David Ehinger (gest. nach 1632).
Über E.s frühe Lebensjahre ist nichts bekannt. Später war er als Schullehrer in Freudenstadt (1621) bzw. Kirchheim/Teck beschäftigt. 1629 beschloß E., «nimmermehr dz geringste in Alchimia weder particulariter noch universaliter [...] zu tentire[n]», nachdem ein Kollege bei seinen Vorgesetzten «nicht allein schrifftlich, sondern auch mündtlich verrathen, dz ich [Ehinger] deswegen ettlich mal die hulfstunden versaumet hette», und er «angloben müssen, dz ich [Ehinger] mich dises studij vnd laborum chimicorum gantz entschlagen, vnd meine gedancken einig vnd allein zu meinem officio scholastico haben vnd demselben mit allen müglichsten fleiß abwartten wölle». Letztes Lebenszeichen E.s ist ein an Isaac Habrecht gerichteter Brief von 1632.
E. betätigte sich als Abschreiber und Sammler von Werken Paracelsus’, ↗ Paul Lautensacks, ↗ Valentin Weigels und ↗ Jacob Böhmes; auch magische und alchemische Texte fanden ihren Weg in seine Bibliothek. Er hatte Widemann schon seit 1614 eigene Texte vermittelt, und spätestens seit 1627 übersandte er Widemann auch ganze Handschriftenbände. – Die ehem. Fürstenbergische Bibliothek zu Pürglitz/Böhmen (heute: Zámecká knihovna Křivoklát) bewahrt in der Sammelhandschrift Ms. I d 39 ein bislang unbeachtetes Faszikel mit einer theologischen Schrift Paracelsus’ (Iudicium de conceptu et exortu carni Christi, Bl. 25r-34v), das aus Ehingers Sammlung stammt. Zum größten Teil von Ehinger geschrieben ist der Cod. 94 Blank. der HAB Wolfenbüttel, der u. a. das pseudo-paracelsische Zehnte Buch der Archidoxen bietet. Aus Ehingers Bibliothek stammte das Manuskript von Paul Lautensacks Verzeichnüß/ was des Buchs Offenbahrung Inhalt sey, das 1711 in den ‘Unschuldigen Nachrichten von alten und neuen theologischen Sachen’ auf S. 587-596 abgedruckt wurde. In einem Brief vom 6. Dezember 1627 (LB Kassel, 2° Ms. chem. 19) übersandte Ehinger ein Verzeichnis von über 50 handschriftlichen Texten Weigels, Paracelsus’, Böhmes, Johannes Trithemius’ und anderer an Widemann, die Ehinger zur Abschriftnahme zu verleihen versprach. – Aus Ehingers Sammlung stammt eine Handschrift von De imitatione Christi des Thomas von Kempen (Brüssel, KB, Ms. 15137) E. wechselte Briefe mit ↗ Karl Widemann, ↗ Isaac Habrecht und ↗ Landgraf Moritz von Hessen-Kassel; zu seinen Bekannten zählten ↗ Joachim Morsius und ↗ Johannes Gruber, der ihn freilich einen Lügner («mendacissimus Sycophanta vnd losen Pfaffen Sohn») nannte. – Ulrich Stosser aus Augsburg widmete neben vielen anderen E. seine Disputatio physica de elementis in genere (Straßburg 1627; VD17 15:744665N): «Dn. Davidi Ehingero, Organistae Kirchô-Teccensium in Ducatu Wirtembergico». Weitere Widmungsadressaten waren u.a. Elias Ehinger (1573-1653, Professor und Bibliothekar in Augsburg), Christoph Ehinger (Diakon an St. Ulrich in Augsburg), Samuel Ehinger («Pastor in Franconia Holtzhusano»), David Ehinger («Pastor Gailheimensis»).
↗ Karl Widemann trug E. um 1620/25 in sein Verzeichnis spagyrischer Mediziner ein: «Dauid Ehinger von Augspurg. Besihe seine villualtige mir beschehene Verhaissungen mundlich vnd schrifftlich. Do wz drauf eruolgt, will ichs loben vnd Gott dangken». Andere Personen gleichen Namens: Weitere bekannt gewordene Namensträger sind: 1) David Ehinger aus Straßburg, 1579 an der Universität Tübingen immatrikuliert. 2) «M. David Ehinger Augustanus, Pastor Neusessensis, in agro Rotemb.» bzw. «M. David. Ehinger, p.t. Pastor in Neusses & Kürnberg», der verschiedentlich mit Gelegenheitsgedichten hervortrat und sich 1648 als Sohn von Elias Ehinger (1573-1653) zu erkennen gab. 3) David Ehinger Augustanus, 1606 bis 1616 Schüler am Gymnasium Rothenburg. 4) M. David Ehingerus Augustanus S. Theol. Studiosus, Verfasser einer Oratio de Christi ecclesia militante in his terris, Altdorf 1625 (VD17 1:073941A). Julian Paulus
Literatur: Gustav Bossert: Aus der nebenkirchlichen religiösen Bewegung der Reformationszeit in Württemberg (Wiedertäufer und Schwenckfelder), in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte, new series, 33 (1929), p. 1-41, esp. p. 39
Gustav
Bossert:
Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, vol. 1 (Herzogtum Württemberg) (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, 13), Leipzig: M. Heinsius
1930, esp. p. 903 n° 1266 (
Google Books)
Berthold Kress: Divine Diagrams: The Manuscripts and Drawings of Paul Lautensack (1477/78–1558) (Library of the Written Word, 34 = The Manuscript World, 6), Leiden: Brill 2014, esp. p. 388, 391
Gerhard F. Hasel: Capito, Schwenckfeld and Crautwald on Sabbatarian Anabaptist theology, in: The Mennonite Quarterly Review 46, n° 1 (1972), p. 41-57, esp. p. 61
Samuel
Kettlewell:
The Authorship of the De Imitatione Christi: With many interesting particulars about the book, London: Rivingtons
1877, esp. p. 272-273 (
Google Books)
(A)
Julian
Paulus: Alchemie und Paracelsismus um 1600: Siebzig Porträts, in:
Analecta Paracelsica: Studien zum Nachleben Theophrast von Hohenheims im deutschen Kulturgebiet der frühen Neuzeit, ed. by Joachim Telle (Heidelberger Studien zur Naturkunde der frühen Neuzeit, 4), Stuttgart: Franz Steiner
1994, p. 335-386, esp. p. 348-349 (
Academia.edu, free)
(A)
Christoph von
Rommel:
Neuere Geschichte von Hessen, vol. 2 (Geschichte von Hessen, 6), Kassel: Friedrich Perthes
1837, esp. p. 511, 521 (
Google Books)
Jiří Pražák: Rukopisy Křivoklátské knihovny: Codices manu scripti Bibliothecae castri Křivoklát, vol. 9 (Knihovna Národního Muzea v Praze. Katalogy a inventáře), Praha: Národní muzeum 1969, esp. p. 171-174
Sources
Paulus 1994, 348-349 ===
Ehinger, David. – Nr. 45, 46.
Gestorben nach 1632[1].
Ehinger war als Schullehrer in Kirchheim/Teck beschäftigt. Er wechselte Briefe mit Karl Widemann[2], Isaac Habrecht[3] und Landgraf Moritz von Hessen-Kassel[4]; zu seinen Bekannten zählten Joachim Morsius[5] und Johannes °Gruber[6], der ihn freilich einen „Lügner“ nannte[7].
1629 beschloß Ehinger, „nimmermehr dz geringste in Alchimia weder particulariter noch universaliter [...] zu tentire[n]“, nachdem ein Kollege bei seinen Vorgesetzten „nicht allein schrifftlich, sondern auch mündtlich verrathen, dz ich [Ehinger] deswegen ettlich mal die hulfstunden versaumet hette“, und er „angloben müssen, dz ich [Ehinger] mich dises studij vnd laborum chimicorum gantz entschlagen, vnd meine gedancken einig vnd allein zu meinem officio scholastico haben vnd demselben mit allen müglichsten fleiß abwartten wölle“[8].
Ehinger betätigte sich als Abschreiber und Sammler von Werken Paracelsus’, Paul Lautensacks, Valentin °Weigels und Jacob Böhmes[9]; auch magische und alchemische Texte[10] fanden ihren Weg in Ehingers Bibliothek. Er hatte Widemann schon seit 1614 eigene Texte vermittelt[11], und spätestens seit 1627 übersandte er Widemann auch ganze Handschriftenbände[12].
- ↑ Über Ehingers frühe Lebensjahre ist nichts bekannt. Vielleicht ist er mit David Ehinger aus Straßburg zu identifizieren, der 1579 in Tübingen immatrikuliert wurde, vgl. Matr. Tübingen 1, 575.
- ↑ LB Hannover, Ms. IV 341, S. 618a-618c (Briefe vom Mai 1621).
- ↑ KB Kopenhagen, Gl. kgl. S. 2° 258 (25 Briefe aus den Jahren 1623-1632). In Habrechts Nachlaß erhielt sich ein „Processus secretissimus universalis Medicinae. G. B. D. W. & M. D. Communicatus a D. E. A. [dahinter von späterer Hand: David. Ehingero Augustano] 1626. & Illustratus à L. G. O. 1627.“ (KB Kopenhagen, Gl. kgl. S. 4° 1782; 41 Seiten). – Kopien der in Kopenhagen aufbewahrten, an Habrecht gerichteten Briefe verdanke ich der freundlichen Hilfsbereitschaft von Herrn Prof. Dr. W. Kühlmann (Heidelberg).
- ↑ LB Kassel, 2° Ms. chem. 19/5, Bl. 52rv (Kirchheim, 25. Oktober 1629) und ebd., Bl. 54r-55v (Kirchheim, 1. November 1629).
- ↑ Vgl. Rommel (1837), S. 511 und 521.
- ↑ So Widemann in LB Hannover, Ms. IV 341, S. 564: „Dauid Ehinger mendacissimus Sycophanta vnd losen Pfaffen Sohn. Hanß Grueber jn ita appelit“.
- ↑ An Ehinger gerichtete Briefe eines Anonymus vom Mai/Juli 1621 sind in Abschriften Widemanns überliefert (LB Hannover, MS. IV 341, S. 614a-614f u. 618e-618f).
- ↑ Brief an Landgraf Moritz von Hessen Kassel, Kirchheim 1. November 1629 (LB Kassel, 2° Ms. chem. 19/5, Bl. 54r-55v).
- ↑ Die ehem. Fürstenbergische Bibliothek zu Pürglitz/Böhmen (heute in Prag?) bewahrt in der Sammelhandschrift Ms. I d 39 ein bislang unbeachtetes Faszikel mit einer theologischen Schrift Paracelsus’ („Iudicium de conceptu et exortu carni Christi“, Bl. 25r-34v), das aus Ehingers Sammlung stammt, vgl. Praák (1969), S. 171-174. – Zum größten Teil von Ehinger geschrieben ist der Cod. 94 Blank. der HAB Wolfenbüttel, der u. a. das pseudo-paracelsische „Zehnte Buch der Archidoxen“ bietet, vgl. Sudhoff (1899), S. 173 f. (Ehinger hier nicht als Schreiber identifiziert). Aus Ehingers Bibliothek stammte das Manuskript von Paul Lautensacks Verzeichnüß/ was des Buchs Offenbahrung Inhalt sey, das 1711 in den ‘Unschuldigen Nachrichten von alten und neuen theologischen Sachen’ auf S. 587-596 abgedruckt wurde. – Zu den Weigel- und Böhme-Handschriften vgl. den Anhang.
- ↑ Einige Rezepttexte finden sich z. B. in LB Hannover, MS. IV 341, S. 426 („Ein gehaimer philosophischer Modus [...] M[ense] Aug[ugusti] [1]627. ex autographo Dau[idis] Ehingeri Alß er hier war“); ebd. S. 511 („ex autogr[apho] Dauid Ehingeri Mense Augusto Anno 1611“); SUB Hamburg, Cod. alchim. 668, Bl. 206r („Dav[id] Ehinger“); Becher (1682), S. 409-410 („Materia Philosophica vel Physica [...] Ex manuscripto Davidis Ehingeri, Philosophi celeberrimi, & incogniti“).
- ↑ Widemann erhielt von Ehinger im Juli 1614 sein „Vom gewächs der Blumen in aim glaß“ (LB Hannover, Ms. IV 341, S. 599-601), später eine im November 1618 verfaßte Epistel „De secreto secretorum ad Fratres“ (ebd. S. 606a-606d), im August 1627 seine „Secundinae Processus“ (ebd. S. 603c) und im Mai 1628 alchemische Rezepte: „De Lapide Philosophorum: Sequentia ex literis secretis Da. Ehing. Augustani ad me anno 1628. Mense Maio“ (ebd. S. 830-832).
- ↑ In einem Brief vom 6. Dezember 1627 (LB Kassel, 2° Ms. chem. 19) übersandte Ehinger ein Verzeichnis von über 50 handschriftlichen Texten Weigels, Paracelsus’, Böhmes, Johannes Trithemius’ und anderer an Widemann, die Ehinger zur Abschriftnahme zu verleihen versprach; abgedruckt im Anhang.
https://bnm-i.huygens.knaw.nl/tekstdragers/TDRA000000012568
Jacob Böhmes Weg in die Welt, 2007,
Cimelia Rhodostaurotica
Matr. Tübingen 1, 575
Unschuldigen Nachrichten von alten und neuen theologischen Sachen’ auf S. 587-596
https://manuscripta.cz/manuscript/Krivoklat_I_d_39/
Hanns
Bauer:
Die Rothenburger Gymnasial-Matrikel 1559 bis 1671 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte: Reihe 4: Matrikeln fränkischer Schulen und Stände, 8), Würzburg: Schöningh
1973, esp. p. 188 n° 1580 (
Google Books)
Matr. Altdorf 1 S. 184, Nr. 5559: "M. David Ehinger, Augustanus" (23.06.1624); 2, 165: gest. 1656, Pfarrer von Neuses (=Neusitz), s. Bll. für Bayerische Kirchengeschichte 2 (1888/89), 31; Brucker, De vita et scriptis El. Ehingeri, 1724, 93
Brucker, Johann Jakob: De Vita Et Scriptis Celeberrimi Qvondam Viri Eliae Ehingeri Commentatio
- JOHANNES (1488-1572), GND 133255360
- Salomon
- Zacharias (jung gest.)
- David
- Zacharias
- ELIAS (1544-1616), GND 142002658
- Philipp
- ELIAS (1573-1653), GND 116378638
- David, Pfarrer in Neusitz und Kirnberg
- Elias (fl. 1630-1634) GND 1071745670
- Johann Leonhard
- Johann Jacob
- Bernhard
- Elias
- Adolph
- 2 Töchter (Eva Rosina und N.N.)
- Johannes
- Elias (jung gest.)
- Elias
- 3 Töchter
- CHRISTOPH (gest. 1633), Pfarrer, Diakon, Hofprediger, GND 101224511X
- Christoph (jung gest.)
- Matthaeus
- CHRISTOPH (1622-1692), Pfarrer in Augsburg, GND 128848936
- Johann Christoph
- Johann Georg
- 7 Töchter
- Jacob
- Zacharias
- JOHANN (1628-1704), Pfarrer, GND 123401720
- Johann Christoph
- CONRAD CASPAR (fl. 1683), Arzt, GND [1]
- Johann Jeremias
- Justus Conrad (fl. 1713), Arzt, GND [2]
- Johann
- Martin
- 3 Töchter
- Gottfried Samuel Michael (3 Söhne?)
- 9 Töchter
- 11 Töchter
- David (jung gest.)
- David
- Adam
- Benedict Eucharius
- Johann Cunrad David
- 8 Töchter
- Jeremias
- Esaias
- Samuel
- Samuel Andreas
- Johann
- Christoph
- 3 Töchter
- 3 Töchter
- 4 Töchter
Joh. Weigel: Catalogus exhibens successionem Pastorum in agro Rothenburgico. (Aus Eisenhard's Chronik), in: Blätter für bayerische Kirchengeschichte 2 (1888), 29- (Fortsetzung), hier S. 29: David Ehinger 1642 Pastor in Kirnberg; S. 31: David Ehinger è Gailnau 1629 Pastor in Neusiz vulgo Neuses [Neusitz], "obiit 1656 d. 3. Aug., ibique sepultus"; https://books.google.de/books?id=FsApZztZg4MC&pg=PA31
nicht identifizierte Matrikel (), S. 142:
David Ehinger, Pfarrer:
Christoph Ehinger (1616 Diakon an St. Ulrich in Augsburg), GND 101224511X
dessen Sohn: Christoph (1622-1692), Pfarrer in Augsburg, GND 128848936
Samuel Ehinger («Pastor in Franconia Holtzhusano»)
David Ehinger («Pastor Gailheimensis» bzw. "Geilnaviensis" = Geilnau)