Duller 1836 Theophrastus

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[Eduard Duller],
Theophrastus Paracelsus
1836

Text

[p. 869]


Theophrastus Paracelsus.
(Aus mündlichen Ueberlieferungen.) *)

Als Theophrastus Paracelsus, der berühmte Wundermann, in Salzburg, wo sein Haus noch heut zu Tage steht, auf dem Todtenbette lag, sprach er zu seinem Famulus: „Was meinst du, ob ich diesmal wieder aufstehe? Aber sag´ mir´s aufrichtig, denn du weißt, daß ich in allen Stücken entschlossen bin und keine Furcht kenne. Also werd´ ich auch nicht zittern, wenn es einmal sein muß, denn ich habe von der Welt Reichthümern und Ehren immer dafür gehalten, daß sie nicht ewig bei einem bleiben können, und was die andern irdischen Freuden angeht, so hab´ ich mir nie ´was daraus gemacht; wie du auch wohl wissen wirst, daß ich nie nach Weibergunst und dergleichen gestrebt habe.“

 Der Famulus that sich Gewalt an, um bei diesen Worten ernsthaft zu bleiben, denn er hatte den Schalk im Nacken und wußte wohl, warum sein Herr der Frauen Gunst stets aus dem Wege gegangen war; auch sah er, daß der Wunderdoktor sich selbst nicht mehr kuriren könne, und dachte schon daran, die vielen Tinkturen des Meisters zu erben, durch deren Verkauf er sich Zeitlebens ein schönes Stück Geld werde erwerben können. Deßhalb freute er sich heimlich auf seines Herren Tod, stellte sich aber jetzt vor ihm recht betrübt und gab ihm zur Antwort: „Herr, Ihr seht so gesund und frisch aus, wie irgend einer, und seid dicker als jemals; ich möchte darauf schwören: Ihr werdet noch lange leben, wofür ich Gott und alle Heiligen stündlich anrufe.“

 Theophrastus Paracelsus, der durch seine Frage die Würdigkeit des Dieners prüfen gewollt, erkannte gleich die falsche Gesinnung desselben, that aber nichts dergleichen, sondern befahl ihm, eine Phiole vom Gesimse herab zu holen, worin ein Elixir enthalten sei, durch welches er das Podagra unfehlbar heilte, diese Phiole übergab er dem Famulus, mit dem Auftrage, schnurstracks auf die Brücke zu gehen, dort das Fläschchen über das Geländer hinaus zu halten und zu zerschlagen, damit das Elixir in den Fluß rönne, denn es hätte noch eine andre, geheimnißvolle Eigenschaft, die nicht Jedermann kennen dürfte, weil sonst gar leicht großer Schaden dadurch angerichtet werden könnte. Der Famulus gelobte seinem Herrn, den Auftrag gewissenhaft zu erfüllen und ging hinaus. Als er aber kaum vor der Thüre war, dachte er in seiner Untreue: „Das ist ein rechter Geizhals, der gern möchte, daß seine kostbaren Medikamente, durch die sich viel gewinnen läßt, keinem andern als ihm Geld und Gut bringen sollten, deshalb will der Neidhard sie jetzt lieber vernichtet wissen; denn das glaube ich nicht, daß das Elixir noch eine mir unbekannte schädliche Eigenschaft besitzen mag. Ist er aber nur erst todt, so kann ich die Leute wohl ebenso gut kuriren, als er selbst, wenn ich die Tinktur habe, und gewinne eben so viel Geld daraus.“ So verschloß er denn die Phiole in seiner Kammer und ging dann nach einer kleinen Weile wieder zu dem Meister, um ihn zu belügen, daß der Auftrag richtig vollzogen sei.

 Während der Famulus diesen falschen Streich beging, kam der Nachbar des Theophrastus zu diesem, um ihn zu besuchen, und zu trösten, wofür sich Theophrastus bei ihm höflich bedankte. Der Nachbar aber war ein noch größerer Schelm als der Famulus: und wiewohl ihm Theophrast einmal zu Gevatter gestanden, hatte er (weil er ein Feld-

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*) Anm. Beide Sagen sind ächt, und im Druck bis jetzt noch nie mitgetheilt worden. Die Tradition von der Goldtinktur hörte ich zuerst aus dem Munde des Herrn Kaltenpäk in Wien, später, nebst der anderen Sage, im Familienkreise als Ammenmährchen.
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scheer war und voll Eifersucht gegen seinen weit und breit berühmten Collegen,) — von lange her einen gründlichen Haß auf den gelehrten Mann und konnte es kaum erwarten, bis dieser die Augen zudrücken würde. Er war auch eigentlich nur gekommen, um zu sehen, wie lange der Gevatter Doktor wohl noch machen würde, und um sich beinebens umzusehen, wo die Wundertinkturen stünden, damit er, sobald Theophrastus ein Ende gemacht hätte, gleich unter der Hand sich davon zueignen könnte, was ihm am kostbarsten dünke. Theophrastus aber sah der Falschheit seines Gevatters auf den Grund und war über die Schlechtigkeit desselben nicht wenig erboßt. Doch stellte er sich ganz demüthig und versöhnlich, wegen der Nähe des Todes, und sprach zu ihm: „Gevatter, ich weiß wohl, daß ich bald sterben muß und es thäte mir leid, wenn wir in jener Feindschaft von einander kämen, in welcher wir die letzte Zeit über neben einander gelebt haben.“ Darauf sagte der Feldscheer mit falscher Freundlichkeit und Theilnahme: „Ei, Gevatter, wo denkt Ihr hin? Erstens habt Ihr noch ein gutes Stück zu leben, und für´s Zweite hab´ ich für Euch eine aufrichtige Liebe, und ich bitte Euch, mit etwas zu bestellen, wodurch Ihr Euch davon völlig überzeugen könnt.“ — Theophrast bat nun den falschen Gevatter, dieser möge sein Conterfei herüberschicken und vor dem Bette aufstellen lassen, damit er beim Sterben das Gesicht des Mannes vor Augen haben könne, mit welchem er so lange in Unfrieden gelebt habe und in Frieden sterben möchte; doch möge der Nachbar nicht eher wiederkommen, als bis Theophrastus ihn holen ließe. Das versprach denn der Nachbar, ging nach Hause, schickte sein Conterfei zu dem gelehrten Doktor und überlegte dann mit seinem Weibe in´sgeheim, wie er´s anstellen müsse, um so viel als möglich von dem Nachlaß an sich zu ziehen.

 Indessen war der Famulus wieder zu seinem Herrn gekommen, und sagte diesem, daß er alles treulich gethan habe, was ihm befohlen worden sei.

 „Ich danke Dir,“ erwiederte Theophrastus mit Sanftmuth, — „doch sage mir, was sah´st du, nachdem du das Gefäß über dem Wasser zerschlagen hattest?“

 „Gesehen? Nichts hab´ ich gesehen, lieber Herr!“ antwortete der treulose Diener verwundert. Da hob sich Theophrastus zürnend von seinem Todtenbette auf und rief heftig: „Dann hast du mich belogen, du Schalk, und hast die Phiole nicht zertrümmert, geh´ augenblicklich hin, und thue, wie ich dir befohlen habe, damit du ein großes Unglück verhütest, welches dir selbst begegnen wird, wofern du meinen Auftrag auch zum zweitenmal nicht erfüllst!“

 Der Famulus erschrack über diese Rede so sehr, daß er sich nicht lang besann, sondern sich mit der geheimnißvollen Phiole auf den Weg nach der Brücke machte.

 Der falsche Nachbar hatte einstweilen sein Conterfei zu Theophrastus geschickt und vor dessen Augen an der Wand aufhängen lassen; der Diener, der es gebracht, ging dann wieder aus dem Krankenzimmer, aber nicht aus dem Hause, sondern wartete, dem Auftrage des Feldscheers zufolge, im Flur, um es diesem sogleich zu hinterbringen, sobald Theophrastus sterben würde. Als nun der Kranke wieder allein war, nahm er eine zierliche Bolzbüchse, die stets neben dem Bette stand, lud einen Bolz hinein, zielte auf das Bild, und schoß es mitten durch. Bald darauf wurde in dem Nachbarshause großes Wehklagen gehört, denn in jenem Augenblicke war der Feldscheer, worin er sich mit seinem Weib noch über seines Gevatters Verlassenschaft besprach, vom Schlage geührt, todt vom Stuhle zu Boden gefallen.

 Der Famulus that auf der Brücke, die über die Salza führt, genau wie ihm sein Herr befohlen hatte, denn die Angst hatte ihn plötzlich ganz und gar rechtschaffen gemacht. Er hielt also die gläserne Phiole sorgfältig weit über das Geländer hinaus, nahm dann einen Stein und zerschlug damit das Gefäß, daß das Elixir in den Fluß rann. In demselben Augenblicke war die ganze Oberfläche desselben von Goldschimmer bedeckt, und der Famulus sah nun mit Schrecken, welchen Verlust er gemacht, denn diese Tinktur hatte, — (obwohl der gegen das Podagra genau ähnlich, also, daß nur der Meister sie unterscheiden konnte) — die geheime Kraft, alles in Gold zu verwandeln. Er raufte sich nun das Haar und wollte grade in den Fluß springen, als der Goldschimmer allmählich wieder vom Wasserspiegel verschwand und die Goldkörner in die Tiefe sanken. Er besann sich schnell, und rannte nach dem Hause des Meisters, in der Hoffnung, noch eine solche Flasche zu finden.

 Als er in das Zimmer trat, merkte es Theophrastus gleich an dem kreideweißen Gesicht, daß der Diener seine Falschheít gebüßt habe, und fing zu an zu lachen. „Herr, Herr!“ schrie der Famulus . . . und wollte Auskunft, aber Theophrastus ließ ihn nicht weiter reden, und sprach: „Ich habe dir gesagt, es wäre dir ein Unglück, die geheime Kraft der Tinktur zu kennen; ja wohl ein Unglück wär´s, wüßte ich sterbend sie in der Hand eines Menschen wie du! . . .“ Obwohl nun der Schalk entlarvt war, so faßte er sich doch wieder schnell und fragte heuchlerischerweise: „Herr, ich bekenne reumüthig meine Unwürdigkeit; aber wer ist würdig auf Erden? Gewiß Niemand! Darum, wenn Ihr noch mehre solcher Phiolen habt, so sagt mir: welche es sind, lieber Meister, damit ich hingehe und sie vertilge . . .“ — „Es war die einzige, Narr!“ sprach Theophrastus, „man braut sie nicht in Eimern;“ und fing über die Thorheit der Welt zu lachen an, und lachte in Einem fort, bis ihm der Athem ausging.

 Ег wurde stattlich begraben, wie es sich für einen in geheimen Wissenschaften so tief gelehrten Mann geziemte. Die Salza aber führt seit jener Stunde in ihrem Sande — Gold.

Bibliography

anon. [Duller, Eduard]: ‘Theophrastus Paracelsus’, in: Phoenix, No. 218, 14 September 1836.