Brief an die Wittenberger Theologen
Brief an Luther, Bugenhagen und Melanchthon
Printing History, Manuscripts. Edited by Johannes Staricius in the collection Philosophia de limbo (1618) where it was followed by a compilation of different Paracelsian writings on the Lord’s Supper. Five manuscripts (the Gotha manuscript in Valentin Weigel’s hand).
Editions. Not edited by Huser, Sudhoff or Goldammer.
Relationship between different versions. There seems to be only one version.
Structure, genre/form, perspective, style. Written in the first person in the form of a letter, directly addressing the recipients.
Relationship to other texts. Written to accompany and recommend the author’s (i.e. Paracelsus’s) interpretation of Matthew 1–5.
Authenticity, authorship. The authenticity of this letter of Paracelsus to Martin Luther, Johannes Bugenhagen and Philipp Melanchthon accompanying Paracelsus’s interpretation of Matthew 1–5 was and is still disputed, especially among historians of Paracelsus. It has been included in the critical editions of the letters of both Luther (1933) and Melanchthon (1995). Sudhoff considered it spurious or at least questionable. Kurt Goldammer was uncertain about the date 1525, Hartmut Rudolph contributed arguments for its authenticity, Stefan Rhein voted against authenticity while Ute Gause tended to consider it authentic, and Kühlmann and Telle rather doubted its authenticity. Dane Daniel, however, sees “little reason to doubt” it, based on the theology implied in the letter.
Time of writing. Written ca. 1525 (if authentic) or the early 1560s (if spurious).
Manuscripts:
- Görlitz, Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften: Th VI 146, 167–168, 249
- Gotha, Forschungsbibliothek: Chart. B 908, f. IIIr, IVr–VIv, 250–251
- Kopenhagen, Det Kongelige Bibliotek: Thott 35 folio, f. 1r–1v
- Kopenhagen, Det Kongelige Bibliotek: Thott 119 kvart, f. 1r–1v
- Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: Cod. Guelf. 194.3 Extrav., f. 1r–2r
First printed:
- 1618 (in: Philosophia de limbo […] Doctoris Aurelij Philippi Theophrasti Paracelsi ab Hohenhaim, ed. Johannes Staricius (Magdeburg: Johann Francke, 1618); VD17 23:263455M; Sudhoff, Bibliographia Paracelsica, 508–511 n° 303).
Critical edition:
- D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Briefwechsel vol. 3 (Weimar, 1933), 465–467 n° 850 [based on the Gotha manuscript]
- Melanchthons Briefwechsel, vol. T2, ed. Richard Wetzel (Stuttgart, 1995), 269–273 n° 385 [based on the Görlitz manuscript].
Historical Manuscript Catalogues: Catalogus Osek (Prague) 3, n° 48; Catalogus (Stuttgart), I, f. 4v n° [155]; Catalogus Adelwert (Leiden), n° [106]; Widemann, Verzeichnisse (Kassel), n° I, 778; Catalogus Pfeffer (1683), 137
Essential bibliography: Sudhoff, Bibliographia Paracelsica, 510, 696 n° 26; Sudhoff, Paracelsus-Handschriften, 237, 788 n° 63; CP 1 (2001): 556; CP 3 (2013): 24, 313.
Further bibliographical references:
Stefan Rhein, “Melanchthon und Paracelsus,” in Joachim Telle, ed., Parerga Paracelsica. Paracelsus in Vergangenheit und Gegenwart (Stuttgart, 1991), 57–73.
Kathrin Pfister, “Paracelsus und Luther,” Nova Acta Paracelsica, 28 (2018), 139–158, on 149, 150.
Dane T. Daniel, “The Authenticity of Paracelsus’ Astronomia Magna and Brief an die Wittenberger Theologen: Towards a Diagnostic Rubric Clarifying Authentic and Spurious Elements in Paracelsus’ Oeuvre on the Basis of Theological Motifs,” Early Science and Medicine, 24 (2019), 419–438.
Text: | Paracelsus: Brief an die Wittenberger Theologen |
Source: | Gotha, Forschungsbibliothek: Chart. B 908, f. IIIr, IVr–VIv, 250–251 |
Reprinted from: | D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Briefwechsel vol. 3 (Weimar, 1933), 465–467 n° 850 |
Den christlichen Brüdern Martino Luther und Johann Pomerano, D. Philippo Melanthon, den apostolischen Männern.
Bruderliche Liebhaber der Wahrheit in Christo, chrisenlich ehrsamen, hochgelehrte Herren und Brüder! Eine gute Zeit her hat mich gedurst zu trinken mit euch den Brunnen der Wahrheit. Dieweil ich aber umbgebener Banden halben, so mich bisher dem Irdischen ingefaßt haben, mit Euch nicht habe mogen erscheinen; jedoch erfordert die Zeit, die Betrachtung der Seelen nichts zu sparen auf morgen, sondern einem jeglichen Tage letzte Zeit geben, wiewohl ich doch dennoch schriftlich mich gegen euch erzeige, die ersten 5 Capitel Matthäi aus zuefallender Zeit zusammengesetzet zu euch schicke, welche aus bruderlicher Treue als ein Kundschaft von mir annehmen. Und was mir von Euch hingegen angestoßen wird, will ich dergleichen bei mir behalten, dieweil eine Kerze nicht mag anders, denn von einem andern Lichte entzundet werden, und je ein Schein sich von dem andern erleuchtet, will sich doraus gebuhren, das weniger Licht in dem mehren zu stärken. Wiewohl unser Anzunden irdisch ist, dieselbigen kommen aus dem Kieslinge; ich setze aber nicht also ein Licht hie, sondern ein Anzunden von dem Lichte des öbern. Darumb ich euch anfänglich begrüße, so mein diese Arbeit einer ungesauberten Tochter wäre voller Aglen, durch welche kein guter Schein wird zerknirschet und zerrieben, besser ist in die Finsterniß gangen, dann durch ein irriges Licht wenig gesehen.
Also mein Bitte an Euer bruderliche Treue, so aus christlicher Art entsprungen ist: So nun bemeldte Finsterniß oder eine trübe Pfutzen erfunden wird, dieselben Irrsal zu bezeichnen, und mich der Besserung nicht verzeihen, christlich zu unterrichten; besser ists, in der Frühe gestillet, dann in Aufruhr, wann der Neid, der Kyb und der Poch mitsampt der Schande wären gewaltigklichen Bekehrung der Lugen.
Es folgen hernach, so mir von Euch vergönnet wird, noch 4 Bücher uber die 4 Evangelisten, eins von den Parabeln Christi, eins von den Mirakeln Christi und eins von den Passion Christi, welche noch nicht enpfunden haben, denn Ursach die schweren Sorgen, so die Oberhand aufleget, darin auch unter dem Schatten Auslegung in Actis Apost. liegend, in die Epistel Pauli 6 Bucher, und in die Epistel Johannis, Petri, Jacobi, Simonis und Judä, dergleichen in Apocalypsin. In demselbigen Schreiben, ob ich entrinnen werde den Säuen und Hunden, welche mit nichten in den Schafstall mogen gebracht werden, will ich in 5 Bucher uber Mosen lassen ausgehen, 12 uber die Propheten und 6 uber die Conscribenten, desgleichen einen sondern Paragraphum mit 6 Buchern in des N. T. Lehr erzeigen, damit ihr Perlin als Perlin bleiben, und was Schulrecht seind, fur Meisterstucke nit gehalten werden. Welcher Bucher aller des A. und N. T. in die 50 zusammengebacht seind. Darumb ich Euch billig gruße durch eine solche Kundschaft. Es hätte sich doch daß gebühret, die letzen Capitel zu beschreiben, denn sie werden mit der Zeit baß ergründet denn die ersten. Wir achten, die letzten werden das Licht sein der ersten.
{Es folgt die Auslegung von Matth. 1--5; am Schluß: Finis durch Doctorem Heremitam, nach dem Tauf Christi 1495 im Ende des Monats Martii (am Rande: Anno Christi 1525, aetatis 32, annis 16 ante obitum.)}
Bitte, wollet mich damit befohlen haben, und meinem Diener, der es Euch antwortet, als ein brüderliche Treu beweisen, daß ers selbst geschrieben hat und zubringt. Was mir von Euch zusteht, soll dermaßen gehalten werden.
Text: | Paracelsus: Brief an die Wittenberger Theologen |
Source: | Görlitz, Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften: Th VI 146, 167–168, 249 |
Reprinted from: | Melanchthons Briefwechsel, vol. T2, ed. Richard Wetzel (Stuttgart, 1995), 269–273 n° 385 |
Den christlichen brüedern Martino Luthero und J[ohanni] Pomerano doct[oribus], Philippo Melanthoni, den apostolischen mennern.
Brüderliche liebhaber der warheit in Christo, christenlichen, ersamen, hochgelerten herren und brüeder. Eine gutte zeit her hatt mich gedurst zu trincken mitt euch den brunnen der warheit. Dieweyl ich aber umgebener banden halben, so mich bißher die irdischen ingefast haben, mitt euch hab nit mögen erscheinen, iedoch erfodert die zeitt, die betrachtung den seel nichts zu sparen auff morgen, sondern einem iglichen tag seine letzte zeit geben, wiewol ich doch durch schrifftlich gegen euch erzeig, fünff die ersten cap[itel] Math[ei], auß zufallen der zeit zusammen gesetzt, zu euch schick, welche auß brüederlicher trew als ein kundtschafft von mir annehmen. Und was mir von euch hingegen angestossen wirdt, wil ich dergleichen bey mir behalten. Dieweyl ein kertz nit mag anders dann wie ein ander licht entzündt werden und ihe ein schein von dem andern erleucht, wil sich darauß gebüren, das weniger licht in dem mehren zu sterken. Wiewol iedoch unser anzünden irrdisch ist, dieselbigen kommen auß dem khißling, ich setz aber nit also ein liecht hie, sondern ein anzünden von dem liecht des obern. Darumb ich euch anfenglich begrüß, so mein diese arbeit einer ungesachten dochten wer, voller aglen, durch welchen kein gutter schein wirdt, zerknitscht und zertriben. Besser ist in der finsternus gangen, dann durch ein irriges licht ein wenig gesehen.
Also mein bitt an ewer brüderliche trew, so auß christenlicher arth entspringent ist: So nu bemelte finsternus oder ein trübe pfützen erfunden wirdt, dieselbiger irsall zu verzeichnen und mich der besserung nit verzyhen, christenlichen unterrichten. Besser ist, in der früe gestilth dann in auffruhr, wann der neyd, der khyb und der poch mitt sampt der schandt weren gewaltiglich bekerung der lugen.
Es folgen hernach, so einem von euch vergundt wirdt, nach 4 bücher vber die 4 evangelisten, und eins von den parabeln Christi, und 1 von den miraculn Christi, und 1 von der passion Christi, welche nach nit entpfunden haben -- dann ursach die schweren sorge, so die oberhanndt aufflegt --, darin auch under den schatten außlegung in Acta apost[olorum] liegendt, in die episteln Pauli 6 bücher, und in die epistel Johannis, Petri, Jacobi, Simonis und Judae, dergleichen in Apoca[lypsin]. In den selbigen schreien, so ich entrinnen wird den hunden und sewen, welche mitt nichten in die schaffstal gebracht mögen werden, wil ich 5 bücher uber Moysen lassen außgehen, XII uber die propheten und 6 bücher uber die conscribenten, dergleichen ein sondern paragraphum mitt 6 büchern in des neuen testaments leerer erzeigen, damit yhr perlen als perlein bleyben und, was schulrecht seind, für meisterstück nitt gehalten werden. Welcher bücher aller des alten und newen testaments in die L zusammen gebracht sindt. Darumb ich euch billichen grueß durch eine solche kundtschafft. Hetts sich doch baß gebüert, die letzten capitel zu beschreyben, dann sie werden mitt der zeitt baß ergründt dann die ersten. Wir achten, doe letzsten werden das liecht sein der ersten. Heremita
{Es folgt des Paracelsus Auslegung von Mt 1--5}
Bitt euch, wöllet mich damit befohlen haben und meinem diener, der es euch antwort, als mir brüderliche trew beweisen, das ers selbst geschriben hatt und zubringt. Was mir von euch zustehet, sol dermaßen gehalten werden.
Text: | Paracelsus: Brief an die Wittenberger Theologen |
Editor: | Edited by Julian Paulus |
Source: | Philosophia de limbo [...] Doctoris Aurelij Philippi Theophrasti Paracelsi ab Hohenhaim, ed. Johannes Staricius (Magdeburg: Johann Francke, 1618), f. a3v-a4v |
[f. a3v] Epistola. Philippi Theophrasti Paracelsi ad Theologos VVitebergenses.
Den Christlichen Brüdern Martino Luthero/ Joanni Pomerano/ Doctoribus, Philippo Melanchtonii; den Apostolischen Männern vnd Brüderlichen Liebhabern der Warheit in Christo.
Christliche vnnd Ehrsame Hochgelehrte Herrn vnnd Brüder/ eine gute Zeithero hat mich gedürstet zu trincken mit euch den Brunnen der Warheit/ Dieweil ich aber vmbgeben Banden halben (damit mich bißhero die Irrdischen eingefasset hatten) bey euch nicht habe mögen erscheinen/ jedoch erfoderts die Zeit/ das man die Betrachtung der Seel nicht sparen soll bis auff morgen/ Sondern soll ein jeglichen Tag geben die letzte Zeit/ wie wol ich mich doch nur Schrifftlich gegen euch er zeige/ vnnd die ersten Fünff Capitel Matthaei aus zufallender Zeit zusammen gesetzt/ zu euch schicke/ welche ich bitte/ das jhr sie aus Brüderlicher Trewe/ als eine Kundtschafft von mir annehmet/ vnd was mir von euch hergegen zukommen wird/ wil ich dergleichen bey mir behalten/ Dieweil eine Kertzen nicht mag anderst denn von einem andern Liechte angezündet werden/ vnnd je ein Schein den andern [f. a4r] erleuchet/ Darumb so wil sich hierauff gebühren/ das weniger Liecht in dem mehrern Liechte zu stercken/ wie wol jedoch vnser anzünden Irrdisch ist/ dasselbige kömpt aus dem Kieszling/ Ich setze aber nicht also ein Liecht hie/ sondern anzuzünden von dem Liecht des Obern/ Darumb ich euch anfenglich begrüsse/ So diese meine Arbeit eines vngefegten Dochtens wehre voller ägeln/ Von welchen kein guter Schein wirdt zerknitscht vnd zertrieben/ besser ist es gar in die Finsternis gegangen/ denn durch ein irriges Liecht ein wenig gesehen.
Also ist meine Bitt an ewer Brüderliche Trewe/ So aus Christlicher Art entspringet: Im Fall das jhr bemelte Finsterung oder ein trübe Pfützen erfunden würdet/ das jhr dasselbige Irrsal zuverzeichnen nicht verziehen wollet/ Sondern mich Christlich vnterrichten: Besser ist es in der frühe gestillet/ denn hernach in der Auffruhr/ denn Neidt/ Hader/ Zanck/ sampt der Verhönung vnd furch der Schande/ weren gewaltiglich die Bekehrung der Lügen.
Es folgen hernach/ wann es von euch vergönnet wird noch vier Bücher vber die vier Evangelisten/ vnnd eins vn den Parabeln CHRIsti/ vnd eins von den Mirackeln Christi/ vnnd eins von der Passion CHristi/ welche noch nicht publicirt seind worden/ der vrsachen/ die schwere Sorg/ so die Oberhand auff- [f. a4v] legt/ darinnen auch vnter dem schatten Außlegunge in Acta Apostolorum ligen thun. Auch hab ich in die Episteln S. Pauli 6. Bücher/ vnd in die Epistel S. Johannis/ Petri/ Jacobi/ Judae/ deßgleiche in Apocalypsin. In demselbigen schein deß lichtes/ so ich entrinnen würde den Hunden vnd Sewen/ welche mit nichten in den Schaffstal gebracht mögen werden/ wil ich 5. Bücher vber Moysen lassen außgehen/ vnd 12. vber die Propheten vnd 6. vber die Conscribenten, deßgleichen ein sondern Paragraphum mit 6. Büchern deß N. Testamentes Lehrern erzeigen/ damit jre Perlin als Perlin bleiben/ vnd was Schulrecht ist für Meisterstück nicht gehalten werden/ welcher Bücher aller deß alten vnd newen Testaments in die 50. zusammen gebracht seynd/ darumb ic euch billich grüsse durch ein solche Kundschafft: Es hette sich wol baß gebüret/ die letzen Capittel zubeschreiben/ aber sie werden mit der zeit besser ergründet/ dann die ersten/ Wir achten die letzten werden das Liecht sein der ersten/
Bitte nochmals jhr wollet mich euch befohlen haben/ vnd meinem Diener ders euch vberantwortet alle Brüderliche Trew beweisen/ denn er es selber geschrieben hat/ vnd euch auch zubringet/ was mir von euch zustehet sol dermassen gehalten werden. Finis.
Durch Doctorem Heremitam.
Nach der Geburt Christi Anno 1525.