Westenrieder 1801 Calender

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Lorenz Westenrieder,
Historischer Calender für 1801
1801

Text

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Theophrast Paracelsus

stammte aus der schwäbischen Familie Bombast, welche sich von dem Gut Hohenheim bey Plieningen im Wirtembergischen, Bombaste von Hohenheim nannte, ab, wurde zu Einsiedeln, einem Flecken mit einem berühmten Benediktinerstift im Canton Schweiz, im J. 1493 gebohren, nannte sich, durch eine schlechte Uebersetzung des Worts Hohenheim ins Griechischlateinische, Paracelsus, nannte sich, aus Eitelkeit, Theophrast, auch Eremita,

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von seinem Geburtsort etc., genoß keiner gelehrten Erziehung, verachtete vielmehr alle Sprachen, und alle gelehrte Kenntnisse auf das bitterste, hielt sich einzig an die cabbalistische und magische Geheimnisse, rafte bey seinem Vater, welcher zu Villach in Kärnthen 32 Jahre Stadtphysikus war, einige chirurgische Kenntnisse zusammen, suchte seinen Lieblingsumgang mit Leuten von der niedrigsten Klasse, mit quacksalberischen Badern, Betteljuden, Zigeunern, Henkern und Hundeschlagern, durchzog mit seinen Arcanis viele Länder, kam nach der Schweiz, kurirte zu Basel mit seinem sogenannten Laudano, seiner chemischen Universalmedicin, im J. 1526 den berühmten Buchdrucker Johann Frobenius am Podagra (oder vielmehr er trieb ihm dieses Uebel zurück; denn Froben starb im folgenden Jahre), und wurde wegen dem Anschein von jener glücklichen Kur mit einem ordentlichen Gehalt Stadtarzt, und ordentlicher Profeßor der Medicin zu Basel. Da er durch sein Laudanum den Aussatz, die Engbrüstigkeit, die Schwindsucht, den Schlag, die Epilepsie, den Stein, die Wassersucht, das Podagra, den Krebs, und, mit Einem Wort, die gefährlichsten

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und hartnäckigsten Krankheiten curirte, und sich vor den Folgen seiner Kuren gefürchtet haben mochte, so hielt er sich an Einem Ort nur selten länger, als ein Jahr auf, und gieng daher im J. 1528 auch von Basel weg; trieb wieder einige Jahre in Elsaß, der Schweiz, und im Süddeutschland herum, wie er dann im J. 1536 zu Augsburg, zu Landsberg in Baiern, zu München, in welchem leztern Ort er den herzogl. Küchenmeister von Münch, mit einer Quecksilbersalbe hingerichtet, und kreuzte zulezt, wie ein leibhaftiger Menschenkaper, in Oesterreich, Ungarn, Siebenbürgen herum, und kam endlich nach Böhmen und Mähren, wo er überall Verschiedene Personen nach seiner Art bediente. Die Erfahrung brandmarkte ihn allenthalben als einen verächtlichen Menschen, und höchst gefährlichen Landstreicher und Betrüger, dann als einen liederlichen Menschen, der stets betrunken, und im Rausch unbeschreiblich grob, auch sonst überhaupt unerträglich anmaßend war. Der Wüstling gieng zulezt, nachdem er in den meisten Orten sogar obrigkeitlich verfolgt worden war, nach Kärnthen, erschien im J. 1541 zu Salzburg, starb hier den 24. Septbr. des nämlichen Jahrs in

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einem Alter von 47 Jahren, und wurde auf dem Gottsacker der Hospitalkirche St. Sebastian begraben, wo ihn ein unbekannter gleichfalls Bethörter in der Grabschrift insignem medicinae Doctorem nennet, qui dira illa vulnera, Lepram, Podagram, Hydropisim, aliaque insanabilia Corporis contagia mira arte sustulit. Durch den Paracelsus und seine Nachahmer wurden in der ausübenden Arzney die bis dahin üblichen Kräutertränke, Juleppe, Latwergen und Syrupe durch Oele, Salze, Elixire, und Spiritus verdrängt; übrigens wurde durch die Streitigkeiten, welche über seine chemische Arbeiten entstanden, die Aufnahme der Chemie befördert.

Bibliography

Westenrieder, Lorenz (1748–1829): ‘Verzeichniß vorzüglicher Literatoren und Wiederhersteller der schönen und bildenden Wissenschaften in der lezten Hälfte des 15ten, und im 16ten Jahrhundert’, in: Historischer Calender für 1801, ed. by Lorenz Westenrieder, München, n.d. [1801], pp. 246–318, here pp. 282-285.
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