Sprengel 1827 Versuch

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Kurt Sprengel,
Versuch einer pragmatischen Geschichte der Arzneykunde
1827

Text

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Neuntes Kapitel.
Ausbreitung des Aberglaubens aller Art im sechzehnten Jahrhundert


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202.


Der letzte, aber kostbarste und verderblichste Zweig der Magie und Theosophie, dessen hier erwähnt werden muß, ist die Alchymie, oder die vorgebliche Kunst, unedle Metalle in edle zu verwandeln und Gold hervor zu bringen. Diese brotlose Kunst wurde gegen das Ende des vorigen undin dem sechzehnten Jahrhundert sehr ausgebreitet. Die Fabriken, die Berg- und Hütten-Arbeiten hatten sich vervielfältigt, und ohne eine Spur von Theorie wurden bey denselben allerley Versuche aufs Gerathewohl gemacht, durch welche man bisweilen auf nützliche oder wenigstens wunder-

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bare Processe gerieth. Man stelle sich das Erstaunen eines unwissenden Hütten-Arbeiters oder Fabrikanten aus dem funfzehnten Jahrhundert vor, der zufälliger Weise Borax und Weinsteinrahm aufgelöset, mit ätzenden Quecksilber-Sublimat vermischt hatte, das erhaltene Salz an die Oberfläche eines silbernen Geschirrs anrauchen ließ, und nun sahe, daß das Silber vergoldet wurde! Hier war nun mit einem Male das große Geheimniß entdeckt, der Stein der Weisen erfunden, und die Aussicht ins goldene Zeitalter eröffnet! In der That findet man in den meisten und ältesten alchymistischen Schriften, daß Borax, Weinstein, Quecksilber und Kochsalz als unentbehrliche Requisite zum großen Proceß erfordert werden. Und doch hatte man nichts von diesem Proceß gewonnen, als dem Silber eine gelbe Farbe gegeben, die sich durch reine verdünnte Salpetersäure sogleich wieder wegbringen ließ 23). Oder, wenn wahres Gold dabey zum Vorschein kam, so war höchst wahrscheinlich verlarvtes Gold, selbst ohne Vorwissen des Fabrikanten, vielleicht güldischer Zinnober, Kolofonium-Erz u. dgl. mit dazu gekommen. Kurz, der Fabrikant, der nicht wußte, was für Ingredienzen er eigentlich gebraucht habe, glaubtemit Zuverlässigkeit Gold hervor gebracht zu haben, und arbeitete von neuem aufs Gerathewohl,ohne daß er zu sagen wußte, welcher Mittel und warum er sich derselben bediene, um zu seinem Zweck zu gelangen. In der That scheint die Alchymie viele Jahrhunderte lang in den Händen der unwissendsten

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23) Dies zeigte schon Smetius miscell. lib. 12. p. 697., wo man überhaupt die Gründe und Gegengründe der Alchymie recht gut neben einander gestellt findet.
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Menschen, der Hütten-Arbeiter und Fabrikanten geblieben zu seyn, bis endlich wieder die Einführung der neuplatonischen Philosophie und der Kabbalah jene Kunst zu einem Zweige der Theosophie erhob, was sie schon ehedem gewesen war 24). Wäre die ächte peripatetische Schule die herrschende geblieben; so hätte die Grille von der Verwandlung der Metalle niemals ihr Haupt erheben können: denn jene lehrte, daß keine Art (species) in die andere sich verwandeln lasse 25). Daher sind auch von je her die wahren Aristoteliker die eifrigsten Widersacher der Alchymie gewesen. Aber aus dem abenteuerlichen System der Theosophen lassen sich die größten Ungereimtheiten erklären: mit diesem hing nun auch die Verwandlung der Metalle aufs genaueste zusammen. Die müßigen Mönche, oder auch die so genannten Scholastici vagantes (fahrende Schüler) beschäftigten sich zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts ebenfalls mit den alchymistischen Processen, wie mit Nativitätstellen und an-

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24) Gesch. der Arzneyk. Th. 2. S. 220 f.
25) Die spätern Anhänger des Paracelsus suchten dennoch aus dem Aristoteles selbst den Beweis von der Verwandlung der Metalle zu führen. Er läßt (meteorolog. lib. 3. s. 157. a.) aus trocknen Ausdünstungen alle Fossilien, den Sanderach, Schwefel und die Ocher entstehen. Die feuchten und wässerichten Dünste erzeugen die schmelzbaren Metalle. Nun schloß man: quae generabilia sunt et corruptibilia, ea et transmutabilia. S. vorzüglich Libavii alchym. transmutator. defens. 2. contra Guibert. p. 163. (fol. Frcf. 1615.) Ferner machte man auch gewöhnlich die Ausflucht, species in speciem non transit formaliter sed materialiter, ob principii materialis genericam communionem: so wie nämlich der Chylus ins Blut übergeht. Die Form des Chylus wird nicht in die Form des Bluts verwandelt, sondern jene vergeht, und diese entsteht von neuem. (Libav. l. c. p. 190.)
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dern brothlosen Künsten 26) und dies sowohl, als auch die Geheimniß-Krämerey selbst, veranlaßte diese Goldköche, sich andere Namen zu geben, wenn sie schriftlich etwas hinterließen. Meistens aber überlieferten sie, als Adepten, den Lehrlingen nur mündlich einen Theil ihrer Weisheit, und überließen es diesen selbst, nach eben so vielen fruchtlosen Versuchen, als sie angestellt hatten, da große Geheimniß zu entdecken. Gewöhnlich unternahmen sie große Reisen in den Orient, weil die Tradition den Mönchen auf den Bergen Sinai, Horeb und Athos übernatürliche Weisheit zuschrieb, oder nach Schweden, um die Magnetenberge und ähnliche châteaux d’Espagne zu besehen 27). Man sieht aus allen diesen Umständen zusammen genommen, daß die wahre Geschichte der Alchymie immer verborgen bleiben muß, weil sich die vorgeblichen Adepten von je her geflissentlich in ein geheimnisvolles Dunkel hüllten.

203.


Eine andere Ursache der Ausbreitung der Alchymie in disem Jahrhundert war die Neigung der Fürsten zu dieser Kunst. Damals flossen die Einkünfte der Fürsten noch nicht aus so vielen und ergiebigen Quellen, als heut zu Tage: sie mußten also, wenn sie ihre Kriege und ihren Aufwand bestreiten wollten, oft zu außerordentlichen Mitteln ihre Zuflucht nehmen. Sie

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26) Rehkopfs Gesch. des Schulwesens, Th. 1. S. 125.
27) Vergl. Möhsens Lebensbeschreibung Thurneyssers in dessen Beyträgen zur Geschichte der Wissenschaften, S. 32 f. (4. Berlin 1785.)
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hielten sich deswegen Goldköche, die für sie arbeiten mußten, die sie zwar immer mit Versprechungen goldener Berge hinhielten, aber insgemein große Summern durchbrachten und alsdann flüchtig wurden. Dieses Unwesen hatte schon zu Anfang des funfzehnten Jahrhunderts in England so zugenommen, und die Betrügerey war dabey so wenig verhehlt worden, daß König Heinrich IV. ein strenges Gesetz gegen die Alchymisten zu geben, und sie durchgehends für Betrüger zu erklären genöthigt war 28). Dies ungeachtet wußten sich die Goldköche unter der erbärmlichen Regierung Heinrichs VI. ein solches Ansehen zu erwerben, und, da die Staats-Einkünfte durch den großen Verlust, den die Jungfrau von Orleans den Engländern zugefügt hatte, und durch die verderblichen Kriege der rothen und weißen Rose ungemein geschmälert worden, so wußten die Alchymisten dem Hofe so viele angenehme Aussichten vorzuspiegeln, daß der König verschiedenen Fabrikanten dieser Art, von welchen die Geschichte den Fauceby, Kirkeby und Ragny nennt, das Privilegium gab, Gold zu produciren und das Lebens-Elixir zu bereiten 29). Auch Kaiser Rudolf II. war ein großer Gönner der Goldköche: er selbst arbeitete oft in dem Laboratorio, und wie kostbar die Zuthat zu seinen Processen gewesen, kann man daraus beurtheilen, daß man nach seinem Tode bey siebenzehn Tonnen Goldes in seinem chemischen Kabinet gefunden haben will 30). An den deutschen Fürstenhöfen gehör-

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28) Wieglebs Untersuchung der Alchymie S. 230.
29) Henry’s history of Great-Britain, B. V. ch. 4. §. 1. p. 413.
30) Boecler. memorabil. saecul. 16. p. 674.
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ten zu der Zeit die Alchymisten zum Hofstaat: ein Fürst suchte dem andern seine Alchymisten abspenstig zu machen, und es wurden ansehnliche Summen an diese Betrüger verschwendet, wovon Möhsen Zeugnisse aufgestellt hat 31).

204.


So wie schon die Alchymisten der ersten Jahrhunderte sich ein Ansehn dadurch zu erschleichen suchten, daß sie Bücher unterschoben, alte ehrwürdige Namen mißbrauchten, um sie zum Deckmantel ihrer Betrügereyen zu gebrauchen, und sich selbst erdichtete Namen beylegten; so wurde es vorzüglich im funfzehnten und sechzehnten Jahrhundert Mode, und ist bis auf die neuesten Illuminaten-Orden in geheimen Gesellschaften Mode geblieben. Die abgeschmackten Cärimonien, die dem gesunden Menschen-Verstande am meisten widerstreitenden Grillen suchte man dadurch zu beschönigen, daß man ihr ehrwürdiges Alterthum von den Königen Hiram und Salomon, von Pythagoras, Hermes, Zoroaster, Hippokrates und Demokritus ableitete. Man besorgte im sechzehnten Jahrhundert mehrere Ausgaben der untergeschobenen Bücher des Hermes, des Demokritus und Zoroaster, die von der Goldmacherkunst handelten. Die Mönche verfertigten vorzüglich alchymische, in meteorischen, frommen, mystischen Ausdrücken den abenteuerlichsten Unsinn enthaltende Schriften, denen sie die Namen Hippokrates, Galen, Avicenna u. s. w. dreist vorsetzten, und dergestalt das leichtgläubige Publicum äfften. So sahe Paracelsus zu

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31) Geschichte der Wissenschaften in der Mark, S. 522.
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Braunau ein Buch, „größer dann sechs Mannes Spannen lang, und dreyer Spannen breit, und anderthalb oder schier zweyer großer Spannen dick, da die rechten ungefälschten Commentaria Galeni und Avicennae rechtschaffen innen geschrieben sind." In Hamburg verwahrte, nach eben dem Zeugniß, ein alter Bürger Galens und Avicenna’s eigene Handschriften, auf birkene Rinden und wächsene Tafeln geschrieben 32). Diese Betrügerey veranlaßte endlich, da Paracelsus sich viele Anhänger erworben hatte, den allgemeinen Wahn, von welchem freylich die Zöglinge der ächten Hippokratischen Schulen frey waren, daß die Grundsätze der neuern Theosophen so alt als die Welt seyn, und daß das, was Paracelsus und die Rosenkreuzer lehrten, schon von Hippokrates, Galen u. a. in ihren esoterischen Werken unter Symbolen gelehrt worden sey 33).

 Da übrigens die wahre Geschichte der ältern Alchymisten solchen oft unübersteiglichen Hindernissen unterworfen ist, so können auch hier nicht mehr als gewöhnliche Nachrichten gegeben werden. Unter dem Namen des Basilius Valentinus besitzen wir eine Menge von alchymistischen Schriften, deren Verfasser im Anfange des funfzehnten Jahrhunderts gelebt haben und ein Benedictiner-Mönch im Peterskloster zu Erfurt gewesen seyn soll 34). Und in der That hatte man schon in der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts mehrere Schriften unter diesem Namen, aus welchen

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32) Paracels. de pestilit. tr. 1. p. 338.
33) Abrah. Seyler in Craton. epist. lib. 6. p. 528.
34) Gudenii Erfurtische Historie, B. 2. K. 21. S. 129.
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Guainerius gelernt hatte, und von deren Verfasser er sagt, daß, nachdem es ihm mit der Alchymie nicht glücken wollen, er sich auf die Medicin gelegt, und verschiedene Medicamente erfunden habe 35). Indessen hat man schon längst vermuthet, daß jener Name untergeschoben sey 36), und daß es vielleicht mehrere Alchymisten für rathsam erachtet haben, sich unter diesem pomphaften Namen zu verbergen. So viel ist ausgemacht, daß der Triumph-Wagen des Basilius Valentinus ein Product wenigstens des sechzehnten Jahrhunderts ist. Denn die Stelle von der französischen Krankheit 37) ist ein zu wenig zweydeutiges Zeugniß von dem jüngern Alter dieser Schrift 38). Vielleicht ist jener Triumph-Wagen des Antimonii entweder ein Product des Paracelsus selbst, oder doch seiner treuen Anhänger, des Carrichter oder Thurneysser. Es herrscht ganz die theosophische Großsprecherey des Paracelsus darin. Eben so wie dieser, schimpft der Verfasser auf die gelehrten Doctoren, daß sie sich zu viel mit den gemeinen Wissenschaften abgeben und darüber die höhere Weisheit vernachlässigen. Eben denselben Mysticismus und die häufigen Gebete, die die Kabbalah lehrt, finden wir auch wieder hier. In allen Metallen und Kräutern sucht der Verfasser Ele-

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35) Guainer. opus praeclar. ad prax. tr. 9. c. 7. f. 29. a.
36) Placcius catalog. pseudonym. p. 159. - Morhof. polyhist. lib. 1. cap. 9. §. 25. p. 91.
37) Theodori Kerkringii Anmerkungen zu Basilii Valentinii Triumph-Wagen des Antimonii, S. 50. (8. Nürnb. 1724.)
38) Daher sagt auch Sennert (de consens. et dissens. chymic. cum Galen. c. 11. p. 224. Opp. vol. 1. fol. Lugd. 1666.), dass Basilius zu Ende des funfzehnten Jahrh. gelebt habe.
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mentar-Geister auf, von welchen die Kräfte und Wirkungen derselben abhangen, die ihr verborgenes, wirkendes Leben in sich haben, und nach Belieben heraus gelockt werden können, wenn der Meister sich mit dem Vulcano verstehe. Merkwürdig und charakteristisch ist auch seine ernstliche Warnung vor dem Ausplaudern des Geheimnisses, und eben so charakteristisch sind seine Beyspiele von der schrecklichen Rache, die der Teufel an denen ausgeübt habe, welche ihre Zunge nicht im Zaum halten konnten 39). Er unterscheidet diese Geister, ganz wie ein ächter Kabbalist, von den Dämonen in der Luft, der Erde, dem Wasser und dem Feuer, welche letztere mit Vernunft begabt seyn 40). Er warnt davor, daß man nicht suchen soll, durch Spießglanz reich zu werden, sondern man müsse es, durch Ausziehung des Elementar-Geistes, zur Arzney zu bereiten suchen, ungeachtet es für sich das stärkste Gift sey. Aber die Krankheits-Gifte werden durch dieses Gift ausgetrieben, und es werde dadurch zur heilsamsten Arzney 41). Es sey übrigens der Spießglanz eines Wesens mit dem Quecksilber, nur daß er mehr salinische Theile enthalte 42).

 Seine übrigen chymischen Schriften 43) enthalten ebenfalls viele Spuren eines spätern Zeitalters, aber auch viele wichtige Entdeckungen. Die Bereitung des

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39) Chymische Schriften, S. 752.
40) Triumph-Wagen, S. 31.
41) S. 41 f.
42) S. 94. Hier findet man die Spuren der drey chemischen Elemente, deren Erfindung dem Paracelsus zugeschrieben wird. (Helmont tria chymica princip. p. 324 f.)
43) Basilii Valentini sämmtliche chymische Schriften. 8. Hamb. 1740.
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Spießglanzkönigs 44), der Spießglanzbutter 45), des rothen Quecksilber-Niederschlages 46) und des flüchtigen Laugensalzes aus Salmiak 47) wird hier deutlich gelehrt. Ferner ist die Beschreibung einer Schwefelleber 48), des Wißmuths 49) und des Bleyzuckers 50) merkwürdig. Auch lehrt der Verfasser, die Vitriolsäure aus Eisen-Vitriol 51), aus Schwefel durch die Glocke und den Helm 52), er lehrt die Salpeter und Kochsalz-Säure 53), und das Gold- oder Königswasser 54), wie auch den vitriolisirten Weinstein 55) bereiten. … Es drängt sich die Bemerkung auf, daß auf diese Art die alchymistische Theosophie der Welt unübersehliche Vortheile verschafft hat, indem die Goldköche auf mittelbare Weise zur Entdeckung der interessantesten Wahrheiten und zur Erfindung der wichtigsten Dinge gelangten. Es bestätigt sich dergestalt der Grundsatz, den jeder redliche Forscher der Geschichte des menschlichen Verstandes annehmen wird, daß die gröbsten Verirrungen des menschlichen Geistes in der Hand der Vorsehung vortreffliche Mittel zu den wohlthätigsten Zwecken, zur Vervollkommnung des menschlichen Geschlechts, werden.

205.


Zu den Alchymisten, die zum Theil früher als Paracelsus lebten, zum Theil aber unabhängig von sei-

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44) Das. S. 402. 408.
45) S. 421. 1075.
46) S. 810.
47) S. 191.
48) S. 907.
49) S. 547.
50) S. 806.
51) S. 765. 836.
52) S. 429.
53) S. 396. 1076.
54) S. 720.
55) S. 881.
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nem System laborirten, rechne man noch Quirinus Apollinaris, einen Arzt zu Hof im Bayreuthischen (Curia Regnitiana), im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, der, wie der Chronikenschreiber Enoch Widemann sagt, durch seine Schwärmerey bald arm bald reich wurde. Bisweilen hielt er sich ein Pferd, manchmahl aber mußte er zu Fuße gehen, prout artis alea ferebat 56). Auch Isaak Hollandus gehört hieher, dessen Schriften im zweyten Bande des theatri chymici zu finden, sind. Gewöhnlich hält man dafür, daß zwey diesen Namen geführt haben, wovon der eine der Vater, und der andere, Johann Isaak, der Sohn gewesen. Beide haben es in der Email-Arbeit und in der Nachahmung der Edelsteine zu einer großen Vollkommenheit gebracht. Ihnen gebührt das vorzügliche Verdienst, daß sie ihre Processe mit einer Sorgfalt und Genauigkeit beschreiben, die nichts zu wünschen übrig läßt. Man sagt, daß Paracelsus die Arbeiten dieser Männer am meisten benutzt habe 57). Einer der berühmtesten Alchymisten dieses Jahrhunderts, der das Gold in ungeheuren Quantitäten verfertigt haben soll, ist Nicolaus Barnaud aus Crest im Dauphiné, der theils zu Genf, theils in Holland lebte 58). Im dritten Theil des theatri chymici stehn zwey Abhandlungen von ihm über eine räthselhafte Inschrift auf einem Marmor in Bologna und über das große Geheimniß. Auch hat man eine Sammlung alchymistischer

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56) Mencken. script. rer. German. vol. 5. p. 740.
57) Adami p. 34.
58) Geschichte der menschl. Narrheit, Th. 1. S. 71. - Vergl. Libavii alchym. transmutator. defens. 2. contra Guibert. p. 234, 250 s.
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Schriften von ihm 59) … Ewald oder Theobald von Hogheland ist ebenfalls wegen seiner Transmutations-Kunst berühmt. Bey Libavius findet man mehrere Nachrichten von ihm 60). Joh. Aurel. Augurelli aus Rimini, war, seiner Gelehrsamkeit ungeachtet, ein eifriger Theosoph. Man trägt sich mit der Anekdote, daß der Papst ihm für die Dedication seiner Goldmacherkunst einen seidenen Beutel geschenkt habe, um das Gold hinein zu thun 61) ... Einer der berühmtesten Alchymisten dieses Jahrhunderts, der aber ebenfalls von Paracelsus unabhängig war, ist Michael Sendivogius, aus Pohlen, der in der letzten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts auf Kosten des Kron-Großmarschalls Wolsky umher reisete, um den Stein der Weisen zu suchen, und von einem Engländer, Alexander Sidonius, die Tinctur bekam. Er starb auf einem Gute, welches ihm der Kaiser Ferdinand II. geschenkt hatte 62).

Zehntes Kapitel.
Paracelsus und seine Lehren.


206.


Es ist sehr schwer, das Leben eines Mannes zu schreiben und seine Lehrmeinungen in möglichem Zusammenhang darzustellen, der der Wahrheit zu huldigen und seine Meinungen den Aussprüchen der Ver-

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59) Quadriga aurifera. 4. LB. 1599.
60) Appendix syntagm. arcan. p. 268. (fol. Frcf. 1615.)
61) Gesch. der menschl. Narrheit, Th. 1. S. 119. - Seine chrysopoea steht im dritten Bande des theatr. chym.
62) Gesch. der menschl. Narrheit, Th. 6. S. 76.
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nunft zu unterwerfen wenig gewohnt war. Es wird um so schwieriger, da der Ursprung der vielen Bücher, die unter seinem Namen gehn, sehr zweydeutig ist. Denn er selbst klagt nicht allein über die Untreue seiner Schreiber und Zuhörer 63); sondern diese machen sich auch der offenbarsten Unwahrheiten schuldig 64), und es fehlt in der großen Ausgabe seiner sämmtlichen Werke, welche Huserus Brisgous zu Strasburg 1616. fol. in drey Bänden besorgte, nicht an offenbaren Widersprüchen 65). Dazu kommt, daß wenige Männer von Bedeutung so blinde Verehrer zugleich und so erbitterte Feinde gehabt haben, als Paracelsus.

207.


Selbst sein Name und Geschlecht sind nicht über über allen Zweifel erhoben. Ungeachtet er sich selbst

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63) Von Franzosen. B. 2, S. 174.
64) Ein Valentinus Antaprassus Siloranus sagt (tom. 1. p. 176.) in der Vorrede: Paracelsus habe lateinisch geschrieben (welches grundfalsch): seine Schriften seyn vom Doctor Ciperinus Flaënus in welschen und französischen Zungen transferirt; Bebeus Ramdus habe alle seine Bücher zu griechischen Zungen verwandelt, und die Griechen haben ihn Monarcham perpetuum genannt. In der Philosophey habe er geschrieben 235 und in der Arzney 53 Bücher. Ein anderer dieser Lügner, Valentius de Retiis sagt (tom. 1. p. 824): ausser 230 Büchern in der Philosophie habe Paracelsus 66 über Nekromantie, 46 über die Medicin, 12 über den Staat und 7 über Mathematik geschrieben.
65) Zu diesen Widersprüchen könnte man rechnen, dass in der Archidoxia magica (tom. 2. p. 547 f.) eine Menge Amulete und Talismane empfohlen, in dem Buch de origine morborum (tom. 1. p. 116) die Charaktere aber verdächtig gemacht werden. Indessen leidet dieser anscheinende Widerspruch noch eine andere Deutung.
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Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus Bombast von Hohenheim nennt 66); so bringt Haller doch das Zeugniß eines Lorenz Zollweger, Amtmanns in Appenzell, bey 67), daß er eigentlich Höchener geheißen und aus Gaiß im Canton Appenzell gebürtig gewesen sey. Indessen widersprechen dieser Angabe die unzweydeutigen Zeugnisse seiner Zeitverwandten und seine eigenen sehr bestimmten Aussagen. Erastus, sein Gegner, beschuldigte ihn zuerst, daß er sich fälschlich für einen Sprößling des edlen Stammes der von Hohenheim ausgegeben, und behauptete, daß es kein solches Geschlecht in der dortigen Gegend gebe, auch daß man vermuthe, Paracelsus sey aus der Hefe des Pöbels hervor gewachsen 68). Dennoch ist es gewiß, daß nur die Leidenschaft dem Erastus diese Behauptungen in den Mund legen konnte. Denn was konnte Paracelsus darunter haben, daß er immer standhaft versichert, er sey zu Einsideln, zwey Meilen von Zürich, geboren? Das Jahr seiner Geburt ist 1493. Ueberdies gab es wirklich ein berühmtes adeliges Geschlecht der Bombaste von Hohenheim, von deren einem Schenck erzählt 69). Das Testament des Paracelsus, welches Michael Toxites drucken ließ, und das zu viele Spuren der Aechtheit an sich trägt, als daß man es für unter-

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66) Eigentlich Philipp Bombast von Hohenheim. Er nannte sich aber Theophrastus und Paracelsus (quasi superior Celso), wie er Para überall gern vorsetzt (Paramirum, Paragranum.)
67) Bibl. med. pract. vol. 2. p. 2.
68) Erast. disputat. de medicina nova Paracelsi, P. 1. p. 237. (4. Basil. 1572.)
69) Observat. lib. 1. p. 15.
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geschoben halten könnte 70), enthält die einleuchtendsten Beweise von der Wahrheit der Behauptungen des Paracelsus. Es wird darin die Quittung eines gewissen Peter Wesener, der sich Procurator der Abtey Einsideln nennt, beygebracht, in welcher der letztere bezeugt, daß die nächsten Verwandten des Paracelsus zu Einsideln ihm zehn Floren ausgezahlt, die ihm Paracelsus vermacht habe. Wesener nennt in der Quittung den Testator seinen lieben Vetter, und es wird dabey gesagt, daß die Mutter des Paracelsus die Aufsicht über das Krankenhaus der Abtey zu Einsideln geführt habe 71). Der Vater des Paracelsus hieß Wilhelm Bombast von Hohenheim, und war mit dem nachmahligen Großmeister des Johanniter-Ordens, George Bombast von Hohenheim, nahe verwandt. Dies bezeugt nicht allein Paracelsus selbst 72), sondern auch Michael Toxites, und der Magistrat zu Villach in Kärnthen 73). Hier hatte sich Wilhelm von Hohenheim nämlich als Arzt niedergelassen, und sein Sohn dankt den Ständen von Kärnthen noch in einer Zueignungsschrift für

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70) Testamentum Paracelsi. 8. 1574. Auch in Murr neuem Journal, Th. 2. S. 264. f. Helmont hielt es für untergeschoben. (Arcana Paracels. p. 627.)
71) Murr a. O. S. 183. 276.
72) Grosse Wundarzney, B. 2. Tr. 3. S. 101. Erastus (disp. de medic. Paracels. 1. p. 237.) erzählt, dass er als dreyjähriger Knabe seine Mannheit eingebüsst, indem ihn ein Soldat castrirt habe. Andere erzählen, dass dies durch den Biss eines Schweins geschehen sey. (Helmont hist. tartar. p. 187.) So viel ist gewiss, Paracelsus hatte keinen Bart und hasste das weibliche Geschlecht. (Murr neues Journal, Th. 2. S. 182.)
73) Testament. Paracelsi. Murr a. O. S. 262. Sprengels Gesch. der Arzneyk. 3. Th. 3. A.
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die Liebe und Güte, die sie seinem Vater erwiesen hätten 74).

208.


Da man gewöhnlich in der ersten Erziehung und in dem Unterricht, den ein Mensch in der Jugend genossen, die wahren Quellen entdeckt, woraus sich die Stimmung seines Charakters, und die Richtung seiner Talente erklären lassen; so müßte es auch sehr interessant seyn, zu willen, wie dieser seltsame Mensch erzogen wurde. So viel man hat erfahren können, verlebte er seine Jugendjahre, wie die Scholastici vagantes der Zeit zu thun pflegten. Das heißt, er zog im Lande umher, stellte die Nativität aus den Sternen und aus den Linien der Hand, citirte die Todten, und nahm allerley chemische Procese vor, die er den Hütten-Arbeitern und Goldmachern abgesehen hatte 75). Förmlichen Unterricht in der Alchymie, Astrologie und nebenher auch in der Medicin erhielt er zuvörderst von seinem Vater, der sich darauf gelegt hatte, außerdem von verschiedenen Kloster-Geistlichen, unter welchen er hauptsächlich den Abt von Sponheim, Tritheim, ferner die Bischöfe Scheit von Stettgach (Seypt von Seckach ?) Erhart und Vorfahren von Laventall, Nico-

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74) Chronica des Landts Kärnten, S. 243.
75) Conr. Gesner. epistol. medic. lib. 1. f. 1. b. -- Murr bezweifelt, dass Paracelsus fahrender Schüler gewesen, weil er auf diese Vagabunden schelte. Allein man muss die Sitte der damaligen Zeit kennen, um Gesners Angabe sehr wahrscheinlich zu finden. (Ruhkopfs Gesch. des Schul- und Erziehungswesens in Deutschland, S. 129 f.) Luther selbst war in seiner Jugend fahrender Schüler gewesen, und eiferte gleichwohl gegen diese verderbliche Sitte, wie sie es verdiente. (Ruhkopf, das. S. 132 f.)
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laus von Hippon und Matthäus Schacht, Suffraganeus von Freisingen nennt 76). Er ging auch als Wundarzt in verschiedenen Kriegen mit zu Felde. Unter anderm sagt er, daß er „im Niederland, in der Romaney, in Neapolis, in Venedischen, Dännemärkischen und Niederländischen Kriegen, so treffliche Summa der Febrischen aufgebracht, und ob den viertzigerley Leibkrankheiten, so in denselbigen funden worden, in Gesundtheyt aufgericht habe” 77).

 Daß er jemals auf hohen Schulen gewesen, daran wird hin und wieder gezweifelt: und in der That, wenn man bedenkt, wie höchst unwillend er in den so genannten Schul-Wissenschaften war, wovon hernach noch Beweise vorkommen; wie sehr er immer darauf pochte, daß der Arzt müsse geboren werden, und alle seine Kenntniß unmittelbar aus Gott schöpfen; wenn man ferner lieset, daß er ausdrücklich sagt: „Das höchste der gelehrten Aerzte wider mich ist, daß ich nicht aus ihren Schulen komme 78):” so sollte man wirklich meinen, er habe sich den Doctor-Titel bloß angemaßt, und Smetius vermuthet es wirklich 79). Allein, wenn es erlaubt ist, den Erzählungen dieses Menschen selbst Glauben beyzumessen; so kann man es doch nicht läugnen, daß er den akademischen Unter-

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76) Paracels. grosse Wundarzney, B. 2. Tr. 3. S. 101. Tritheim und Siegmund Fugger nennt auch Helmont seine Lehrer (hist. tartar. p. 187).
77) Vorrede des Spittal-Buchs, S. 310.
78) Vorrede über das Buch Paragranum, S. 198. -- Auch de podagricis, lib. 1. p. 566. heisst es: "Jedoch aber muss ich meinen Lehrmeister anzeigen, dieweil euch das Wunder so übel beist, das ich von keim Schulmeister hie sey."
79) Miscellan. med. lib. 12, p. 684.
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richt benutzt hat. Ausdrücklich versichert er, auf deutschen, französischen und italiänischen Universitäten gewesen zu seyn 80), und an einem andern Orte sagt er: „ich bin in dem Garten erzogen, da man die Bäume verstümmelt, und ward der hohen Schule nicht eine kleine Zierde 81).” Ja endlich spricht er sogar 82) von dem Eidschwur, den er bey seiner Promotion habe ablegen müssen. Aber wo und wann und wie lange er studirt, davon sagt er uns nichts, und seine Anhänger und Biographen wissen auch nichts davon. Sehr tumultuarisch muß er wohl studirt haben, weil er keine Schulkenntnisse sich erworben hatte. Dagegen hielt er sich als Laborant bey dem reichen Siegmund Fugger von Schwatz länger auf, um von ihm das große Geheimniß zu erlernen 83).

 Weit mehr sagt er uns von seinen Reisen, die er nach Art anderer Alchymisten seines Zeitalters vorzüglich in das Erzgebirge, in den Orient, und nach Schweden unternahm, um theils die Processe zu beobachten, welche die Hütten-Arbeiter anstellten, theils sich in die Mysterien der morgenländischen Adepten einweihen zu lassen, theils endlich die Wunder der Natur und den berühmten Magneten-Berg in der Nähe zu besehen. In der Vorrede zur grossen Wundarzney nennt er Spanien, Portugall, Preußen, Pohlen und Siebenbürgen, als die Länder, welche er durchreiset, und in denen er nicht allein von dem Umgange und

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80) Vorrede zur grossen Wundarzney.
81) Vorrede zum Spittal-Buch, S. 310.
82) Sechste Defension, S. 262.
83) Adami vit. medic. German. p. 30.
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dem Unterrichte der Aerzte, sondern auch von den Künsten der alten Weiber, der Scharfrichter, Zigeuner und Schwarzkünstler, Vortheile zu ziehen und die großen Wunder der Natur zu betrachten gesucht habe 84). In Ungarn hielt er sich besonders lange auf: auch erzählt er 85), daß er verschiedene Wundtränke von alten Weibern theils in Griechisch-Weißenburg, theils in Kroatien, theils zu „Stockhalma in Dännemark” verfertigen gelernt habe. Wenn man dem gemeinen Gerüchte Glauben beymeßen darf; so war Paracelsus auch in Aegypten und selbst in der Tartarey gewesen, und mit dem Sohn des Chans nach Constantinopel gegangen, um von dem dort sich aufhaltenden Trismosin die Tinctur zu erhalten 86). Man sieht offenbar aus allen diesen Nachrichten, wie wenig Zeit Paracelsus zum Studiren übrig behielt. Auch versichert er es an einem Ort 87), daß er in zehn Jahren kein Buch in die Hand genommen, und daß seine ganze Liberey nicht aus sechs Blättern bestehe. Die Wahrheit dieser Aussage erhellt auch aus dem Inventarium über seine Verlassenschaft. Die Bibel, die biblische Concordanz, das neue Testament, und Hieronymus Commentarien über die Evangelien; das waren alle Bücher, die er hinterließ 88).

 Der Himmel weiß, wie er wieder nach Deutschland zurückgekommen. Helmont sagt, in seinem acht und zwanzigsten Jahr sey er von einem Goldmacher mit

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84) Vierte Defension, S. 257.
85) Große Wundarzn. B. 1. S. 22.
86) Helmont. hist. tart. p. 187.
87) Fragm. medic. p. 131.
88) Murr a. O. S. 274.
[p. 438]


dem Stein der Weisen beschenkt worden 89). Wenigstens ist das wahr, daß er in seinem drey und dreyßigsten Jahr wegen seiner vielfältigen glücklichen Kuren der Gegenstand der Bewunderung der Layen und des Neides der gelehrten Aerzte wurde. Achtzehn Fürsten allein will er kurirt haben, die durch die Methoden der Galenischen Aerzte verdorben waren 90). Unter andern heilte er den Markgrafen Philipp von Baden glücklich an einer Ruhr: dieser versprach ihm auch fürstliche Belohnung, hielt aber, nachdem er wieder hergestellt war, nicht allein nicht sein Wort, sondern behandelte den Paracelsus auch sehr unfürstlich 91). Indessen trugen diese und ähnliche Kuren dazu bey, daß sein Ruf ungemein zunahm, und hiezu kam noch seine Anmassung, daß er im Stande sey, die vorgeblichen unheilbaren Krankheiten aus dem Grunde zu heilen, und daß seine mineralischen Mittel in den schwersten Fällen die besten Dienste leisteten, auch daß er das Lebens-Elixir erfunden, womit das Leben nach Willkühr verlängert werden könne 92). Auch kurirte er viele Arme unentgeldlich, von denen sich die übrigen Aerzte bezahlen ließen 93).

209.


Genug, Paracelsus erhielt im Jahr 1526 einen Ruf als Professor der Physik und Chirurgie auf der Univer-

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89) Hist. tartar. p. 187.
90) Vorrede zum Spittal-Buch, S. 310.
91) Fragm. medic. p. 132.
92) Archidox. lib. 4. p. 796. – Smet. miscellan. lib. 12. p. 685. Helmont ignotus hydrops p. 417. Arcana Paracelsi p. 624.
93) Libav. defens. alchem. lib. 2. p. 153.
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sität Basel, wie man sagt, durch Oekolampadius Empfehlung. Es ward ihm leichter, dieses ehrenvolle Amt zu erlangen, da mit der Annahme des protestantischen Lehrbegriffs in Basel die Lehrer der Universität vertrieben oder entflohn waren 93). Die neue Art, mit welcher er den theoretischen und praktischen Theil der Kunst vortrug, die beständigen Verweisungen auf seine großen und glücklichen Kuren, das Prahlen mit vorgeblichen Arcanen, die das Leben verlängern und alle Krankheiten ohne Unterschied heben sollten, und, noch mehr als das, der Vortrag in deutscher Sprache; diese Umstände lockten eine große Anzahl leichtgläubiger, bequemer, schwärmerischer Leute nach Basel, um seinen Unterricht zu benutzen. Wir besitzen noch die Vorlesungen, welche er über die medicinische Praxis in gebrochener lateinischer und deutscher Sprache gehalten hat, und man wird vergebens etwas anderes als eine Menge empirischer Mittel darin suchen, die mit großer Anmaßung angegeben werden 94). Noch im November jenes Jahres schrieb Paracelsus an Christopher Clauser, einen Arzt in Zürich: er könne ihn, den Theophrast, nur sicher mit dem Hippokrates, Galen, Rasi und Marsilius Ficinus vergleichen. Jedes Land bringe einen vorzüglichen Arzt hervor, dessen Grundsätze grade für das Land angemessen seyn, in welchem er geboren sey. Der Archäus oder der Ge-

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93) Vita Oporini. Argent. 1569.
94) Oporinus schrieb lateinisch nach, und, wenn er nach der Stunde den P. fragte, ob es auch richtig sey, so billigte dieser Alles, zum Beweis, dass er kein Latein verstehe. Auch botanische Wanderungen machte er. Fragte ihn Jemand nach dem Namen einer Pflanze, die er nicht kannte, so antwortete er: sie sey zu nichts nütz. Vita Oporini.
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nius Griechenlands habe den Hippokrates, der Archäus oder Genius Arabiens den Rasier, der Archäus Italiens den Ficinus, und der Archäus Deutschlands habe ihn, den Paracelsus, hervor gebracht. Was Hippokrates geschrieben, sey für Griechenland und nicht für Deutschland wahr. Auf diese Art müsse in jedem Lande die Arzneykunst neu erfunden werden, wenn man sich nicht in Gefahr setzen wolle, beständig zu irren 95).

 An einem Ort sagt er: „Ich bezeug mit Gott, daß ich nit leug, obs schon der Natur unmöglich scheint, nemlich, daß keiner itzt noch gewesen ist, noch seyn wird, der die Natur so tief ersucht hat 96). Dergestalt fing er seine Vorlesungen an, daß er die Werke des Avicenna und Galen öffentlich in seinem Hörsaal verbrannte, und seine Zuhörer dabey versicherte: seine Schuhriemen wissen mehr als Avicenna und Galenus; alle hohe Schulen haben nicht so viel erfahren als sein Bart, und sein Gauchhaar im Genick sey gelehrter als alle Scribenten 97). Machaon (!) und Hippokrates waren die einzigen Alten, denen er Gerechtigkeit widerfahren ließ 98).

 Indessen hingen im Anfange seine Zuhörer an ihm, in der eitlen Hoffnung, seine Arcana und den Stein der Weisen zu erhalten. Er aber benahm sich unsittlich und roh genug gegen sie. Als er einst behauptet hatte,

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95) Philosophiae magnae collectanea per G. Dorn, p. 6. 7. (8. Basil. 1580.) Paracels. de gradib. et composit. recept. et natural. p. 951.
96) De lapid. philos. p. 671.
97) Fragm. med. p. 144. Vorrede über das Buch paragranum, S. 203.
98) Erste Defension, S. 272.
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nur aus dem Urin eines Menschen, der drey Tage und Nächte gefastet habe, könne man seine Constitution erkennen; so hungerte und durstete Oporinus willig so lange. Dann brachte er seinem Lehrer ein wenig Urin in einem Glase, um zu hören, was er urtheile. Dieser aber lachte ihn, als einen leichtgläubigen Narren, aus, und warf das Glas an die Wand. Wenn er des Nachts trunken nach Hause gekommen, so focht er mit dem bloßen Degen in der Luft herum, weckte dann seinen treuen Diener Oporinus, und dictirte ihm mit solcher Schnelligkeit, daß dieser glaubte, der Teufel spreche aus ihm 99).

 Die Kur, welche er an Frobenius verrichtete, machte selbst Erasmus aufmerksam: er zog ihn über seine kränklichen Umstände zu Rathe, und man hat noch die Briefe, die Sie mit einander gewechselt haben. Allein Frobenius starb nicht lange nachher, im October 1527: und Paracelsus Gegner schoben nicht ohne Wahrscheinlichkeit die Schuld auf die scharfen mineralischen Mittel, welche Paracelsus diesem entnervten Podagristen gereicht habe. Dieser Umstand trug sehr viel dazu bey, Paracelsus Ruhm zu schmälern: am meisten aber that dies seine Trunkenheit, der er sich itzt schon ergeben hatte, und seine niedrige schmutzige Lebensart. Er kam, nach Oporins Versicherung, selten anders als im halben Rausch aufs Katheder, dictirte seinen Schreibern auch gewöhnlich erst, nachdem er betrunken nach Hause gekommen. Wurde er zu Kranken gerufen, so ging er oft nicht eher hin, als bis er sich mit Wein überfältigt hatte.

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99) Vita Oporini. Argent. 1569.
[p. 442]


Bisweilen blieb er bey den Bauern in der Schenke die Nächte hindurch sitzen, und konnte freylich des Morgens nicht wissen, was er vornahm. Einst hatte er auch die Nacht hindurch dem Bacchus geopfert, als er des andern Morgens zu einem Kranken gerufen wurde. Beym Hereintreten fragte er den Kranken, ob er schon etwas genossen oder eingenommen habe? Nichts, war die Antwort der Umstehenden, als den Leib des Herrn. ... „Da ihr also euch schon nach einem andern Arzt umgesehen habt, so bin ich hier überflüssig,” sagte er, und ging sogleich seines Weges 100)...

 Als Albert Basa, Leibarzt des Königs von Pohlen, aus Italien zurück kam, und auch den Theophrast in Basel besuchte, nahm ihn dieser mit zu einem Kranken, dessen Kräfte, nach dem Urtheil Basa’s, völlig niedergeschlagen waren, und dem er daher das Leben absprach. Paracelsus aber ladete den Kranken, um die Macht seiner Kunst zu zeigen, auf den folgenden Tag zu Tische, gab ihm darauf drey Tropfen von seinem Laudanum, und der Kranke fand sich wirklich am folgenden Tage in Paracelsus Wohnung ein 1). Endlich gab gegen das Ende dieses Jahres 1527 eine Geschichte seinem Ruf den letzten Stoß. Der Canonicus Cornelius von Lichtenfels nämlich, der schon lange am Podagra gelitten, nahm den Paracelsus zum Arzt an, und versprach ihm hundert Floren, wenn er ihn kuri-

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100) Oporin’s Brief an Wyer und Solenander steht in Sennert’s Tractat de consensu ac dissensu chymicorum cum Galen. et Aristot. c. 4. p. 188. (Opp. vol. 1. fol. Lugd. 1666.) abgedruckt. Die Züricher Studenten nennt er seine combibones optimos. (De gradib. recept. p. 953.)
1) Adami p. 34.
[p. 443]


ren würde. Dieser gab ihm drey Pillen Laudanum, und da sich Lichtenfels dadurch erleichtert und frey von Schmerzen fühlte; so verlangte der Arzt sein stipulirtes Honorarium. Lichtenfels aber weigerte sich, ihm alles auszuzahlen. Paracelsus verklagte ihn, und der Magistrat von Basel entschied, daß Lichtenfels nicht mehr, als was in der Medicinal-Taxe ausgemacht sey, zu bezahlen habe. Hierdurch wurde Paracelsus gereizt, Schmähreden gegen seine Obrigkeit auszustoßen: und die Folge davon war, daß man ihm mit den in solchen Fällen gewöhnlichen Strafen drohte. Seine Freunde riethen ihm, diesen zu entfliehen, und er machte sich daher eilends aus dem Staube 2).

210.


Sein Beyfall, als akademischer Lehrer, hatte um diese Zeit schon so sehr abgenommen, daß ihn Niemand mehr hören wollte 3); daher fühlte man in Basel den Verlust nicht sehr. Er begab sich fürs erste in den Elsaß, und ließ seinen getreuen Oporin mit dem chemischen Apparat nachkommen, der noch zwey Jahre bey ihm aushielt, um die Bereitung seines Laudanums zu lernen. Allein Paracelsus betrog ihn darum. Im Jahre 1528 finden wir ihn in Colmar, von wo aus er seine Streitereyen, als fahrender Theosoph, eben so wieder anfing, wie er sie in seiner Jugend getrieben hatte. 1529 datirte er die Dedication seines Buchs von Franzosen an den Rathschreiber Spengler in Nürnberg aus

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2) Vita Oporini 1569.
3) Arnold’s Kirchen- und Ketzer. Historie, Th. 2, B. 16. K. 22. S. 508.
[p. 444]


eben dieser Stadt 4). 1531 war er zu St. Gallen 5), 1535 im Pfeffersbade 6), 1536 zu Augsburg, von wo aus er die große Wundarzney an Thalhausen dedicirte, und eine Reise nach Mähren vornahm, wohin ihn der Marschall von Böhmen, Johann von Leippa, eingeladen, weil er, ein alter Podagrist, gehört hatte, Paracelsus könne die Gicht aus dem Grunde heilen. Der letztere hielt sich lange Zeit bey ihm in Mährisch-Kromau und in der benachbarten Gegend auf: der von Leippa wurde nach dem Gebrauch der mineralischen Mittel immer schlechter: eine Frau von Zerotin bekam nach denselben die Epilepsie zwanzig Mahl in einem Tage, und starb, so wie der von Leippa 7). Paracelsus aber wartete den Tod und seine Schande nicht ab, sondern hinterließ ein Consilium, worin er sagt, er müsse nun nach Wien gehen, und zusehen, wie sich diese Kaiserstadt gegen ihn betragen werde 8). Man sagt, er sey nun nach Ungarn gegangen. Aber im folgenden Jahre 1538 finden wir ihn wieder zu Villach in Kärnthen, wo er den Landständen des Herzogthums Kärnthen seine Chronik, und seinem Freunde Winkelsteiner die Bücher de natura rerum widmete 9). 1540 war er zu Mindelheim, und 1541 zu Salzburg, wo er im Hospital zu St. Stephan starb 10). Ueber die Art

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4) Von Franzosen, B. 1. S. 149.
5) Paramir. lib. 3. p. 51.
6) Vom Bad zu Pfeffers, S. 1116.
7) Erast. disputat. de medicin. nov. Paracels. P. 4. p. 175.
8) Consil. med. p. 688.
9) Chronica des Landes Kärnten, S. 249. De natur. rerum p. 181.
10) Adami p. 32.
[p. 445]


seines Todes findet sich eine merkwürdige Nachricht in einem wenig bekannten Buche: „Er sey von der Doctoren Dienern und andern Sicariis, da er sich auf einem Gastgebot befunden, von einer Höhe herab gestürzt und ihm also der Hals gebrochen worden 11). Wirklich fand Sömmerring in Paracelsus Schedel einen Bruch im Schuppentheil des linken Schläfenbeins, welcher bis in den Grund des Schedels gedrungen war. Und Gall fand in eben diesem Schedel das Geschlechts-Organ unentwickelt, wodurch seine Abneigung gegen das weibliche Geschlecht und die Sage von der Entmannung, die er in der Kindheit durch den Biß eines Schweins erlitten, Wahrscheinlichkeit erhält 12).

211.


Dies unstäte Leben des Theosophen hatte einen unläugbaren Einfluß auf seine Denkungsart und seinen Charakter: er versicherte oft seine Schüler, daß er durchaus nicht lange an einem Orte bleiben könne, weil er sich an das beständige Umherschweifen einmal gewöhnt habe 13). Immer war er jedoch mit Begleitern umgeben, die sich durch seine Trunkenheit und durch die tollen Streiche, die er während derselben vornahm, so wenig als durch seine Dürftigkeit abhal-

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11) Hessling’s Theophrastus redivivus illustratus, p. 133. Hamb. 1663.
12) Salzb. med. chir. Zeitung, 1815. B. 1. S. 47. 48. Ueber seine Verachtung des weiblichen Geschlechts nur folgende Stelle: Die Frauen sind nur halbe Creaturen ihr Haar ist halb Haar, ihr Herz halb Herz.” (de caduco matricis , p. 622.)
13) Sennert, de consensu et dissensu chymicor. cum Galen. c. 4. p. 191.
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ten ließen, ihm zu folgen. Unter diesen ist Oporin, der gelehrte Buchdrucker in Basel, der berühmteste, und wird auch von seinem Lehrer am meisten gerühmt 14). Zwey andere werden von Sennert genannt: Franciscus, der es bezeugt, daß Paracelsus den Proceß der Transmutation vorgenommen 15), und George Vetter, der ihn, so wie Oporin, für einen Magus hält 16). Er selbst spricht noch außerdem von einem Doctor Cornelius, den er seinen Secretarium nennt, und dem, so wie dem Doctori Petro, Doctori Andreae, Doctori Ursino, Licentiato Pancratio und Magistro Raphaëli, verschiedene seiner Libellen zu Ehren geschrieben seyn. Er klagt bey dieser Gelegenheit sehr über die Untreue seiner Knechte, die ihm allerley Künste abgesehen und sich alsdann mit denselben groß gemacht hätten. „Etliche seyn, sagt er, Schulmeister gewesen, haben sich gegen ihn zugeschlagen, freundlicher dann die hungrigen Hündlein erzeigt, und, sie gesehen haben drey bis vier trefflicher Proben, und die Recepten, durch ihre Hand gegangen, fleißig von ihnen abgeschrieben, und darnach von ihm abgeschlichen, welches Abziehens Ursach leichtlich zu ermessen, oder wie ehrlich es sey.” Auf ähnliche Art klagt er über die Barbierer und Bader, die ihm gefolgt seyn 17). An einem andern Ort sagt er: „Was ich von

 „Aerzten geboren habe: aus den hunderten von Pannonia, seyn zween wohl gerathen: aus der Confin Poloniä drey, aus den Regionen der Saxen zween, aus den Sclavonien einer: aus Bohemien einer: aus dem Niederland einer: aus Schwaben keiner. Wiewohl in einem jeglichen Geschlecht große Zahlen gewesen sind. Ein jeglicher aber hat meine Lehre nach seinem Kopf gesattelt: einer führet mirs in einen Mißbrauch zu seinem Seckel, ein anderer zeuchts ihm in seine Hoffart: aber ein anderer glossirts und emendirts, und im Fürlegen für mich, warens erstunkene Lügen 18).”

212.


Die Untreue seiner Schreiber ist wahrscheinlich auch mit ein Grund der unzähligen Schwierigkeiten, welche sich dem entgegen stellen, der eine vollständige und durchaus richtige Kenntniß des Paracelsischen Systens erlangen will. Ueberdies ist die verworrene, mystische, mit erdichteten Namen überhäufte Schreibart ein wichtiges Hinderniß für Jeden, der dieser Ausdrücke nicht gewohnt ist. Paracelsus legt, wie so viele Schwärmer neuerer Zeiten, gewöhnlichen Wörtern ungewöhnliche Bedeutungen unter. So ist ihm Anatomie etwas ganz anderes, als was man im gemeinen Leben darunter versteht. Ihm bedeutet sie die Natur, die Kraft, und die magische Bezeichnung einer Sache. Und da, der Platonischen und kabbalistischen

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14) Von Franzosen, B. 2. S. 174.
15) Libav. defens. alchem, lib. 2. p. 153. -- von Murr a. O. S. 210 f.
16) Sennert l. c.
17) Von Franzosen, B. 2. S. 174. „Der Henker hat mir zu seinen Gnaden genommen ein und zwanzig Knechte und von dieser Welt abgethan! Gott helf’ ihnen allen! Wie kann einer bey mir bleiben, so ihn der Henker nicht bey mir lassen will.“ (Sechste Defension, S. 261.)
18) Vorrede der Bücher Bertheoneae, S. 355.
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Theorie zufolge, jeder Körper in der Natur nach einem supralunarischen Bildniß geformt ist; so nannte Paracelsus die Kenntniß dieses Musters, Ideals, oder dieser Form, wornach alle Dinge gebildet worden, die Anatomie 19). Auf ähnliche Art nennt er astrum die Grundkraft eines Dinges, und definirt die Alchymie als die Kunst, die astra aus den Metallen zu ziehen 20). Das astrum giebt alle Erkenntniß; wenn Jemand isset, so genießt er vorzüglich das astrum, welches nachher verwandelt wird, und die Ernährung befördert 21). Manche dunkele und unverständliche Ausdrücke sind offenbar die Folgen seiner Unwissenheit, und lassen sich allenfalls noch enträthseln. Pagoyus, welches viele seiner Leser nicht verstanden haben, ist wahrscheinlich nichts als paganus. Die vier entia oder Krankheits-Ursachen nämlich, welche theils in der astralischen Influenz, theils in den Elementar-Qualitäten, theils in den verborgenen Eigenschaften, theils in dem Einfluß der Geister gegründet lind, nennt er pagoya, weil sie von den Heiden auch schon angenommen wurden. Aber das fünfte ens, oder die Ursache der Krankheit, welche unmittelbar in Gott gegründet ist, ist non pagoyum 22). Seine Undimia ist offenbar nichts anders als Oedema, nur daß er diesen Ausdruck für alle Arten der Wassersuchten gebraucht 23). Aniadus nennt er die Vertheilung der Pflanzen auf dem Erdboden, wo jedes Klima und jede Gebirgsart ihre eigenthümlichen

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19) Paramir. lib. 2. p. 50.
20) Fragm. med. p. 148.
21) De caduc. matric. p. 612.
22) Paramir. lib. 1. p. 21.
23) Paragraph. lib. 4. p. 460.
[p. 449]


Gewächse erzeugt 24). Man darf sich auch nicht darüber wundern, wenn man bey ihm das Wort tonitru declinirt findet, als der Stein tonitrui. Den bekannten Vers, des Ovidius: Tollere nodosam nescit medicina podagram, travestirt er dergestalt: Nescit Tartaream Roades curare podagram. Roades, sagt er, heißt ein Roßarzt: und wer einen bessern Vers machen kann, der mache ihn 25) ... Viele Worte bildete sich Paracelsus auch selbst nach Willkühr, in denen oft gar kein Sinn liegt. Davon werden mehrere Beyspiele in der Folge vorkommen.

213.


Die Verachtung aller gelehrten und mit Mühe und angestrengtem Fleiß erworbenen Kenntnisse und den Stolz auf unmittelbare Mittheilung aller Weisheit aus dem göttlichen Wesen hat Paracelsus mit allen ältern und neuern Fanatikern gemein. Die wahre Theosophie bestand von je her in der innigen Vereinigung mit Gott, dem ewigen Vater aller guten Geister, die durch inneres Anschauen seiner Vollkommenheiten und durch Unterdrückung aller Empfindungen und aller Seelen-Verrichtungen vollbracht wird 26). Was bedarf der Theosoph demnach des Unterrichts und des gelehrten Fleißes, da ihn, ohne sein Zuthun, während eines völlig passiven Zustandes seiner Seele, die Gottheit selbst, von welcher er ein Ausfluß ist, ihrer Lichtquelle und ihrer Allwissenheit theilhaftig macht? Da

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24) Philosoph. lib. 5. p. 39, 40.
25) Von tartarischen Krankh. S. 313.
26) Gesch. der Arzneyk. Th. 2. S. 190.
[p. 450]


er dadurch auch die Herrschaft über die Dämonen erlangt, so gewähren ihm diese alles, was er nur wünschen und verlangen mag. Der Theosoph, der dieser Mittheilungen des göttlichen Lichts gewürdigt wird, bedarf auch keiner positiven Religion und keiner Kirchen-Gebräuche. Das innere Licht, und die Theophanieen, deren ihn die Gottheit würdigt, ersetzen nicht allein alle gemeine kirchliche Cärimonien, sondern übertreffen sie auch noch bey weitem. Daher hat man von je her den Paracelsus als einen Verächter des öffentlichen Gottesdienstes geschildert: und die Orthodoxen haben ihm eben so bittere Vorwürfe darüber gemacht, als er deswegen von neuern Enthusiasten gepriesen wird 27). Darum war er auch mit der gemeinen Exegese nicht zufrieden, sondern suchte auf mystische Art die Worte und Buchstaben der Bibel zu erklären 28). Darum war er selbst mit Luther unzufrieden, weil ihm dieser lange nicht weit genug ging: Luther, sagt er, sey nicht werth ihm die Schuhriemen aufzulösen, und, wenn er nur anfangen wolle zu reformiren, so wolle er den Papst und die Reformatoren erst recht in die Schule führen 29).

 Das innere Licht, durch welches wir alle Weisheit und alle medicinische Gelehrsamkeit erhalten, zündet, wie Paracelsus sagt, der heilige Geist in uns, ohne unser Zuthun, an; dieser offenbart seiner Schüler Weisheit und Verstand durch ihre Werke, also daß

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27) Erast. P. 1. c. 24. -- Sennert c. 4. p. 189. -- Arnold S. 309 f.
28) Sennert p. 190 f.
29) Fragm. med. p. 143. -- Adami p. 32. -- Libav. de philosoph. harmon. fratr. de Ros. Cruce p. 264.
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die viehische Vernunft sich in solchem verwundern und erbidmen muß 30). „Das Gemüth, sagt er, die Imagination und der Glaube sind drey Dinge zu rechnen: denn die Namen sind verschieden, haben aber gleiche Kraft und Stärke: denn es kommt eines aus dem andern. Und kann die nit anderst vergleichen dann der Trinitato (sic!) Deo. Denn durch das Gemüth kommen wir zu Gott, durch den Glauben zu Christo, durch die Imagination empfahen wir den heiligen Geist. Darumb auch dieser Dreyen, wie der Trinitato Deo, nichts unmöglich ist.“ 31)

 Gott, heißt es an einem andern Ort, „bleibt in allen Dingen der oberste Scribent, der höchste, und unser aller Text. Und wiewohl die Glosse, die da soll ausgehen aus demselbigen, den er ausgesandt am Pfingstfeyertage, nicht daß derselbige allein sey ein Apostel, ein Theologus. Sondern es siehet in der Geschrift: der wird uns in alle Wahrheit führen, uns alle Dinge lehren. Unter dem alle Dinge ist auch die Arzney, die Philosophie und Astronomie begriffen.“ 32) „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das andere alles (auch die Arzneykunst) zufallen. Solches Spruchs mag sich der Arzt nicht erwehren: denn er wähnt falsch, wenn er glaubt, die Natur gehöre nicht zum Reiche Gottes. Und, so Jemand Weisheit mangelt, der bitte von Gott, so wird sie ihm gegeben werden.“ 33)

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30) Paragran. lib. 1. p. 208.
31) De imagin. p. 308.
32) Labyrinth, medic. p. 277.
33) Labyrinth. medic. p. 266.
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Darum sagt er ferner, wenn man wissen wolle, was die magische Medicin sey, so müsse man die Apokalypse fragen. Zur Theorie der Krankheiten sey die Bibel mit ihren paragraphis (soll vermuthlich Paraphrasen heißen) eine Auslegerinn, und der Schlüssel, den Johannem zu verstehen, welcher Johannes sowohl als Daniel, Hesekiel, Moses u. a. ein jeglicher ein Magus gewesen und ein geborner Kabbalist und divinator 34). Daher ist die erste Bedingung, die der angehende Arzt erfüllen muß, die, daß er sich mit der Kabbalah bekannt macht, sonst irrt er beständig 35). „Lerne, sagt er, „artem cabbalisticam, die schließt alles auf.” 36) Einen derben Commentar über die Wahrheit, daß der Arzt geboren werden müsse, in der Volkssprache, findet man ebenfalls in dem angeführten Buche 37). „Der Mensch erfindet nichts, der Teufel erfindet nichts: Gott ist es allein, der uns alles durch das Licht der Natur offenbart.” 38) Zuerst würdigte Gott die blinden Heiden, den Apollo, Aeskulap, Machaon, Podalirius und Hippokrates seiner Offenbarung, und theilte ihnen den Geist der Arzney mit. Aber ihre Nachfolger wurden Sophisten und suchten viele Künste. 39). „Lesen hat nie einen Arzt

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34) De pestilit. lib. 2. p. 345.
35) Labyrinth. medic. p. 277.
36) Paragran. lib. 2. p. 214. Vergl. Guinth. Andernac. de medicin. vet. et nov. dial. 2. p. 30. Ad. von Bodenstein onomast. p. 411.
37) Vorrede über das Buch paragran. p. 200.
38) Paragran. lib. 4. p. 227.
39) Verantwort. über etliche Unglimpf. S. 252. Spittal-Buch, Th. 2. S. 318.
[p. 453]


gemacht, aber die Practic, die giebt den Arzt. Lesen ist ein Schemel der Practic und ein Federwisch." 40) Nicht die hohen Schüler, nicht die Bücher in griechischer und lateinischer Sprache sind, wie er sagt, der Grund der Medicin, sondern allein Gottes Barmherzigkeit 41). Diese wirkt sehr oft durch das Licht der Natur, in Träumen, und giebt dem Menschen Kenntniß und Anleitung zur Kur 42). Dieses Licht macht in den leiblichen unsichtbaren Dingen alles sichtbar; und, wenn der Glaube hinzu kommt, so ist einem solchen Theosophen alles möglich. Er kann alsdann den Ocean auf den Aetna und den Olymp ins rothe Meer zaubern 43). Dieser christlichen Theosophie prophezeyt er auf das Jahr 1558 allgemeine Ausbreitung 44), und dagegen den Galenischen Schulen nach geraumer Zeit den Untergang 45).

214.


Das Emanations-System setzte einen Urmenschen, oder eine Sammlung von Paradigmen voraus, welche zuerst aus der Gottheit geflossen, in welcher, aus wel-

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40) Von französischen Blattern S. 301.
41) De peste cum addit. lib. 2. p. 383.
42) De caduc. lib. 4. p. 603.
43) Morbor. invisib. p. 85.
44) De tinctur. physic. p. 921. „Meine Theorick wird in dem Jahr 58 anfangen zu grünen, und die Practick, so darauf folgt, wird sich mit unglaublichen Zeichen und Wunderthaten beweisen, dass auch die Handwerksleut werden verstehn, samt dem gemeinen Pöffel, wie Theophrasti Kunst bestehe gegen der Sophisten Sudlerey, welche mit bäptischen und keyserlichen Freyheiten, von wegen ihrer Untüchtigkeit, will bekräftiget und beschützt seyn.” Vergl. Semlers Samml. zur Hist. der Rosenkreuzer, St. 1. S. 64.
45) Paragran. lib. 3. p. 225.
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cher und durch welche alle Dinge seyn. Die ersten christlichen Theosophen, und verschiedene Ketzer, besonders die Gnostiker und Arianer, nannten diesen ersten Ausfluß der Gottheit das Pleroma, und glaubten, daß es Christus gewesen 46). Darum findet man auch im Paracelsus Spuren dieser Meinung. Er nennt jenen Urmenschen Parens hominis, und läßt aus ihm alle Geister ausfließen 47). Dies ist der Limbus minor oder die letzte Creatur, in die der große Limbus, der Saame aller Creaturen, der Unendliche, hinein geht. Alle Wissenschaften und Künste des Menschen kommen aus jenem Limbus: und wer sich in diesen Limbus, in den Adam Kadmon vertieft, wer zur Gemeinschaft mit Christo durch den Glauben gelangt, der kann allen Geistern gebieten 48). Die aus diesem Limbus gelehrt sind, das sind die gelehrtesten, die aus dem Gestirn die mindsten, und die aus dem Licht der Natur die mittelsten 49). Da Christus, als Limbus minor und als Urmensch, nun immer ein Abglanz der Herrlichkeit Gottes, ein Ausfluß des Urlichts und also eine subordinirte Person seyn mußte; so ergiebt sich daraus der Grund der Beschuldigung, daß Paracelsus ein Arianer gewesen und die Gottheit Christi geläugnet habe 50). In

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46) Gesch. der Arzneyk. Th. 2. S. 181–188. 206.
47) De pestilit. lib. 2. p. 348.
48) Von podagrischen Krankheiten, B. 1, S. 581.
49) Grosse Wundarzn. B. 2. S. 73.
50) Gesner. epist. med. lib. 1. f. 2. b. -- Erast. P. 1. p. 24. -- Servets Anhänger urtheilten zu Paracelsus Zeiten eben so, auch Socinus stimmte hierin mit dem Paracelsus überein. (Sandii hist. ecclesiast. p. 427. Arnold Th, 2. B. 16. K. 33. S. 396.)
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der That will er nicht, daß gläubige Seelen durch den Glauben an Christum, sondern er will, daß sie allein durch das Vertrauen auf Gott den Vater Wunder thun und magische Kuren verrichten: aber man müsse dabey Christum um seine barmherzige Fürsprache bitten 51).

215.


Eben dies Emanations-System beruht auf der allgemeinen Harmonie aller Dinge in der Natur, auf der Uebereinstimmung vorzüglich der Gestirne mit den sublunarischen Dingen. Eigentlich lag nur die Platonische Meinung von der Bildung aller Dinge in der Unterwelt nach den ewigen Mustern und unvergänglichen Idealen jenseits der Sterne zum Grunde. Aber wie leicht war den Schwärmern der Uebergang von der bloßen Bildung nach diesen Mustern zum wirklichen Daseyn dieser Muster in den sublunarischen Dingen? Daher die beständige Vergleichung des menschlichen Körpers und aller Körper in der Natur mit dem Firmament und dem Universum 52). Im Firmament und in Makrokosmus sind alle Glieder unsers Körpers nicht wirklich, sondern nur virtualiter und spiritualiter enthalten 53). Als Philosoph erkennt der Arzt die untere Sphäre, oder das Daseyn der himmlischen Intelligenzen in den sublunarischen Dingen; als Astronom aber die obere Sphäre, das heißt, er findet die Glieder des menschlichen Körpers in dem Firmament wieder 54). „Die

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51) Morbor. invisib. p. 90.
52) Gesch. der Arzneyk. Th. 2. S. 190. 191.
53) Labyrinth. medicor. p. 277.
54) Paragran. lib. 1. p. 207.
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Geschichten der Erden, sagt er, geschehen im Himmel, ehe dies auf Erden augegangen und beschehen ist. Als so einem träumt, das morgen geschieht, also läuft der Himmel vor, und thut alle Werke, die nachher der Mensch auf Erden vollbringt.” 55) Denn im Schlafe offenbart Gott dem Geist des Menschen die Geheimnisse der Kabbalah 56). Weil sich endlich dieses Daseyn der himmlischen Intelligenzen, nicht der Form, aber wohl dem Wesen nach, nicht blos auf den menschlichen Körper einschränkt, so findet man sie auch in allen übrigen Dingen. Ißt Jemand ein Stück Brot, so genießt er in demselben Himmel und Erde und alle Gestirne und alle himmlische Intelligenzen 57). Welch ein treffliches Mittel, um die Transsubstantiation und andere Mysterien des Christianismus zu erklären! ..

 Ein jeder Körper, besonders der menschliche, ist doppelt, ein geistiger und ein materieller 58). Der geistige, der zugleich der syderische oder astralische genannt werden kann, entsteht aus den himmlischen Intelligenzen, und man kann nach ihm eine Figur machen, wodurch alle magische Wirkungen vollbracht werden. Ist man nicht im Stande, auf den Körper selbst zu wirken, so wirke man auf seine astralische Form, auf sein syderisches Urbild durch Charaktere, durch Beschwörungen und andere theurgische Kün-

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55) De caduc, matric. p. 616.
56) Fragm. med. p. 141.
57) De modo pharmacandi. lib. 2. p. 775.
58) Archidox. lib. 1. p. 788.
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ste 59). An einem andern Orte tadelt er jedoch alle und jede magische Cärimonien, und behauptet, daß sie allezeit aus Mangel an Glauben entstehen 60). Die himmlischen Intelligenzen oder der astralische Leib drückt allen materiellen Körpern gewisse Spuren und Zeichen ein, wodurch man die Herrschaft dieser Intelligenzen über den Menschen erkennen kann. Ein hoher Grad der Theosophie ist es, wenn der Magus die Bedeutung dieser Zeichen kennt, und aus diesen Signaturen das Wesen, die Natur und die Eigenschaften eines Körpers erkennen kann. Manche dieser Signaturen sind gemeinverständlich, so wie die Zahl der Zinken an einem Hirschgeweih das Alter des Thiers anzeigt. Aber andere liegen tiefer verborgen 61). Adam, der erste Mensch, war mit der Kabbalah sehr vertraut. Er kannte die Signaturen aller Dinge, und gab deswegen allen Thieren die passendsten Namen. Darum enthält auch die hebräische Sprache die besten Namen für alle Thiere, die selbst ihre Natur anzeigen 62). Ein Mensch, der durch Abstraction von aller Sinnlichkeit und durch kindliche Ergebenheit in den Willen Gottes sich der Einwirkung der himmlischen Intelligenzen theilhaftig gemacht hat, ist eben damit auch im Besitz des Steins der Weisen; er hat niemals Mangel:

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59) Das Buch vom langen Leben S. 837 -- Praelection. de vulner. p. 558.
60) Morb. invisib. p. 114.
61) De signatur. rer. natural. lib. 9. p. 910. 919. Andeutungen der Natur von den Kräften der Pflanzen in Form und Farbe werden auch von den Einwohnern von S. Paul in Brasilien angenommen. Martius Reise nach Brasilien, Th. 1. S. 256.
62) Ib. p. 918.
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alle irdische Creaturen und alle himmlische Kräfte sind ihm unterthan: er kann alle Krankheiten heilen, und lebt selbst so lange, als es ihm gefällt, denn er ist im Besitz des Lebens-Elixirs, welches Adam und die Erzväter vor der Sündfluth gebrauchten, und wodurch sie zu dem hohen Alter gelangten 63). Auch Beelzebub, der oberste der Teufel, ist dem Magus unterthan. Und wer mag ihn tadeln, wenn der Theosoph im Glauben dem Teufel befiehlt: Zieh mir das Roß aus dem Graben. Nur muß der Gläubige nicht thun, was der Teufel will 64). Darum hatte man dem Paracelsus bisweilen sagen gehört: „Will Gott nicht helfen; so helfe der Teufel!“ 65)

216.


Eine Hauptlehre des kabbalistischen Systems war auch der Pantheismus, den Paracelsus im gröbsten Sinne annahm. Daß Alles beseelt sey, daß Alles, was lebt, auch ißt und trinkt und Excremente von sich giebt, daß also in diesem Sinn alle Mineralien, ja alle Feuchtigkeiten leben, Speise genießen und Excremente ausleeren, dies behauptet Paracelsus an unzähligen Stellen 66). Eben dieser Polytheismus und Pantheismus führt darauf, in jedem Theil der Unterwelt, im Wasser, in der Luft, der Erde und dem Feuer unendlich viele geistige Substanzen anzunehmen, (Saganae heißen die Elementar-Geister, die das Mittel zwischen

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63) Archidox. lib. 8. p. 818.
64) Morb. invisib. p. 112.
65) Adami p. 35.
66) De modo pharmacandi , lib. 2. p. 772. De vita rerum naturalium p. 889.
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immateriellen und materiellen Wesen halten, wie die Menschen essen, trinken, sprechen, wandern, Kinder zeugen, aber sich dadurch den reinen Geistern nähern, daß sie weit behender, durchsichtiger und unglaublich viel schneller sind, als irgend ein anderer thierischer Körper 67). So wie ferner der Mensch eine Seele, der reine Geist aber keine Seele hat, so sind jene geistigen Substanzen zugleich Geist und Körper ohne Seele 68). Sie sterben eben so wie die Menschen, aber es bleibt alsdann keine Seele zurück: sie werden auch auf gleiche Weise krank als die Menschen 69). Ihre Namen sind nach ihrem Aufenthalt verschieden: in der Luft heißen sie Sylvani, auch Lemures, im Wasser Nymphen, in der Erde Gnomen oder Pygmäen, und im Feuer Salamander 70). Statt der Nymphen kann man auch die Wassergeister Undenas nennen. Die Sylvani kommen unserer Natur am nächsten, weil sie in der Luft leben, wie wir 71). Den drey ersten Arten dieser Halbmenschen erlaubt Gott bisweilen sichtbar zu werden, mit den Menschen zu sprechen, mit ihnen den Beyschlaf zu feyern und Kinder zu zeugen: aber die Salamander allein pflegen keine Gemeinschaft mit den Menschen zu haben 72). Sie wissen alles Zukünftige vorher und theilen es dem Menschen mit: sie erscheinen in Gestalt der Irrwische 73). Hier kommt zugleich die Lehre von den Feen, der schönen Melusine, und

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67) Des Bueles Meteororum p. 78. Paracelsi philosoph. magna, ed. Dorn. p. 176.
68) Ib. p. 177
69) Ib. p. 178.
70) Ib. p. 179. Philos. t. 3. p. 314. Opp. tom. 2.
71) Ib. p. 180.
72) Ib. p. 186.
73) Ib. p. 187.
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den Giganten, als Abkömmlingen der Sylvanen, vor. Auch werden diese Wasser-Nixen, Salamander u. s.w. für die Hüter verborgener Schätze angegeben, und es fehlt hier selbst nicht an einer Anleitung zum Schatzgraben, durch Bezauberung der Undenen, Sylvanen, Gnomen und Salamander.

217.


Jene Eintheilung des Menschen in den körperlichen und geistigen, und aller Dinge in der Natur in die sichtbaren und unsichtbaren Paradigmen, ist von je her allen Schwärmern vorzüglich angenehm gewesen, weil sie alle Gespenster-Historien und andern Aberglauben daraus erklären konnten. Wie nun der Geist (spiritus) das Wesen des syderischen und unsichtbaren Leibes ist; so mußte man den sichtbaren Körper besonders für das Organ der Seele (anima) halten, und daher ergiebt sich der Unterschied zwischen Seele und Geist, den man bey allen Theosophen beobachtet findet, und wodurch folgende drey Harmonieen heraus kommen, auf welche die Nachfolger des Paracelsus sorgfältige Rücksicht nehmen: Seele, Geist, Leib; Quecksilber, Schwefel, Salz; Wasser, Luft, Erde. „Der Geist ist nicht die Seel, sondern, wenn es möglich wär, so wär der Geist der Seelen Seel, wie die Seel des Leibes Geist ist.” 74) „Der Geist, so dem Fleisch verwandt ist, heißt ein Geist, aber mit dem Unterschied, er ist des Todts, der aber von Gott ge-

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74) Fragm. philos. p. 272.
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geben ist, der ist des Lebens.” 75) Durch den Geist wirkt besonders der Wille und die Einbildungskraft des Menschen, und daraus kann man sich die Behexungen und magischen Wirkungen allein erklären 76). Die Mutter-Mähler sind Impressionen dieser Vice-Menschen, und Paracelsus nennt sie Cocomica signa 77). Der syderische Leib des Menschen zieht durch die Imagination, als ein Magnet, alles und besonders die Gestirne an sich. Auf diese Art können menstruirende und schwangere Weiber, deren Imagination vorzüglich leidet, nicht allein einen Spiegel durch ihren Hauch vergiften, und dadurch den Kindern schaden, die nachher wieder hinein sehen, sondern selbst den Mond vergiften sie: sie haben gleichsam Basilisken-Augen, womit sie alles tödten 78). Durch die Wirkung des astralischen Leibes kann der Magus sogar aus männlichem Saamen einen Menschen ausbrüten, wenn er ihn nur in Pferdemist verbirgt 79). Daher erklärt Paracelsus auch den Frosch-Regen. Die astralischen Leiber der Frösche schweben unsichtbar in der Luft, fallen aber mit dem Regen sichtbar nieder 80). Durch die Einbildungskraft und durch Hülfe der Halbmenschen bringen die Hexen und Magi auch die Pestilenz, die Lustseuche und andere Krankheiten hervor 81). Durch Hülfe der Berggeister

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75) Philos. Fragm. p. 433.
76) Philosoph. magn. p. 212.
77) De podagric. lib. 2. p. 572.
78) De pestilit. lib. 2. p. 351. f.
79) De vita longa p. 860.
80) Morb. invisib. p. 98.
81) Ib. p. 94. Auch die Kometen sind Werke der Geister, Lib. meteor. p. 99.
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werden die Metalle verwandelt. Merkwürdig aber ist Paracelsus Zusatz zu dieser Behauptung: „Ehe die Welt untergeht, sagt er, müssen noch viele Künste, die man sonst der Wirkung des Teufels und jener Vice-Menschen zuschrieb, offenbar werden, und man wird alsdann einsehen, daß die meisten dieser Wirkungen von natürlichen Kräften abhangen.” 82) Diese Weissagung hat sich freylich vortrefflich bestätigt: allein, wie klingt sie in Paracelsus Munde?

218.


Paracelsus physiologische Theorie bestand größtentheils in der Anwendung der Kabbalah auf die Erklärung der Verrichtungen des Körpers. Zuvörderst haben wir hier wieder die Harmonie einzeler Theile, Glieder und Eingeweide des Körpers mit den himmlischen Intelligenzen, oder mit den Gestirnen. Doch will Paracelsus nicht, daß man durchgehends den ursachlichen Zusammenhang zwischen den Himmels-Körpern und den Eingeweiden des Menschen annehmen solle. Weder die Erzeugung noch die Eigenschaften der Menschen sind die Wirkungen der Gestirne, und man darf daher nicht sagen: der Mensch artet nach dem Mars, sondern noch eher, Mars artet nach dem Menschen: „denn der Mensch ist mehr als Mars und alle Planeten." 83) Ungeachtet er hinzu setzt: Wenn auch keine Gestirne wären, so würde der Mensch doch so und nicht anders seyn; so giebt er doch zu, daß die Lebenskraft des Menschen ein Ausfluß der Gestirne ist, und von der

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82) Philos. magn. p. 218.
83) Paramir. 1, p. 5. 2, p. 49.
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Luft (dem M. magnum) herrührt 84). So hängt die Sonne mit dem Herzen, der Mond mit dem Gehirn, Jupiter mit der Leber, Saturn mit der Milz, Mercur mit den Lungen, Mars mit der Galle und Venus mit den Nieren zusammen 85). An einem andern Ort bestimmt er die loca planetarum dergestalt: die Sonne wirkt auf den Nabel und auf den Mittelpunkt des Bauches, der Mond auf den Rückgrat, Mercur auf die Eingeweide, Venus auf die Schaamtheile, Mars auf das Gelicht, Jupiter auf den Kopf, und Saturn auf die Extremitäten 86). Aus diesem Grunde ist auch der Puls nichts anders als die Mensur der Temperatur im Leibe, nach Art der sechs Stellen, welche die Planeten inne haben. Zwey Pulse unten an den Füßen gehören dem Saturn und Jupiter, zwey am Halse dem Mercur und der Venus, zwey an den Schläfen dem Mond und dem Mercur: der Puls Solis ist unter dem Herzen. Die große Welt hat auch sieben Pulse, das ist der Umlauf der Planeten; und die Ungleichheit des Pulses, das Aussetzen desselben, wird durch die Eklipsen dargestellt 87). Die Wirkung des Mondes in der großen Welt, so wie des Saturns, besteht in der Verdichtung des Wassers, wodurch es gefriert: auf ähnliche Art coagulirt der mikrokosmische Mond (das Gehirn) auch das Geblüt. Daher haben melancholische Leute, die Paracelsus lieber lunatische nennt, verdicktes Blut 88). Ueberhaupt darf man nicht von einem Menschen sagen, daß er diese oder jene Complexion hat, sondern man

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84) Paramir. 1. p. 7.
85) Ib. 3. p. 14. S. 387
86) Von offenen Schäden, B. 4.
87) De pestilit. lib. 1. p. 339.
88) Ib. lib. 2. p. 349.
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sage, das ist Mars, das ist Venus 89). So muß der Arzt die Planeten des Mikrokosmus, die Mittagslinie, den Thierkreis, seinen Orient und Occident kennen, ehe er die Functionen des Körpers erklären oder seine Krankheiten heilen kann 90). Dies lernt er durch die beständige Vergleichung der großen und kleinen Welt; und der größte Vortheil dieses Systems ist immer der, daß die Vorbereiteten aller Gelehrsamkeit entbehren können, und in unglaublich kurzer Zeit die tiefsten Geheimnisse der Natur begreifen. Darum ist der Himmel sammt allen Sternen und Kräutern zehnmal leichter zu lernen, als das heillose Latein und die griechische Grammatik 91).

219.


Das Galenische System, dessen Hauptstütze die Lehre von den Elementar-Qualitäten war, erschütterte Paracelsus durch die Vernachlässigung dieser Qualitäten und durch die Vervielfältigung der Krankheiten der ganzen Substanz. Levinus Battus, ein eifriger Vertheidiger des Paracelsischen Systems in Rostock, schrieb ihm vorzüglich das Verdienst zu, die fehlerhafte Anwendung des Begriffs von einfacher Krankheit der festen Theile, der Kräfte und der sinnlichen Eigenschaften auf zusammen gesetzte kranke Zustände, mehr eingeschränkt und in ihrer Blöße dargestellt zu haben 92).

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89) Paragran. 2. p. 219.
90) Ib. p. 213.
91) De pestilit. lib. 1. p. 339. Vergl. Guinth. Andernac, medicin. veter. et nov. comment. 2. p. 30.
92) Smet. lib. 12. p. 653. 655.
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Aber, man kann nicht umhin, hierin Erastus 93) Beyfall zu geben, wenn er sagt, daß Paracelsus fast gar keine Meinung an einem Orte vortrage, welcher er nicht an einem andern Orte widerspreche. Paracelsus unterscheidet eigentlich drey bis vier Uranfänge der Dinge, das astrum, die radix und das elementum: wozu noch das sperma kommt, welches von dem eigentlichen Saamen wiederum unterschieden ist. Alle diese Uranfänge waren ehedem in dem Chaos, oder in der formlosen Materie des Plato, in dem mysterio magno, wie es Paracelsus, aus Nachahmung der Kabbalisten, nennt, oder im Yliados, eingeschlossen 94). Das astrum war die thätige Kraft, welche der formlosen Materie die Form mittheilte und ihre Bildung vollendete. Diese astra sind wie vernünftige Wesen anzusehen: sie sodomiren, sagt Paracelsus, und adulteriren eben so, wie andere Creaturen. Jedes astrum zieht das Kraut und das Metall, nach Willkühr aus dem mysterio magno hervor, mit welchem es verwandt ist, und giebt der Wurzel deselben astralische Form 95). Was die Saamen betrifft, so giebt es deren zweyerley Gattungen: der eine oder das sperma ist das Vehikel des wahren Saamens, welcher letztere durch Speculation, durch Einbildungskraft, durch die Kraft des astri erzeugt wird. Der verborgene, unsichtbare, syderische Leib giebt sonach den wahren Saamen her, und der adamische Mensch sondert nur die sichtbare Hülle desselben

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93) Erast. disput. de medicin nov. Paracels. P. 2. p. 37.
94) Sennert l. c., c. 9. p. 203. -- Paracels. philosoph. magn. p. 90 s.
95) De pestilit. lib. 1. p. 339.
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ab 96). Da nun alles in der ganzen Natur beseelt und nichts todt ist, da alle Dinge mit ihren astralischen Idolen versehen sind; so ist es auch nicht wohl möglich, daß aus der bloßen Fäulniß ein neuer Körper erzeugt werden kann. Der Saame muß vorher da seyn, und dieser wird während der Corruption durch die astralische Kraft entwickelt 97). In solchem Falle nennt Paracelsus diesen Saamen cagastrisch: wenn er aber aus dem mysterio magno, ohne Corruption, ursprünglich entstanden ist, iliastrisch 98). Die Zeugung der Thiere erfolgt nun besonders durch die Zusammenkunft von den vielfältigen Saamen der einzelen Theile des Körpers. Der Saame der Nase erzeugt wieder Nasen, der Saame der Augen wieder Augen u. s. f. 99). Dies war in der That nichts als eine Erneuerung der Meinung des Demokritus 100).

 Die Elemente selbst betreffend, so nimmt Paracelsus hie und da zwar ihren Einfluß auf die Functionen des Körpers und auf die Erklärung der Krankheiten an: allein sie erhalten ihre Wirksamkeit doch vorzüglich von den astris. Es ist bekannt, daß durch Paracelsus die alte Lehre des Empedokles von den vier Elementen den kräftigsten Stoß bekam. Die Herrschaft der Alchymie führte auch chemische Principien ein, und schon Isaak Hollandus und Basilius Valentinus hatten behauptet, daß Salz, Schwefel und Quecksilber die

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96) Von Gebährung des Menschen, S. 121.
97) Paragraph. 2. p. 452. -- Labyrinth. medic. p. 280. – Smet. miscellan. lib. 12. p. 665.
98) Labyrinth. medicor. p. 281.
99) Von Gebährung des Menschen, S. 124.
100) Gesch. der Arzneyk. Th. 1. S. 336.
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wahren Elemente der Dinge seyn 1). Aber Paracelsus suchte diese drey Elemente mit seinen kabbalistischen Ideen zu vereinigen, und ihre Anwendung auf die medicinische Theorie einleuchtend zu machen. Er dachte sich ein astralisches Salz, welches nur den geläuterten und von aller groben Sinnlichkeit zur reinen Eudämonie erhobenen Sinnen des Theosophen bemerkbar sey, als den Grund der Consistenz und des Rückstandes nach dem Verbrennen der Körper. Auf gleiche Weise bildete er sich einen syderischen Schwefel, der, durch astralische Einflüsse belebt, den Grund des Wachsthums der Körper und des Verbrennens selbst ausmache. So ist ein syderisches Quecksilber der Grund der Flüssigkeit und des Verrauchens. Die Zusammenkunft dieser drey Substanzen macht den Körper aus 2). Man wird auch hier wieder die Folgewidrigkeit des Theosophen nicht verkennen, der diese syderischen, immateriellen Principien als das Wesen der Körper ansieht. Allein haben nicht neuere Philosophen auf gleiche Weise die Monaden zu den Uranfängen der Körper gemacht? … Man wird aber auch zugeben, daß hier nur mit andern Worten und chemischen Ausdrücken die alte Elementar-Theorie wiederholt wurde … Paracelsus läßt an verschiedenen Stellen die Elemente selbst aus diesen drey Principien constituirt werden. In Pflanzen nennt er das Salz Balsam, den Schwefel Harz, und das Quecksilber Gotaronium 3). An andern Orten eifert er sehr gegen die Behauptung der Galenisten, daß das

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1) Sennert c. 11. p. 224.
2) Paramir. 2. p. 26. 39. – Grosse Wundarzn. B. 2. S. 81.
3) Labyrinth. med. p. 269.
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Feuer heiß und trocken, das Wasser kalt und feucht, die Erde kalt und trocken, die Luft heiß und feucht sey. Jedes dieser Elemente, sagt er, kann alle Qualitäten annehmen, es giebt also trockenes Wasser, kaltes Feuer u. s. w. 4).

 Eine wichtige physiologische Lehre betrifft ferner den Archeus, einen Dämon, der im Magen das Geschäft des Alchymisten verrichtet, und das Gift von dem Nahrungsstoff in den Speisen scheidet, und ihnen die Tinctur giebt, wodurch sie fähig zur Assimilation werden. Den schärfsten Alchymisten dieser Art hat das Schwein erhalten, der aus bloßen Excrementen Nahrungsstoff hervor bringt 5). Dieser Meister im Magen, der Brodt in Blut verwandelt, ist das Vorbild des Arztes, der ebenfalls sich mit dieser geistigen Substanz verstehen und sie unterstützen muß. Die Säfte zu verändern, kann nie die Absicht des wahren Arztes seyn, sondern alle Wirkung der Mittel concentrirt sich auf den Magen und auf den Meister in demselben 6). Dieser Archeus, den man auch mit dem Namen Natur belegen kann, nimmt alle Veränderungen eigenmächtig vor, und kurirt auch die Krankheit allein. Er hat Kopf und Hände, und ist nichts anders als der spiritus vitae, der astralische Leib des Menschen, und außer ihm giebt es keinen spiritus im Körper 7). Jedes Glied hat auch seinen eigenen Magen, wodurch es die Abscheidung bewirkt 8). Ueber die Ernährung des Kin-

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4) Paramir. 2. p. 47.
5) Ib. 1. p. 11.
6) Ib. 2. p. 36. 4. p. 77.
7) De virib. membr. lib. 2. p. 318.
8) De modo pharmac. p. 771. 772.
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des im Mutterleibe hatte Paracelsus eine besondere Idee, welche beweiset, daß er in vieler Rücklicht consequent war. Weil er nämlich dem Blut der monatlichen Reinigung eine giftige Eigenschaft beylegte; so konnte er dasselbe auch nicht als den Nahrungsstoff des Embryons angeben, sondern er ließ ihn durch die Milch, welche aus den Brüsten durch unbekannte Wege hinab fließe, ernährt werden 9).

220.


Was seine Theorie der Krankheiten betrifft, so erklärt er sich gleich zu Anfange seines Paramiri zu deutlich über die allgemeinen Ursachen der Krankheiten, als daß seine wahre Meinung einigem Zweifel unterworfen seyn sollte. Man muß, sagt er, ja nicht alles aus den Elementen und der Beschaffenheit der Säfte herleiten, denn es giebt fünferley Ursachen der Krankheiten. Zuvörderst das ens astrorum. Die Gestirne bringen nicht unmittelbar die Krankheiten hervor, aber sie beflecken und inficiren die Luft, und dies ist eigentlich das ens astrorum. Etliche Gestirne sulfuriren, etliche arseniciren, etliche salzen, etliche mercuriren das M. (Mare magnum: die Atmosphäre.) Die Realgarischen entia astralia schaden allein dem Geblüt, die mercurialia allein dem Haupt, die salia dem Gebein und Geäder, Operment macht Geschwülste und Wassersuchten, und die bittern astra machen Fieber 10). Die zweyte Art der allgemeinen Krankheits-Ursachen ist das ens veneni, welches aus den Nahrungsmitteln kommt. Wenn der Archeus siech ist, so erzeugt sich

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9) Paramir. 4. p. 74.
10) Ib. 1. p. 8.
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Fäulniß, entweder localiter oder emunctorialiter. Das letztere, wenn die Dinge zurück gehalten werden, die durch die Nase, die Gedärme und Harnblase ausgeführt werden sollten. Was durch die Schweißlöcher fortgeht, das ist ein resolvirter Mercurius; was durch die Nase, das ist weißer Schwefel; was durch die Ohren, Arsenik; was durch die Augen, das ist Schwefel in Wasser zergangen: durch den Harn geht resolvirtes Salz, und durch den After gefällter Schwefel fort 11). Die dritte Art der Krankheits-Ursachen heißt das ens naturale: allein die Principien, welche die Schulen gewöhnlich zu den natürlichen Ursachen zu rechnen pflegen, unterwirft Paracelsus noch dem Einfluß des entis astralis 12). Ens spirituale ist die vierte allgemeine Krankheits-Ursache, so wie die fünfte oder christliche, das ens deale ist. Unter dieser letztern Klasse kommen alle die unmittelbaren Wirkungen der göttlichen Prädestination vor 13).

 Eben jene Grille von der Harmonie und wechselseitigen Beziehung aller Dinge im Universum auf einander führte den Paracelsus zu ganz sonderbaren Methoden, die Ursachen zu erforschen. Er schloß nämlich aus den beobachteten Eigenschaften der Päonie auf das Wesen und die Ursachen der Epilepsie 14): und diese Schlüsse finden wir sehr häufig bey seinen Nachfolgern. Auch die Vergleichung der Krankheiten mit den Erscheinungen der Natur, die eine scheinbare Unvollkommenheit anzeigen, fließt aus dieser Quelle. So ist die Epilepsie das Erdbeben des Mikrokosmus, wel-

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11) Paramir, p. 11. 12.
12) Ib. p. 14. 26.
13) Ib. p. 18. 21.
14) Paragran. 1. p. 209.
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ches von dem Aufwallen des spiritus vitae herrührt 15). Fyens Theorie der Blähungen trägt Paracelsus am umständlichsten und mit beständigen Anspielungen vor 16). Der Schlagfluß ist ähnlich dem himmlischen Strahl, dem Blitze 17). Der Wahnsinn verstärkt sich besonders im Voll- und Neumonde, weil das Gehirn der mikrokosmische Mond ist 18). Auch die Gelbsucht entsteht durch astralische Impressionen und durch Einbildungskraft des syderischen Leibes: denn von der Galle kann diese Krankheit nicht herrühren, da dieselbe sich nicht weiter als auf den Magen und die Gedärme erstreckt 19). Ueberhaupt muß man die Physiognomie der Krankheiten studiren, und sie als Menschen betrachten, wenn man sie gründlich heilen will 20). Die Zeichen der Krankheiten, ihre Erkenntniß und Theorie können durchaus nicht auf der Beobachtung der Symptome beruhen, sondern man muß in allen diesen Dingen die himmlischen Werkmeister, die Planeten, um Rath fragen 21). Auch dringt Paracelsus sehr darauf, daß man zwischen Krankheiten des männlichen und weiblichen Geschlechts einen wesentlichen Unterschied machen müsse, da die Bährmutter, als Microcosmus Microcosmi, in allen Weiber-Krankheiten die Hauptrolle spiele. Darum sey auch die Hypochondrie von der hysterischen Krankheit wesentlich unterschieden 22).

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15) De morb. ament. lib. 1. p. 487. -- De caduc. p. 596.
16) De colica, p. 524.
17) Ib. p. 527
18) De morb. ament. p. 495.
19) Von den Farbsuchten, S. 522.
20) Von podagrischen Krankheiten, S. 585
21) De caduc. matric. p. 619.
22) Paramir. 4. p. 78.
[p. 472]


221.


Darin weicht die Paracelsische Theorie der Krankheiten von der Galenischen ab, daß in jener die chemischen Principien zur Erklärung einzeler kranker Zustände benutzt, und daß aus dem Aufbrausen der Salze, aus dem Abbrennen des Schwefels und aus der Coagulation des Quecksilbers, wo nicht alle, doch sehr viele Zufälle erklärt werden. Wenn Paracelsus nicht durch die Erscheinungen der Krankheiten, welchen Bergleute und Hütten-Arbeiter unterworfen sind, darauf geführt wurde; so dienten doch diese Krankheiten sehr zur Bestätigung seiner Theorie. Das Chaos der Luft nimmt von den Minern Theile an. Kennt man diese; so kann man auch die davon entstehenden Krankheiten heilen 23). Recht gut schildert er die Zufälle, welche durch arsenikalische Dünste, und die, welche durch Quecksilber-Dämpfe hervor gebracht werden. Die letztern äußern sich, wie die Kälte, durch Verdichtung der Säfte u. s. w., und Paracelsus vergleicht sie daher mit dem Winter 24). Merkwürdig ist bey dieser Gelegenheit die Erwähnung der vitriol- und salzsauren Luftarten 25); so wie er an einem andern Orte der Zuckersäure, die aus dem Honig elevirt wird, als einer sehr corrosiven Säure erwähnt 26).

 Darin ging er aber freylich zu weit, daß er diese Beobachtungen durchgehends auf die Pathologie anwenden wollte: er führte dadurch die Lehre von den

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23) Von den Bergkrankh. B. 1. S. 645.
24) Eb. B. 1. S. 648. B. 5. S. 665.
25) Eb. B. 2. S. 657.
26) Archidox. lib. 5. p. 805.
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chemischen Schärfen ein, die bis in die neuesten Zeiten der Vervollkommnung der Arzneywissenschaft vielen Abbruch gethan hat. Seiner Meinung nach liegen in den drey chemischen entibus, Salz, Schwefel und Quecksilber, die Uranfänge aller Krankheiten, und jene Substanzen wirken ohne alles Zuthun der Complexionen 27). Durch die Hitze wird das Quecksilber sublimirt, destillirt oder präcipitirt: die Sublimation verursacht den Wahnsinn, die Präcipitation die Gicht, und die Destillation desselben erregt den jähen Tod 28), ferner Lähmungen und Melancholie 29). Sticht das Salz hervor, so entstehen die Krankheiten, welche die Schulen aus Schlaffheit herleiten, als Durchfälle, Wassersuchten u. s. w. 30). Auch hilft das Salz mit zur Erzeugung des Tartarus; vorzüglich, wenn es in luftförmiger Geltalt sich entbindet 31), wie sogleich weiter gelehrt werden soll. Es wird noch gezeigt werden, welche wichtige Rolle das Salz in den Geschwüren, nach der Paracelsischen Theorie, spielt. Durch übermäßiges Essen, wodurch die Theile zu geil werden, und zu viele Feuchtigkeit annehmen, wird das Salz abgeschieden, auch trägt der Luxus und der astralische Einfluß sehr vieles dazu bey 32). Der Schwefel verursacht die meisten Fieber 33). Er wirkt mehr auf die innern Organe, das Salz und das Quecksilber aber mehr auf die

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27) Paramir. 2. p. 26. 30.
28) Ib. p. 4.4. 45.
29) Fragm. medic. p. 134.
30) Von den drey ersten Essenzen, S. 324.
31) Fragm. med. p. 134.
32) Paramir. 2. p. 45.
33) Fragm. med. p. 154.
[p. 474]


äußern Theile 34). Auf ähnliche Art muß man auch aus dem Einfluß der astralischen Metalle manche Krankheiten herleiten. Man kann dergestalt den Aussatz morbum auri nennen 35). So erklärt er den Paroxysmus der hysterischen Krankheit auf folgende seltsame. Art: „Der Fabricator im mechanischen astro nimmt den mercurius matricis und ihren Schwefel und Quecksilber, transmutirt sie in ihr liquidum, fügts zusammen in einer Permixtion, und zündet an das Feuer Leonis, mit der Hülfe Solis, auch Martis, und theilets und mischets in einander.” 36)

222.


Einen wichtigen Abschnitt in der Pathologie des Paracelsus macht die Lehre von dem Tartarus aus, und sie ist unstreitig eine der gemeinnützigsten und brauchbarsten Neuerungen, welche Paracelsus gemacht hat, wenn gleich nicht geläugnet werden kann, daß er sie sehr verwirrt und folgewidrig vorträgt. Der Tartarus ist der Grundstoff aller derer Krankheiten, welche aus Verdickung der Säfte, oder aus Rigidität der festen Theile, oder aus Ansammlung erdiger Materie entstehen. Den Namen Stein findet er für diese Materie unschicklich, weil er nur eine Art jenes Grundstoffs anzeigt: sehr oft erzeugt er sich aus Schleim, und mucilago bleibt und ist der tartarus 37). Er nennt diesen Grundstoff tartarus, weil er wie das höllische Feuer brennt, und sehr schwere Zufälle erregt. Man kann

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34) Von den drey ersten Essenzen, S. 324.
35) Ebend.
36) De caduc. matric, p. 620.
37) Von den tartarischen Krankh. S. 284.
[p. 475]


auch hier das Daseyn eines chemischen Processes nicht läugnen. So wie nämlich aus dem Most sich der Weinstein ansetzt, so setzt sich im Körper der Tartarus an die Zähne. In den innern Theilen legt er sich alsdann an, wann der Archeus zu stark und unregelmäßig wirkt, und zu kräftig den Nahrungsstoff abscheidet. Alsdann tritt der Salzgeist hinzu, und coagulirt den erdigen Stoff, der immer vorhanden, aber oft nur in prima materia da ist, ohne coagulirt zu seyn. Auf diese Art kann auch der Tartarus in prima materia von den Aeltern auf die Kinder übergehn: aber er wird nicht übergehn und erblich seyn, wenn er schon völlig zur Gicht, zum Nierenstein oder zu Infarctus ausgebildet ist 38). Der Salzgeist, welcher ihn ausbildet und zur Coagulation bringt, ist selten rein und unvermischt: gewöhnlich ist er mit Alaun, Vitriol oder Kochsalz vermischt, und durch diese Beymischung werden auch die tartarischen Krankheiten geändert 39). Auch kann man den Tartarus noch unterscheiden, nachdem er aus dem Blute selbst, oder aus fremden Materien entsteht, die sich in den Säften angehäuft haben. Die Menge der Steine, die man in allen Theilen des Körpers gefunden hat, und die Infarctus bestätigen die Allgemeinheit dieser Krankheits-Ursache: die meisten Leber-Krankheiten rühren aus derselben her 40). Die Zufälle, welche der Tartarus erregt, und die bey der Art desselben, welche den Nierenstein ausmacht, paroxysmi calculosi genannt werden, entstehen, wenn sich die Influenz ändert, oder wenn durch gewisse Nahrungsmittel die tartarische Materie vermehrt wird 41). Er ist dann die

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38) Von den tartar. Krankh. S. 302.
39) Eb. S. 302.
40) Eb. S. 299.
41) Eb. S. 305.
[p. 476]


Ursache sehr heftiger Schmerzen, „ist ein Vomitiv in seiner Operation, dazu hat er virtutem deoppilantem und aperitivam.” Auch kann er selbst den Tod hervor bringen, wann der Salzgeist zu corrosiv wird und der dadurch coagulirte Tartarus zu stark reizt 42). Der Tartarus ist also allemal ein Excrement, welches oft durch zu heftige Digestion erzeugt wird, und so kann in jedem Theil des Körpers, wegen der zu siarken oder zu schwachen, unregelmäßigen Wirkung des Archeus, sich der Tartarus erzeugen, und erregt alsdann besondere Zufälle, die sich auf die einzelen Functionen beziehen. Paracelsus führt viele Krankheiten einzeler Organe an, die sich allein aus dieser Ursache erklären lassen, und versichert, daß es der Profession der Aerzte viel nützer gewesen wäre, wann sie die Brillen aufgesteckt und diesen Tartarum besehen hätten, ehe und bevor sie die einzelen Krankheiten zu erklären unternahmen 43). Indessen irrt sich Paracelsus, wann er glaubt, daß die Alten nicht, unter andern Namen wenigstens, seinen Tartarus gekannt haben. Es ist doch nichts anders als die schwarze Galle des Galen, und neuere Aerzte haben diesen Zustand Infarctus oder Conjunctio genannt.

 Paracelsus giebt auch Anleitung, wie man aus dem Harn das Daseyn dieses Tartarus erkennen soll. Nicht das bloße Ausehen des Harns reicht dazu hin, sondern die chemische Zerlegung desselben ist ein unentbehrliches Erforderniß zu dieser Untersuchung 44). Er eifert überhaupt sehr gegen das Seichsehen, wie er

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42) Von den tartar. Krankh. S. 306.
43) Paramir. 3. p. 56. s.
44) Von tartar. Krankh. S. 304.
[p. 477]


die Uroscopie in seiner Volkssprache nennt. „Da besehet ihr den blauen Himmel und lüget und trüget, „daß ihr selbst müsset Zeugniß geben, daß der meiste Theil nichts ist, denn Rätherey und Gedünken und Wähnen und keine Kunst.” 45) Er theilt den Harn ein in den innern und äußern: der innere kommt aus dem Blute:, der äußere aber zeigt die Beschaffenheit der genossenen Speisen und Getränke an. Auch belegt er den Bodensatz des Harns mit einem neuen Namen Alcola, und theilt denselben ein in hypostasis, divulsio und sedimen: die erste Art bezieht sich auf den Magen, die zweyte auf die Leber, die dritte auf die Nieren. In allen dreyen ist der Tartarus hervor stechend 46) ... Endlich ist die Beobachtung merkwürdig, daß die Einwohner des Veltliner Thals frey von allen tartarischen Krankheiten seyn 47).

223.


Die Kabbalah leitete den Paracelsus auch in der Kurmethode und in der Theorie der Arzneymittel. Da alle irdische Körper ihr Urbild jenseits der Sterne haben, und da durch Einfluß der Gestirne auch die Krankheiten hervor gebracht werden; so kommt es nur auf die Harmonie dieser Gestirne nach der Kabbalah an, wenn man die Krankheiten durch gewisse Mittel kuriren will. Das Gold ist aus diesem Grunde in allen Krankheiten specifisch, wo das Herz ursprünglich leidet, weil es in der Scale (S. 27) mit dem Her-

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45) Paragran. 2. p. 220.
46) Vom Urtheil des Harns, S. 747. 750.
47) Von tartar. Krankh. S. 508.
[p. 478]


zen harmonirt. Der Liquor lunae und crystallus sind gegen die Krankheiten des Gehirns gut; der liquor Alkahest und Cheiri gegen die Krankheiten der Leber 48). Mit der Vorstellung vom Pantheismus hängt auch zusammen, daß Paracelsus das Gold ein Männlein, das Silber aber Weiblein nennt 49).

 Auch bey den vegetabilischen Mitteln muß man auf ihre Harmonie mit den Constellationen und auf ihre magische Harmonie mit den Theilen des Körpers und mit den Krankheiten Rücklicht nehmen. Denn jeder Stern zieht sein verwandtes Kraut auf magnetische Art an sich und theilt ihm seine Wirksamkeit mit: ein jedes Kraut ist deswegen ein irdischer Stern 50). Darum muß jeglicher Arzt sein Herbarium spirituale sydereum haben 51). Man muß die Anatomie und Chiromantie der Kräuter studiren, wenn man ihre Wirkung erfahren will: denn die Blätter sind die Hände der Pflanzen, und deren Linien geben uns Aufschluß über die Eigenschaften und Kräfte der letztern. So lehrt die Anatomie des Chelidonii, daß es gegen die Gelbsucht ein dienliches Mittel ist 52). Dies waren die berühmten Signaturen, wo man aus der Aehnlichkeit der Form der Pflanzen und Arzneymittel auf ihre Kräfte Schloß. Der Grund dieses Wahns lag wiederum in der Meinung von den syderischen Impressionen, wodurch den Pflanzen die Flecken und Zeichen eingedrückt seyn, welche auf die Kräfte derselben führen können. Wie man die Frau

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48) De virib. membr. lib. 2. p. 319. 320.
49) De mineral. p. 136.
50) De pestilit. lib. 1. p. 339.
51) Labyrinth. med. p. 278. -- De pestilit. 1. p. 339.
52) Von podagrischen Krankheiten, S. 587.
[p. 479]


aus ihrer Form erkennt, sagt Paracelsus, so auch die Arzneymittel. Wer dies läugnet, der macht Gott zum Lügner, dessen Weisheit durch diese äußerlichen Kennzeichen den schwachen menschlichen Verstand zur Erkenntniß führen will. Mehrere Orchiden haben hodenförmige Zwiebeln: das ist ein offenbarer Beweis davon, daß diese Pflanzen auf die Zeugungsglieder wirken. Die Euphrasia hat einen schwarzen Fleck in der Blumenkrone, welches ein Beweis davon ist, daß diese Pflanze gegen Augen-Beschwerden ein treffliches Mittel abgiebt. Die Eidechse hat die Farbe der bösartigen Geschwüre oder Karfunkeln, welches ebenfalls ihre Wirksamkeit bestimmt 53).

 So wie diese Signaturen dem Aberglauben sehr willkommen waren, weil sie alles Nachdenken über die Kräfte der Arzneymittel unnöthig machten; so sehr consequent verfuhr Paracelsus, wenn er sie hauptsächlich aus der Influenz der Gestirne herleitete, und wenn er die Beobachtung der günstigen Constellation als unentbehrlich bey dem Gebrauch eines Arzneymittels angab. „Die Arzney ist in dem Willen der Gestirne, und wird von ihnen geleitet und geführt. Du mußt einen günstigen Himmel haben, wenn du Arzneymittel verordnen willst.” 54) So giebt er die Eichen-Mistel gegen die Epilepsie im Ascendenten, und hält dafür, daß die Vernachlässigung dieser Regel die Ursache sey, warum die Mistel so oft nicht hilft 55).

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53) Von den tartar. Krankh. S. 312. — De pestilit. lib. 1. p. 331.
54) Paragran, 2. p. 219.
55) De caduc.. p. 602.
[p. 480]


224.


Wenn man die natürlichen Kräfte der Arzneymittel gar nicht untersucht; so muß man ihre Wirkung für specifisch, und sie selbst für arcana halten. Dies war ein Hauptpunkt in Paracelsus Theorie der Arzneymittel. Daher sagt er gradezu: Alle Kräfte der Pflanzen sind arcana, und wirken in keinem Fall auf die Complexion 56). Damit ließ sich seine Empfehlung der Lebens-Elixire und der Mittel zur Verlängerung des Lebens am besten entschuldigen. Er glaubt, daß solche Mittel, die die prima materies enthalten, dazu taugen, diese auch im menschlichen Körper immer wieder zu ersetzen, wenn sie verloren gegangen war 57). Er will vier solche Arcana kennen, denen er mystische Namen giebt, z. B. mercurius vitae, lapis philosophorum u. s. f. … Mit dieser Vorliebe für Arcana ist die Empirie nahe verwandt, und aus diesem Grunde hat Brucäus ganz Recht, wenn er den Paracelsus einen grohen Empiriker nennt 58). Denn es blieb, wenn die alte hergebrachte Schul-Meinung ganz verworfen wurde, nichts anders übrig, als die Harmonie der fremdartigsten Dinge, vermittelst der kabbalistischen Scale, wobey alles auf den willkührlichsten Voraussetzungen und auf den abgeschmacktesten Combinationen beruht. Levinus Battus führte mit dem Smetius einen interessanten Briefwechsel über ein solches Arcanum des Paracelsus, welches derselbe gegen alle Wirkungen der Zauberer, als unfehlbar, empfohlen hatte. Dies war

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56) Paramir. 2. p. 51.
57) Archidox. lib. 5. p. 804.
58) Smet. miscellan. lib. 5. 1. p. 241.
[p. 481]


Flöhkraut (Polygonum Persicaria) gegen den Strom gewaschen, mit andern Kräutern vermischt, an den leidenden Ort angehängt, und nachher in die Erde gegraben. Battus versichert, daß dieses Kraut, als ein Magnet, die bösartigen Geister an sich ziehe, und daß man es deswegen vergraben müsse, damit der angezogene Geist nicht verfliege 59). Einige von diesen so genannten arcanis, die Paracelsus in gewissen Krankheiten am meisten anpries, lassen sich ganz wohl auch auf natürliche Art erklären: und ein großer Kenner versichert, daß einige derselben allerdings der Empfehlung werth seyn 60). Indessen kann man Crato darin trauen, wenn er die erste Erfindung dieser Arcane dem Paracelsus abspricht, und behauptet, daß sie schon lange vor ihm unter den Alchymisten und Schwarzkünstlern beliebt gewesen, und daß durch den unvorsichtigen Gebrauch derselben sehr viele schädliche Folgen entstanden seyn 61). Den so genannten sublimirten Schwefel empfiehlt er in allen entzündlichen Krankheiten, und wir wissen, daß die Schwefelblumen und die Schwefelmilch gewiß zweckmäßige Abführungsmittel im fieberhaften Zustande sind. Tausendgüldenkraut und Cardubenedicten rühmt er in Wechselfiebern, und Eisensafran in der Ruhr 62). Was aber die Vitriolsäure für specifische Kräfte gegen die Epilepsie haben soll, wie Paracelsus besonders rühmt 63), das wird man so

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59) Smet. misc. lib. 12. p. 650.
60) Conring, introduct. c. 3. §. 57. p. 111.
61) Craton. epistol. lib. 1. p. 190. 5. p. 303.
62) Smet. lib. 12. p. 650.
63) Paracels. de morb. ament. lib. 2. p. 499. -- Grosse Wundarzn. B. 1. S. 7. -- Smet. lib. 12, p. 716.
[p. 482]


leicht nicht begreifen. Wenn endlich Erastus behauptet 64), daß alle arcana des Paracelsus aus verkalchtem und sublimirtem Quecksilber bestanden, und daß, wie auch Monavius versichert 65), alle die Kranken, welche sich dieser Arcanen bedient haben, in Jahresfrist gestorben seyn; so kann man nur Privat-Leidenschaften als den Grund dieser Behauptungen beschuldigen.

225.


Es war in aller Rücksicht ein unläugbarer Vorzug der Paracelsischen Lehre, daß die Chemie zur Bereitung der Arzneymittel als nothwendig erfordert wurde. Die unkräftigen und ekelhaften Abkochungen und Syrupe mußten den Tincturen, Essenzen und wirksamen Extracten weichen, und damit war unstreitig sehr viel gewonnen. Paracelsus giebt ausdrücklich als den wahren Zweck der Alchymie die Bereitung der Arcane, und nicht daş Goldmachen, an, und schimpft bey jeder Gelegenheit auf die Sudelköche und Apotheker, die die besten Arcana in ihren Suppen ersäufen, wodurch die Wirksamkeit derselben verloren gehe 66). Merkwürdig ist eine Stelle, wo er besonders die häufige Mischung der simplicium tadelt, weil, wenn alle Krankheiten aus der fehlerhaften Temperatur entstehen, nur ein einziges Mittel, welches die entgegen gesetzte Temperatur hat, hinreichend seyn würde. „Nun schauet, wenn man eure Herbarios lieset, so schreibet ihr selbst einem Kraute allein über die 50, auch 100 Tugenden

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64) Erast. disputat. de medicin. nov. Paracels. P. 4. p. 301.
65) Craton. epistol. lib. 5. p. 309. -- Erast, P. 3. p. 221. P. 4. p. 253.
66) Paragran. 3. p. 220. 223. -- Labyrinth. medicor. p. 272.t
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zu. Aber im Receptmachen hat ein Recept oft 40 bis 50 simplicia in sich, wider eine Krankheit. Ist auch nicht wohl zu widerreden, eure Discipuli werden ohne Zweifel zu 300 oder 1000 simplicia in ein Recept nehmen. Denn es hat das Ueberhäufen so sehr Ueberhand genommen bey meiner Zeit, da zuvor 6 simplicia, oder aufs höchste 7 genug waren, das er sie zum Herzen, das andere zur Leber u. s. w., das waren gute Recepte. Aber hernach, da sie gelernet haben, daß 3 mal 3 neun macht; da dachten sie, 6 mal 6 macht 36. Da gefiel ihnen das Multipliciren so wohl, daß man schier nicht wissen kann, ob sie vom Summiren, Addiren oder vom Multipliciren am mehresten halten. Nun wäre ihnen die Sünde noch zu vergeben gewesen, wann sie doch auch auf das Subtrahiren und Dividiren wären kommen. Also wäre der Ueberfluß als ein gar schädlich Feuer gelöscht worden. Nun, wäre das Summiren, Addiren, und hernach das hochgelobte Multipliciren auf die humores gewendet worden im Leib des Menschen; so sollte die ganze Welt einen Schatzkalten haben aufgerichtet, daß sie hätten eine Kirche gebaut und Mönche darein gesetzt und verordnet, welche der Multiplication im Receptschreiben das Requiem gelungen hätten und der Multiplication in den humoribus das Te Deum laudamus; so wollte ich auch ein Mönch seyn darinnen worden, und meine Sünde also im Multipliciren der humorum gebüßet haben. Und das wäre mein Wunsch von Gott, daß es noch heute geschehe." 67). Paracelsus sucht, statt aller dieser

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67) De pestilit. lib. 1. p. 341.
[p. 484]


simplicium, aus jedem Dinge die quinta essentia, oder den Aether des Aristoteles, als das Princip der Wirksamkeit, zu erhalten, und beschreibt umständlich die Art der Extraction 68). Aber es war freylich nicht an eine gehörige Auswahl der zu diesem Behufe anzuwendenden Mittel zu gedenken: Hasenherzen, Hasenknochen, Knochen aus dem Herzen des Hirsches, Perlenmutter, Korallen und dergleichen Mittel mußten ihre Quintessenz hergeben, um damit die schwersten Krankheiten zu heilen.

 Interessant ist auch sein Tadel der so genannten Correctionen der Arzneymittel vermittelst verkehrter Dinge. Er sahe schon die Vergeblichkeit der Bemühung ein, das Scammoneum durch Schwefel zu corrigiren, und verwarf dieses Diagrydium eben so sehr als das Diaturbith. „Durch die Chemie und durch das Feuer muß die Correction gehen, sonst ist es gar keine Correction.” 69) Den Tartarus im Körper sucht er durch Sauerbrunnen und Vitriolsäure zu corrigiren, und empfiehlt in dieser Ablicht besonders das Pfeffersbad und die Sauerbrunnen in den Rheinländern 70). Uebrigens hat er von der Diät, besonders in hitzigen Krankheiten, fast gar keine Idee. In den meisten Fiebern läßt er zur Ader, warnt vor Purganzen, giebt weiße Korallen, Gold und Weingeist, und tadelt die blutreinigenden Mittel 71).

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68) Archidox. lib. 4. p. 796.
69) Paragran. 3. p. 224.
70) Von tartar. Krankh. S. 309.
71) Paragraph. 9. p. 470. – Unterricht vom Aderlassen, S. 728.
[p. 485]


Ein anderes Vorurtheil, welches Paracelsus zu bekämpfen sucht, betrifft die Unheilbarkeit gewisser Krankheiten, vorzüglich des Aussatzes, der Gicht, der Epilepsie und der Wassersucht. Die oft unerwarteten glücklichen Folgen des Gebrauchs mineralischer Mittel mußten ihm so großes Zutrauen zu ihrer allgemeinen Wirksamkeit einflößen, daß er nun fast keine Krankheit mehr für unbezwinglich hielt. „Willst du, sagt er, deinen Nächsten lieben; so mußt du nicht sagen, Dir ist nicht zu helfen, sondern du mußt sagen, ich kann es nicht und versteh es nicht.” 72) Ungeachtet man, nach seinen und seiner Anhänger Prahlereyen, schließen sollte, daß ihm die Kur der genannten Krankheiten wenigstens mehrentheils geglückt sey; so kommen doch in seinen Schriften sehr viele Stellen vor, wo er bald diesem bald jenem Mittel den Vorzug in den genannten Krankheiten giebt, wo er einzele Krankheiten für wirklich unheilbar erklärt, und offenherzig gesteht, sie nicht heilen zu können. Ueber dies alles muß man Smetius nachlesen 73). Auch Bruno Seidel schrieb ein eigenes Buch gegen die Anmaßungen der Paracelsisten, worin er zu beweisen suchte, was noch Niemand geläugnet hatte, daß es unheilbare Krankheiten gebe 74).

 Als Verdienst kann man es ihm anrechnen, daß er zuerst das Zinn als ein Mittel gegen die Würmer, aber auch gegen die Wassersucht und Gelbsucht einführte, obgleich seine Bereitungsart desselben fehler-

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72) Andre Defension, S. 254.
73) L. c. lib. 12. p. 655. 685.
74) Bruno Seidel de morb. incurabilib. p. 133. (8. Frcf. 1593.)
[p. 486]


haft ist. Er läßt es nämlich mit Kochsalz und Asphalt zusammen pulvern und brennen, und vermischt es mit Drachenblut und Coloquinten 75).

226.


Endlich noch mit wenigen die Neuerungen, welche Paracelsus in der Chirurgie gemacht hat. Wir haben ihn schon, besonders was seine praktischen Grundsätzc betrifft, von mehr als einer vortheilhaften Seite kennen gelernt. Aber in der Geschichte der Wundarzneykunst hat Paracelsus die größte Epoche gemacht, und seine Lehrmeinungen über einzele Gegenstände dieses Faches sind gewiß merkwürdig genug, um hier ganz besonders einen Platz zu erhalten.

 Ein vortrefflicher Grundsatz war es zuvörderst, daß er die Chirurgie nicht von der Medicin getrennt wissen wollte, und die Halb-Aerzte nannte, welche sich Leibärzte aber nicht Wund-, und Wund- aber nicht Leibärzte nannten. „Lerns beyde, oder laß underwegen.” 76). Er verwarf ferner die Anwendung der schneidenden und brennenden Werkzeuge und selbst der Nähte durchaus, weil seine arcana sich oft eben so wirksam bewiesen, und weil er auch in Wunden und Geschwüren von dem Archeus alles erwartete 77). Die Natur, sagt er, hat eine wachsende und nährende Kraft in ihr, und der Wundarzt soll blos ein Schirmer der Natur vor den äußern Elementen seyn. Die Natur

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75) De praeparat. lib. 1, p. 876.
76) De ligno gallico , p. 525.
77) M. A. Severin, de efficac. medic. lib. 1. C. 8. 9. p. 26 s. (fol. Frcf. 1646.)
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setzt aus den Säften des Körpers in jeder Wunde und in jedem Geschwür einen Balsam ab, der die Wunden allein heilt. Diesen Balsam, dessen Vehikel der Eiter und andere symphatische Feuchtigkeiten sind, belegte Paracelsus mit einem neuen Namen Mumia. Oft kommt derselbe von äußern Dingen, aus Pflanzen und Bäumen, und heißt alsdann besonders Balsam. Bringt man diesen auf die Wunde, so verwandelt die Natur denselben in die thierische Mumie, und veranlaßt dadurch die Vernarbung 78). Wo in der Erde ein klebriger Saft befindlich ist, wo das Feuer einen Dunst von sich giebt, da sind diese Feuchtigkeiten auch Mumien, und können denselben heilsamen Endzweck haben. Die Alchymie lehrt allein die arcana, in welchen diese Mumie enthalten ist, und bey derselben hat man weder Heftpflaster, noch sonst etwas anders nöthig: die Natur zieht jedesmal die Wundlefzen selbst aufs beste zusammen 79). Mit dieser sehr wahren Idee von dem großen Nutzen der Mumie oder der klebrigen Feuchtigkeit, die die Heilung der Wunden allein hervor bringt, stimmt aber freylich Paracelsus Empfehlung des häufigen Verbandes und seine übertriebene Vorsicht für Reinhaltung der Wunden nicht überein, indem nothwendig durch das häufige Verbinden die wohlthätige Mumie weggewischt werden muß 80).

 Sogar die Beinbrüche getraut er sich ohne Umstände in jedem Falle zu heilen. Die Beinwelle (Sym-

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78) Grosse Wundarzn. B. 1. S. 2. -- De mum. p. 650. - Bertheoney B. 1. S. 338. B. 2. S. 363.
79) Grosse Wundarzn. B. 1. S. 12.
80) Eb. S. 5. 6.
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phytum offic.) ist ihm das Universal-Mittel. Auch die Wacholder-Beeren rühmt er als ein treffliches Wundmittel 81). Merkwürdig ist sein Rath, immer die Hauptkrankheiten zuerst zu heilen, ehe man sich an die Behandlung der Wunden macht 82).

227.


Uebrigens ist seine Pathologie der Geschwüre mit seiner Theorie der innern Krankheiten sehr übereinstimmend. Der Ursprung der offenen Schäden ist eben so mineralisch, als es die Ursachen innerer Krankheiten sind 83). Der Realgar Lunae et Veneris setzt seine Schäden ins Angesicht, und frißt dasselbe hinweg. Also setzt sich Realgar Jovis und Mercurii an die Brust und Schultern, desgleichen Mars in Rücken und Bauch; Realgar Solis setzt sich mitten in die Brust, und Realgar Saturni in die Füße. Unter diesen geben Mars, Saturnus, Luna und Venus die bösesten Geschwüre, die sich am schwersten heben lassen: die Geschwüre aber, welche Sol, Mercurius und Jupiter hervor bringen, sind am leichtesten zu heben 84).

 Seine Rathschläge in Rücklicht des Aderlasses sind charakteristisch. Er tadelt die astrologischen Kalender, aber aus einem ganz andern Grunde, als man vermuthen sollte. Der Schaden der Aderlässe, sagt er, rührt nicht von der widrigen Influenz, sondern von der unrechten Anwendung überhaupt her. In der Schlacht, wo so viele tausend oft zu gleicher Zeit verwundet wer-

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81) Grosse Wundarzn. B. 1. S. 49.
82) Eb. S. 55.
83) Eb. B. 2. S. 68.
84) Eb. B. 2. 6. 89.
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den, findet gewiß nur der Einfluß einer und derselben Constellation statt. Aber das hält er für eine unerlassliche Bedingung, daß man auf das Zeichen Achtung gielt, von dem die Krankheit abhängt, in welcher man das Blut abzapfen will. Nie muß man in dem Zeichen zur Ader lassen, von welchem die Krankheit abhängt. Wie dies aber zu bewerkstelligen ist, darüber giebt er uns keine Auskunft. Uebrigens eifert er sehr gegen die Semiotik des Bluts. Man findet das Blut in der Pest rein und klar, wo doch die größte Lebens-Gefahr oft zugegen ist 85). Vortrefflich sind seine Bemerkungen über den Einfluß der verdorbenen Luft in Hospitälern auf die Krankheiten, die in denselben vorkommen, und eben so brav seine Rathschlüsse zur Reinigung der Luft in denselben 86).

 Auch sind seine Grundsätze über die Kräfte des Magnets nicht mit Stillschweigen zu übergehen. Sie sind so eigenthümlich, neu und wichtig, daß sie allerdings die Aufmerksamkeit verdienen, deren sie Lessing 87) und Hemmann 88) gewürdigt haben. Alle die Krankheiten, die Paracelsus vom Einfluß des Mars herleitete, das heißt, alle Blutflüsse und solche Uebel, die sich vom Mittelpunkt des Körpers zu seiner Peripherie erstrecken, könen durch Anwendung des Magnets am besten bezwungen werden, weil er sie im Mittelpunkt zurück hält. Legt man also den Magneten auf die Quelle des Blutflusses oder auf die Stelle des Körpers,

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85) Unterricht vom Aderlassen, S. 712. 713.
86) Spittal-Buch, 3. S. 320.
87) Lessings Collectaneen, Th. 2. S. 117.
88) Medic. chirurgische Aufsätze, S. 23 f.
[p. 490]


von wo aus sich die Krankheit verbreitet hat; so hört der Blutfluß und die Krankheit auf. Es kommt außerdem auf die Kenntniß des anziehenden und fortstoßenden Pols des Magneten an: den erstern nennt Paracelsus den Bauch, den andern den Rücken des Magneten. In hysterischen Krankheiten legt er den Bauch des Magneten zu unterst, und den Rücken zu oberst, so bleibt die Krankheit im Mittelpunkt 89). In den Epilepsieen, wo sich die Krankheit nach den Kopfe neigt, legt man vier Magnete an die untern Theile, die Bäuche nach oben gekehrt, und auf das Haupt einen, mit dem Rücken nach unten, und so werden sehr viele andere krampfhafte Krankheiten durch Anwendung des Magnets am sichersten gehoben.

 Auch die Talismane, eine sehr alte Erfindung des Aberglaubens und der Betrügerey 90), wurden durch Paracelsus mehr als jemals in Umlauf gebracht. Ihre Theorie beruhte theils auf der Voraussetzung, daß gewisse Steine giftwidrige Eigenschaften haben, theils auf dem Einfluß der Planeten auf die metallischen Mischungen, woraus diese Münzen oder Siegel bestanden. Durch Hülfe dieser Talismane war man vor der Zauberey sicher, konnte vermittelst derselben fast alle Krankheiten heilen, und gewiß auf großes Glück und Ehrenstellen rechnen. Sie enthielten gewöhnlich magische Figuren, die Symbole der Sonne und des Jupiters, oder auch Zahlenbretter, auf welchen allemal eine gewisse mystische Zahl heraus kam, man mochte sie in der Länge, oder in der Breite, oder in der Dia-

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89) Von den Kräften des Magneten, S. 1019. 1020.
90) Gesch. der Arzneyk. Th. 2. S. 207.
[p. 491]


gonale zusammen rechnen. Möhsen hat mehrere der, gleichen Talismane, nach Thurneyssers Erfindung, abbilden lassen und Nachrichten darüber gesammlet 91).

228.


Wenn man die Hauptpunkte des Paracelsischen Systems sorgfältig durchdenkt, so findet man, daß es auf keinen Fass als durchaus neu und unerhört angesehen werden kann. Allen theosophischen Unsinn, der von einzelen Männern vor ihm Stückweise vorgetragen war, vereinigte er nur in einem vorgeblichen System, und wandte ihn auf alle Theile der Medicin an.

 Sein größtes Verdienst, welches ihm nur der Geist des Widerspruchs abläugnen kann, besteht in der Empfehlung der mineralischen Arzneymittel, die statt der alten unkräftigen Syrupe und Abkochungen von ihm gerühmt wurden, und in der Beobachtung mancher einzeler Erscheinungen der Natur und vieler merkwürdiger, vorzüglich chirurgischer, Krankheiten. Uneingenommene Männer erkannten dies auch, und wenn sie gleich, wie Crato 92), aus der Hippokratischen Schule waren. Aber andere wollten lieber ruhig bey dem Alten bleiben, als dem neuen Schwärmer folgen, von dessen Arzneymitteln so viel Nachtheiliges erzählt wurde. Indessen kam die Chemie nach und nach immer mehr in Ansehen, wurde zwar anfangs noch mit der Alchymie verwechselt, hatte aber zu Anfange des folgenden Jahrhunderts schon eine weit würdigere Gestalt angenommen. Trotz der zahllosen und heftigen Wi-

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91) Beyträge zur Gesch. der Wissenschaften, S. 133 f.
92) Epist. lib. 3. p. 236 f.
[p. 492]


dersprüche erhielt sich das Paracelsische System nicht allein in Deutschland und den nordischen Reichen, sondern fand selbst in England und Frankreich Beyfall.

Bibliography

Sprengel, Kurt: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Arzneykunde, 3. umgearb. Aufl., vol. vol. 3, Halle: Gebauer, 1827, pp. 419—430, 430—492..
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