Difference between revisions of "Biographies/Johannes Nicolaus Furichius"

From Theatrum Paracelsicum
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| VL16=3$Wilhelm Kühlmann$'''Vita''' Der Sohn des gleichnamigen Schreibzeugmachers (opifex atramentariorum) und seiner Ehefrau Elisabeth , geb. Huasch (Huach?) , beide (als Glaubensflüchtlinge?) aus Frankreich stammend und weiterhin in der Familie frz. sprechend, studierte in Straßburg (Qa4), wo intensive Kontakte mit Johann Michael → Moscherosch (Kühlmann 1984, bes. 112−114 Anm. 30−32) und dem Dramenautor Caspar Brülow (VL16 1, 354−364) bezeugt sind (Wc3, 41 f.; Hanstein 2013). Nach Erringung der Würden eines Magisters und gekrönten Poeten am 28. 11. 1622 (Qa1) wechselte F. 1623 in die med. Fakultät, studierte jedoch seit dieser Zeit intensiv auch die von der Universität und der Orthodoxie beargwöhnten hermetistischen bzw. paracelsistischen Theoreme und literarischen Traditionen (Entschuldigungsbrief zur Paracelsuslektüre und Distanzierung von Valentin Weigel [VL16 6, 469−481] vom 19. 3. 1624; Text u. Übers. in Kühlmann 1984, 115 f. mit Anm. 38). Poet. und briefliche Dokumente (Wa2 f.) sowie das Widmungsschreiben der Chryseis (Wc6; 1631; Reiser 2011, 66−71) bezeugen von 1593 an F.’ offenbar wachsende Interessengemeinschaft, ja sogar ‚Freundschaft‘ (persönliche Bekanntschaft 1630: Wa2) mit dem Hamburger hermetistisch und theosophisch versierten Hss.-Sammler, Editor und glühenden Anhänger des Rosenkreuzertums Joachim → Morsius (Reiser, 37−43), der bei der Orthodoxie als ‚Schwärmer‘ übel beleumundet war. </br> In dicht aufeinander folgenden Kasualgedichten an Mitstudenten, Honoratioren und Professoren aller Fakultäten bewegte sich F. als produktiver, um seine Vernetzung bemühter und gelegentlich auch noch eine frz. Ode (Wc3, 50 f.) schreibender Poet im akad. Milieu Straßburgs (ebd., 24 f. bzw. 37−41 z. B. Carmina an den namhaften Juristen Georg Michael Lingelsheim [VL16 4, 141−153] und den astronomisch bewanderten Mediziner Isaak → Habrecht). Zeitweise wirkte F. als Präzeptor der aus Schaffhausen stammenden Studenten Johann Wernher Bygel und Bartholomäus Peyer, worüber er brieflich (Wa1) an den Schaffhauser Prediger Melchior Hurter (1584−1655; zu ihm Wc3, 101 f.; an einen Johann Peyer ebd., 133 f.) Rechenschaft ablegte. Zu F.’ Gönnern gehörten mehrere Mitglieder der prominenten Schaffhauser Familie Oschwald, von denen er einen Johann Jacob Oschwald schon vor 1622 betreute (Briefe an sie in Wc3, 9−18; Gedichte ebd., 33−35, 69, 71 f., 103 f.), sowie das Schaffhauser Ratsmitglied Wilhelm Im Thurm (Wc1, A 2r; We15; Reiser, 348). Über die Schweiz (Genf 1625/26) reiste F. nach Italien, geriet in die Kämpfe um das Veltlin und verdingte sich 1626 in Brixen als Hauslehrer eines Offizierssohnes. Am 15. 10. 1626 immatrikulierte er sich in Padua als Medizinstudent (Qa5). Den Häuptern der dort versammelten jur. und med. Fachschaft der dt. Nation widmete er das erste seiner beiden alchemischen Lehrgedichte (Wc4; 1627). <br> Nach der Rückkehr nach Straßburg (immatr. 20. 1. 1628) verteidigte er dort am 1. 3. 1628 eine Disceptatio De Phrenitide (Wc5) und wurde zum Dr. med. promoviert (feierlicher Promotionsakt im Juni). Als praktizierender Arzt heiratete F. im selben Jahr Maria Barbette , Tochter des Goldschmieds Josias Barbette, mit der er fünf Kinder zeugte, von denen ihn ein Sohn und zwei Töchter überlebten. Zusammen mit etwa 300 anderen Straßburger Bürgern raffte ihn 1633 eine Seuche hinweg, zu großem Bedauern bedeutender Gelehrter wie u. a. G. M. Lingelsheim (Qa3; Brief an Matthias → Bernegger am 28. 10. 1633). </br> '''Werke''' Abgesehen von zwei med. Qualifikationsschriften (Wc2 u. 5) lässt sich F.’ (in Anbetracht seiner kurzen Lebenszeit recht weitläufiges) Œuvre gliedern in (1.) die Gruppe der in einem schmaleren (Wc1; 1622) und einem recht üppigen Sammelband (Wc3; 1624), dazu in Streuüberlieferungen (We) fassbaren lat. Lyrik bzw. kürzeren Versdichtungen (in Distichen bzw. Hexametern oder Jamben; Odenformen recht selten); sowie (2.) die zwei in Deutschland einzigartigen lat., in eher großepischem Format konzipierten alchemischen Lehrgedichte (Wc4 u. 6). Selbstverständlich beherrschte F. die geläufigen Genera der Kasualdichtung (Epicedia, Epithalamia, Apobateria, dazu die Möglichkeiten des Epigramms). Thematisch beachtenswert sind Äußerungen zu Amt und Aufgaben des Dichters (etwa Wc1, C 4r−v: Ad Poetam materia scribendi exhaustum). Dazu tritt Zeitgeschichtliches (ebd., A 5r−v; abgedruckt b. Reiser, 350: Actiones sceleratorum Militum quorundam) sowie, verstärkt in Wc3, Polemisches gegen die päpstliche Kirche und v. a. die Jesuiten (etwa Wc3, 70, 78, 84). Schon 1622 (Wc1) lässt sich in manchen Lyrica das Interesse an philos. und v. a. naturkundlichen Fragen bzw. Theoremen erkennen (Gedicht z. B.: Comparatio Mundi cum Homine, Wc1, B 4r−v, mit anderen Exempeln abgedruckt b. Reiser, 31 f.). In der Slg. von 1624 werden von F. ergänzt der monologische Typus De Seipso (Wc3, 54−56 u. 79), ferner eine Gruppe von vier hexametrischen Satyrae (105−113), in denen F. eigene und fremde (anonyme) Dichtungen kritisch diskutiert, dann eine Gruppe von vier Eclogae, die jedoch des schäferlichen Kolorits entbehren (113−125), darunter ein geistliches Gespräch zwischen Christus, Petrus und dem Daemon (Nr. I), sowie (Nr. IV) ein Colloquium Animae solvi Cupientis, et Corporis. Den Schluss (abgesehen von zwei Gelegenheitsgedichten in Distichen: 133−136) bildet hymnisch-‚heroische‘ Hexameterdichtung, darunter ein Hymnus an Christus über die Erweckung des Lazarus (129−133). Kurz vor seinem Tod publizierte F. noch als Einzeldruck ein lat. Trauerepyllion samt eigener frz. Übers. (ca. 200 vv.) auf den Tod des schwed. Kg.s Gustav Adolf (Wc7). </br> Auch ohne es zu bekennen, steht F. mit seinen beiden alchemischen Hexameter-Epen in der aemulativen Nachfolge der antiken Musterwerke eines Vergil und Lukrez wie auch bes. der Chrysopoeiae Libri III (Erstdruck Venedig 1515) des Giovanni Aurelio Augurelli (1456−1524; zum Vergleich im Umkreis der einschlägigen Lehrpoesie Reiser, 18−20 u. 51−56). F.’ 1627 in Padua u. d. T. Aurea Catena Sive Hermes Poeticus de Lapide Philosophorum (Wc4) gedruckte kürzere Fassung greift im Titel ein bis auf Homer zurückweisendes kosmologisches, mittlerweile neuplatonisch inspiriertes Sinnbild auf. Mit dem Stichwort ‚Hermes‘ erinnert das Werk an den mythischen Begründer der ‚hermetischen‘ Naturkunde bzw. Kunst; zugleich tritt es ein in das alchemischer Literatur geläufige Vexierspiel von transmutatorischer Fachterminologie, mythischer Allegorese, metaphorischer Periphrase, kosmologischer und astrologischer Spekulation. Hermes verschmilzt mit Apoll und Merkur, symbolisiert die Sonne, das Gold und nicht zuletzt das Quecksilber in seinen verschiedenen Formen. Antike Mythen illustrieren nach Maßgabe des sensus naturalis das Gemeinte (z. B. das Goldene Vlies oder die Äpfel der Hesperiden). Das Prooemium proklamiert hermetisches Wissen bes. für den Mediziner als unabdingbar, klärt aber auch über die gefährliche Ambivalenz eines Vordringens ins Unbekannte auf (Ikaros-Mythos), an dessen prozeduralem Ende dem Adepten der mit Inbrunst ersehnte, hier virtuos beschworene ‚philosophische Stein‘ aufleuchtet. Dieser Stein der Weisen (54 f.: purius aurum bzw. fermentum cunctis) ist das universale Elixir, ein Zugang zum verlorenen Paradies, ein Arkanum der Perfektionierung und mehr als sein materiales Substrat; er steht am Ende eines esoterischen Wege als utopische Chiffre in dunkler Zeit. </br> Manche Passagen hat F. mit nunmehr beigegebenen erläuternden Scholien in die vier Bücher seiner ca. 1600 Verse umfassenden Chryseis (Wc6; 1631) übernommen, die durch Reiser pionierhaft nicht nur übersetzt, sondern auch in ihrer Struktur und ihren Quellen (darunter die zuerst 1610 erschienenen Scholien zum Tractatus vere aureus, angeblichen Sentenzen des Hermes Trismegistos; erwähnt aber z. B. auch Werke von Marsilio Ficino , Pierre de Ronsard oder Julius Caesar Scaliger) im weiteren Umkreis untersucht und erläutert ist (bes. 47−51). Bereits aus den vorgesetzten Argumenta zu jedem Buch geht die eigenartige Struktur dieses Magnum opus (I, 1) hervor. Während das erste Buch den Autor über die verlorene Kunst der Chymia und die dazu gehörigen Kenntnisse der Elementenlehre und der Zusammenhänge des Mikro- und des Makrokosmos referieren lässt, konstituieren sich die Bücher II−IV als episodenreiche episch-allegorische Erzählung. Der Ich-Erzähler Chrysanthus berichtet über seine Erlebnisse in der libyschen Wüste, die sich als privilegierter Ort primordialer Offenbarungen und Visionen erweist. Verkünder dieser Offenbarungen sind ein sprechender Rabe (Hieroglyphe für ein alchemisches Verwandlungsstadium) und in mehreren Traumvisionen ein alter Mann, der die religiösen und moralischen Qualitäten des wahren Adepten und weisen Ratgebers repräsentiert, darüber hinaus Theoreme (etwa zur platonischen Weltseele oder zur Qualitätenlehre des Paracelsus), ferner Varianten der alchemischen Mythenallegorese und der chemischen Prozesstheorie (u. a. mit dem Bild der chemischen Hochzeit) eröffnet. Für diese Figur verweist F. auf Anregungen durch Ariost (Reiser, 102 u. 255 f.). Im Kern versteht sich das Epos als alchemische Umsetzung des Proserpina-Mythos in Kenntnis von Claudians De raptu Proserpinae. Chryseis gleicht der von Pluto, dem Gott der Unterwelt, geraubten Ceres-Tochter und hinterlässt die Kunde von den crescentia semina des Goldes und der Wissenschaft vom Chrysolith, dem aurum oder auch lapis philosophorum (II, 18 f.; Reiser, 104−109). </br> F.’ voraussetzungsreiche, in Bildern und Mythen kreativ schwelgende Epen erweitern erheblich das Bild der zeitgenössischen dt. Literaturgeschichte. Was dem Verfasser nicht ohne Erfolg offenbar vorschwebte, war die Vereinigung der Rolle des modernen hermetistisch bewanderten Naturkundlers, der sich am letzthin Unsagbaren abarbeitet, mit der Rolle des mit antiker und rinascimentaler poet. Größe rivalisierenden gelehrten Dichters.
| VL17=3$Wilhelm Kühlmann$'''Vita''' Der Sohn des gleichnamigen Schreibzeugmachers (opifex atramentariorum) und seiner Ehefrau Elisabeth , geb. Huasch (Huach?) , beide (als Glaubensflüchtlinge?) aus Frankreich stammend und weiterhin in der Familie frz. sprechend, studierte in Straßburg (Qa4), wo intensive Kontakte mit Johann Michael → Moscherosch (Kühlmann 1984, bes. 112−114 Anm. 30−32) und dem Dramenautor Caspar Brülow (VL16 1, 354−364) bezeugt sind (Wc3, 41 f.; Hanstein 2013). Nach Erringung der Würden eines Magisters und gekrönten Poeten am 28. 11. 1622 (Qa1) wechselte F. 1623 in die med. Fakultät, studierte jedoch seit dieser Zeit intensiv auch die von der Universität und der Orthodoxie beargwöhnten hermetistischen bzw. paracelsistischen Theoreme und literarischen Traditionen (Entschuldigungsbrief zur Paracelsuslektüre und Distanzierung von Valentin Weigel [VL16 6, 469−481] vom 19. 3. 1624; Text u. Übers. in Kühlmann 1984, 115 f. mit Anm. 38). Poet. und briefliche Dokumente (Wa2 f.) sowie das Widmungsschreiben der Chryseis (Wc6; 1631; Reiser 2011, 66−71) bezeugen von 1593 an F.’ offenbar wachsende Interessengemeinschaft, ja sogar ‚Freundschaft‘ (persönliche Bekanntschaft 1630: Wa2) mit dem Hamburger hermetistisch und theosophisch versierten Hss.-Sammler, Editor und glühenden Anhänger des Rosenkreuzertums Joachim → Morsius (Reiser, 37−43), der bei der Orthodoxie als ‚Schwärmer‘ übel beleumundet war. </br> In dicht aufeinander folgenden Kasualgedichten an Mitstudenten, Honoratioren und Professoren aller Fakultäten bewegte sich F. als produktiver, um seine Vernetzung bemühter und gelegentlich auch noch eine frz. Ode (Wc3, 50 f.) schreibender Poet im akad. Milieu Straßburgs (ebd., 24 f. bzw. 37−41 z. B. Carmina an den namhaften Juristen Georg Michael Lingelsheim [VL16 4, 141−153] und den astronomisch bewanderten Mediziner Isaak → Habrecht). Zeitweise wirkte F. als Präzeptor der aus Schaffhausen stammenden Studenten Johann Wernher Bygel und Bartholomäus Peyer, worüber er brieflich (Wa1) an den Schaffhauser Prediger Melchior Hurter (1584−1655; zu ihm Wc3, 101 f.; an einen Johann Peyer ebd., 133 f.) Rechenschaft ablegte. Zu F.’ Gönnern gehörten mehrere Mitglieder der prominenten Schaffhauser Familie Oschwald, von denen er einen Johann Jacob Oschwald schon vor 1622 betreute (Briefe an sie in Wc3, 9−18; Gedichte ebd., 33−35, 69, 71 f., 103 f.), sowie das Schaffhauser Ratsmitglied Wilhelm Im Thurm (Wc1, A 2r; We15; Reiser, 348). Über die Schweiz (Genf 1625/26) reiste F. nach Italien, geriet in die Kämpfe um das Veltlin und verdingte sich 1626 in Brixen als Hauslehrer eines Offizierssohnes. Am 15. 10. 1626 immatrikulierte er sich in Padua als Medizinstudent (Qa5). Den Häuptern der dort versammelten jur. und med. Fachschaft der dt. Nation widmete er das erste seiner beiden alchemischen Lehrgedichte (Wc4; 1627). <br> Nach der Rückkehr nach Straßburg (immatr. 20. 1. 1628) verteidigte er dort am 1. 3. 1628 eine Disceptatio De Phrenitide (Wc5) und wurde zum Dr. med. promoviert (feierlicher Promotionsakt im Juni). Als praktizierender Arzt heiratete F. im selben Jahr Maria Barbette , Tochter des Goldschmieds Josias Barbette, mit der er fünf Kinder zeugte, von denen ihn ein Sohn und zwei Töchter überlebten. Zusammen mit etwa 300 anderen Straßburger Bürgern raffte ihn 1633 eine Seuche hinweg, zu großem Bedauern bedeutender Gelehrter wie u. a. G. M. Lingelsheim (Qa3; Brief an Matthias → Bernegger am 28. 10. 1633). </br> '''Werke''' Abgesehen von zwei med. Qualifikationsschriften (Wc2 u. 5) lässt sich F.’ (in Anbetracht seiner kurzen Lebenszeit recht weitläufiges) Œuvre gliedern in (1.) die Gruppe der in einem schmaleren (Wc1; 1622) und einem recht üppigen Sammelband (Wc3; 1624), dazu in Streuüberlieferungen (We) fassbaren lat. Lyrik bzw. kürzeren Versdichtungen (in Distichen bzw. Hexametern oder Jamben; Odenformen recht selten); sowie (2.) die zwei in Deutschland einzigartigen lat., in eher großepischem Format konzipierten alchemischen Lehrgedichte (Wc4 u. 6). Selbstverständlich beherrschte F. die geläufigen Genera der Kasualdichtung (Epicedia, Epithalamia, Apobateria, dazu die Möglichkeiten des Epigramms). Thematisch beachtenswert sind Äußerungen zu Amt und Aufgaben des Dichters (etwa Wc1, C 4r−v: Ad Poetam materia scribendi exhaustum). Dazu tritt Zeitgeschichtliches (ebd., A 5r−v; abgedruckt b. Reiser, 350: Actiones sceleratorum Militum quorundam) sowie, verstärkt in Wc3, Polemisches gegen die päpstliche Kirche und v. a. die Jesuiten (etwa Wc3, 70, 78, 84). Schon 1622 (Wc1) lässt sich in manchen Lyrica das Interesse an philos. und v. a. naturkundlichen Fragen bzw. Theoremen erkennen (Gedicht z. B.: Comparatio Mundi cum Homine, Wc1, B 4r−v, mit anderen Exempeln abgedruckt b. Reiser, 31 f.). In der Slg. von 1624 werden von F. ergänzt der monologische Typus De Seipso (Wc3, 54−56 u. 79), ferner eine Gruppe von vier hexametrischen Satyrae (105−113), in denen F. eigene und fremde (anonyme) Dichtungen kritisch diskutiert, dann eine Gruppe von vier Eclogae, die jedoch des schäferlichen Kolorits entbehren (113−125), darunter ein geistliches Gespräch zwischen Christus, Petrus und dem Daemon (Nr. I), sowie (Nr. IV) ein Colloquium Animae solvi Cupientis, et Corporis. Den Schluss (abgesehen von zwei Gelegenheitsgedichten in Distichen: 133−136) bildet hymnisch-‚heroische‘ Hexameterdichtung, darunter ein Hymnus an Christus über die Erweckung des Lazarus (129−133). Kurz vor seinem Tod publizierte F. noch als Einzeldruck ein lat. Trauerepyllion samt eigener frz. Übers. (ca. 200 vv.) auf den Tod des schwed. Kg.s Gustav Adolf (Wc7). </br> Auch ohne es zu bekennen, steht F. mit seinen beiden alchemischen Hexameter-Epen in der aemulativen Nachfolge der antiken Musterwerke eines Vergil und Lukrez wie auch bes. der Chrysopoeiae Libri III (Erstdruck Venedig 1515) des Giovanni Aurelio Augurelli (1456−1524; zum Vergleich im Umkreis der einschlägigen Lehrpoesie Reiser, 18−20 u. 51−56). F.’ 1627 in Padua u. d. T. Aurea Catena Sive Hermes Poeticus de Lapide Philosophorum (Wc4) gedruckte kürzere Fassung greift im Titel ein bis auf Homer zurückweisendes kosmologisches, mittlerweile neuplatonisch inspiriertes Sinnbild auf. Mit dem Stichwort ‚Hermes‘ erinnert das Werk an den mythischen Begründer der ‚hermetischen‘ Naturkunde bzw. Kunst; zugleich tritt es ein in das alchemischer Literatur geläufige Vexierspiel von transmutatorischer Fachterminologie, mythischer Allegorese, metaphorischer Periphrase, kosmologischer und astrologischer Spekulation. Hermes verschmilzt mit Apoll und Merkur, symbolisiert die Sonne, das Gold und nicht zuletzt das Quecksilber in seinen verschiedenen Formen. Antike Mythen illustrieren nach Maßgabe des sensus naturalis das Gemeinte (z. B. das Goldene Vlies oder die Äpfel der Hesperiden). Das Prooemium proklamiert hermetisches Wissen bes. für den Mediziner als unabdingbar, klärt aber auch über die gefährliche Ambivalenz eines Vordringens ins Unbekannte auf (Ikaros-Mythos), an dessen prozeduralem Ende dem Adepten der mit Inbrunst ersehnte, hier virtuos beschworene ‚philosophische Stein‘ aufleuchtet. Dieser Stein der Weisen (54 f.: purius aurum bzw. fermentum cunctis) ist das universale Elixir, ein Zugang zum verlorenen Paradies, ein Arkanum der Perfektionierung und mehr als sein materiales Substrat; er steht am Ende eines esoterischen Wege als utopische Chiffre in dunkler Zeit. </br> Manche Passagen hat F. mit nunmehr beigegebenen erläuternden Scholien in die vier Bücher seiner ca. 1600 Verse umfassenden Chryseis (Wc6; 1631) übernommen, die durch Reiser pionierhaft nicht nur übersetzt, sondern auch in ihrer Struktur und ihren Quellen (darunter die zuerst 1610 erschienenen Scholien zum Tractatus vere aureus, angeblichen Sentenzen des Hermes Trismegistos; erwähnt aber z. B. auch Werke von Marsilio Ficino , Pierre de Ronsard oder Julius Caesar Scaliger) im weiteren Umkreis untersucht und erläutert ist (bes. 47−51). Bereits aus den vorgesetzten Argumenta zu jedem Buch geht die eigenartige Struktur dieses Magnum opus (I, 1) hervor. Während das erste Buch den Autor über die verlorene Kunst der Chymia und die dazu gehörigen Kenntnisse der Elementenlehre und der Zusammenhänge des Mikro- und des Makrokosmos referieren lässt, konstituieren sich die Bücher II−IV als episodenreiche episch-allegorische Erzählung. Der Ich-Erzähler Chrysanthus berichtet über seine Erlebnisse in der libyschen Wüste, die sich als privilegierter Ort primordialer Offenbarungen und Visionen erweist. Verkünder dieser Offenbarungen sind ein sprechender Rabe (Hieroglyphe für ein alchemisches Verwandlungsstadium) und in mehreren Traumvisionen ein alter Mann, der die religiösen und moralischen Qualitäten des wahren Adepten und weisen Ratgebers repräsentiert, darüber hinaus Theoreme (etwa zur platonischen Weltseele oder zur Qualitätenlehre des Paracelsus), ferner Varianten der alchemischen Mythenallegorese und der chemischen Prozesstheorie (u. a. mit dem Bild der chemischen Hochzeit) eröffnet. Für diese Figur verweist F. auf Anregungen durch Ariost (Reiser, 102 u. 255 f.). Im Kern versteht sich das Epos als alchemische Umsetzung des Proserpina-Mythos in Kenntnis von Claudians De raptu Proserpinae. Chryseis gleicht der von Pluto, dem Gott der Unterwelt, geraubten Ceres-Tochter und hinterlässt die Kunde von den crescentia semina des Goldes und der Wissenschaft vom Chrysolith, dem aurum oder auch lapis philosophorum (II, 18 f.; Reiser, 104−109). </br> F.’ voraussetzungsreiche, in Bildern und Mythen kreativ schwelgende Epen erweitern erheblich das Bild der zeitgenössischen dt. Literaturgeschichte. Was dem Verfasser nicht ohne Erfolg offenbar vorschwebte, war die Vereinigung der Rolle des modernen hermetistisch bewanderten Naturkundlers, der sich am letzthin Unsagbaren abarbeitet, mit der Rolle des mit antiker und rinascimentaler poet. Größe rivalisierenden gelehrten Dichters.
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Revision as of 16:39, 20 April 2024



Johannes Nicolaus Furichius
First Names: Johannes Nicolaus, Johann Nikolaus
Given Names: Furichius, Furich

Physician, poet

born 1602 in Strasbourg
died 14 October 1633 in Strasbourg



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