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Latest revision as of 17:13, 5 May 2022
Adam Müller-Guttenbrunn,
Paracelsus in Wien 1928 |
Text
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Paracelsus in Wien.
Der Wiener Stadtrat hat seinerzeit einem neuen Straßenzuge im dritten Bezirke den Namen jenes medizinischen Wundermannes gegeben, der einst ganz Europa mit seinem Ruhme erfüllte und dessen Andenken sich noch heute, nach vierhundert Jahren, in der Phantasie und im Wortschätze des deutschen Volkes behauptet. Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus Bombastus von Hohenheim war sein voller Name. Und dieser Mann war ein Schwabe. Ein ganzes Weltbild tut sich auf vor uns beim Klange seines aufgedonnerten Gelehrtennamens, man sieht die groß- mächtige Perücke, unter der die Gelehrten an der Grenz- scheide des Mittelalters ihre Weisheit verbargen, man hört den Schwulst, den sie redeten, und man vernimmt auch das Scheppern des Raufdegens, den sie, wie ihre Studenten, gern an der Seite trugen. Und Paracelsus zählte zu dieser Gilde. Über seine Genialität hob ihn über seine Standesgenossen weit empor. Sein geschwollener Name gehört noch ganz seiner Zeit, er ist ein Produkt der Mode, er selbst aber strebte über diese hinaus. Er geriet früh in Konflikte mit seinen Standesgenossen an den Universitäten, sein unstetes Naturell warf ihn aus dem normalen Geleise und er verfiel in ein ziemlich bewegtes Wanderleben. Dieses führte ihn im Jahre 1537 auch nach Wien. Und wie stark muß der Eindruck seiner Persönlichkeit hier gewesen sein, da sein bombastischer Name noch heute in Wien geläufig ist. Sonst aber weiß man im Volke wohl wenig von Theophrastus Paracelsus und seinem Verhältnisse zu Wien und Österreich. Der wunderliche Mann wurde jahrhundertelang falsch beurteilt, man warf ihn mit den gelehrten Abenteurern |
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So wurzelt Paracelsus mit seiner Jugend und seinem ersten Bildungsgange in Österreich. Und da er nach einem bunten Wanderleben den Rest seiner Jahre in Salzburg verbrachte und dort im Jahre 1541 starb (in der St. Sebastianskirche findet man noch sein Grabmal), so gehört der Mann mit dem fremdartigen Namen und dem Nimbus eines indischen Zauberers eigentlich zu uns. Im Sommer 1537 tauchte der hochgelahrte Doktor Theophrastus Bombastus Paracelsus in Wien auf und er kam bereits mit dem ganzen Nimbus eines Wundermannes |
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Paracelsus ritt eines Sommertages bei der Taborlinie in Wien ein, denn er kam von Kromau in Mähren, wo er den Erbmarschall von Böhmen in ärztlicher Behandlung hatte. Er kam durch das Rotenturmer Tor und nahm sein Quartier im Federlhof am Lugeck (heute Bäckerstraße Nr. 2). So berichten die Lokalchronisten. Und sie behaupten, Paracelsus habe zwei Audienzen bei Ferdinand I. in der Hofburg gehabt. Sie meinen, er sei wahrscheinlich nur nach Wien gekommen, um vom deutschen König die Mittel zu erhalten für die Drucklegung seiner Werke. Und Ferdinand habe ihm schon nach der ersten Audienz tausend Goldgulden zugesagt. Diese wären ihm aber niemals ausbezahlt worden, denn Ferdinand hätte später erkannt, daß Paracelsus „ein unverschämter Lügner" sei. Was daran wahr, was böswilliges Geschwätz ist, dürfte kaum zu ermitteln sein. Unzweifelhaft ist nur, daß Paracelsus später eines seiner Haupt-werke, das Buch von der „Großen Wundarzney", dem Kaiser gewidmet hat. Und ebenso unzweifelhaft ist es, daß die Wiener Arzte voll Neid und Eifersucht waren gegen den interessanten Fremden und daß sie ihn redlich anschwärzten bei Hofe. Auch der berühmte Wiener Arzt und Geschichtsschreiber Wolfgang Lazius (der Lazzenhof gehörte ihm) ist davon nicht auszunehmen. Paracelsus scheint eine Diskussion mit den Wiener Ärzten gesucht, aber nicht gefunden zu haben. Man suchte ihn zu isolieren und ärgerte sich weidlich, daß das Volk ihm zulief und den Federlhof Tag und Nacht belagerte, um ihn zu sehen. In einem Briefe über seinen Aufenthalt in Wien spricht Paracelsus sich darüber sehr deutlich aus: „Sie (die Ärzte nämlich) haben aber befunden, besser sei, so ich zu St. Stephan bin, sie seien auf den hohen Markt, gang ich an den Lugeck, daß sie gegen St. Laurenzen gehen, welcher Gegenwärtigkeit von ihnen nicht zugelassen, |
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Sein Selbstgefühl wurde nur gesteigert durch dieses Verhalten der gelehrten Kreise und ein Wiener Chronist will sogar die Ansprache kennen, die er an Kaiser Ferdinand in der Wiener Hofburg gehalten hat: „Allergnädigster Herr, der Haufe ist groß, der sich wider mich einlegt, klein aber ist ihr verstand und ihre Kunst, darum sie mir nichts abkämpfen, denn sie haben der proben zu wenige. Ich darf mich freuen, daß mir Schalke feind sind, denn die Wahrheit hat keine Feinde als die Lügner. Ich setzte meinen Grund, den ich habe und aus dem ich schreibe, auf vier Säulen: die Philosophie, die Astronomie, Chemie und die Tugend. Auf diesen vieren will ich fußen und eines jeglichen Gegenteils warten und acht haben, ob außerhalb der vier ein Arzt gegen mich aufstehen wird. Die Medici wollen mich umstoßen; ich aber werde grünen und sie werden dürre Feigenbäume werden. Bis an den letzten Tag der Welt müssen meine Schriften bleiben und wahrhaftig. Ich schreibe nicht der Sprache wegen, sondern wegen der Kunst meiner Erfahrenheit." Die Richtigkeit dieser Ansprache bleibe dahingestellt, aber sie enthält immerhin den Kernsatz jener paradoxen und marktschreierischen Weisheit des Paracelsus, die er auch anderwärts verkündet hat: „Die vier Hauptsäulen der Medizin sind Kabbala und Magie, Chemie, Astrologie und — Tugend." Was er unter Tugend in diesem Zusammenhangs gemeint haben mag, ist wohl manchem ein Rätsel. Er hat in einer eigenen Schrift bewiesen, daß er ein religiöses Gemüt war, daß seine gelehrte Genialität ihm den Glauben nicht zerstört. Einer Kirche zählte er sich aber wohl nicht zu. Er ging weder mit Luther noch mit dem Papst. Was Paracelsus in Wien eigentlich erreichte, ist ziemlich dunkel. Uns interessiert hier auch nur seine dämonisch |
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Diese schöne Wiener Paracelsus-Sage ist oft zerpflückt worden, aber sie war nicht umzubringen, sie lebt noch immer. Weniger bekannt ist heute, daß Paracelsus, wahrscheinlich nach jenem Pfennigwunder, einst halb Wien verrückt gemacht hat mit der Behauptung, daß das Gestein des Kahlenbergs (heute Leopoldsberg) ganz und gar von Gold- und Silber- |
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Solcherart sind die romantischen Beziehungen des Theophrastus Bombastus Paracelsus zu Wien. Und der wunderliche Mann kam in seinem Todesjahr, 1541, ein zweites Mal hieher. Da soll er bei den Serviten gewohnt und viele neue Wunder gewirkt haben an Kranken und Gesunden. Zeder wollte einen seiner Pfennige haben, die sich in Gold verwandeln. Aber gerade dieses Kunststück machte er kein zweites Mal. |