uns wirkte“, handeln sollte, ist nicht vorhanden. Es ist vermutlich gar nicht ausgearbeitet worden.

Das dritte Buch von den unsichtbaren Werken

„... zu beschreiben die Kräft der eingebildeten Werken, so allein den Frauen angehörig sein zu der Zeit, so sie schwanger sein, item den Kindern anhängig werden und ersehen, auch den Mannsen, was ihnen ihr Imagination tut ... so wird ich mich nicht beschämen, hierin auch der Erste zu sein ... dieweil die Werke wunderbarlich sind der frauischen Einbildung, auch der Mannen. Eine Frau die also eingefaßt ein Bildnus, [p. 113] ich setz, sie hätt ein Schnecken ersehen und eingebildet und in derselben Einbildung greift sie mit der Hand auf das Knie ..., jetzt wird der Schneck dem Kind auf das Knie gebauet.

So die Frauen in solchen Stunden einbilden ein Gelehrten, weisen Mann, Platonem, Aristotelem oder ein Kriegmann Julium oder Barbarossam oder ein köstlichen Künstler als den Hofhamer auf der Orgeln, den Dürer von Nürnberg auf der Malerei, so würden sie solche Kinder gebären, die ihm würden gleich werden. Aus dem folgt, daß die Kinder dem nachschlahent, dennoch aber nicht vollkommen darein, sondern vermeint gelehrt, aber ohne Grund, wohl geschickt dazu aber fliegend in den Dingen. Das ist aber wohl möglich und bleibt und verharret im Kind und wird ihm die Masen wohl eingedrückt zu gleicher Weis wie ein Muttermal an der Haut. So ein Frauen zu solchen Stunden ein Lust ankäm zu stehlen, zu bulen und dergleichen: das wirkt im Kind und wird ihm eingeboren und hangt ihm sein Leben lang an. So wisset, daß dies alles kommt aus dem irdischen Lust und durch das Astrum des Menschen eingebildet dem Kind ohn alle Zutuung deren Dingen, die außerhalb dem Menschen sind und die Imagination ist das Gestein selbst ... Die Ding tut der Olympisch Geist, der von allen Dingen des Leibs die Schalen reißt. In dem olympischen Geist liegt die Kunst Gabalistica mit ihren Annexis, welche Kunst bewährt, das der Inbildung viel mehr möglich ist in deren, so die Zusammenfügung der Olympischen Geister sich verkörpern mögen. Denn zu gleicher Weis wie die sichtbaren Korpora können zusammen kommen, das können auch die Olympischen Geister der Schöpfung, welche das Gestirn sind in dem Menschen. Die Ding werden in den Büchern der Gabalia geschrieben.

Nun ist aber dieser Sperma, der also kommt aus der Imagination, geboren in Amore Hereos ... das solche Imaginierung ein Mutter ist der üppigen Unkeuschheit, daraus dann entspringt, so solche Buler oder Bulerin durch ihre große Imagination zusammenkommen, nicht fruchtbar sind, dann die Imagination regiert diesen Sperma. Daß ich aber von derselbigen Gebärung der Incubi und Succubi rede, so wisset, daß dieselbig Sperma vertragen wird durch den Geist, die zur Nacht wandeln, die tragen ihn an End und an Örter, da er ausgebrütet [p. 114] mag werden, als unter die Würm, Kröten und dergleichen unreine Tier. Darauf Ihr wissn sollen, daß gar nahend dem Ursprung der Basilisken ist, des Form und Gestalt niemands gründlich wissen mag, da ihr Blick tötet. Darauf wissent, daß ein jeglicher üppiger solcher Sperma den Nachtgeistern erlaubt ist, daraus sie etwas machen, nach dem und sie mögen einen Bauch dazu finden.

Was ist aber amor hereos, von der hier geredt ist worden? Nit ein Mann allein, nit ein Frau allein, sondern die Beide ist ein Ding. Das der Leib für sich selbst ohn alle Imagination sein Pollutiones laßt laufen, aber diese Pollution wird nicht gefunden in Erlaubnis der Nachtgeistern, ein Auswerfen der Sperma, daraus dann Incubus und Succubus ihre Wirkung nehmen, das eine ist der Nachtgeist der Frauen, das andere der Nachtgeist der Mannen.

In solchen Dingen, die alle fürzukommen, ist gut ein ernstlicher, redlicher Wandel; der sein selbst nicht gewaltig sein kann, der bleibt nicht allein. Wiewohl Keuschheit ein rein Herze macht zu lernen göttliche Ding. Die Scheidung der Sperma in der Formierung des Kindes ist eine sehr vollkommene Sache wie die Gold- und Silberscheidung.“

Das vierte Buch ist in 13 kurzen Abschnitten vorgetragen, die den Menschen als Mikrokosmus klarstellen, beginnend mit der ersten Schöpfung und weiter fortfahrend in der Bereitung der „Mumia“. „Das ist Mumia, so der Mensch das Leben nimmer hat, so gehen sein Blust (Blüte) an in den natürlichen Kräften der Arcana. Ihr wisset, wie der lebendige Leib kann und mag durch Kraft der Arznei die Kranken gesund machen. Also sollet ihr auch wissen, daß in einem toten Mumia dergleichen solches auch bestehen mag. In was Weg aber ist groß zu merken, denn hieraus sind entstanden viel Mumia, die Zeichen getan haben, darum sie auch für Heilige gehalten wurden, wenn auch der Satan gern sein Werk dazu tut. Aber die Natur nimmet ein Ende, die Heiligen bleiben ewig. Soll der Heilig ein Zeichen tun an unser einem, so tut ers ohn seinen Körper, er tuts im Namen Jesu. Wir können zu keinem Heiligen kommen, sie müssen zu uns ... So haben sie sich auch geschieden von ihrem Körpern, darum können sie uns daselbst hin nicht tragen. [p. 115] Der Körper des Heiligen muß vor dem jüngsten Tag glorifiziert werden, d. i. Hinnahme der natürlichen Kräft.

Was am Körper wirkt, ist trotzdem natürliche Arbeit, und was sie wirken auf Kranke, ist gleichfalls natürliche Arbeit, als tets ein Arzt oder du zögest nach Pfeffers ins Warmbad.

Mir solls auch keiner dermaßen aufwerfen, als ob ich ein Verächter der Heiligen sei und der Heiligen Werk und Zeichen; denn so viel bin ich wohl erfahren in der Natur und auch bei den Heiligen, daß ich die natürlichen Werke wohl kann erkennen und was der Natur möglich ist zu tun. So kann ich wohl auch wissen, welche heilige Zeichen seind, die vielen Krücken und Stecken reden eine vernehmliche Sprache. Gott gibt uns hie in der Natur ein Exempel, daß wir die Natur in solchen Dingen sollen erkennen. Also daß wir gleich in der Natur der Geier nachlaufen dem Aas, das also dergleichen genaturt ist. Wer fleucht höher zum Reich der Himmel, denn wir? Wiewol mich dies auch getrieben hat, daß die Philosophei noch nie recht erfunden ist, die Ding weren sonst längest bei den Beiden verstanden worden, auch bei den Arzeten. Auf den Geist haben sie gebauet ihren Grund, und also wie die Schüler Partecken [Nahrung] sammeln, hin und her aus den Geistern erbettlet, da ein Roggen, da ein Weizen, da Haberns, da Gerstens, da Suppen, da Brei und also zusammen in den Schlüsselkorb geschüttet und ein Philosophei daraus gemacht, die sich ebenso zusammenreimt wie Kleien und Salzmesen. ... Hätten die nigromantischen Geist nicht geschwätzt, wo wollten die Narren mit ihrer Philosophei hinkommen sein? Ist ein groß Ding, so er weiß, ob der Rock blau oder grün sieht und sucht den Rat seines Kranken auf dem gesalbten Daumennagel. Wenn Andorn erscheint, so weiß er nit, ists Nesseln oder Herzenstrost, und wenns Bibernellen Wurzeln ist, so weiß er nit, sinds Rapünzle oder Mangoltwurzel. Wer isset ein Suppen, die nit gesalzen ist, oder wer sieht beim Licht, das nit brennt ? Es werden viel Heiligen geachtet, deren Guttat klein ist, und es sind auch viel Nachbauern, die sie weit übertreffen; sie haben aber diesen Magneten nit und ihnen gebrist diese Natur. Wer die Natur hat, und ob es schon ein Hund wäre, er täte Zeichen und gute Zeichen, dann also lauft die Konstellation. Ob schon der Geist von den Körpern kommt, so bleibt doch das ein Körper, das [p. 116] sein angeborene Natur und Eigenschaft ist und liegt in der Erde bedeckt, wie ein Safran in einer Büchse und die Erde ist gleich mit solchen Korpora versorgt, wie ein Apothek mit Büchsen.

Wer wollt denn nicht der Natur in die Hauben greifen, von wannen die Zeichen ihren Ursprung nehmen, das kuntlich ist, das nit alles von dem Teufel geht, auch nicht aus den Geistern, so kommens auch in dem Namen Christi.

Also daß wir sehen die Leute gesund werden aus natürlichen Kräften und trinken kein Syrupen, schlucken kein Bolum, fressen kein Trisenet, schmirben kein Glieder. Um so viel sind sie besser als Hippokrates, der konnt ohn Eingeben nichts ausrichten. Nun aber am Ingeben liegt nichts, denn das die Zän kauen, ist die Arznei nit. Niemand sieht die Arznei, dieweils niemands sieht, so ist der Leib der Arznei nit von nöten. Darum ist sie aber, daß unser Augen dieselbig sehen leiblich, denn unleiblich wärs uns nit möglich. Es liegt nit am Leib, sondern an der Kraft, darumb das fünft Wesen erfunden ist, aus zwanzig Pfunden ein Lot zu machen, und das Lot übertrifft die 20 Pfund. Darumb je weniger Leib, je höher die Arznei in Tugenden ist. Kann der Mensch die 20 Pfund machen zu einem Lot, so könnens die unsichtbaren noch baß.

Das fünft Buch von den unsichtbaren Werken

(327) Ich far aber fort von den Charakteren zu schreiben, wie dieselbigen in uns Menschen wirken. Wie die Unweisheit so gewaltig unterdrückt dasjenige, das sie sollten in den wüsten Pfützen umkehren, sagen, das sei zauberisch, hexisch, abergläubisch, wissen nit, was ist. Die Kräft der Namen und Wörter gesprochen oder geschrieben, in was Weg das beschicht, ist mein Fürnehmen zu beschreiben, auch hie zu unterrichten, was den Dingen zu oder davon zu geben sei, darum urteil nit, du habest dann guten Grund erfahren.

Glück und Heil soll gehen von unsern Feinden und von allen den Händen deren, so uns hassen. Von wannen uns Hülf kommt, so kommts alleweg von Gott, denn er ist der, der unserem Leib das Leben gibt. Was verdreußt unsern Widersacher herter, denn so wir handfest sind und wissen, daß er uns aus dem Graben geholfen hat?

[p. 117] Wer kann einer Frauen feind sein, sie sei gleich wie sie woll?[20] Denn mit ihren früchten wird die Welt besetzt, darum sie Gott langleben laßt, ob sie gleich gar ein Gall wer. Wir sollen nicht nießen die Feindschaft des Feuers, sondern daß wirs zu zwingen haben, uns Guts zu tun, und dieselbig Guttat sollen wir nießen. Sehet an die Schlangen, dieselbig ist uns feind, daß sie, ob uns pfeiset, so bald sie ein Menschen sieht. Was ist aber mehr in dem Feind? So im Haupt und Schwanz abgehaun wird, wo ist ein edler Arznei im fünften Wesen wieder der Haut Morphea [Lepra-Art].

Die Ding geben kein Unglauben noch Aberglauben, so Gott in seiner Barmherzigkeit verstanden wird. Ist nicht unser größter Feind aus dem Himmel herabkommen? Dies sollen wir all im Beschluß wissen, was uns von unsichtigen Dingen dermaßen beschicht, beschicht nicht ohn Ursach, sondern zu einem Anzeigen uns. Der Dingen merklich Ursprung und Ursach zu suchen und zu ermessen, daß wir Solchs dem Teufel nit sollen zulegen. Denn Gott ist der, ohn den der Teufel nix kann.

Also laut die Summe deren Dingen, daß wir Hilf haben werden, wir sind bös oder gut. So uns nun ein Gutes geschieht durch die Charakteres, von denen ich hie schreib. Also sollen alle Ding in den ersten Ursprung gezogen werden. Dann secht an ein hoffärtigen Arzt. Dankst du Gott um Hilf und ihm nicht, er zürnt; dann er läßt sich an Dank der Kunst nicht benügen. Was kann er dir aber schaden mit seiner Hoffart? Gott wird dich drumb der Arznei nicht entblößen. Also beschicht dir etwas durch die Geist oder durch solche unsichtbare Hilf, danke nur Gott darum. Wäre ein Sabbat und du hülfest Deim Nächsten mit Charakteren, die endlich nicht aus der Erden kommen mit ihren Kräften; jetzt brichst du den Sabatt, denn du gabst dem Gebot nit stracks nach.

Darum mag ich wohl billich fürhalten, was die Ding seind, die man Zauberei geheißen hat ... Wer wollt mich darum in Aberglauben urteilen? Vielmehr in rechten Glauben, daß ich dem Teufel oder eim Geist solches geböte. Als wenn der Teufel einen [p. 118] dahin bringt, daß einer solche Sachen mit eim Aberglauben anfallt, wie von den Ceremoniis und dergleichen hernach folgen wird ... Denn es gebürt sich, das einem Gläubigen der Teufel gehorsam sei, mag er das Blättlein umkehren, er fleiß sich, was schadt ihm Versuchung ? Sie wird auch nit des Teufels sein, sondern ihm gekommen als ein billiger Raub, deren Gleichen die Kinder Israels viel eröbert haben, denn Gold und Silber kann man ihm nicht nehmen; man muß ihm und einem jeglichen Geist rückweis nehmen das, so sie haben. Alle Ding, so wir in Künsten vermögen, sollen Gott zu Lob und zu Ehr gebraucht werden. Und ob wir schon durch die Abgötter gesund Leut machen, so solls nit sein, denn wir sehen die Abgötter vor uns und tun betrogne Zeichen. Der Sam aber der Charaktere ist nit von Abgöttern. Wiewohl das ist auch, daß all abgötterische Zeichen aus natürlichen Kräften kommen, darum billich Gottes Lobe zuzulegen und die Kraft natürlichs Lichts zu entdecken und Abgötterei dahin stoßen, dahin sie gehört. Denn die mancherlei Sekten, so unter dem Glauben Christi einfallen, stricken das Euangelium so in ein engs Garn. So Christus das Exempel vom Roß nit geben hätte, so dörfte am Sabbat niemands weder essen noch trinken. Wir müssen Hilfe in mancherlei suchen, auf daß wir mancherlei Magnalia erfahren. Die Künst sind uns erlaubt, all zu lernen, alle Ding zu versuchen, was gut ist, behalten, denn darum sind wir auf Erden, daß der Weniger vom Mehrern lernen soll. Es soll sich auch niemand versehen, daß solch Wörter Teufel seien, es sind seine Species, die Charakter sind seine Komposita und Syrupel. Also wachsen sie in dem Land, da er ist, davon sich weiter gebürt zu reden. Was bedeutet das uns anders, denn daß unsere Sachen nix sind gegen Gottes und daß wir keiner Künsten wissend sind auf Erden, müssen nur warten, was Gott uns verhengt oder nit. Daß aber der Name Zauberer da soll stehn, das mag nit sein, es ist ein Kunst aus dem Licht der Natur.

Kein wissender Mann ist nie in Verführung blieben, ihn hat auch niemand aberglaubig gesehen. Wo sind die Aberglauben? als bei denen, die nichts verstant? Wo ist die Hoffart? Als allein bei den Unergründten? Wo die Torheit? Als allein bei denen, die in ihrer Weisheit bleiben und weiter in Gottes Weisheit nicht fahren. Wir seien oder werden gesund oder krank, das [p. 119] befielet ir der Natur, lernen reden, das befiehlt er unsern Eltern und weiter, so wir aufwachsen, müssen wir alle Dinge schwer erlernen und die wenigst Kunst vermögen wir nit. Dergleichen auch die Weisheit der Künsten haben wir auch nit von uns selbst, sondern auch durch ein Mittel, das selbig Mittel sind die unsichtbaren Geist ... also die Künst von ihnen auch gehen. Von diesen Mitlen ist zu reden, es seien dann Engel oder wie sie Gott genempt und kommen zu uns, wie der Engel kam zu Maria ... und ein jeglicher behalt die Gab, die ihm Gott zuschicket, dem das, dem ein Anderes und laß ihms sein ein englischen Gruß, der soviel ist, als dieselbig gab.

Also wisset hierauf, wie könnten wir die Erden bauen und wissen dieselben zu herrschen, wie ihr zu gehört, so wir nit ein übermenschlichs Licht hätten, das uns lernete? Nun sind alle die Künst vollkommen in den Geistern, sie seien gut oder bös. Von uns selbst ist nichts da. So es nun von ihnen kommen soll und muß, so müssen wir am allerersten den Affectum haben auf dasselbe. So die begirlichkeit in uns ist, so soll sie ohn alle Mittel in Gott stohn. Auf solches gont die Geheiß Gottes: Du Engel oder Geist lern den das oder das, auf daß er die Gab hab. Also macht aus uns Gott, wies ihm fügt. Dem hat er geben die Findung der Buchstaben, dem anderen das Handwerk der Schmied, dem anderen das Saitenspiel und also eim jedlichen, was dann Not auf Erden gesein ist und dasselbig dermaßen versehen, daß wir die Ding nach dem ersten Erfinder einander lernen. Und alles, was wir erfinden, das nimmt alles also sein Ursprung, darum soll sich niemands darum bekümmern lassen, durch was Mittel solch Ding an uns langet, sondern das sollen wir dahin hoffen, es komme durch bös oder gut Geist, daß sie das alles tunt aus dem Geheiß Gottes. Denn Gott will, daß ihm alles gehorsam sei und daß wir sein Gewalt und Mächtigkeit sehen und spüren, in der Hell [Hölle] als wohl als im Himmel, und daß er will, daß uns, seinen Erwählten, was im Himmel und Hellen sind, dienen. Gefiel Gott nit, daß wirs sollten haben, er ließ uns nicht zustehen. Dieweil ers uns zustohn läßt, so müssen wir je hierin ermessen, daß uns Gott damit nit arg meint, sondern im Guten und aus göttliche Treuen. Was ist denn Arges in diesen Künsten? Nichts dann allein das, das wir selbst arg machen, Klopfen und Anleuten ist auch gut, also sind alle Ding [p. 120] gut und zu Gutem erlaubt und befolen zu brauchen. Aber das ist nit gut, daß wir Beten und Fasten pflegen wie die Tetrici [Finstern], das ist, daß wir sollen unser Angesicht waschen, als wissen wir nicht darum, das Herz und nicht das Maul zu rühren. Aber von den Ceremoniis zu reden, gelüstet mich euch, ihr die Kräft zu erzählen. Denn nit allein, solchs mir zu meinem Fürnehmen dienstlich ist, sondern auch weiter, nämlich in der Gestalt, daß Gott allein das Herz haben will und nicht die Ceremonien. Will hie bei den Ceremoniis, daß alle Ceremoniae der gleichen verstanden werden, denn sie sind Ursach, daß hierin der Nam Abgötterei billich gebraucht mag werden; denn ein ieglich Ceremonia ist der Verzweiflung Trotten [Presse]. Hat er uns etwas geben, so will er auch nit, daß wirs in Ceremoniis verbrauchen, sondern mit unserer Arbeit, denn er gibt nichts anderes denn das, dadurch wir Gott heben von Herzen, Kräften und ganzem Gemüt und damit wir den Nächsten helfen können. So es dahin dienet, das er uns gibt, so werde aller Ceremoni vergessen. Solches hat auch verderbt die Kunst Magica, das ist davon ich jetzund schreib, ist dahin kommen, daß ohn die Ceremonien nit sollen will.

Nit daß ich wöll Petro in sein Gewalt geredt haben, das will ich aber gemelt haben, daß ein jedlicher sein geruhet Herz bei ihm selbst hat. Darum ich aber dieses red, ist die Ursach, daß die Charakter nit Wörter noch Namen sind, aber die Ceremonischen, die habens in die Wörter gebracht und Namen, damit die Geist hierinnen angesehen würden, gleich als wenn man dem Geist nicht rüfte, so solts nichts. Also wisset auch, daß allein die Ceremonien in Petrum weisen. Dieselbigen dermaßen stont auch gegen den Geistern und dahin gericht, daß der, der zu heißen hat, vergessen wird und die Knecht an sein Statt gesetzt. Also einer der da will diese Künst verachten von wegen des Mißbrauchs, der soll die Kunst nit in Verachtung setzen, sondern daß sie den Knechten zugemessen werden, da liegt die Abgötterei.

Dieweil sie des Herrn Kraft und Macht nit haben und werden aber darum angerüft, daß sie Zeichen tun und eben sie mögens nit, so müssens die Ausred suchen: du hast nit recht gefastet, du hast nit recht gebeichtet, darum hab Dir die Schmitzen [den Hieb]. Da sind dieselbigen Geist angeruft worden, als täten [p. 121] sie es aus ihrem eigenen Willen und vergessen, daß sie aus dem Geheiß Gottes sollichs bezwungen sind worden und durch die Chaldäer, Perser und Egyptier nach magischem Unterricht derselbigen Geist Namen erfahren und dieselbigen für Götter aufgeworfen. Haben sie mit ihren eigenen Geistern gespielt und die Zeremonien mit Fasten und Beten und dergleichen aufgesetzt, wie dann der Jud Salomon sein Spiegel und Moses librum conservationis und also für und für gemehret, ist eitel Neßlen [Brennesseln] und dummeren Dingen, wie dann aller Knecht Arbeit ist.

Nun ist des Glaubens Kraft und Macht, wenn wir ihn also aus der Hand geben, so haben wir ihn nimmer ... der Kräfte mancherlei sind, als man sagt, der kann ein Wundsegen: niemands kann ihn weder hauen noch stechen, der kann mit dem Schwert gehen, der für Schießen etc. Das ist auch ein Weg. Ein anderer Weg ist, der kann die oder die Krankheit vertreiben mit Segen oder dergleichen als die Geschöß, Gesücht, Blutstellen, Kalteweh [Bauchschmerzen]. Also auch zu dritten, der kann das oder jenes Kraut beschweren, daß dieses oder jenes tut, item der kann Liebe zertrennen oder machen. So wissent, daß viel üppiger Superstitiones hier mitlaufen die von den Alten nit gehalten sind worden, sondern von verzweifelten Buben, die viel Unchristlichs hierin gemischt haben. Eins ist von Alters her kommen, trifft an den Venusberg. Nun ist nit minder, es ist etwas daran. Solcher Höbergischen und Venerischen Bossen [Possen] richten die Apostizler [Abtrünnige] viel an.

Der Teufel vermag nit so viel, daß er ein Hafen möcht machen, der nicht brechen werd, ich geschweige einen Menchen; er vermag auch nicht den wenigsten Zahn ausbrechen, ich geschweige ein Krankheit heilen. In denen vier Artikeln verstand vielerlei Grund: der für Hauen und Stechen ist also: der St. Lorenzen bewahrt, daß er nit verbrannt auf dem Rost, der St. Johannsen im Oelversieden errettet, der die drei Kinder im Backofen ohn verletzt herausbracht, derselbig kann die Kunst und wird denen, denen ers vermeint und so es dem begegnet, der die Charakter braucht, so ist es Zeugnus, daß am jüngsten Tag Bestand ein von Gott und stand bei göttlichem Urteil, warum es ihnen ihren Aberglauben bestät, des solch Charakter Krankheiten [p. 122] heilen, wer kanns als allein Gott. Er mags die Geister heißen, die gleich zu sein wie die Kreuter verstanden sollen werden. Den Geistern ist es nit möglich, Gott verhengs oder heiß, daß sie die Kräuter beschweren. Daß solche zugelegte Kräft der Arznei allen zu ihrem Deckmenteleien genommen wird und Holdschaft oder Feindschaft zu machen aus Kraft solcher Charakteren, ist die Imagination. Denn es ist eine zusammen gesammlete Kunst, die von allen Künsten Bletz [Flicken] ausreißt, uns ein geflikten Mantel daraus macht. Ihr ward weniger oder mehr, so liegt es allein am Zusammenklauben aller der vorgemeldten Punkten, wie dies Buch vermag. Das ist aber wohl wahr, so die Möglichkeit der Natur je soll auf das Höchst ausgelegt werden, daß die unsichtbaren Geist vermögen, was der sichtbar Leib vermeg. Kann der sichtbar Leib ihm selbst ein Harnisch für Hauen und Stechen machen, unter welchem Harnisch der sichtbar und unsichtbar Leib beschützt werden, so kann auch in solchen Nöten der unsichtbar Leib unsichtbar Harnisch machen und sich als den unsichtigen Körper und den sichtigen nit ihm auch beschützen und bewahren, dann das gibt die Natur in ihrem Licht zu verstehen. Es mag auch also der unsichtig Leib dem sichtigen sein Krankheit anweg nehmen, mag ihm auch ander dergleichen mehr zuführen und durch solche magnalia ein andern die Ehre geben werden; denn also schneidt man, da man nicht gesäet hat, und also findt man, da man nichts hingelegt hat. Denn also, wo die bösen Geiste vermögen sich auf solchen Raub einzurichten, das tunt sie. Und wo sie sehen die Leichtfertigkeit des Menschen, da sind sie der Gesellschaft gemäß, und was sie uns tun und beweisen, es sei ein Lernung der Künsten oder sei ein Hilfbeweisung, so nehmens dermaßen an, daß aus göttlichem Befehl und Geheiß gang, nicht aus Verhängnis. Dieweil also die Geist Lehrer der Künst seind, daß sie sich vielmalen falsch herein flicken unter dem Schein eines Befehls, underweisen groß subtil Ding, scharfe hohe Gedanken, in allen Künsten groß Ansehen, viel Geschwätz und Klugheit. Damit hüten sich die, die in Sünden schweben, und wollen Apostel dabei sein. Sie werden leichtlich in die Schul gebracht und die, die ihren Geist für den Heiligen Geist setzen, deren Begehren ist, zu brechen, das nicht zerbrochen mag werden. Da sehen auf ihr eigenrichtigen [p. 123] Köpf in den Sekten, die da erhalten Artikel und machen sie groß, die die Apostel haben in der Einfalt bleiben lassen als ihr Taufischen, Böhmischen und Trinischen. Damit will ich also das fünft Buch beschlossen haben, was von den Charaktern zu verstehen sei, genugsam fürgehalten.“

In einer vorläufigen Ausarbeitung, die Huser überliefert hat, stehen zwei wichtige Abschnitte „De morbis somnii“ und „De desperatis morbis“, auf die ich hier leider nicht eingehen kann; ich muß auf meine Ausgabe Bd. IX, S. 353—366 verweisen.

Erforschung der Bergkrankheiten

Der Aufenthalt Hohenheims in St. Gallen dürfte nicht allzu lange ins Jahr 1532 gedauert haben. Nach des Bürgermeisters Studer Tod verließ er sicher bald wieder dieses Haus und siedelte wohl wieder in Bartholomäus Schobingers Haus „Zur Wahrheit im Loch“ über, vielleicht danach in sein (Schobingers) Schloß am Bodensee. Der früher von mir angenommene längere Aufenthalt im Kanton Appenzell dürfte nicht allzu lange gedauert haben. Den handschriftlich festliegenden Aufenthalt zu „Rockenh.“ möchte ich heute nicht mehr mit „Roggenhalm“ auflösen bzw. ergänzen. Ich habe in den Stübchen dieses Häuschens oberhalb des Dorfes Bühler in Appenzell-Außerroden[21] gesessen, ohne mich von der Richtigkeit dieser Wahl überzeugen zu können. Ich neige heute mehr zum Aargauischen Rockenhausen. Ich bin mit meinem Freunde, dem Professor und Chirurgen Bircher aus Aarau, durch die Waldherrlichkeit von Rockenhausen gewandert, allerdings ohne dort einen festen Anhalt finden zu können. Trotzdem möchte ich diese stille Einsamkeit als zeitweiligen Aufenthaltsort für den Anfang des Jahres 1533 ansehen. Hohenheim war ganz mit theologischen Ausarbeitungen beschäftigt, besonders mit Abendmahlsschriften, die der Herausgabe harren. Das Abendmahl stand damals allgemein im Mittelpunkte der theologischen [p. 124] Diskussion. Das ganze Jahr hat Hohenheim sicher nicht in der Waldstille von Rockenhausen sich aufgehalten. Er war von St. Gallen nach Osten gewandert, zuerst anscheinend auf Innsbruck zu durch die Arlberger Gegend ins obere Inntal, wo er in der zweiten Hälfte des Jahres 1533 Hall und Schwaz besuchte. Dann ging er wohl auch noch weiter abwärts, das stark industrialisierte und mit Bergwerken besetzte Inntal hinab, dessen gewerbliche Hygienezustände und Krankheiten jetzt besonders sein Interesse weckten. In den drei Büchern über Bergsucht und andere Bergkrankheiten hat er seine Gedanken und Beobachtungen ausführlich niedergelegt.

Das erste Buch handelt über die Lungensucht, über phthisische Zustände. „Alt und langherkommen“ nennt sie Hohenheim, also altbekannt. „Wie sich im Wein der Tartarus anhängt, so als Materia in der Lungsucht mucilago mit seinen Viskositäten an der Lunge aus dem Chaos in der Erde.“ Als den Tartarus der Lunge bezeichnet Hohenheim die Bergsucht. Im zweiten Traktat spricht Hohenheim speziell von der Bergsucht, „die aus den Nebeln im Berg entstehe, wie die Lungsucht oberirdisch aus den Nebeln aus dem Firmament, in der Gestalt, daß die Arbeit ein Hitz der Lungen anwirft und die Kelt in der selben Konfin, die sich im Chaos eintreibt, ursacht die schnelle Kühlung der Lungen nach aufgehörter Arbeit, denn obschon die Kelte nicht empfindlich da wird sein, so ist sie doch wesentlich im Alant und in der Terrestrität der Erden und fällt in die Wirkung gleich, als wäre sie getrunken. Die Bergsüße wird im Chaos genossen und so der Lust die Lunge verführt, so gibt dieselbe Süße die Bergsucht. So derselbig Schwefel von der Lungen angefaßt wird, so henket er sich an, zu gleicher Weis wie ein Harz auswendig an einem Baum und nach mancherlei Art und Weg der Miner werden mancherlei Harz in der Lunge geboren, welches Harz die Klag ist und die Ursach der Bergsucht. Wie ein gehlinger [jäher] Dunst, der in einen schlägt, mag die Lungen überharzen, also ist es auch möglich, daß von den Mineris ein solcher Dunst geboren werde, wie solcher viel im Himmel gesehen werden. Wie die Bergsucht aus den dreierlei mineralibus wächst, das ist von ihren spiritibus, die da sind im Chaos, [p. 125] welche von den Mineris ausgeht, wie ein stimb aus dem Mund. Gold und Silber müssen wir haben, auch ander Metalle, Eisen, Zinn, Kupfer, Blei, Quecksilber. So wir dasselbig haben wollen, so müssen wir daran wagen unser Leib und Leben mit viel Feinden, so gegen uns standen. So er nun die Krankheit hat und nimmt dasselbig Erz, so er gehauen hat und läßt das Silber davon schmelzen, so find er in deme, das davon weicht, das selbig, das ihn krank gemacht hat, jetzt findt er auch das selbig im Abtreiben, das ihn auch gesund mag machen. Was uns durch unser Hände schedlich mag sein, das selbig wird auch durch unser Hände wieder zu der Arznei gebracht.

Dabei sei einem jeglichen sein Erfahrenheit Vorbehalten; denn wer kann oder mag der Arznei ihr End ergründen ? Dieweil uns auch die Schul der Arznei ohne Ende geben und beschaffen ist. Ein iedlicher, der noch ledig ist von der Infektion, der wird erhalten durch die essentias Tartari, genommen und gebraucht alle Monat ein Mal mit gutem Schwitzen vollbracht, das Rezept also ist:

Rec. Liquoris Tartari unz 2

Olei colcotarini skrup 1

Laudani purissimi Drachma semis

gemischt und eingeben drei Gerstenkorn schwer, wiewohl auch das sein mag, daß nach Gesunheit der Komplex ein Mal im halben Jahr genugsam wäre, stehet bei einem jedlichen erfahrenen Arzt, wiewohl perlatum auri über das und anders alles ist.

Deren aber, so in die Feulung, wie obgemelt, gefallen sind, derselben ist manna calabrina perlata am besten. Nun ist Manna ein iedliche Süßi, die aus einem iedlichen Ding gezogen wird ... durch diese Manna muß der Leib erhalten werden. Darumb soll einem jedlichen fürgelegt werden dasselbig, das ihn antreffend ist. Also bleibt die Krankheit dem Bergwerk, also auch das Buch dem Bergwerk, also auch der Verstand bei ihnen zu erfahren ist.“ (490).

Das zweite Buch der Bergkrankheiten betrifft die „Schmelzer, Abtreiber und Silberbrenner und andere, so im metallischen Feuer arbeiten“.

„Nur das Zerbrechliche, d. h. nit Feuerbeständige, wirkt auf den Menschen; nichts Liebs wird ohne Leid überkommen, der [p. 126] Feind beim Guten. Folgt nun, daß den Metallen ihr fixe Art entzogen und genommen wird und durch die drei wird ein jedliches Metall verzehrt, denn wie drei sind der Tot der Metallen, daß also ihnen anhangt, gibt die Scorien [Schlacken], und das da glüet ist der Sulphur, und das davon raucht ist der Mercurius. Derumb ist ihr ultima Materia, daß sie durchgehent die Lungen und dieselbig Partes zu gleicher Weis wie ein Tinctur, die verzehrt sich im halben Korpus, also daß ein Ding wird der Leib und die Tinctur und der Leib nimmt an sich der Tinctur Eigenschaft. Darumb so muß der Arzt der Tinctur ein Erkenner sein und nit der Humorum. Denn wiewohl das ist, daß hieraus allerlei Krankheiten mitlaufen, als Wassersucht, Gelbsucht, Gliedsucht, Fieber etc., so werden sie doch all aus metallischer Tinctur geregiert wider die angeborne natürliche Art. Drum so ist von Nöten, daß hier der Arzt mehr erfahren hab, denn der gemeine Lauf ausweist. Metallische Krankheiten sind nicht humoristische Krankheiten. Wisset, daß ein jedlich Handwerk in sein metallischen Geist fällt, als die im Eisen arbeiten in den Eisen Spiritum und die im Kupfer feuren in den kupferischen Spiritum neigen. Also mit den andern Metallen auch, und die im Meß [Messing] arbeiten, in den kupferischen und galmeiischen Spiritum fallen, also die im albo und rubeo arbeiten in die selben metallischen und Tincturischen Geist. Ein jedlicher soll sich solchs versehen, daß er die Krankheit der alten Natur wohl unterrichtet hab, demnach die Erfarenheit in diesen mineralischen Krankheiten nemb und lern an den Enden und Oertern, da sie sind und wohnen; denn aus derselbe Uebung und Erfarenheit wird der Arzt gelehrt. Denn ob ich schon alles meld und schribe, so wird keiner ohn die Erfarenheit nichts verstehen werden. So er die Erfarenheit haben will, nemb ers bei denen, bei denen sie ist, das ist bei den mineralischen Krankheiten, dann wer wollt gelehrt werden in Erkanntnus der Erfarenheit von dem Papier? Darumb der Erfarenheit zueilen in das Gründlichest.

Der Salzgeschlecht seind dreierlei; unter denen alle Species begriffen werden, nämlich Salz, Vitriol und Alaun. Durch den Atem geht der Hüttrauch [Form des Arsenik] in den Menschen. Zu langen Tagen ist das Gift sein Tod. Der Arzt ist geschaffen, daß er fürkomme und wende die Krankheiten, so auf [p. 127] Nachgehen und Erforschung göttlicher Ordnung einfallen; denn so gütig ist Gott, daß er uns nit verläßt. So finden wir solche große Tugend in der Arznei, deß ihr Tugend alle Gift überwindt.

Der Leib Sulphuris und der Leib Mercurii, die zwei sind das Fürnehmen dies Buch; denn der Leib Sulphuris ist das Feuer, sonst brennt nichts denn der Sulphur, der Leib Mercurii ist der Rauch, der sich vom Feuer hindan schlägt. Ein jedlich Metall gibt seinen Rauch und Feuer, denn anders ist der Rauch des Zwiters, anders des Kupfersteins, anders des Bleierz etc. Mancherlei Species, mancherlei Aeschen und Schlacken.

Aus solchem angezogenem Atem entspringt Mercurius peccans. So dieser Mercurius in die Lunge kommt, so nimmt er ihm ein Wand für, daran er sich klebt. Etlichen Mercurium putrificiertes in ein Oleitet oder Feistigkeit etlichen in ein spermatischen Schleim, etlichen in ein sülzig Materiam, etlichen in ein dragantische Resolution, etlichen in ein fönugrecischen Muscilaginem [Hornklee-Scheim], etlichen in ein ledrischen Leim, etlichen gleich einem Hornleim, und solcher Art sind viel, darauf zu wissen ist, wo solche Putrefactiones [Faulungen] entstehen, daß man dieselbigen erkenne, in was ultimas materias der Venter equinus pulmonis sie geführt hat. Der metallische Rauch, auch sein Feuer, auch sein Scoria sind allein die drei zerbrechlichen Leib, von den gesagt ist, aber halb fix von wegen des fixen Korpus, dem es vereinigt ist. Also ist bei den Metallen ein halb fix Salz, ein halber fixer Sulphur und ein halber fixer Mercurius, aus den dreien. Also ist das Salz auch dem Magen nütz in der Dauung, behalt ihn vor Schleim und Wust bei guter Lust zu essen, zu dem, daß es den Augen, Ohren und Zähnen wohltut.

Aus dem Vitriol wird auch ein feuchte Luft. Dieser Luft ist die subtilest Essentia Vitrioli und hat die Eigenschaft wie das Salz im Hirn, Lungen und Magen. Über dasselbig aber sind heimlich Arcana in ihm für viel schwere und große Krankheiten, als die Gelbsucht, Übergang der Gallen, Unlust zu essen, zu viel Feiste, dergleichen auch, so durchdringt es vom Magen in die Lebern, fördert und treibt aus das Grien und dieselben Gebresten denen, so täglich in diesem Luft wohnen, purgiert, reinigt unten und oben aus, auch die Lungen, wehrt [p. 128] das Pleuresim [Brustfellentzündung], die fallend Sucht, Vergicht, den Krampf.

Also ist der 3 Salzgeschlecht Art, so ihr duft äußerlich mit Maß, Zeit und Stund administriert und gebraucht wird, daß sie vielerlei auswendige Krankheit heilen. Dann wie aus den 3 Salibus wird ein iedliche Scabies geheilt nach Ordnung der Concordanz, wie die Krankheit und Arznei zusammengehörig seind. Dann der Luft aluminis der heilt pruritum [Jucken], der Luft vitrioli Alopeciam [Haarausfall], der Luft Salis die Scabien, dabei auch die offenen Schäden nehmen sie in die Heilung inwendig und auswendig gleich als ein Wundtrank mitsamt einen guten auswendigen Cerot. Der Alaun in seiner Erden macht alle die Wesen, die denn macht alumen plumosum aber hineinwärts in den Leib handeln sie nichts arges.

Nun ist aber weiter zu merken, wie aus den dreien Salibus mehr oder weniger gemacht werden aquae fortes, aquae gradationis, aquae regis und dergleichen ... Dieweil ihr aber mancherlei sein als Scheidewasser, das aus Vitriol und Salpeter gemacht wird oder aus Alaun und Salpeter ... Weiter, dieweil gradierstück dazu geschlagen als Zinober, plumosum, spangrün etc. ist von denselben ein Solches zu verstohn, daß dieselben Gradierstück nicht niedergeschlagen werden, sondern bleiben in ihrer Nequiz, der Zinober wie ein Sulphur, der plumosum wie ein fix Salz, der Spangrün wie ein fixer Acetum. Dieweil sie nun bleiben, so merkt, daß sie so heftig durchdringen das Hirn, Lungen, Magen, daß sie aus ihren natürlichen Kräften kommen ... So werde auch vielerlei von den Aquis Regum verstanden ... So sind aber viel Alchimisten, die groß Alter erlangen, darin zu vermuten, daß die Spiritus der Ding sie dafür möchten dringen, ich aber kanns nicht recht achten, sonder mehr zugieb ihrer Abstinenz (Hunger, Wandlen, Uebung, Gebresten, welche einen alten Menschen machen) von ihnen selbst. Verstandent, daß die Salia in mancherlei da sind und gebraucht werden, jedoch aber mit solcher Giftigkeit, nit als die Metallen; drum ein Arzt, der die Ding will im Wissen haben und guter Erkanntnus, der soll sich in dieser metallischen Schul erfahren machen. ... Außerhalb den Arcanis sind noch etliche Simplicia, die sich dem Element Wasser vergleichen in dem, so in die Coagulation [p. 129] genommen wird, von welchen das Kapitel jezt lautet, als nämlich das Wasser marrubii, das Wasser barbae Jovis, auch Betonicae und Nenupharis.

Das dritt Buch von den Bergkrankheiten, darin allein begriffen werden, die Quecksilberischen Krankheiten

Aus den Argento vivo kann durch die vulkanischen Feuer ein jedliches Metall geboren werden. Wie also durch die Congelation dem Wasser die Bosheit, also nimmt Coagulation dem Mercurio auch sein Bosheit, allein daß der Medicus in diesem Liquido sein Apotheken suchen soll, nit angesehen das Uebel, so daraus entstehet, sondern anzusehen die große Kunst, die hierin verborgen liegt... Also auch treibt sich der Mercurius selbst in die Distillation in den Bergen, Klüften und Gängen, darin er Hegt. Also wo er verdeckt und verfaßt Hegt, da distilliert er sich, als in den Bergen, da mögen seine Dünste nicht stark durch die Erde gehn. Darum die, so in der Erde derselbigen Region wohnen, in solchem Dunst sitzen müssen, als einer der in einer Badstuben sitzt, ist gleich soviel, als säße er gar im Quecksilber, denn der im Bad sitzt, den machen die Dünste naß, gleich als säß er im Wasser gar. Wie nebeneinander stehn mögen ein Schnee auf einem Berg und im Tal ein zeitiger blühender Garten, also stehen da bei einander der Sommer und der Winter in der Erzeigung, also daß da die Konkordanz der Natur Eigenschaft und Qualität sich zusammen vergleichen, aus welcher Vergleichung die Philosophei der astronomischen Physika folgt und ihren Ursprung nimmt..., ist Not zu wissen die Widerwertigkeit des argenti vivi und des Menschen. So wisset, daß argentum vivum ein Gift in ihm hat, dasselbig tingiert es in den Menschen und dieselbig Tinctur, so ers und andre Planeten unsichtig haben, welche der Färber sichtig hat, ist die so die Tinctur krank macht... Was aber herrschet, das wirket.

So wisset, daß der Winter, so im Mercurio ist, einerlei Krankheit macht, die selbig ist das Zittern ohne empfindlichen Frost wie gemeldt ist, also geschieht auch den Tremorischen aus dem Mercur..., da entspringt jetzt Lungenfeuli, Eingeweidfeuli und dergleichen, dazu Leberfeuli, Magenfeuli, Nierenfeuli. Also verbrennt auch das Mark in Beinen, das Geäder, die Gebein, das [p. 130] Geblüt, das Fleisch in der Haut, die Cartilagines und was im Menschen ist. Dabei auch fallen die anderen Krankheiten zu ... (533) Verhenkte Gott das Ende meiner Archidoxis, ihr müßten die Natur anderes erfahren im Grund und mit Grund... Nun sind die lunatischen Krankheiten: Taubsucht, unsinnig Katzenbiß, Mania, der Tanz der Fallend und dergleichen ander mehr aus den Chronicis, aus den Acutis.

Wie nun gesagt ist von den äußerlichen Krankheiten, so der Mercurius mag zufügen durch Imprimieren seines Dunstes und verborgenen Radiis, so wissent auch, daß er dergleichen Solches auch handelt in den so ihn einnehmen, als durch Arznei... Der Mercurius ist einmal ein ewige Luna, in der kein Tot ist bis an den jüngsten Tag ... So diese Luna Mercurii nit gemeistert wird, so ist im selbigen Menschen alle Krankheit unheilbar, dieser Mon werde dann überbocht [überwältigt] notwendig den Mercurium wiederum aus dem Leib zu bringen, vordem und Arznei der Heilung angang.

Der Mercurius liegt in den Huli der Gleich [Gelenkhöhlen], besonders an unteren Extremitäten. Nun muß man im Oeffnung schaffen, wo er auslaufen kann durch Aufätzen mit starken Korrosionen wie:

Realgaris albi 2 Loth

Alkali vom Kalch und Weidäschen

Rosenöl Q. S. [quantum satis]

und aufstreichen für 14 Tage, Ihn dann lebendig mache durch warm Wasserbad oder in einem Thermalbad.

Er ist nun aus Schwaz und den Bergwerk- und Industriegebieten des weiteren Inntales zurückgekehrt, deren Ergebnisse wir in den Büchern über die Bergsucht und andere Bergkrankheiten kennengelernt haben[22].

Nicht in allzu guter äußerer Verfassung hat er sich befunden. Und im Gegensatz zu den in Scharlachrot einherstolzierenden ärztlichen Fachgenossen bat Hohenheim dem Innsbrucker [p. 131] Bürgermeister nicht allzusehr imponiert, so daß er vorzog, über den Brenner nach Süden auszuweichen. Er tauchte im Hochsommer 1534 in Sterzing aus, wo die Pest im Juni 1534 sich auszubreiten begann, wie ich nach den Innsbrucker Statthaltereiakten im zweiten Hefte meiner Paracelsusforschungen 1889 S. 167 ff. nachzuweisen vermochte. Hohenheim hat damals sein Büchlein von der Pest an die Stadt Sterzing geschrieben (Bd. IX, S. 545—562), in dessen Nachwort er auch sehr offen über seine augenblicklich ungünstigen äußeren Umstände spricht: „So du mein Notdurft und Not gesehen hättest, Du hättest auch kein Arcanum in Dir behalten (S. 561)“ ... „unter welchem die Pestilenz in der Region eingerissen ... der Krankheit halber richtet mich der Prediger und der Pfarrer aus, dieweil und ich der Venus kein Zutitler bin (S. 562)“, also die Geistlichen beider Konfessionen. In Sterzing durfte er aber der einflußreichen Freundschaft des Kerner und des Max Poschinger sich erfreuen. Mit dem letzteren begab er sich nach Meran, und zwar über das Pensser Joch, das direkt von Sterzing nach Bozen hinüberführt. Die Tour wurde wohl zu Fuß gemacht, spricht er doch (Bd. X, S. 194) ausdrücklich davon „über das Pensser Joch laufen“ und gleichzeitig (Bd. X S. 195) auch davon „wo die hohen Bergwerk liegen als im Schneeberg zu Sterzingen“, er hat also wohl auch diese damals besucht. Von Sterzing hat er sich „mit sampt Maxen Poschinger hinweg an Meran gemacht, daselbs Ehr und Glück gefunden“ (Bd. IX, S. 562). Zu guter Zeit wird er in Meran aufgebrochen sein, um ins Veltlin zu gelangen, über das er gesundheitlich in seiner letzten Tartarusschrift zum ersten Male in den höchsten Tönen redet von „demselbigen Land Veldtlin, des Gleichen hat weder Germania, weder Italia, weder Francia, weder der Occident noch Orient in Europa“. Dort ist in seinen „geborenen Einwohnern kein Podagra, noch Colica, noch Contractura, noch Calculus nie erfunden noch erhort worden, des ich mich zum Theil gewiß verwundern muß“ (Bd. XI, S. 97). Von diesem „Tartarus“-freien [p. 132] Lande ist in den früheren Tartarusschriften nie die Rede gewesen; es ist also erst neueste Beobachtung. Aus dem Veltlin ist er dann über die Bernina nach St. Moritz gezogen, von dem er (Bd. XI, S. 99) ebenso begeistert schreibt: „ein Acetosum fontale, das ich für alle, so in Europa erfahren hab, preise, ist in Engadin zu St. Mauritz, derselbig lauft im Augusto am säuristen; der desselbigen Tranks trinket, wie einer Arzenei gebürt, der kann von Gesundheit sagen und weißt von keinem Stein noch Sand nicht, er weißt kein Podagra, kein Arthetica; dann also wird der Magen corroboriert, daß er dann Tartarum verdauet als ein Strauß ein Eisen, als ein Amsel ein Spinnen, und nicht allein den Tartarum, sondern ander Ding mehr, so Krankheit im Menschen machen“.

Von St. Moritz ist dann Hohenheim durch Graubründen und das Oberrheintal nach „Pfäffers-Ragatz“ gewandert, wo er sein Büchlein über das Bad Pfeffers (Bd. IX, S. 639 ff.) noch im August 1535 und wohl auch das ärztliche Gutachten für den dortigen Abt Johann Jakob Russinger (Bd. IX, S. 661 ff.) verfaßte.

Durchs Allgäu strebte der dann auf Kempten und Memmingen zu, wo zu Ende des 18. Jahrhunderts noch zwei Originalbriefe Hohenheims sich befanden, die von Murr (nach seiner Mitteilung im Journal zur Literatur- und Kunstgeschichte, Leipzig 1799) noch gesehen hat und die der Leser weiter unten kennenlernen wird.

Kleiner Ärger

Der „Gabelpfaff“

Über Hohenheims Aufenthalt in Memmingen erhalten wir nur spärliche Auskunft in den zwei Briefen, von denen ich eben sprach, die Hohenheim von Augsburg aus, am 10. Oktober 1536, au Bürgermeister und Rat der Stadt Memmingen und an das Landgericht in Mahlstadt-Isny richtete. Wie war denn also die Sache in Memmingen? Er hatte eine Zeitlang bei einem als evangelisch ihm angepriesenen Pfaffen [p. 133] oder Diakonen Peter Algeuer mit dem Beinamen „Der Gabelpfaff“ und seiner Haushälterin oder Gattin Rosina sich einquartiert und schließlich nach bezahlter Rechnung unter seiner Zufriedenstellung sich eine andere Herberge gesucht. Ob nun die Rosina mit der Abrechnung nicht zufrieden war, ist nicht klar, aber wahrscheinlich. Jedenfalls hat Algeuer ihm brieflich eine Nachforderung unter verleumderischen Redensarten geschickt, wegen deren Hohenheim schon mit dem Stadtamtmann von Memmingen Rücksprache genommen hatte. Priester Peter und seine Rosin blieben aber bei ihren Anwürfen und haben sie jetzt im Oktober 1536 in Augsburg noch wiederholt. Sie hatten ihn offenbar in der Zeche übervorteilt. Er bittet um gerechte Amtsentscheidung von Bürgermeister und Rat von Memmingen.

Doch sehen wir uns nun den Brief einmal in seinem Originalwortlaut an!

„Den Fürsichtigen, Ersamen und weisen Herren Burgermaister und Rate der Stadt Memingen, meinen günstigen Herren.

Fürsichtig, Ersam. und weis Herrn, Euer Weishaiten sein mein willig Dienst allzeit zuvor berait, günstig Herrn, Alls sich begeben hat, das Ich bey pfaff Petter Algewer, sonnst genannt Gabelpfaff, als am frembder gast gezert hab, nach betzalter Rechnung in sein benuegen, ain andere Herberg gesucht, hat mir bemelter petter pfaff, ain schendbrief nachgeschriben, des abschrift hier Inn beschlossen, nicht allain ersettiget, am selbigen, sonnder mit sampt seiner Rosina, mit unergrundter unwarheit nachgeredt, mich ettlicher Summen noch schuldig zu sein außgossen, hab Ich den Erbern unnd vesten Jetzt E. Wt. Statamman solchs angezaigt, wölcher hier Inn gehanndelt hat, soll E. Wt. bey Im erfaren, hab Ich solchs alles nachgegeben, und wie billig wol hett mögen minderst hanndlen, Dieweil aber sy baide, Priester Petter, und sein Rosin, Irer unwarheit, und erlogene Wörter, nicht [p. 134] abstehn, sonder ippiger, als die leichtfertigen sich für und für mercken lassen, Auch jetzundt hie zu Augspurg wider erneuert, würd Ich gezwungen, iren ippigen Lugen zu antworten, nit gegen Iren leichtfertigen Personen, sonnder gegen Euch, als seiner oberkhait, wollen mich In sollichem guttig vernemen. Gib Ich E. Wt. ain solchen bericht, Dieweil und Memmingen sich des heiligen Evangelii für annder beruembt, christenliche frucht, zucht, mer werckh und tugent zesuchen, hab auf solchs ainen sonndern wirt, der nach den Memmingischen fruchten handle unnd wanndle, Ist mir bemelter diacon Petter Algewer, als für ain sonderlichen Euangelischen Brueder angezaigt, hierauff sein herberg haimgesucht, welche fruchten, lehr und tugenten, weder beim wirt noch wirtin gefunden, ubel angefaren bin, sonnderlich so die gschrifft sagt, mit den bösen wirstu bös mit den guten gut, hab Ich ain anndere herberg gesucht, nach wollichem Suchen, schenndbrieff und erlogen nachred nachgefolget sind, und aber Ich befinden mag, das ich in der Zerung schwerlich uberechnet bin, und aber betrachtet, solcher Personen gunst, und großen schirm nachgeben. Dieweyl ennd aber so schwer Lugen wider mich von Inen baiden außgehen, darumb das ich ain verlichene fremdere Herberg gefunden hab, unbillich solle gethan haben, hab ich die Ursach, so mich dartzu bewegt haben, besonnder in ain Register gesielt, E. Wt. hier inn zuschick, nach denselbigen zu hanndlen, nit ansehen die Person, gunst oder schwagerschafft, sonder den Rechten nach, wie die Oberkait verpflichtet ist, zu handlen, dann wa Ich solchs het mugen umbgan, wolt Ich solche Müe auf baiden seiten ersparn, wollen wir auch E. W. nicht verargen, hier Inn, sonnder betrachten des pfaffen und pfeffine ippige erdichte nachred, unnd die Warhait für sein Lugen fürdern, und erkennen, Will Ich vmb E. Wt. Insonderhait verschulden, Datum Augspurg den Xtag Octobris Anno 15CXXXVI E. E. W. gehorsamer

Theophrastus von Hohenhaim der heiligen gschrift und beder Artzney Doctor.“

Der Müller von Ungershausen

[p. 135] In den Memminger historischen Stadtakten hat sich aber noch eine andere Eingabe Hohenheims, die eine Forderung des Müllers von Ungershausen betrifft, der letzten Station vor Memmingen von Buchloe her, gefunden. Es scheint sich bei diesem „Geleitsbrief“ auch um eine besondere Art Schuldforderung zu handeln, die Hohenheim, wie er angibt, nicht zur rechten Zeit zugestellt worden sei. Nicht durchsichtig ist auch welche Ortsgelegenheit das „Eisene Pfaffhaus“ darstellt und was dieses Pfaffhaus mit dem Müller von Ungershausen für Beziehungen hat. Mit dem festen Datum 25. Juni oder dem 12. (13 Tage früher) Juni 1536 wird wohl das Datum seines Einzugs in Memmingen einigermaßen fixiert sein. Der Brief an das Gericht von Isny lautet:

Fürsichtig, Ersam, unnd weis Herren! Euern Weishaiten sein mein willig Dienst allzeit zuvor berait. Günstig Herrn! Es ist am 25 tag Junij durch ain vergebne person, ongevarlich ain brieff gefunden, mich betreffendt, des datum hintersich 13 tag gestelt außganngen under E. Wt. namen und Sigil, meldet ain Abforderung vom Landtgericht, des Millers halben, von Ungershausen, mir als ain glait, bey euch ihn Rechtlich zu ersuchen, dar inn ettlich Artickel stiendt, mir schwerlich von E. Wt. zu gedulden, Nemlich, daß mir der briff zu aignen hannden, und zu gehöriger Zeit nit zugestlt und uberantwurt ist worden, damit Ich mich vor betrug het wissen zu bewaren. Zum andern, daß der müller soll abgefordert werden vom Rechten, unnd Ich wieder In mit procediert, hab auch von meinet wegen niemans gwalt gehabt, ob Ich gleich wol In geladen hab, Ist an mich gelangt, wie Müller die Vertröstung hab den Langen auffschub, deren Ich nit erwarten möge, als im Landgericht, unnd durch eure abfordrung mir begegnen werde, Habs also lassen stau. Zum dritten steet im brieff, wie Ich solle vermainte sprüch haben, gegen gemelten Müller, das mit keiner Wahrheit erfunden wirt, sondern aufrecht und [p. 136] wahrhafftig sprüch, das so Ich gegen Miller hab, würd ich zu seiner Zeit wol einziehen, als gegen einen der betrüglich gegen mir gehandelt hat. So will ich auch unverhalten haben, das zu solcher Ladung gen Eysenen Pfaffhans mich underricht mmd geratten hat, so vil ursach angezaigt, das vor Euerm stab, Recht zu nennen, mir nachthaillig sein mechte, wiewol Ich seinen Worten auf dießmol nit glauben gib, als ich geben hab. Zedoch wil ich dem Müller sein Richter wol finden, darumb mich solche glaitsbriefs ettwas spettlich ansicht villeicht auf sonder arglist erdichtet, will E. Wt. unverhalten haben, Datum Augspurg den X tag Octobris Anno 15CXXXVI.

E. E. Wt. gehorsamer,

Theophrastus vonn Hohenhaim der heiligen gschrift und beder Artzney Doctor.

Der Druck der „Großen Wundarznei“

Außer solch kleinen Ärgerlichkeiten war das Jahr 1535/36 im Illertal nicht besonders ereignisreich, zwar arbeitsreich, und es gab viel Praxisfahrten! Es war wohl schon das Jahr 1536 herangekommen, als er nach Ulm hinunterzog, um mit dem Ulmer Verleger Hans Varnier wegen des Druckes seiner „Großen Wundarznei“ zu verhandeln, die lange in seinem Kopfe gereift war und im Allgäu ihre Ausgestaltung gefunden hatte. Aus dem „Zedelin“, einem Vorwort zu Beginn des Augsburger Druckes, erfahren wir auch Näheres über das Manuskript Hohenheims zu dieser wichtigen Schrift. Er hatte das Ganze mit eigener Hand zu Papier gebracht. Außerdem hatte er das Buch einem jungen Schreibgehilfen (Substituten) diktiert und dies Diktat für die Druckerei bestimmt, es krankte etwas an der geringen Lateinkenntnis des Schreibgehilfen, der vielleicht zugleich als Diener fungierte.

Auf dem Wege von Memmingen nach Augsburg machte Hohenheim in Mindelheim Station, wo er für den dortigen Stadtschreiber Adam Reißner ein Gutachten und einen [p. 137] ärztlichen Ratschlag verfaßte. Michael Toxites hat den 70jährigen, recht rüstigen Reißner, der voller Lob auf Hohenheim war, noch persönlich gesprochen:

„Wie er (gemelter Herr Reißner) zu Memmingen vor wenig Jaren, da er mir dieses Konsilii Abschrifft gab, selber gesagt, zuvor alle Zeit krank und mit Flüssen überladen gewesen, und nachdem er gemelte Stück angefangen zu brauchen biß auff diese Stund, da ich dies schreibe, gesund blieben, über seine siebenzig Jar kommen und noch lebt, hab ich nit künden unterlassen, dieses hier zu erzehlen, damit dieses Konsilium nit in windt geschlagen und veracht werde.“

Toxites gibt als Abfassungszeit des Konsiliums für Reißner das Jahr 1535 an. Doch war Theophrastus Ende August 1535 noch oben im Rheintal in Pfeffers, und es ist zu vermuten, daß sowohl der Besuch von Memmingen wie von Mindelheim schon ins Jahr 1536 fällt.

Der typographisch glänzende Ulmer Druck der Großen Wundarznei wollte nicht vorrücken, auch funktionierte die Korrektur nicht nach Wunsch. Kurz, Hohenheim war verärgert und wandte sich an Heinrich Steiner in Augsburg. Am 24. Juni 1536 hat er dann zu Augsburg in dem schon erwähnten „Zedelin“ auf der Rückseite des Augsburger Titelblatts zur „Großen Wundarzneie“ erzählt, daß er dem Hans Varnier in Ulm ein Diktat des Textes der nämlichen Schrift übergeben habe, der ihm (Hohenheim) nicht die Möglichkeit regelmäßiger Korrektur geboten habe, so daß er das ganze Buch in einem abermals nach dem Originalmanuskript eigener Hand hergestellten Diktat dem Drucker Heinrich Steiner in Augsburg, gegeben habe. Steiner hatte am 28. Juli 1536 schon das erste und am 22. August 1536 das zweite Buch, dessen Manuskript Hans Varnier in Ulm überhaupt niemals erhalten hat, im Druck vollendet. Ehe das Jahr 1536 zu Ende war, war die ganze Auflage vergriffen, und seit Beginn des Jahres 1537 veranstaltete der Verleger einen Neudruck, der in beiden Büchern im Februar 1537 ohne Zutun des Verfassers [p. 138] Hohenheim vollendet war, zweifellos ein großer literarischer Erfolg! Leider hat er den Verfasser nicht dazu angespornt, nun auch die in Aussicht genommenen Bücher 3—5 fertigzustellen. Nur vom 4. Buch besitzen wir noch wenigstens schüchterne Anfänge.

Hatte der schriftstellerische Elan des fleißigen Mannes derart gelitten, war das Interesse Hohenheims mit dem Erscheinen erschöpft, da alles Weitere eigentlich in anderer Gestalt schon geschrieben und fertiggestellt war, es sich also im wesentlichen um eine einheitliche Umstilisierung gehandelt hätte, die dem großen Manne als rein formaler Natur nicht lag, jedenfalls zunächst nicht?

Mit den durch die Druckgeschichte der „Großen Wundarznei“ angegebenen Monatsdaten ist auch der Aufenthalt Hohenheims zeitlich zwischen dem 24. Juni und 22. August 1536 zunächst einmal festgelegt. Aber wie aus dem Konsilium sich ergibt, war er schon am 24. März 1536 zu Augsburg. Hohenheim war ja nicht zum ersten Male in Augsburg und hat auch schon früher zum dortigen Drucker Heinrich Steiner Beziehungen gehabt, wie aus dem bei ihm hergestellten Drucke der „Wunderbarlichen übernatürlichen Zeichen, so in vier Jahren einander nach im Himmel, Gewölk und Luft ersehen“ 1534 hervorgehen dürfte (Bd. IX, S. 427—443).

Etwas ist aus dem Augsburger Druck der Großen Wundarznei noch besonders hervorzuheben: der Widmungsbrief Hohenheims an den Augsburger Physikus und Stadtarzt Dr. med. Wolfgang Thalhauser vom 23. Juni Anno 1536, der sich 1. gegen die Bücher der Alten wendet, 2. gegen die Ungeschicklichkeit der Wundärzte und 3. „betreffend die Zufälle, die den Wunden zustehen, die keiner der Alten und Neuen richtig kennt, und verspricht ein besonder Büchle die kleine Arznei geheißen“.

Angefügt ist die weit längere Antwort „seinem ihm sonder geliebten Freunde Theophrast von Hohenheims Wolfgangus Thalhauser, der Arznei Doctor und bestellter Leibarzt zu Augsburg“, der auch die Mißstände der gegenwärtigen Arznei [p. 139] feststellt, die, einige wenige ausgenommen, wenig Fördersames erbringe. Solch einer ist der treue lobwürdige Johann Manardus von Ferrara, den uns Gott nicht weiter vergönnen wollte (da er am 8. März 1536 gestorben ist). Die heutigen Mißstände der Wundarznei seien zum Einschreiten der Behörde reif, „es wandert keiner der Kunst mehr nach, nur von der Hohen Schul einige etlich hundert aus den Büchern entnommen oder sonst ererbte Rezepte; kommt ein Scherer oder Bader, der kennt an menschlichen Komplexionen nicht mehr, weder ein Mezger an einer Sau, der schneidet, prennet, sticket und trennet seines Gefallens. Darumb erfreuet mich, das Ihr ohn Zweifel von Gott dazu verordnet, angefangen habet, diesen Wust zu rühren, das henkerisch Martern anzutasten, zu beschneiden und zu entdecken, bin guter Hoffnung ihr werdet durch Eur vielfältig lauge Erfahrung der rechten Wundarznei bei viel Gutherzigen eine Wund legen, auch in ihnen einen rechtgeschaffenen Eifer um der Menschen Gesunde verursachen, unangesehen, daß auch aus Neide schier der ganz mennig der Ärzte widerwärtig ist ... des sollst ihr aber nit achten, Zeit bringt Rosen, wer vermeint, es sind alle frücht mit der erperen [Erdbeere] zeitig, der weiß nichts von Weinbeer löse [Weinlese].

Datum aus meiner Herberg zu Augsburg den 24. Juli anno 36.“ In der zweiten Auflage ist Thalhausens Brief weggelassen. Ob aus dessen Wunsch?

Hohenheim hat aber nicht alle diese Wochen in Augsburg gesessen, wo er auch ärztlich gewirkt hat, wie schon aus den gedruckten Ratschlägen für die Familie Zerotin hervorgeht (Bd. X, S. 573 ff.). Wir treffen ihn aber bereits am 7. Mai 1536 zu Mönchsrot, das heute Mönchs-Rot heißt, südlich von Dinkelsbühl, also weit nördlich der Donau, kurz vor der Mitte des Wegs nach Nördlingen, das er damals gleichfalls abermals besucht haben dürfte. Auch in Mönchs-Rot treffen wir ihn an der Arbeit an seiner „Großen Wundarznei“, dort schrieb [p. 140] er am genannten Datum die Widmung an König Ferdinand zum 1. Buche dieses Werkes. In seiner „Fürhaltung“, wie Hohenheim sie nennt, erbittet er vom König Ferdinand Schutz für seine neue Arznei und deren Bekämpfung durch alle seine und ihre Gegner. Ein besonderes Wort verdient auch die „Vorred Doctor Paracelsi in den ersten Traktat“, in der Hohenheim ebensowohl seinen eigenen wissenschaftlichen Entwicklungsgang schildert, wie auch seine eigenen Ansichten über die zeitgenössische Medizin und ihren Unwert, von der er keinerlei Hoffnung auf eine ernstliche Wandlung erwartet, indem er nur auf den jungen Nachwuchs seine Hoffnung setzt. So offen wie hier hat sich Hohenheim nur selten ausgesprochen.

Und nun noch ein Wort über einen mantischen Entwurf, überschrieben als „Erklärung der ganzen Astronomie“ und unterschrieben „Geben zu München“: eine vorläufig mantische Ausarbeitung zur „Astronomie Magna“, die ihn bald intensiv beschäftigen sollte. Diesen mantischen Entwurf möchte ich noch Ende des Jahres 1536 ansetzen, nachdem Hohenheim nach München übergesiedelt war.

Ein hinweisend Wort verdient auch die „Prognostikation auf 24 zukünftige Jahre“ vom August 1536. Auch sie, die stark religiösen Einschlag aufweist, ist dem „römischen König, Herrn Ferdinanden, Erzherzog von Österreich“ gewidmet. Auf dieses Werk legte Hohenheim so hohen Wert, daß er es mit all seinem symbolischen Bildwerk auch noch ein zweites Mal in einer lateinischen Umgewandung durch die gewandte Feder des späteren Lehrers der Poesie an der Ingolstädter Hochschule, damals in Augsburg ansässigen Marcus Tatius „Alpinus“ (A.D.B. Bd. XXXVII, S. 415), herausgeben ließ. Tatius entstammte einer alten Graubünder Bauernfamilie Streicher, er wurde in München ausgebildet und war damals Erzieher der Kinder Raimund Fuggers in Augsburg, 1539 wurde er nach Ingolstadt als Lehrer der Poesie an die Universität berufen.

Heimkehr

Enttäuschtes Warten

[p. 143] Im Jahre 1537 ritt Hohenheim von München an die Donau, dann donauabwärts bis Eferding, wo er einen mystisch gerichteten Jugendfreund, den Pfarrer Dr. juris Johann von Brant, besuchte, dem er bald seine letzte Ausarbeitung über die tartarischen Krankheiten widmen sollte, als einer der „ältesten unter den Kennern der philosophia adepta, der Erfahrensten Einem aus der Übung und der Kunst Vulcani und Apollinis“. Das Buch der Krankheiten „de Tartaro“ habe er auf der Reise zu dem böhmischen Marschalk Johann von der Leipnick zu Mährisch-Kromau geschrieben.

Gegenüber dem Starhembergischen Schlosse zu Eferding liegt noch heute der katholische Pfarrhof neben der alten gothischen Pfarrkirche. Eferding ist aus dem Nibelungenlied bekannt; dort wohnte eine Zeitlang der große Astronom Johannes Kepler, der dort auch seine Hochzeit mit der Eferdinger Bürgerstochter Susanne Reutlinger am 30. Oktober 1613 feierte.

In Mährisch-Kromau wird im Schloß noch die Stelle gezeigt (im Keller unter der nördlichen Schloßecke, in einer rundgewölbten Nische unter dem Archiv), wo Paracelsus laboriert haben soll. Besitzrechtliche Urkunden der dort ansässigen Herren von Leipa befinden sich heute noch im dortigen Archiv.

Das Hohenheimsche Gutachten und der Ratschlag für Herrn Johann von der Leipnick, obersten Erbmarschall des Königreichs Böhmen ist erhalten.

Hohenheim fand den Erbmarschalken des Königreichs Böhmen, Herrn Johann von der Leipnick, in so abgezehrtem Zustand, wassersüchtig, gliedersüchtig und linksseitig gelähmt, daß er [p. 144] den Hohen Herrn nach neuen Verordnungen bald wieder verließ und sich nach Wien wandte, wo er vergeblich versuchte, die Tartarusschrift für Pfarrer Dr. jur. von Brant zum Druck zu bringen. Von einer zweimaligen Audienz bei Ferdinand I. wird berichtet. Er soll ihm 100 Goldgulden für Druckschriften gespendet haben, die niemals ausbezahlt wurden. Hohenheim soll im Lugeck, dem sogenannten Laszla-Haus, gewohnt haben und sich im Haus „Zum Küß den Pfennig“ sogar als Ehestifter in der Adlergasse betätigt haben. Es wird auch erzählt, daß er mit dem Prior des Servitenklosters verkehrt, die Quellen von Baden bei Wien chemisch untersucht und im Kahlenberg das Vorhandensein von Goldadern verkündet habe. Der Südweg Hohenheims ging über den Semmering durch Mürz- und Murtal nach Judenburg. Er soll dann nach Süden abbiegend über Friesach und das Bad Einöd nach Villach geritten sein, wo er sich im Mai 1538 von dem Richter, dem Rat und der ganzen Gemeinde der Stadt am Sonntag Jubilate, d. i. dem 12. Mai, eine Urkunde über Leben und Tod seines Vaters Wilhelm ausstellen ließ, die folgenden Wortlaut hat:

„Wir Richter, Raht, unnd die gantz Gemain der Statt Villach, bekhennen mit diesem brief offenbar, das der Erber wohlgelehrt, und berümt Wilhelm Bombast von Hohenhaim, der Artzney Licenciat, bey uns zu Villach als ein Inwoner bey zway und dreißig Jar ungeferlich gewohnt, und all die Zeit seines Wesens, Wandl und Leben gegen allermeinigklich Erber, ehrlich und wol gehalten, Das wir umb der Wahrheit willen, sein Erbarheit, Ehrlichen und unsträflichen wandl zuversehen, und zubekhennen schuldig sein. Ist auch verschinen vier und dreißigsten Jars, nach der wenigern Zal, gerait an unser Lieben Frawen tag der geburt, hie zu Villach mit Todt abgangen, der Seel Gott der Allmechtig gnedig sey, Desselben Wilhelm Bombast, der Ehrnfest Hochgelert Herr Theophrastus Bombast von Hohenhaim, baider Arzney Doctor, ain natürlicher Ehelicher Sohne und nächster Pluet Erb, ist, [p. 145] und den allein vorbemelter Wilhelm Bombast für sein Ehelichen Sohn und nägsten Erben der im Leben sey, gehalten unnd gehabt, Das der Herr Theophrastus Bombast sein angebürende Erbschaften, Schulden, und ander sein Verlassung, Haab und Gut, als sein Leiblicher Ehelicher San, und nägster Erb sol nach ihme und seinem absterben ersuchen, erfordern, einbringen, unnd empfahen, Alles unnd jedes was das sey, wie es namen haben mag, an welchen orten und allen Enden es sey, gar niendert nichts außgeschlossen, bey allen denen, darzu er Wilhelm Bombast von Hohenhaim sein Eheleiblicher Lieber Vatter Erblich und rechtlich Spruch und Anforderung hat, Unnd nachdem nach absterben gemeltes Wilhelm Bombast von Hohenhaim, der vorgedacht Herr Theophrastus Bombast von Hohenhaim Doctor an uns gelangt und begert, seines Ehelichen Lieben Vatters Absterben von diesem zeitlichen Jammerthal jme ain Urkhundt zugeben, Anst das zu offenbaren wissen und gantz volkhumen glauben seines Vaters Todts abgang, Fürter Er nach seiner Gelegenheit offtgemelts Wilhelm Bombasts von Hohenhaim seines lieben Vaters seligen verlassen Rechtlich Erbschafften, Schulden, und ander Haab und gueter, auch ander enden da ers zuersuchen hab, als sein Eheleiblicher Sun, und nägster Erb, und nun als seyn Väterlich und anerstorben Erb mag ersuchen und einbringen, haben wir jme von Billigkeit und Zubefürderung der Warheit sein begeren nit verziehen, sonder gern widerfaren wollen Und daraus diesen Brief zu gantz glaubwürdigem Urkhundt, Ihme geben, mit der Statt Villach anhangenden größern Secrete besigelt, Der geben ist am Sonntag Jubilate, den Zweelfften tag des Monats Maij, Nach Christi unsers Heylands geburt im Fünffzehnenhundert und Acht und dreyßigsten Jare.“

Ganz unsicher ist in dieser späten Villacher Zeit — angeblich 1537, was aber nicht stimmen kann — die Abfassung einer Schrift „De natura rerum“, angeblich an einen Johann [p. 146] Winckelsteiner zu Freiburg im Üchtland geschickt. Sollte sie samt ihrer halb skurrilen Widmung und sonstigen halb spöttischen Zügen wirklich von Hohenheim irgendwie verfaßt sein, so halte ich sie für eine Mystifikation des großen Mannes, die vielleicht gegen den öfters von ihm verspotteten Verfasser des „Coelum philosophorum“ gemünzt war, gegen Philipp Ulstad.

Hohenheim scheint bei diesem letzten Villacher Aufenthalt dagegen das Bleibergwerk am Doberatsch besucht zu haben.

Als nächstes Aktenstück seines Lebens hätten wir die am 24. August zu St. Veit in Kärnten an die Kärtner Stände gerichtete Widmung der „Kärntnischen Chronik“, die das „Buch von den Tartarischen Krankheiten an Pfarrer Dr. Johann von Brant“, die „7 Defensiones“ und den „Labyrinthus medicorum errantium“ umfaßt, zu registrieren. Hohenheim war von Villach, nördlich des Ossiacher Sees, wiederum nach St. Veit zurückgekehrt und schrieb dort folgende Widmung:

„Den hochwirdigsten, hoch und erwirdigen, wolgebornen, gestrengen, hochgelerten, edelen, festen, fürsichtigen, ersamen, erbarn und weisen etc. Erzbischofen, bischofen, prelaten, grasen, frechern, Herren, rittern, vom adel und lantschaft des erzherzogtumbs Kernten, meinen gnedigsten, gnedigen, gebietenden günstigen, lieben Herren und freunden.

Hochwirdigste, hoch und erwirdige, wolgeborne, gestrenge, hochgelerte, edele feste vorsichtige, ersame, erbare, weise, gnedigst, gnedig, gebietende, günstige liebe Herren und freund E. F. G. gunst und freuntschaft sein mein gehorsame, fleißig, willig und freuntlich dienst zuvor. Mich hat vor etlichen zeiten gut vermeint, daß ich dreierlei bücher in der arznei zu schreiben für mich neme, und wiewol die selbigen drei Bücher nit auf einen tonum gericht seind, sonder in drei ausgeteilet, desselbigen Ursach, warumb ich solches zu beschreiben vermeint hab von nöten zu sein, seind die: Mich haben die Galenischen und Avicennischen secten ein haereticum geurteilt und daß ich sol oder schuldig sei, von den [p. 147] pseudomedicis ein solchs zu gedulden, das die billikeit auf ir nit tregt, sonder nach dem gegenwurf wider zu erstatten. Wiewol Christus sagt, schlegt dich einer an ein backen, gib im auch den anderen, dem der dir den mantel nimpt, gib auch den rock etc. Dis gebot wird hie mein creuz nit werden, wan es ist mir auf meinen rucken nicht gelegt. Christus ret vom zeitlichen gut, in welchem wir unsern schaz nit suchen sollen. Daß ich aber handel und daß mein pflug ist und das donum, so mir got geben hat, ist von wegen der kranken nuz, wie dan Paulus gesagt hat, das niemant sol Christum rümen, so die liebe in den nechsten nicht erfült wird. Was ists dan ein verleugnen? Hab ich wider meine osores und aemulos, die mir die gab, so mir Got geben hat, versperren wollen mit iren scheltworten, als dan die eigenschaft in lingua dolosa ist, hab ich von wegen der Wahrheit wider dieselbige meine schirmred aufzurichten und vor meniglichen schriftlichen offentlich zu verantworten vermeint. Dan so mir Christus sol ein exempel sein, welcher die lügen der Jüden unverantwortet nit gelassen hat, kans mir noch minder verarget werden.

Demnach und zum anderen, damit dieselbigen den drom [Balken] in iren augen erkennen, hab ich das ander buch gemacht, nemlich den irrgang oder labyrinthum der arzet, damit sie nit allein mir die mücken in augen ausreumen, sonder inen die wisbeum mit sampt den mucken auch anrüren. und domit das werk den meister probir, hab ich für mich genomen die gemeinesten diser lender lantskrankheiten, als nemlich vom sant, grieß und stein zu beschreiben die theoricam und auch die practicam, das ist die Ursach mit sampt der Heilung, und solche drei bücher in einem buch offentlich an tag komen zu lassen. So ich nun in solcher arbeit mich entschlossen hab zu fertigen, auf das lezt hab ich vergessen, daß ich von kazen nicht sol schmer kaufen und daß ie ein krügler wider den anderm ist. Hab mein vornemen etlichen meines stants genossen fürgehalten, welche den anderen ires gleichen neue zeitung von mir heimbracht, mit meinem eisen ein spieß wider mich zu machen. Sie haben aber befunden, besser sei, so ich [p. 148] zu Wien zu S. Steffen bin, sie seien auf dem hohen markt, gang ich an den Lügeck, das sie gen S. Laurenzen gehen, welcher gegenwertikeit von inen nit zugelassen, sondern erfreuen sich mich zu verlezen, so ich vierzig meil von ihnen bin. Haben also dermaßen ein Knopf gemacht, daß ich an tag zu komen mit meinen werken nicht befinden hab mögen. Hierauf hat mich für gut angesehen, gnedigst gnedig, gebietend und günstige Herren, dieweil und das erzherzogtumb Kernten, nach dem lant meiner geburt das ander mein vaterlant, in welchem zweiunddreißig jar mein lieber Vater gewont hat, gestorben und vergraben, welchem von einer löblichen lantschaft vil zucht, er und guts bewisen worden, das ich bilich an stat meines Vaters seligen in dankbarkeit mich erzeige, welche ich mit embsiger achtung höher zu beschehen nit befinden mag, als so ich E. F. G. strengkeit etc. dise drei bücher offerir und verêr, daß die löbliche gemeine lantschaft desselbigen ein sonderlich wissen hab zu nuz meniglichen kranken im erherzogtumb Kernten. Dieweil sie doch von meinen aemulis so fleißig verhindert wird, daß in ganz Germanien deutscher nation nicht komen mag, das doch in kerntischem erzherzogtumb unverborgen bleib, derselbigen löblichen lantschaft zu gutem erschießen. So ist nicht minder, der stylus möcht etwas schwer sein, auch die namen und Wörter, auch die ordnung der recepten. So geschichts doch nit aus Verblendung oder verklügung, also ist aber die ordnung der erznei. Domit aber und ich ein leichtern verstant hierinnen gebe, hab ich hinzugesezt ein erleuterung in sonderheit von mir zu behalten. Nicht daß ich solches aus neidischem gemüt tue, sonder die Ursach so es betracht wird daß so vil vagantischer arzt seind, die möchten inen selbst einen jarmarkt aufrichten und durch ein eingemischten falsch vil kranken verfüren. Dan es mag ein ietlicher wol ermessen, wie eines ietlichen arztes gemüt gegen dem kranken stehet. Es sollen auch E. F. G. gnaden und strengkeit nicht einem jeden arzt zu vil glauben, dan Kernten, Steyr und Krain seind die ersten, so von den welschen doctorn in die prob gefürt werden, ein jeden kirchof anzufüllen nit gestatten. Und betrachten E. F. G. [p. 149] und strengkeit, daß besser sei, einer sei sein selbst Hirt, dan das er sich einem anderen und mercenario befelen müsse. Es ist ein underscheit zwischen dem Pastor und mercenario; der im selbst hüt, hüt am besten. Wil mich also hierauf verhoffen und ungezweifelt sein, dise meine werk mit sampt meinem undertenigen erbieten werden von E. F. G. gnaden und strengkeiten etc. als von meinen gnedigsten gnedigen Herren etc. angenêm und befolen lassen sein, mit der verwilligung, ob die zeit ein merers zutrüge, darinnen ich möcht erschießlich sein, untertenig ergib, wie sich die affliction des tags ergeben mag. Geben zu S. Veit in Kernten am 24. tag august nach Christi geburt tausent fünfhundert und acht und dreißigsten jar.

E. F. G. G.

undertenigster williger

Aureolus Theophrastus von Hohenheim, beider erznei doctor.“

Die kurze Antwort der Kärntner Stände, die Hohenheim zugegangen war, ehe er das Schlußwort zum Labyrinthus (Bd. XI, S. 249) schrieb, fügen wir direkt hier an.

„Dem edlen hochgelarten und hochberümten herrn Aureolo Theophrasto von Hohenheim beider arznei doctori, unserm bsondern guten freund und lieben Herrn.

Edler, hochgelarter, besonder lieber freund und Herr doctor, euch seind unser freundliche und willige dienst zuvor. Wir haben drei bücher, eines von wegen der tartarischen krankheiten, das ander etliche eure entschuldigung und defensiones berürende, das drit genant labyrinthus, in ein volumen durch euch zusamen gefaßt und an eine ersame lantschaft des erzherzogtumbs Kernten, deren irs zu sondern êren und gefallen gestalt, empfangen, ubersehen und nach lenges vernomen. Sagen euch derhalben und sonderlich der großen mühe, fleißes und arbeit, welche vilen Menschen zu vorhütung schwerlicher krankheiten und entgegen auch zu erlangung und überkomung ires gesunts (dazu und bevor gesezt die gnade Gottes) zu großem nuz und statten kommen mögen, und fürnemlich euer angelegten vorehrung, [p. 150] die ir gemeiner lantschaft hierinnen bewiesen, gar freuntlich und fleißig dank. Ungezweifelt eine ersame lantschaft wird solchs gegen euch erkennen, des sind wir auch zu tun begierig. Sind euch freuntlichen dienstlichen willen iederzeit zu beweisen bereit und erbütig, wollen auch keinen fleiß sparen, damit solche Eure schriften mit dem ehesten in truck komen. Haben wir euch guter freundlicher Meinung nicht wollen vorhalten. Geben zu Clagenfurt am andern tage monats septembris in acht und dreißigsten (2. September 1538).

N. N. etc.

Die lantleute des erzherzogtums Kernten, so vil derer bei heutgehaltenem hofteidung besamlet.

Literae sigillis 14 obsignatae erant.“

Unsichere Kunde nur verlautet über Hohenheims Besuch und Untersuchung des vom oberen Lavanttale zugänglichen Alpenkurorts Preblau mit alkalischem Sauerbrunnen, von dem wir ebensowenig einen authentischen Bericht besitzen wie von dem Bade Einöd (s. o.) für Gichtleidende im Olsebachtale, das schon zum Flußgebiet der Donau gehört. Von dort ritt Hohenheim über St. Veit an der Glan durchs versumpfte Glantal über das Hollfeld nach Klagenfurt, wo er noch im August anlangte. Er hat wohl seine Widmung au die Kärnter Stände und die Manuskripte der Sicherheit halber selbst nach Klagenfurt gebracht, und dort nahm er auch die Antwort seiner Standesgenossen in Empfang (s. o.), die ihm volle Erfüllung seines Druckwunsches versprach. Doch es blieb dauernd bei diesem Versprechen, das niemals eine Einlösung bei seinen Lebzeiten erfahren sollte. Und als man auf allerhöchstes erzherzogliches Einschreiten daran ging, nach den Widmungsschriften zu suchen, fand man sie, wie sie eingelaufen waren, unter den Akten der Landschaft, ließ sie in einem Band zusammenbinden und an den Erzherzog schicken, der sie hatte einfordern lassen. Treulich sorgte der Erzherzog dafür, daß der Band in die Hände des Bittstellers kam, des Kölner [p. 151] Paracelsisten Dr. Theodor Birckmann, der die „Drey Bücher“ zur Herbstmesse 1564 im Arnold Byrckmannschen Verlage herausbrachte (Bibl. Paracelsica Nr. 64), nicht ohne der Kärntner Landschaft mit einigen lobenden Worten liebenswürdig zu gedenken.

Auf die Erfüllung des Versprechens der Kärntner Stände wartet Hohenheim mit Ungeduld. Und in diese Zeit enttäuschten Wartens fällt wohl ein Besuch in Wolfsberg im nördlichsten Lavanttale, wo er für einen Sebastian Dreylinger wohl ganz zu Ende des Jahres 1538 einen Ratschlag verfaßte „Colicae et arthridis ex ea naturae vera curatio“, den ich in meinem XI. Bande, Seite 290 ff. zum Abdruck habe bringen lassen.

Seinem altgewohnten Brauch, sich mit Jahrespraktiken an die politische Öffentlichkeit zu wenden, ist Hohenheim auch in diesen drangvollen Jahren getreu geblieben. Wir besitzen solche aus den Jahren 1538 u. 1539. In der Beschlußrede zu der letzteren tritt Hohenheim aus seiner erhabenen Unnahbarkeit heraus und gestattet uns in diesem seinem letzten Worte an die politische Öffentlichkeit einen fast tragischen Einblick in die Unrast des ewigen Wanderers:

„So ich eines Sitzes bleibhaftig wäre und dieselbig Constellation Euch gleicher so lauge Zeit geübet, so wollt ich gestrackter einander nachgefahren sein, meinem seßhaftigen Ort zu Ehren, daß ich in diesem Weg alles vermeide, auch mehrers Teils gezwungen würde, will mich hiemit einem Jedlichen befohlen haben.“ (Bd. XI, S. 265.)

Er ist müde geworden und sehnt sich nach Ruhe, er der in den „Defensiones“ noch so mutige Worte über den Segen des Wanderns für den Arzt gefunden hatte, gerade hier in Kärnten.

Er hatte auch noch in anderer Weise für Umwelt und Nachwelt sorgen wollen, indem er für die Ausstattung der Widmungsschriften an den Adel seiner zweiten Heimat, Kärnten, Sorge trug. Für die in Aussicht gestellte Drucklegung seiner wichtigen drei Bücher ließ er ein Kupferstichbildnis von einem [p. 152] durch Zufall ihm in den Weg gekommenen Porträtisten, Augustln Hirschvogel aus Nürnberg, herstellen. Hirschvogel zeichnete auch 1538 ein recht eindrucksvolles Profilbild von der rechten Seite auf eine Kupferplatte, die heute noch auf der Albertina in Wien verwahrt wird.[23] In der langen Wartezeit, die ihm die Lässigkeit der Kärntner Standesgenossen auferlegte, ist aber Hohenheim dazugekommen, noch eine zweite Aufnahme von sich stechen zu lassen, die dem XII. Bande meiner Ausgabe als Titelbild vorangestellt worden ist. Das gleich dem früheren mit dem stolzen Motto „Alterus non sit, qui suus esse potest“ überschriebene zweite Bild zeigt einen in diesen zwei Jahren stark gealterten Mann, der, wie wir gleich hören werden, auch obendrein krank ist. Trotzdem setzt er sich stark in Positur: das vor sich gestellte Schwert aufstoßend als Vorwurf für seine wortbrüchigen Standesgenossen, so zeigt ihn das Bild. Dieses trotzige Bild hat ein besonderes Glück bei der Nachwelt gemacht, die es offenbar der Vorstellung, die man sich von Hohenheim gemacht hatte, als besonders entsprechend empfand.

Hohenheim ist dieser aggressiven Vorstellung noch besonders entgegengekommen durch sein zweites Motto, das er diesem Bilde beigab, halb wie aus der philosophia sagax entnommen: „Omne donum perfectum a Deo, imperfectum a Diabolo“, mit dem er den wortbrüchigen Kärntner Adel gleichsam zum Teufel jagt. Weit über 50 Bildnisse Hohenheims sind im Stile dieses zweiten Bildes von 1540 voller Applomb gehalten.

Letzte Wanderung

Nun hat sich gelegentlich einer historisch medizinischen Ausstellung in Dresden aus dortigem Staatsbesitz ein Brief Hohenheims gefunden, ganz im Diktat von anderer Hand geschrieben und auch unterschrieben, an den Hauptmann der [p. 153] niederösterreichischen Lande. Dieser Brief an den Landeshauptmann Hans Ungnad, Freiherrn zu Sonnegg, ist eine Antwort auf ein Schreiben, das ihn zu dem Erkrankten nach Pettau entbietet. Diesem Entbieten kann er „schwachen Leibs halben“ nicht folgen. Auch erwartet er täglich Nachricht, daß er außer Landes reiten müsse. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich dabei um die erwartete Berufung nach Salzburg, von der ja immer geredet worden ist, daß ihn nämlich der Bistumsverweser Ernst von Bayern dorthin gezogen habe. Jedenfalls ist er bald darauf nach Salzburg aufgebrochen. Dieser Brief an Hans Ungnad, Freiherrn von Sonnegg, hat folgenden Wortlaut:

„Dem wolgebornen Hern, Hern Hannsen Ungnadi, Freiherr zu Sonnegg, Kö. Ka. Majestät etc. Rat, obrister Feldhaubtman der Niderösterreichischen Landen und lantshaubtman in Steyr, meinem genedigen Herren.

Wohlgeborener gnediger Herr, Eur Gnaden sollen mein beflissen willig dienst zuvor. E. G. mir getan schreiben hab ich emphangen, und dero inhalt verstanden, nemblichen daß E. G. etwas in ainer seiten wetung und krankheit emphinden, darin ich dan E. G. helffen und rat mitteilen solle, und daß ich mich ietzo zu mitter fasten hinab gen Pettau verfüegen tet. Darauf zeig E. G. ich in warheit an, daß ich solchem begeren nach schwachheit halben nicht wol stat tuen mag, neben dem, das ich ietzo aus dem laut, ob got wil, willens zuverreiten, und derhalben brief teglich alhier gewartund bin. Wo es aber die Ursachen nicht hette, wolt E. G. ich nit alein in dem sonder wo es anderst in meinem vermugen wer, in einem mererm mit meinen armen diensten gern wilfarung erzeigen, fleißig bittund, Sie wellen derwegen meiner warhaften entschuldigung dheinen [keinen] Ungunst noch misfallen tragen, wo aber E. G. ich sunst in denen sachen dienstlichen oder angenemen willen erzeigen möcht, solt dieselb E. G. mich jeder zeit wilig unnd bereit finden, het des auch zetun sonder begird. Das hab E. G. ich auf [p. 154] derselben schreiben zu antwurt nicht bergen wellen, mich demnach E. G. gehorsamblich befelen tue.

Actum Clagenfurt den anndern marcii, anno Im 40ten.

E. G.
gehorsamer
Theophrastus von Hohenheim, beder artznei Doctor.

Was ich sunt muntlichen mit dem Paradeis geret, hat E. G. von ime auch zuvernemen.“

Mit diesem Brief an Ungnad von Sonnegg sind wir in das Jahr 1540 eingetreten, das letzte bürgerliche Jahr, das Hohenheim noch völlig bis zum letzten Tage durchleben sollte. Er wartet noch im März 1540 auf einen Ruf nach Salzburg, wie verhüllt zu sehen ist.

Was er im Jahr 1540 und 1541 noch ärztlich konsultativ zu erledigen hatte, ist schnell erzählt. Wie üblich erstreckt sich seine Tätigkeit auf die weitere Umgegend. Was er ständig persönlich erledigte, hat keine auffindbaren Spuren hinterlassen, wie es auch zu erwarten ist. Schon in Salzburg selbst erfüllt er die Bitten um Hilfe des damals namhaften Polen Franz Boner in Krakau, die er anfangs völlig abweist, als „zu spät“ erbeten. Schließlich läßt er sich doch zu einer Art Palliativkur bereitfinden, die zu einer Vereiterung des Tumors im Skrotum führen sollte. Wie beweglich Hohenheim noch zu Beginn seines Todesjahres 1541 gewesen ist, zeigt der Ritt zum „Gegenschreiber“ Jakob Tollinger zu Aussen, den er allerdings nicht persönlich besuchte, sondern sich nur Nachricht nach Strobl am St. Wolfgangsee erbittet, wo sich der immer noch Rüstige im Frühjahr 1541 noch aufhielt.

Doch nun nach Salzburg, wo Theophrast gegenüber der Salzachbrücke gewohnt hat. Das Haus ist heute noch mit einer Inschrift geziert. Ob er in dieser Wohnung auch gestorben ist, steht nicht fest. Er müßte dann aus dem Wirtshaus „Zum weißen Roß“ in der Kaigasse, wo er sein Testament diktierte, [p. 155] noch sterbend in die Wohnung am Platzl hinübergeschafft worden sein. Es spricht aber alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß er im Salmannsweilerhaus in der Kaigasse 18 auch gestorben ist, wo er, wiewohl „schwachs Leibs in einem Raißpetl [Reisebettlein] sitzend, aber der Vernunfft, Sinnen und Gemüts ganz aufrichtig“ seinen letzten Willen kundgab, von dem ich hier nur den ersten Absatz wiedergebe, weil er für seine religiöse Denkart sehr kennzeichnend ist.

„Von Erst befilch er sein Leben, Sterben und Arme Seel, in Schutz und Schirm Gottes Allmechtigen, onzweiflicher Hoffnung, der ewig barmherzige Gott werde das bitter Leiden, Marter und Sterben seines Eingebornen Sohnes, unsers Heiligmachers Jesu Christi an ihme armseligen Menschen nicht lassen unfruchtpar noch verloren sein, dann sein begräbnus hat ihme gedachter Doktor allhie zu sanct Sebastian enthalb der Brücken auserwählt. Man soll jhne auch in der Pfarrkirchen wie alt bräuchig mit Ersten, Siebent und Dreißigsten besingen und zu allen dreien Besingnussen einem jeden armen Menschen vor der Kirchen auf die Hand einen Pfennig geben und verteilen lassen.“

Der Armen hat er überhaupt in seinem Testament oft und reichlich gedacht. Er benennt in gemein zu seinen Erben „Arm, elend dörftig Leut, die dann kein Pfründ noch ander Fürsehung haben“, denen und unter dieselben sollen seine „Testamenterii solch überbleibend Hab und Gut, ihrer Gewissen und Gutbedünken nach, treulichen verspenden und austeilen, auch darinnen weder Gonst noch Ungonst sonder allein die Notdurft und Gebrechen derselbigen armen Personen ansehen.“

Außer den juristischen Personen sind mit Legaten bedacht: „Meister Hansen Rappelbader allhie hat er sechs Gulden verordnet. Ferner Meister Andreas Wendl, Burger und Balbierer zu Salzburg, hat er durchaus alle seine Arznei und Kunstbücher, desgleichen die Stichpflaster und andres, was dann die Arznei ungefährlich berührt und zu Zeit seines Absterbens in [p. 156] seiner Gewaltsam gefunden und vorhanden sein wird, geordent und verschafft, damit zehandeln, zetun und zelassen als mit seinem frei ledigen Gut.“ Es sind also nur Vertreter der Chirurgenzunft, denen Hohenheim Legate verschiedener Art zuwendet, der „Wundarzner“, die Hohenheim als das „Gewissest“ bisher erfahren hatte (Bd. X, S. 21). Dieser Vorliebe ist er also bis an sein Ende getreu geblieben! —

Und doch!

Ein fast magerer Ausklang eines so reichen Forscher- und Denkerlebens, gleich fern auch vom weiland jugendlichen Überschwang, der sich stolz glaubte, die Todesart selbst wählen zu können, wie von apathischer Resignation. Hohenheim ist am 24. September 1541 zu Salzburg aus dem Leben geschieden, an demselben Orte, wo er zwanzig Jahre vorher seine erste Praxis begonnen hatte. Geblieben war ihm die sieghafte Gewißheit, daß seinen Erkenntnissen die Zukunft gehören werde, daß er alle seine Widersacher niederringen werde auch „ohn´ den Leib“ durch seine Schriftwerke noch nach seinem Tode. Das frühe Sterben des großen Arztes hatte mancherlei Vermutungen Tür und Tor geöffnet. Hartnäckig hat sich das Gerücht erhalten, er wäre eines gewaltsamen Todes verstorben, wenn nicht gar durch den Angriff seiner vielen Feinde von einem Felsen heruntergestürzt worden. Es hat sich nicht bewahrheitet. Friedlich ist Hohenheim einem langen, schweren Leiden erlegen, das schon seit Jahren seine Schatten vorauswarf, wie wir aus dem Briefe an Herrn von Sonnegg (S. 153 bis 154) zu Anfang des Jahres 1540 schon wissen. Ein spätes Bildnis im Museum zu Salzburg gibt uns vielleicht die Lösung in die Hand mit seiner iktärischen Verfärbung des Antlitzes, das uns den Verdacht nahelegt, er sei von einem Leberkrebs dahingerafft worden. Daher sein frühes Ende, fast auf der Höhe des Lebens! Auf seinen Wunsch wurde Hohenheim auf dem Sankt-Sebastians-Friedhof beerdigt. Sein feierliches Epitaphium steht heute noch im Stiegenhause der Sebastianskirche. Requies aeterna sepultis!

Schrifttum

[p. 157]

Paracelsusforschungen von Eduard Schubert und Karl Sudhoff. 1. und 2. Heft. Frankfurt a.M., Reitz & Koehler, 1887 und 1889.
Sudhoff, Karl, Versuch einer Kritik der Echtheit der Paracelsischen Schriften. — I. Teil: Bibliographia Paracelsica. Berlin, Georg Reimer, 1894. — II. Teil: Paracelsushandschriften. Berlin, Georg Reimer, 1899.
Aberle, Karl, Grabdenkmal, Schädel und Abbildungen des Theophrastus Paracelsus. Salzburg 1891, aus „Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde“ XVII—XXI, 1886 bis 1891.
Moeller van den Bruck, Verschwärmte Deutsche. Minden i.W., Bruns Verlag, [o. J.] (etwa 1906).
Netzhammer, P. Raymund, O. S. B., Theophrastus Paracelsus. Einsiedeln, Benziger & Co., 1901.
Hartmann, R. Julius, Theophrast von Hohenheim. Stuttgart und Berlin, Cotta, 1904.
Kahlbaum, Georg W. A., Theophrastus Paracelsus. Ein Vortrag. Basel, Benno Schwabe & Co., 1894.
Ferguson, John, Bibliographia Paracelsica. Glasgow, 1877 bis 1893.
Bartscherer, Agnes, Paracelsus, Paracelsisten und Goethes Faust. Dortmund, F. W. Ruhfus, 1911.
Bircher, Limus, Medicus, Fritz, Fischer, Hans, Beiträge zur Charakteristik von Theophrastus Paracelsus. Basel, Benno Schwabe & Co., 1936.
Theophrast von Hohenheim, genannt Paracelsus. Sämtliche Werke. Herausgegeben von Karl Sudhoff. I. Abt.: Medizinische, naturwissenschaftliche und naturphilosophische Schriften. München, Otto Wilh. Barth und R. Oldenbourg, München-Berlin, 1922—1933, XIV Bde.




  1. Das ist: „dem Theophrast von Einsiedeln Erasmus von Rotterdam“, also ein vollkommener Parallelismus der Benennung.
  2. Allenthalben „molestare“, nur Leo Suavius hat „molestum esse“.
  3. Leo S. hat „quod“.
  4. Alle Drucke haben „dixi“, nur Leo S. hat „dixti“ = „dixisti“ korrigiert. Die dadurch entstehende Änderung des Sinnes ist aber insofern unberechtigt, als Hohenheim nur objektiv von der Krankheit spricht, von den subjektiven Beschwerden des Erasmus aber kein Wort sagt.
  5. mendicare (1562) ist wohl Druckfehler.
  6. Vgl. W. Vister, Geschichte der Universität Basel von der Gründung 1460 bis zur Reformation 1529. Basel 1860. 8° S. 85.
  7. Neckerei, Feindseligkeit, Beschwernis.
  8. jüngstvergangen.
  9. Nieswurz aus Anticyra, das in der Antike für heilkräftig für Geistesgestörte gehaltene Arzneimittel.
  10. Oratio de ortu, vita et obitu Ioannis Brosini Basiliensis ... Anthon Andrea Iorisco Silesio ... Argentorat, MDLXIX.
  11. Am 13. August 1529 ist im Rat von der Verlegung der „Sondersiechen“ in einen anderen „Kobel“ die Rede (Bd. VIII, S. 39—50).
  12. Chirurg. Bücher und Schriften Hohenheims 1605. S. 680.
  13. Vgl. Georg Sticker im Arch. f. Gesch. d. Medizin, 1910, Bd. III, S. 197 ff. „Ulrich von Huttens Buch über die Franzosenseuche als heimlicher Canon für die Syphilistherapie im XVI. Jahrhundert.“
  14. Es handelt sich um eine weitgehende geschwürige Zerstörung der Haut des Unterschenkels.
  15. In Fragmenten zu einem „Büchlein vom Mercurio“ (dem Quecksilber als Arzneimittel) Husers Ausg. der Chir. B. u. Schr. 2° S. 626 f. mihi Bd. VIII, S. 258 unten.
  16. Hero Fuchs ist der Kölner Drucker.
  17. Vgl. Paul Richter: „Über Paracelsus und die Tartarischen Krankheiten. Ein Beitrag zur Lehre von den Stoffwechselkrankheiten.“ Mediz. Klinik 1909, Nr. 38 u. 39.
  18. Vgl. über von Watt A. D. B. Bd. XLI, S. 239 ff. und die ausführliche Biographie u. Würdigung Theodors Presscl im 9. Band der „Väter und Begründer der reformierten Kirche“, Bd. X, 1030 S.
  19. Das ist Christian Studer.
  20. Diese Stelle ist äußerst wichtig als Beleg gegen das vielfach behauptete Eunuchentum Theophrasts und seinen angeblichen Weiberhaß.
  21. Vgl. Paracelsusforschungcn, Heft 2, S. 158 ff.
  22. Vgl. auch Franz Koelsch, „Theophr. v. Hohenheim. Don der Bergsucht und andere Bergkrankheit“, Berlin 1925. Schriften aus dem Gesamtgebiet der Gewerbehygiene, Neue Folge, Heft 12.
  23. Vgl. die Reproduktion als Titelbild des XI. Bandes meiner Ausgabe der Werke.