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| VL17=2$Carsten Nahrendorf$'''Vita''' Geboren wurde C. als neuntes von zehn Kindern des gleichnamigen luth. Pastors zu Norden und seiner Ehefrau Galathea, geb. Copin (Herberger 1981, 11). An der 1611 in Norden grassierenden Pest starben sechs seiner Geschwister. Auch der Fünfjährige erkrankte schwer (Qa6, )( 2r−v u. Qa7, E 4v) und litt lebenslang unter den Folgen, die sich in seiner auffällig kleinen, schwachen Statur und Anfälligkeit für Krankheiten äußerten. Nach dem Besuch der Elementar- und Lateinschule in Norden, wo er seinen Lehrern, u. a. dem nlat. Dichter Hermann Mesander, bereits früh als Hochbegabter aufgefallen war, machte er durch ein nlat. Frühwerk, die an Justus Lipsius orientierte, die gekrönten Poeten verspottende Satyra Menippaea (Moeller 1915, 6−11), den Helmstedter Professor Cornelius Martini auf sich aufmerksam. Auf Vermittlung von Martini, in dessen Haushalt C. zu Beginn wohnte, wurde er am 25. 10. 1620 an der Univ. Helmstedt immatrikuliert (Qa1), die bis zu seinem Tod 1681 seine Wirkungsstätte bleiben sollte und durch seine europaweite Reputation als Universalgelehrter zu einem der einflussreichsten Zentren prot. Gelehrtenkultur wurde. </br> Von seinen frühen Helmstedter Lehrern Martini, Rudolph Diephold, Christoph Heidmann, Conrad Hornejus, Heinrich Meibom d. Ä. (VL16 4, 338−356) und v. a. Georg → Calixt, die ganz in der Tradition des säkularen, durch den Späthumanisten Johannes Caselius (VL16 1, 478−497) nach Helmstedt gelangten Aristotelismus ital. Prägung standen (Sparn 2001, 554−565), erhielt C. seine wissenschaftliche Ausrichtung am Werk des Aristoteles und seine Orientierung an der überkonfessionellen Irenik Calixts. Bedeutend erweitert und modifiziert wurde dieser Helmstedter Aristotelismus im Werk von C. durch den zweiten entscheidenden Einfluss seiner Lehrjahre: den durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges erzwungenen und durch Calixt vermittelten Wechsel an die Univ. Leiden (Nahrendorf 2016, 60 f.). C. wurde am 22. 5. 1626 in Leiden immatrikuliert (Qa2) und studierte dort bei den führenden Protagonisten des ndl. Späthumanismus, bei Daniel Heinsius, Gerhard Johannes Vossius und Caspar Barlaeus (Herberger 1981, 23−29). </br> Indem er in Leiden die gelehrte Praxis des Exzerpierens in Kollektaneen perfektionierte und seine Kenntnisse auf den Gebieten der Medizin, Naturphilosophie, Theologie, Jurisprudenz und Politik bedeutend erweiterte, schuf C. „die Grundlage für sein späteres enzyklopädisches Wissen“ (Stolleis 1983a, 15). Gleichzeitig lassen sich wohl auch C.s Einsatz für religiöse Toleranz und seine Offenheit gegenüber den neuesten wissenschaftlichen und polit. Strömungen auf seine Erfahrungen in den republikanischen, multikonfessionellen Niederlanden zurückführen. Diese frühe nonkonformistische Prägung ging so weit, dass er sich in einem Brief vom 27. 6. 1631 gegenüber seinem Mentor Barlaeus „als überzeugter Arminianer zu erkennen“ gab (Mager 1983, 59) und sich bei diesem über die konfessionelle Enge und ‚Gewissensknechtung‘ durch die Confessio Augustana und das Corpus Doctrinae Iulium, den Konfessionseid im luth. Helmstedt, beklagte, wohin er keinesfalls zurückkehren wollte (Wb5, I, ):( ):( ):( ):( 2r; Herberger 1981, 28 f.). Doch da ihm Barlaeus nahelegte, die ihm zuvor von Calixt angebotene Stelle als Hauslehrer des Sohnes des Braunschweigischen Kanzlers Arnold Engelbrecht anzunehmen, die mit der Aussicht auf die Professur für Naturphilosophie in Helmstedt verbunden war, entschied sich C. zur Rückkehr nach Braunschweig (Stolleis 1983a, 15). Nachdem er Leiden im Nov. 1631 verlassen hatte, erhielt C. in Engelbrechts Haus, wo er oftmals Gespräche mit erfahrenen Staatsmännern wie dem Juristen und Kanzler Jacob Lampadius führen durfte (Scheel 1983, 278), erstmals Einblick in die Sphäre der polit. Praxis, die eine weitere Konstante in seinem Schaffen bilden sollte. </br> Nach seiner erfolgreichen Bewerbung um die Professur für Naturphilosophie an der Univ. Helmstedt (Herberger 1981, 32−35) wurde C. am 18. 8. 1632 zum Professor der Physik und Rhetorik ernannt. Bereits einen Monat später hielt er seine Antrittsvorlesung, zwei Lobreden auf Aristoteles (Wc4), die wegen der darin geforderten Meinungsfreiheit in den Wissenschaften und freimütig geäußerten arminianischen Anschauungen bei Hornejus und Calixt Anstoß erregten und erst 1633 in einer zensierten und überarbeiteten Fassung gedruckt werden konnten, was sein Verhältnis zu seinen ehemaligen Lehrern eintrübte (Moeller, 35−43). Mit der ersten Helmstedter Disputation De Scorbuto (Wc5; 1634) wurde C. am 30. 7. 1634 Lizentiat der Medizin. Am 21. 4. 1636 erwarb er die Doktorgrade der Philosophie und Medizin und heiratete am gleichen Tag Anna Maria Stucke, die Tochter von Johann Stucke, Helmstedter Primarius der Juristenfakultät und Vizekanzler in Hannover. C.s Ehefrau brachte eine bedeutende Mitgift und Grundbesitz in die Ehe ein und gebar ihm elf Kinder, von denen sieben das Erwachsenenalter erreichten, darunter Maria Sophia → Schelhammer, spätere Verfasserin populärer Kochbücher (Herberger 1981, 89−99). </br> Nachdem sich C. im Juli 1636 erfolgreich um die Professur für Medizin beworben und diese am 30. 9. 1637 auch erhalten hatte (Matr. Helmstedt I, 420; Herberger 1981, 40−42), war seine berufliche Tätigkeit im Folgejahrzehnt bis 1650 hauptsächlich med. ausgerichtet, indem er an der Academia Iulia Vorlesungen über Anatomie, Physiologie und Arzneimittellehre hielt, seine Schüler über ein großes Spektrum von Krankheitsformen disputieren ließ (Triebs 1995), mit seinen Studenten in der Umgebung von Helmstedt botanisierte, Tiere und menschliche Leichen sezierte und sich „[n]eben dem Lehramt […] eine umfangreiche ärztliche Praxis“ aufbaute (Rosner 1983, 88). Seinen exzellenten Ruf als praktizierender Arzt bezeugen seine Ernennung zum Leibarzt der Fürstin Juliane von Ostfriesland (1649), Kg.in Christinas von Schweden (1650) und Kg. Karls X. Gustav von Schweden (1658; Herberger 1981, 38−45). In seinen bedeutendsten Schriften auf dem Gebiet der Medizin schloss sich C. William Harveys epochaler Entdeckung des großen Blutkreislaufs an (Wc20) und setzte sich kritisch mit der hermetischen Medizin, dem Paracelsismus und der Alchemie auseinander (Wc27; Rosner 1983, 107−120). </br> Da C. als vielseitiger Polyhistor bereits seit 1634 parallel Vorlesungen und Disputationen zu zahlreichen Themen der politica oder ‚Staatsklugheit‘ sowie zur dt. Rechts- und Verfassungsgeschichte gehalten hatte, wurde ihm 1650 zusätzlich zur med. auch die Professur für Politik in Helmstedt verliehen (Matr. Helmstedt I, 420). Laut Bestallungsurkunde vom 4. 12. 1650 war es fortan seine Aufgabe, in seinen Vorlesungen abwechselnd den Text der Politik des Aristoteles auf die Staatenkunde anzuwenden und im jeweils anderen Jahr die Reichsverfassung des Heiligen Römischen Reiches nach aristotelischen Prinzipien zu lehren (Kundert 1983, 403), woran er sich in den folgenden drei Jahrzehnten seiner Lehrtätigkeit in Helmstedt auch orientiert hat. Ein weiteres Zeichen seiner beachtlichen Produktivität sind ca. 144 Disputationsdrucke, die unter C. als Praeses gehalten worden sind, wobei 80 polit. und jur. ausgerichtete gegenüber 64 med. leicht überwiegen (ebd., 410). </br> Die für C. persönlich folgenreichste Disputation war wohl De Imperio Romano Germanorum (Wc18), in der sein Schüler und Respondent Johann Christian von Boineburg am 6. 12. 1643 die Geltung des röm. Rechts anzweifelte. Als späterer kurmainzischer Minister ermöglichte Boineburg seinem ehemaligen Lehrer C. ab 1660 Kontakte zum frz. Königshof (Kunisch 1983, 246−250). In ihrer mehr als 400 Briefe umfassenden Korrespondenz von 1650 bis 1672 (Wa3 u. Wb6), die ohne Zweifel zu den bedeutendsten Zeugnissen der dt. Gelehrtenkultur, Politik und Irenik des 17. Jh.s zählt, thematisierten C. und Boineburg dessen Konversion zum Katholizismus, den Streit zwischen Kurmainz und Kurköln um das Krönungsrecht sowie die aktuellen Entwicklungen auf dem Buchmarkt und in der Reichspolitik (Stobbe 1870, 11−44; Arnswaldt 2004, 32−70). </br> Ab 1650 wurde C.s Lehrtätigkeit in Helmstedt wiederholt durch diplomatische Reisen im Dienst verschiedener europäischer Fürsten und Könige unterbrochen. Nachdem er bereits 1649 als Geheimrat und Leibarzt in den Dienst der Fürstin Juliane von Ostfriesland und ihrer Nachfolger getreten war, reiste C. im Mai 1650 auf Einladung der Kg.in Christina von Schweden nach Stockholm, wo er ebenfalls den Titel eines kgl. Rates und Leibarztes erhielt. Wie er auch sonst alle ehrenvollen Berufungen an andere Höfe und Universitäten ablehnte, entschied sich C. zwar gegen eine Übersiedlung nach Schweden, verfasste jedoch bis 1669 zahlreiche Gutachten und Bedenken, in denen er die territorialen Ansprüche Schwedens nachdrücklich legitimierte (Wc37; Kunisch, 244−246). Die Erforschung von C.s Verhältnis zum schwed. Hof könnte durch die Auswertung eines im Wolfenbütteler Archiv aufgefundenen Bandes mit Konzepten seiner Briefe an Kg.in Christina und ihre Nachfolger auf eine völlig neue Grundlage gestellt werden (Wa10). </br> Auf ganz ähnliche Weise stand C. in Diensten von Kurmainz, Karl X. Gustav von Schweden, Ludwig XIV. von Frankreich sowie Friedrich III. und Christian V. von Dänemark, indem er jeweils ehrenvolle Ämter und überaus lukrative Gratifikationen erhielt, wofür er sich mit publizistischen Stellungnahmen im Sinne seiner Dienstherren revanchierte (Kunisch, 244−254; Herberger 1981, 60−88). Pekuniäre Interessen ließen C. in zahlreichen Gutachten und Bedenken rigoros die territorialen Interessen von Fürsten und Städten vertreten, was im latenten Widerspruch zum Programm des aristotelischen Gemeinwohls seiner theoretischen Schriften steht (Scheel, 299 f.). In der Hoffnung auf ein baldiges Ende der Herrschaft der Habsburger ging C. 1672 sogar so weit, sich in einem Brief an Bf. Ferdinand von → Fürstenberg für die Eroberung Deutschlands und die Übernahme des Kaisertums durch seinen Gönner Ludwig XIV. auszusprechen (Wb5, VI, 446; Kunisch, 242 f. u. 249). </br> Ein bes. intensives Verhältnis ging C. zu den Herzögen von Braunschweig und Lüneburg ein (Scheel). Neben Boineburg bildet die Korrespondenz mit Hz. → August d. J. den zweiten Schwerpunkt im Briefwechsel von C. Im Zeitraum von 1644 bis zum Tod Augusts im Jahr 1666 adressierte C. mehr als 300 Briefe an den Herzog, wobei die Antwortschreiben bis auf wenige Ausnahmen nicht erhalten sind. Nach C.s Bestallung vom 9. 10. 1660 zum ‚Rat von Haus aus‘ am Wolfenbütteler Hof wächst die Anzahl der Briefe exponentiell, was in der Forschung als Zeichen für die Ausbildung eines Vertrauensverhältnisses gewertet wurde (ebd., 285; Herberger 1983, 474−500). Während C. dem Herzog auf Dt. über allgemeine polit., hist. und familiäre Angelegenheiten berichtete, korrespondierte er mit ihm in Lat., wenn es um gelehrte Themen wie eigene oder Werke anderer Gelehrter, die Anschaffung von Büchern für die Bibliotheca Augusta oder Berufungen von Professoren an die Academia Iulia ging (Scheel, 285 f.). Darüber hinaus verfasste C. zahlreiche gelehrte und jur. Gutachten für Hz. August sowie 1661 eine Lobschrift auf die Bibliotheca Augusta in Form eines Briefes an Boineburg (Wc43; 1661; A5), in dem er die bleibenden Verdienste Augusts als Sammler und Bibliothekar würdigte und seine Bücherslg. mit den großen Bibl.en von der Antike bis zur Neuzeit verglich, wobei er sämtliche antiken Zitate aus Lipsius’ De Bibliothecis Syntagma übernahm (Mortzfeld 1981, XLVIII−LXXIX). Aufgrund C.s prominenter Stellung als gelehrter Berater beim Aufbau der Wolfenbütteler Bibl. erscheint eine Edition des Briefwechsels dieser beiden zentralen Protagonisten der Gelehrtenrepublik des 17. Jh.s als dringliches Desiderat. </br> Als C. im SoSe 1680 seine letzte Vorlesung über das Reich der Germanen nach Tacitus anbot (Qa3), schloss sich gewissermaßen ein Lebenskreis, denn er hatte die Germania von Tacitus bereits 1635, am Beginn seiner Helmstedter Zeit, herausgegeben (Wf4). C.s letzte Disputation ‚Über den Senat in freien Staatswesen‘ (Wc66; 1681) fand im Juli 1681 statt, nur wenige Monate vor seinem Tod. Im Jahr seines Todes konnte C. als berühmtester und mit 600 Talern bestbesoldeter Professor der Academia Iulia auf eine mehr als 49 Jahre währende Lehrtätigkeit zurückblicken. Nachdem C. in seinen letzten Lebensjahren bereits mehrfach wegen Arbeitsüberlastung erkrankte und zuletzt wohl auch unter Depressionen litt (Qa7, K 2v; Scheel, 271), verstarb er nach kurzer schwerer Krankheit am 12. 12. 1681. Er wurde in der Kirche zu Groß Twülpstedt beerdigt und hinterließ das größte Privathaus in Helmstedt, drei Landgüter und eine bedeutende Gelehrtenbibl. mit 4.622 Einzeltiteln, die sein Sohn Johann C. im Juli 1694 versteigern ließ (Qa8; Raabe 1983, 418; Herberger 1981, 89−97).
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Revision as of 18:08, 20 April 2024



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