Oswald Crollius, Alchemomedizinische Briefe 1585 bis 1597, ed. Wilhelm Kühlmann and Joachim Telle, Stuttgart: Franz Steiner 1998, 160-161
Bacon, Roger: geb. um 1219 in oder bei Ilchester (Somerset/England); gest. nach 1292. – Nach Studien in Oxford und Paris war B. ein angesehener Lehrer („doctor mirabilis“), seit den 50er Jahren Franziskaner und streitbarer (zeitweilig inhaftierter) Anwalt von Reformen in Wissenschaft und Kirche, der hauptsächlich in Oxford und Paris wirkte. B. verfaßte zahlreiche Schriften theologischen, grammatischen und medizinisch-naturkundlichen Inhalts, in denen er Positionen einer „scientia experimentalis“ vertrat, unter ihnen einige enzyklopädische Werke (Opus maius, Opus minus, Opus tertium, Compendium studii philosophiae, Compendium studii theologiae) und Texte zur Mathematik, Astronomie/Astrologie, Komputistik, Optik und Physica. Seine Vorstellungen von Flugmaschinen, Unterseeboten u. a. ‘Mirabilien’ tauchten B. nach seinem Tode in den legendären Glanz eines Propheten und gewaltigen Magus, der um 1591 mit Robert Greenes Drama Friar Bacon and Friar Bungay, einem komödienartigen Seitenstück zum Faustus von Ch. Marlowe, in London schließlich die Bühne betrat.
In B.s Schriften spielte alchemomedizinisches Wissensgut eine Rolle (B. widmete sich insbesondere Fragen der Lebensverlängerung und glossierte im Zuge seiner Beschäftigung mit dem ps.-aristotelischen Secretum secretorum die alchemiehaltigen Secretum-Abschnitte einschließlich der Tabula smaragdina des Hermes Trismegistos). Der frühneuzeitliche Ruf, B. sei ein großer Alchemiker gewesen, beruhte jedoch hauptsächlich auf einem (historisch-kritisch unzureichend erschlossenen und in seiner Echtheit zweifelhaften) Alchemicacorpus, das einen häufig gedruckten Speculum alchemiae (in: De alchimia, Nürnberg: J. Petreius 1541 u. ö.; frz.: Lyon 1557, engl.: London 1597), einen Brieftraktat De mirabili potestate artis et naturae (ed. Oronce Finé, Paris 1542 u. ö.; auch u. d. T. De secretis operibus artis et naturae) oder ein Sammelwerk (Sanioris medicinae […] de arte chymiae scripta (Frankfurt/M.: J. Saurius für J. Th. Schönwetter 1603) einbegreift.
Zur Zeit Crolls wurden manche Ps.-B.-Alchemicaausgaben durch Paracelsisten, namentlich durch Johann Thölde (B., Von der […] Tinctur des Antimonii, in: Basilius Valentinus, Triumphwagen Antimonii, Leipzig: Jacob Apel 1604, S. 265–296) und Joachim Tancke (B., Medvlla alchimiae, J. Gaubisch [Eisleben] für J. Apel [Leipzig] 1608) besorgt. Schließlich zeigt auch das Wirken von Patrick Sanders, der 1597 in paracelsicis den schlesischen Erzparacelsisten Johannes Montanus aufgesucht hatte und B.s Brieftraktat De secretis operibus artis et naturae in der Fassung von John Dee (Hamburg: Froben 1618) herausgab, daß die Crollsche Akzeptanz B.s als einer alchemischen Autorität im Br. Nr. 4, dann auch in der Basilica chymica (1623, S. 89 u. ö.) im Alchemoparacelsismus um 1600 durchaus keinen Sonderfall darstellt.